Ökolampad, Johannes - Bibelstunden über den 1. Brief des Johannes - Vierzehnter Vortrag.

Ökolampad, Johannes - Bibelstunden über den 1. Brief des Johannes - Vierzehnter Vortrag.

Es ist nicht genug, dass der Lehrer die Seinigen ansporne schnell zu laufen, wenn er sie nicht auch vor den vielen Gefahren und vor Hinterhalte warnt, denen wir uns in der Eilfertigkeit aussetzen, damit sie mit Vorsicht laufen. Unser Johannes hat viel über Zuversicht gesprochen, die Zuversicht aber bereitet ebenso wohl Unbedachtsamkeit und Überstürzung, als die Eilfertigkeit, wenn sie nicht Sorgfalt und Vorsicht zu Begleiterinnen hat. Wir können Viele auf ebener Erde fallen sehen, indem sie zu sehr ihrer eigenen Kraft vertrauen, während sie an abhängigen und schlüpfrigen Örtern sicher gehen. Ähnliches begegnet denen, welche auf dem Wege des Gesetzes des Herrn wandeln, indem die Gegenwart des Herrn sie sicher und munter macht. Wahrlich, wenn diese ihre Hoffnung nicht durch heilige Furcht und wachtsame Sorge bewahren, so wird die Sache täglich schlimmer.

Denn der Geist, welcher den Frommen verliehen ist, kann ihnen wiederum entzogen werden, wenn sie kalt und schläfrig sind. Daher bittet David um Wiederverleihung desselben, indem er sagt: „Gib mir wieder deiner Hilfe Wonne und mit willigem Geiste rüste mich aus.“ Solches hätte er nicht gebeten, wenn die Sorglosen sich nicht in Gefahr befänden. Damit wir aber nicht aus dem gestern Vernommenen (dass er in uns bleibe, und dass wir an dem Geiste, den er uns gegeben, erkennen, dass er in uns bleibe;) damit wir nicht bei solcher Fülle die Furcht ablegen, warnt er uns vorsichtig, indem er sagt:

Geliebte, glaubt nicht jeglichem Geiste, sondern prüft die Geister, ob sie von Gott sind.

Damit will er sagen: Jener Geist zwar, von dem ich gesprochen, und der uns antreibt, Liebe zu üben, und die Gebote Gottes zu halten, ist ein guter und zuverlässiger: aber es gibt auch andere Geister, die euch anderswohin verleiten wollen. Wie ich daher will, dass ihr jenem gehorcht, so möchte ich euch vor diesen warnen, dass ihr euch nicht verderben lasst. Denn Allen zu glauben und Niemanden zu glauben ist gleich verderblich. Denn wer leicht glaubt und sich wie ein Rohr vom Winde hin und her bewegen lässt, ist ein unbeständiger Mensch und geht leicht zu Grunde. Wer dagegen Niemanden glaubt und seine Ohren vor der Wahrheit verschließt, wird am Ende verzweifeln. Es ist nicht mit so großer Gefahr verbunden, die Gottlosen zu hören, wenn man ihnen nicht glaubt: aber diejenigen laufen Gefahr, die ihnen Glauben schenken: Der Eva hätte es auch nicht geschadet, im Gegenteile genützt, die Schlange zu hören: aber dass sie der Schlange mehr Glauben schenkte, als Gott, war für sie verderblich. Es hangt nicht von unserem Willen ab, von welchen Winden wir angeweht werden. Wir sind oft gezwungen Manches auch wider Willen zu hören; aber solchem Glauben zu schenken ist sowohl sündlich als verderblich. Auch das Hören selbst ist übel, wenn es mit Lust geschieht. „Böse Reden verderben gute Sitten.“ Daher dachte die selige Jungfrau und Mutter des Herrn bei sich, welch ein Gruß das sein möge: Eva dagegen machte es nicht so. Auch Paulus schreibt an die Thessalonicher: „Prüft Alles und das Beste behaltet.“ Übrigens ist die Prüfung der Geister an sich eine große Gabe des Geistes, und es ist zuweilen den Gläubigen verliehen, nicht nur sich selbst, sondern auch Andere zu beurteilen, von was für einem Geiste sie erfüllt seien. Es ist hier jedoch nicht die Rede von Geistererscheinungen, wie Einige diese Stelle deuten möchten. Überhaupt muss man von solchen nichts glauben, als was bewiesen wird. Meistens sind es Betrügereien der Teufel: denn wenn sie auch zuweilen etwas Wahres sagen, so mischen sie doch viele Lügen darunter, die man nicht glauben würde, wenn sie nicht mit Wahrheit untermischt wären. Und je wahrscheinlicher sie reden, desto verdammlicher sind sie: wie man solches an den Aussprüchen des Orakels von Delphi sehen kann, durch welche geschehen ist, dass die Heiden vom wahren Gott abgefallen, und einen Götzen oder einen Teufel für Gott verehrt haben. Wenn daher auch ein solcher Geist uns zu scheinbar guten Werken ermahnt, wie zu Messen, Wallfahrten und dergleichen, die übrigens mehr den Schein von guten Werken an sich haben, als dass sie wahrhaft gut wären: so geschieht dieses nicht zum Frommen für den Menschen, sondern damit er, während er solchen Dingen Glauben beimisst, dem Worte Gottes nicht glaube; was für den Menschen das größte Übel ist. Denn wo auch Engel erschienen, geschehe solches, außer zur Stärkung des Glaubens, kaum ohne Gefahr für unsere Schwachheit; denn selbst der Satan ist im Stande sich mit dem Scheine eines Engels des Lichtes zu umkleiden. Ja man kann nicht sagen mit welchen Kriegslisten der Feind das Menschengeschlecht umstellt. Daher sind Geistererscheinungen nicht wünschbar, und es soll sich auch Niemand für würdig halten, Christum oder Engel zu sehen. Nachdem der heilige Geist die Schriften so durch die Apostel klar erläutert hat, was bedürfen wir noch der Geistererscheinungen? zumal da Christus selbst ermahnt: „sie haben das Gesetz und die Propheten.“ Wenn aber Gott Jemanden unter den Seinigen einer Erscheinung guter Engel würdigt, wie den Petrus, so soll man ihnen dennoch nicht blindlings, sondern erst nachdem man sie geprüft, das Herz zum Gehorsam eröffnen. Hier dagegen redet unser Apostel nicht von Geistern, die in sichtbarer Gestalt erscheinen: sondern von solchen, die unser Herz durch höhere Erleuchtungen sowohl bei der Lehre als bei der Wahl der Werke bestimmen. Wenn du z. B. ein wichtiges Geschäft unternehmen willst, wie das Priesteramt antreten, ins Kloster gehen, den Feind bekriegen, Gefahr fliehen, Geld anlegen; oder wenn Ungewohntes gelehrt wird, wie in gegenwärtiger Zeit; oder wenn ein Prophet auftreten würde, in allen solchen Fällen ermahnt uns der Apostel und sagt: Siehe zu, dass du nicht zu leicht glaubst, sondern prüfe es wohl, sieh' nicht allein auf den äußeren Schein, sondern betrachte das Ziel, nach dem man steuert, und erwäge dann, ob es aus Gott sei. Du wollest auch nicht diese Prüfung Anderen überlassen, sondern du selbst sollst es tun. Er sagt auch nicht bloß, dieser oder jener soll es tun, sondern alle ohne Unterschied, denen diese Gabe verliehen worden. Es würdigt aber der Geist nicht allein die Hohen, sondern auch die Niederen, der Offenbarung seiner Geheimnisse, indem bei ihm kein Ansehen der Personen gilt. Es heißt uns aber der Apostel zuerst prüfen, und nicht sogleich verdammen, wie jetzt viele zu tun pflegen, so dass sie ohne es zu hören verdammen und mit dem Banne belegen. O Richter, o Beurteiler! Du aber stürze dich nicht so unüberlegt in jedwedes Urteil; sondern prüfe zuerst und urteile so, wie du selbst wünscht beurteilt zu werden. Und wie soll ich es prüfen, sprichst du? Prüfe, ob es von Gott sei. Er sagt nicht prüfe, ob der Kaiser, der Papst, oder ein Konzilium es gut geheißen: sondern prüfe, ob es von Gott sei. Überlass es nicht Anderen; denn es handelt sich um deine Sache. Prüfe es aber, ob es von Gott sei, denn „alle Menschen sind Lügner.“ Und wenn du auch weiter fragst: Woher und auf welche Weise kann ich es wissen, was Gott gefalle oder missfalle; was von Gott herkomme oder nicht: Denn unergründlich sind die Ratschlüsse Gottes, und seine Wege sind unerforschlich? Wenn wir keine heilige Schrift hätten, wenn der Sohn Gottes, der im Schoße des Vaters ruht, es nicht erzählt hätte, so wäre vielleicht diese Frage am Ort; jetzt aber finden wir noch nach dem Brief an die Galater in der heiligen Schrift Salbe, Arznei und Rat. Denn wir haben ein bestimmtes Ziel und eine Richtschnur, die uns nicht irre gehen lässt, so dass wenn selbst ein Engel vom Himmel, ja wenn alle Engel kämen, und uns ein Anderes lehrten, sie verflucht sein müssten. Vor Allem muss der Christ überzeugt sein, dass die heilige Schrift von Gott eingegeben sei. Und wahrlich, die legen ihre Gottlosigkeit deutlich an den Tag, welche entscheiden wollen, ob man das Evangelium lehren solle oder nicht. Diejenigen aber, welche behaupten, die Apostel und Evangelisten haben ohne Eingebung des heiligen Geistes geschrieben, oder welche die Verkündiger des Evangeliums verfolgen, diese sind die ärgsten Feinde der Wahrheit und größten Lästerer. Alle diejenigen, welche sich das Lehramt wählen, ohne die heilige Schrift zu ihrer Richtschnur zu nehmen, sind nicht von Gott, sondern sind Diebe und Räuber: denn sie sind nicht durch die Türe eingegangen, sondern anderswo. Prüft nun, ob sie von Gott seien? Und was ruft ihr uns entgegen? Die Väter pflichten uns bei, die Kirche (nämlich diejenige, die sie erdacht haben) steht auf unserer Seite, unsere Ansicht ist von Konzilien, Päpsten, Bischöfen, Mönchen, Hochschulen, und durch die Übereinstimmung der ganzen Welt so viele Jahrhunderte hindurch geglaubt und bestätigt worden. Freunde, bis jetzt habt ihr nur Menschen genannt, der Apostel heißt uns aber prüfen, ob sie von Gott seien. Es kann aber sein, dass selbst Mönche, Konzilien und Hochschulen sich irren, ja es müssen alle im Irrtum sein, die dem Worte Gottes widerstreiten. Es müssen auch die Überlieferungen der Väter geprüft werden, ob sie aus göttlicher Eingebung gesprochen seien oder nicht. So fragte auch Christus die Juden über Johannes, ob die Taufe Johannes von Gott gewesen sei oder nicht: indem er nämlich anzeigen wollte, dass sie, wenn sie von Menschen herrühre, kein besonderes Ansehen verdiene, wenn sie aber aus Gott sei, sei sie schon bewährt. Was lassen wir uns daher durch Gespenster von Menschen täuschen? Hier glaube ich aber schon zu hören, was Einige vor sich hin murren. Rühmen sich nicht auch die Ketzer der Schrift? Ja wohl, und wenn sie die Schrift recht anwenden, so können sie mit derselben keineswegs verworfen werden, noch sondern sie sich dadurch ab. Wenn sie aber nach Art des Teufels einige Stellen aus ihrem Zusammenhang ausrupfen, um ihre Lehrsätze zu beweisen, wie könnte man sie wieder aufnehmen? Denn der Teufel führte auch die Stelle aus dem Psalmen an: „Er hat seinen Engeln befohlen deinetwegen.“ Daher muss man auch hierbei die Geister prüfen. Was soll ich nun anfangen, sprichst du, da ich die Schrift nicht kenne? Woher soll ich wissen, was aus Gott sei? Ich will dir auch hier den Maßstab, den der Apostel gestern bezeichnet, an die Hand geben: aus Gott ist nämlich Alles, was dich zum Glauben an den Namen Jesu Christi anleitet, was deinen Glauben mehrt, und aus diesem Glauben zur Nächstenliebe führt. Den falschen Propheten ist es eigen vom Glauben abzufallen: und wo kein Glaube ist, da ist auch keine Liebe: wo aber die Liebe nicht ist, da ist auch Gott nicht. Und wenn du willst, so wollen wir dafür Beispiele anführen. Der römische Ablass soll der Text sein. Willst du dartun, dass dieser nicht von Gott sei? Man kann frei auf offener Straße behaupten, dass durch denselben nicht die Ehre Gottes gesucht werde, sondern dass es dem Papste Geld eintragen solle. Und zu welchem Zwecke? Wohl um daraus die Armen zu speisen? Keineswegs, sondern um seine Hoffart zu nähren, vielleicht auch um Kriegsheere zu werben, und um die Armen zu misshandeln: der Geist Christi aber und die Liebe lehren nicht Hoffart, Krieg und Ausschweifungen. Aber wir wollen annehmen, dieses verhalte sich nicht also: so betrachte nun, ob der Glaube wohl durch denselben gemehrt werde. Wie kann er vielmehr nur vor Schaden gewahrt werden, wo wir mehr an unsere Werke und an die Rechtfertigung durch dieselben gewiesen werden, als an die Barmherzigkeit Gottes? Und wenn Jemand damit verspotten würde, wir werden ja an die Werke gewiesen, die aus dem Glauben kommen, so überführen wir ihn durch den Namen des Ablasses selbst, denn durch denselben werden diejenigen, die gute Werke zu tun schuldig sind, von dieser Pflicht entbunden. Davor entsetzt sich der Geist auf der Stelle, wie sehr auch jene Schriftverdreher jene Stelle drehen: „Du bist Petrus rc. Und Alles, was du auf Erden binden wirst, soll auch im Himmel gebunden sein, und alles, was du auf Erden lösen wirst, soll auch im Himmel los sein.“ Willst du ferner auch die Sekten der Brüderschaften durch den Geist verwerfen, so sieh' zu, was sie den Glauben achten, und wie sie für die Ehre Christi sorgen. Schon ihr Name zeigt, dass sie zu wenig an Christum glauben. Während sie sich allein des Namens Christi rühmen sollten, rühmen sie sich des Sebastian, der Maria oder des Benediktus. Ist denn irgend ein Benediktus für sie gestorben? Oder ist Jemand auf den Namen des Benediktus getauft worden? Siehe, wie dabei der Glaube Gefahr läuft; doch noch weit mehr die Liebe: denn nur wenige Glieder verschwören sich untereinander, die Übrigen werden von ihnen verachtet. Jedermann weiß auch, dass sie nur solche, die Geld haben, zu Mitgliedern annehmen. Wer sieht auch nicht, wie sie sich in törichter Hoffnung blähen, als könnten sie vor Anderen hier sicher leben oder auch von hinnen scheiden? Viel teurer soll uns jeder sein, für den Christus gestorben ist, den wir auch zum Bruder haben. Wie nun aber solche Sekten nicht durch den Glauben an Christum verbunden sind, so ist auch bei ihnen nichts weniger als Brüderlichkeit und Liebe. Wir wollen noch einen anderen Gräuel im Tempel sehen, die Einige für den festesten Anker der Frömmigkeit halten. Sie behaupten, die Messe sei ein Opfer. Wie sehr hat der Glaube darunter gelitten; denn es hält der Glaube fest, dass das Einmal vergossene und dargebrachte Blut Christi für unsere Sünden genug getan habe. Was soll denn unsere Anmaßung, dass wir durch unser Opfer die Sünden Anderer hinwegnehmen, ja selbst solcher, die schon gestorben sind? Ist das auch nur ein Krümchen vom Glauben, da wir eher scheinen wollen Etwas zu geben als zu empfangen: und was wir empfangen mehr als Lohn unserer Verdienste, denn als Geschenk der Barmherzigkeit hinnehmen?

Und wie sehr wenige nur findest du unter diesen Opfernden, die überzeugt sind, dass dasjenige, was sie tun, Gott gefällig sei; ach wenn sie sich doch überzeugen würden, ihr Opferdienst sei vor Gott ein Gräuel, wie er denn in der Tat es ist, und davon ablassen würden! Und wie bleibt die Liebe unverletzt, die besonders durch eigentümliche sinnbildliche Handlung beim Tische des Herrn anempfohlen wird? Wo wir uns mit allen Gliedern vereinigen sollten, daselbst steht der Geistliche allein, aufgeputzt, und gestattet höchst selten Jemanden die Teilnahme am Kelche? Und warum murmeln sie die Worte des Testamentes mit so leiser Stimme, dass sie selbst von den Sprechenden nicht verstanden werden können, und wenn sie von den Umstehenden auch gehört werden, so können sie, weil sie in einer fremden Sprache gesprochen sind, nicht verstanden werden?

Vernimm nun auch ein anderes Beispiel, das man unter dem Namen der Frömmigkeit anpreist, und urteile drüber. Sie behaupten, die Gelübde machen die Werke der Mönche vollkommener. O des allerliebsten Lehrsatzes; du aber leiste den Glauben. Oder ruft nicht die ganze Schrift, Rechtfertigung und Vollkommenheit kommen nicht aus den Werken des Gesetzes? Die Gelübde aber, wenn sie rechtschaffen sind, stehen nicht höher als die Gesetzeswerke; warum verleihen sie denn eine so erhabene Gerechtigkeit? Sind jene aber heiliger durch ihre Gelübde als durch den Glauben an Jesum? O die Elenden! Es fehlt ihnen aber auch nicht minder die Liebe, welche die unzertrennliche Begleiterin des Glaubens ist. Die Liebe besteht nicht allein auf der Zunge und in Worten, sondern in der Tat und Wahrheit. Durch ihre Gelübde verstümmeln sich aber gleichsam die Mönche; denn sie entheben sich beinahe aller Pflichten der Liebe. Während sie Gehorsam geloben, darf weder der Sohn dem Vater, noch die Tochter der Mutter, noch der Bruder der Schwester, noch der Gesunde dem Kranken, noch die Gelehrten den Ungelehrten, noch die Ungetrübten den Traurigen mit einem Worte des Trostes dienen, indem sie Sklaven geworden sind eines Götzen, der weder sich um Glauben, noch um Liebe bekümmert. Der Liebe widerstreiten sie überdies durch ihre erlogene Armut, indem sie entweder müßig oder bettelnd fremdes Brot essen. Warum wird endlich Keuschheit gelobt, wenn sie, wie die Schrift lehrt, als eine Gnadengabe von Gott verliehen wird? Wenn sie aber nicht verliehen worden, mit welcher Heuchelei und Schändlichkeit, o langmütiger Gott, beschweren wir die Welt, und widerstreben Gott in seinen Geschöpfen? Ich denke Niemand sei so stumpfsinnig, nicht einzusehen, in welchem Geiste solches geschieht. Vortrefflich ermahnt uns daher Johannes:

Geliebte prüft die Geister, ob sie aus Gott sind.

Ich wiederhole es: in Dingen, welche die Seele betreffen, sollst du nichts ohne das Wort Gottes vornehmen. Was vom Worte Gottes gutgeheißen wird, ist gut; dagegen ist dasjenige verdächtig, was nicht mit dem Worte Gottes empfohlen werden kann. In dem, was die Seele betrifft, sollst du weder der großen Menge, noch selbst den Heiligen folgen, sondern nur dem Worte Gottes. Dem Worte Gottes sage ich und nicht dem der Menschen; ich werde öfters genötigt, daran zu erinnern. Gott will seine Herrlichkeit auf keinen Anderen übertragen. Sein Wort bleibt in Ewigkeit, und es wird kein Buchstabe oder Strichlein desselben vergehen. Zum Voraus ist es nicht unsere Sache, in den Sakramenten Änderungen zu treffen. Wenn wir überhaupt von Menschen lernen wollen, so lasst uns die hören, zu denen das Wort Gottes geschah. Denn wenn Moses sagt: „Frage deine Väter, und sie werden es dir sagen: deine Ältesten, und sie werden es dir verkündigen,“ so redet er nicht von solchen, die niemals vom heiligen Geiste unterwiesen worden, wie es solche nicht wenige unter den Bischöfen und Scholastikern gibt, welche sich das Lehramt anmaßen. Eindringlich warnt uns der Tod des heiligen Propheten, den ein Löwe auf dem Wege tötete, wie wir 1. König 13 lesen. Es lohnt sich der Mühe, seine Geschichte hier einzuflechten, aus der du den Unterschied zwischen den Geistern erkennen kannst. Wir lesen, wie ein Mann Gottes von Juda durch das Wort des Herrn nach Bethel kam; Jerobeam aber stand bei dem Altar und räucherte. Und er rief wider den Altar durch das Wort des Herrn und sprach: Altar, Altar! so spricht der Herr: Siehe ein Sohn wird geboren dem Hause Davids, Josia sein Name, der wird auf dir opfern die Priester der Höhen, die auf dir räuchern usw. Und er hat ein Zeichen gegeben, und siehe der Altar wird zerrissen und die Asche auf demselben verschüttet. Nachdem der König solches vernommen, wollte er jenen ergreifen, aber seine Hand erstarrte und wurde erst auf die Bitten des Mannes Gottes wieder hergestellt. Und der Altar ward zerrissen und die Asche auf demselben verschüttet. Ihr habt vernommen die Gewissenhaftigkeit des Mannes, in der er dem Worte Gottes in einem so schwierigen Geschäfte gehorchte, und den König weniger als einen Schatten fürchtete; obschon er wusste, dass derselbe gegen ihn wüten werde, weil er vom Stamme Juda, und nicht ein Israelite war; auch tadelte er ihn nicht etwa im Geheimen, sondern mitten in den Opferverrichtungen tat er ihm den Schimpf an. Und als Gott den König um seines Dieners willen bestrafte, hat derselbe schon unter dem Gesetze das Gebot Christi erfüllt, und für seinen Feind gebeten und den König gesund gemacht; und als der König ihm Geschenke geben wollte, schlug er sie aus, indem er auch hierin dem Gebote Christi folgte: „Umsonst habt ihrs empfangen, umsonst gebet es.“ Und er wollte weder essen, noch trinken, weil es der Herr ihm so geboten hatte. Übrigens wurde auch dieser so ausgezeichnete Mann auf dem Rückwege verführt, auf dass du siehst, dass auch die Heiligen verführt werden und sich irren können. Er wurde aber auf folgende Weise verführt: ein greiser Prophet, der daselbst wohnte, sagte zu ihm: Komme mit mir ins Haus, und iss Brot. Jener schlug es Anfangs aus. Darauf sagte der Andere zu ihm: Auch ich bin ein Prophet, wie du, und ein Engel hat zu mir geredet durch das Wort des Herrn: und er führte ihn zurück und verführte ihn. Siehe hier den Widerstreit; jeder von ihnen behauptete den Geist zu haben. Wem sollte er nun glauben? Offenbar seinem Gesichte, welches durch so viele Wunderzeichen aufs Gewisseste bewährt war, was auch der Herr ihm zeigte, indem er ihn bestrafte und sprach: „Weil du widerspenstig gewesen wider das Wort des Herrn, und nicht gehalten das Gebot, welches dir der Herr dein Gott geboten, und zurückkehrtest, und Brot aßest, und Wasser trankest, so soll dein Leichnam nicht kommen in das Begräbnis der Väter.“

Wie kann man wohl eindringlicher warnen, vom Worte Gottes abzufallen. Daher spricht auch Jesajas (Kap. 30): „Wehe euch widerspenstigen Kindern, die ihr Anschläge ausführt ohne mich, Bündnisse schließt ohne meinen Geist. Das Antlitz des Herrn sucht ihr nicht.“ Und Kap. 8: „Soll man nicht die Toten für die Lebendigen (befragen)?“ „Zum Gesetz, zum Zeugnis! Wenn sie nicht nach diesem Worte (antworten werden), wird ihnen keine Morgenröte scheinen.“ Vielleicht wunderst du dich, weshalb der Herr den falschen Propheten zulasse, die Einfältigen zu täuschen. Er lässt aber nicht nur diesem oder jenem zu, sondern vielen, daher wir auch größerer Vorsicht nötig haben, denn er sagt:

Dieweil viele falsche Propheten in die Welt gekommen.

Merke hier wohl, dass er viele sagt. Denn neuerlich hat ein Ausleger den Ausspruch Pauli (1 Tim. 4): „Der Geist aber sagt ausdrücklich, dass in den letzten Zeiten Etliche vom Glauben abfallen werden,“ so gedeutet, als würden Etliche nicht viele sagen. Siehe hier, sagt er, dass viele falsche Propheten kommen werden, ja dass sie schon zur Zeit des Johannes erschienen seien. Die letzten Zeiten heißen bei Paulus nicht allein das unmittelbar vor dem Weltende vorangehende Zeitalter, sondern auch die übrige Zeit, in der Christus herrscht. Wenn du dich aber wunderst, warum Gott falsche Propheten zu dieser Zeit sende, so liegt der Grund davon nahe. Unser Glaube wird dadurch geprüft, damit es offenbar werde, ob wir Gott von ganzem Herzen lieben. Und weil wir nicht an Gott glauben, noch ihn lieben, lässt Er mit Recht zu, dass wir verführt werden. Das Gleiche sagt auch Paulus (2 Thess. 2): „Darum, dass sie die Liebe der Wahrheit nicht angenommen zu ihrer Rettung; um deswillen wird ihnen Gott kräftige Irrtümer senden, dass sie glauben der Lüge, damit alle gerichtet werden, welche der Wahrheit nicht geglaubt haben.“ Und Hesekiel spricht, Kap. 14: „Welcher Mensch von mir weicht, und mit seinem Herzen an seinen Götzen hängt, und das Ärgernis der Gottlosigkeit vor sein Angesicht stellt, und kommt zum Propheten, um mich durch ihn zu fragen, dem will ich, der Herr, antworten nach meiner Weise. Und ich will mein Angesicht richten wider selbigen Mann, und will ihn verderben, dass er zum Zeichen und Sprichwort werde, und will ihn ausrotten aus der Mitte meines Volkes.“ Der Hartherzigkeit des Fragenden angemessen ist auch die Antwort. Was heißt sein „Herz an den Götzen hängen“ anders, als Gott nicht im Glauben nachfolgen? Jeder Unglaube ist ein Gräuel wie Götzendienst, und das „Ärgernis der Gottlosigkeit“ ist da, wo man dem Nächsten zu schaden trachtet. Wo man nur in der Schrift forscht, nicht um die Wahrheit zu suchen, sondern um daraus neue Lehrsätze zu begründen, damit der Stolz zunehme, die Ehre und das Ansehen gemehrt werde, was Wunder, wenn man da in Irrtum gerät? Daher ist es höchst notwendig, auf die falschen Propheten zu achten, die er uns aus ihren Früchten kennen lernen heißt. Denn wenn sie das lehren, was Frucht des guten Geistes ist, wie Glauben an Gott, Liebe gegen den Nächsten mit aller Demut, Geduld, Langmut, Friede und Enthaltsamkeit, so können sie gar nicht arg sein. Wenn sie aber das lehren, was fleischlich und weltlich ist, wie Zeremonien und Irdisches, so ist es offenbar, dass sie betrügerische Geister sind. Daher schreibt auch Paulus an die Korinther: „Wir haben nicht empfangen den Geist dieser Welt, sondern den, der aus Gott ist.“ Anders aber prüfen Etliche heut zu Tage den Geist, den Glauben und die Früchte des Wortes; denn sie sagen: wir sehen immer Weniger die Kirche besuchen, immer seltener opfern; die Überlieferungen der Väter werden heruntergesetzt, Etliche essen zu jeder Zeit allerlei Speise ohne Unterschied, sie verlassen die Klöster, legen die Mönchskleider ab, nehmen Weiber, die Fürsprache der Heiligen werden gering geachtet. Wer befiehlt uns auf diese Weise, die Geister zu prüfen? Haben wir danach zu fragen, ob die Lehre von den Vätern festgesetzt sei? Du aber sieh' zu, dass du durch den Glauben Gott gefällst, und die ganze Welt ist dir ein Tempel, jeder Tag ein Sonntag, alle Menschen deine Brüder, und in Allem suche Gott; sieh' zu, dass du dem Nächsten kein Ärgernis gibst, sondern trachte Anderen zu nützen und folge dem nach, was des Geistes ist. Das Fleisch aber kennt nicht, was des Geistes ist. Trachte nicht nach eigenem Vorteil, sondern nach dem Nutzen Anderer und zwar in Christo Jesu; strebe nach der Liebe und nach Allem, was des Geistes ist. Als Christus auf dem Berge verklärt ward, sprach Petrus: „Es ist gut, dass wir hier sind.“ Der Evangelist aber bezeugt, dass Christus diesen Ausspruch nicht gebilligt habe, indem er gesagt: du weißt nicht, was du bittest. Denn es wünschte Petrus aus fleischlicher Gesinnung Christum von seinen Leiden, und folglich auch von der Erlösung der Menschen abzuhalten; so wie er auch später, da er sprach: „Herr schone deiner selbst“, vernehmen musste: weiche von mir Satanas! Wer aus der Menge glaubte nicht, die Gesinnung des Petrus sei gottesfürchtig? Aber wenn der Geist geprüft wird, so wird es offenbar, dass er Fleischliches verlangte. Er hatte dem Worte Christi zu gehorchen und nur das zu wollen, was Vielen zum Heil gereicht.

Johannes lehrt ferner auch mit anderen Worten, wie man die Geister prüfen solle:

Daran erkennt ihr den Geist Gottes: jeglicher Geist, der da bekennt, dass Jesus Christus im Fleische erschienen sei, der ist von Gott, und jeglicher Geist, der da nicht bekennt, dass Jesus Christus im Fleische erschienen sei, ist nicht von Gott.

Nicht Geringes sagt er hier. Er sagt nämlich nicht, wer an Jesum Christum glaubt (denn dieses ist wie der ganze innere Mensch vor unseren Augen verborgen) sondern wer das bekennt, was er glaubt: das heißt, wer durch sein Leben und auf alle Weisen Zeugnis ablegt von der Herrlichkeit des im Fleische erschienenen Jesus Christus, und will, dass solches allenthalben bekannt werde, ja selbst wenn er darob sterben sollte, möchte er seinen Glauben nicht verheimlichen. Daher haben die Namen der Märtyrer und Bekenner ihren Ursprung. Wer aber bereit ist für Christum sein Leben und Alles, was er in der Welt besitzt, hinzugeben, nur um Ihn zu bekennen, der wird auch ohne Zweifel durch sein Leben in jeglicher Weise Christum offenbaren, indem er um Christi willen Alles tut und duldet. Daher war es einfältig, dass Arius, Macedonius1), Eunomius2), Valentinus3), Marcion4), und Pelagius wähnten, sie seien gläubig: denn sie suchten durch ihre Lehren der Herrlichkeit Christi Abbruch zu tun, von dem sie behaupten, dass er entweder nicht wahrer Gott oder nicht wahrer Mensch sei, oder dass er nicht für unsere Sünden genug getan. Dagegen legte Petrus ein rechtes Bekenntnis ab: „Du bist Christus, der Sohn des Lebendigen Gottes:“ und er vernahm: dass ihm nicht Fleisch und Blut dieses geoffenbart habe. Die aber von diesem Geiste getrieben werden, dass sie bekennen, Jesus Christus sei zu unserem Heile im Fleische erschienen, tun auch die Werke des Geistes: sie geben sich nicht zufrieden mit dem geschichtlichen Glauben, sondern setzen alle Zuversicht auf Christum, und nicht auf ihre Werke. Vergleiche aber den Geist Christi mit dem Geiste des Widerchristen, auf dass du erkennst, ob wir vom Geiste Christi oder von demjenigen des Widerchristen geleitet werden; denn ein Mittelding, das keinem angehört, gibt es nicht. „Denn wer nicht für mich ist, der ist wider mich.“ Der Geist des Widerchristen strebt durch seine Lehre und durch zuchtloses Leben die Lehre, Gnade und Herrlichkeit Christi zu vernichten: und während er selbst sich des Evangeliums, des Kreuzes und des christlichen Lebens schämt, verhindert er auch Andere zum Glauben zu kommen, wodurch geschehen ist, dass man vom Glauben an Christum abgefallen ist zu unseren Genugtuungen, vom göttlichen Gesetze zu menschlichen Überlieferungen. Von diesem Geiste spricht er:

Und das ist jener Geist des Widerchristen, von welchem ihr gehört, dass er in die Welt kommen werde, und siehe er ist jetzt da.

Denn sagte Christus zuvor: Wenn der Menschen Sohn kommt, wird er auch Glauben finden auf Erden? Und die Liebe Vieler wird erkalten. Aber Ihr, geliebte Brüder! habt Acht auf Eure Berufung, womit Euch Christus berufen, dass Ihr euch selbst nicht verführt, sondern zeigt euren Glauben in Werken der Liebe gegen den Nächsten in aller Sanftmut, Barmherzigkeit und Liebe: so werdet Ihr danach freudig Christo entgegengehen, wann er wiederkommen wird zum Gerichte. Amen.

1)
Macedonius, Bischof zu Konstantinopel um die Mitte des vierten Jahrhunderts, soll der Stifter der nach ihm genannten Sekte der Macedonier sein. Er lehrte, dass der Sohn dem Vater in Allem, selbst dem Wesen nach, ähnlich gewesen sei, dass man aber den heiligen Geist nur als ein Geschöpf und als einen Diener des Vaters ansehen dürfe.
2)
Eunomius, ein Kappadocier, Anhänger der Arianischen Lehre in der Mitte des vierten Jahrhunderts, leugnete die göttliche Wesenheit in Christo.
3)
Valentinus trug in der Mitte des zweiten Jahrhunderts seine gnostischen Lehrsätze in Rom vor. Er war der Stifter einer einflussreichen Ketzerpartei, die sich namentlich in Rom bis ins vierte Jahrhundert erhielt. Auch nach seiner Lehre war das irdische Leben Christi nur ein Schein.
4)
Marcion aus Sinope trat in der Mitte des zweiten Jahrhunderts auf. Auch er lehrte, dass Christus nur einen Scheinkörper gehabt.
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