Ökolampad, Johannes - Bibelstunden über den 1. Brief des Johannes - Dreizehnter Vortrag.

Ökolampad, Johannes - Bibelstunden über den 1. Brief des Johannes - Dreizehnter Vortrag.

Wir müssen wohl beachten, welchen Fleiß unser Apostel angewendet, um uns in allen Dingen zur Gewissheit zu bringen. Er hat uns gezeigt, ob wir echte Kinder Gottes seien, ob wir wahrhaft glauben, ob wir in Wahrheit die Gebote erfüllen, und nun, ob wir wahrhaft lieben, ob wir vom heiligen Geiste geleitet werden. Auch der Probierstein, an dem man das Gold erprobt, muss erst untersucht werden, ob er gut sei. Aus dem Glauben erfahren wir, ob wir wahre Kinder Gottes seien. Aus der Erfüllung der Gebote und aus der Liebe erlernen wir, ob der Glaube falsch oder echt sei. Wie die Liebe und das Ge wissen beschaffen seien, erfahren wir ebenfalls aus ihren Gewährzeichen. Was daher die Liebe betrifft, so spricht er:

Meine Kinder, lasst uns nicht lieben mit Worten und mit der Zunge, sondern mit der Tat und Wahrheit. Daran erkennen wir, dass wir aus der Wahrheit sind.

Hier verbietet er uns nicht die Tugend der Freundlichkeit, sondern er verlangt, dass wir nicht nur mit der Zunge lieben. Die sind wahrlich eher Feinde als Freunde zu nennen, welche uns wohl freundlich grüßen, aber wenn wir der Hilfe bedürften, nirgends zur Hand sind, die freigebig sind im Versprechen, aber geizig im Erfüllen, die Honig auf der Zunge, aber Gift im Herzen haben. Es sind dieses die Genossen Ischariots und Joabs. Wir sollen die Zunge so zügeln, dass sie nichts spricht, als was wir im Geiste denken, damit wir zugleich verständig und wahr reden. Jene Vorschrift des Pythagoras1) über das Schweigen, die von Einigen beobachtet wird, hat der selige Ambrosius2) hinlänglich verspottet. Es sündigen gleicherweise diejenigen, welche reden, wo sie schweigen sollten, und die, welche schweigen, wo sie reden sollten. Übrigens sollen wir, wie mit der Zunge, so auch mit den Werken wahr sein. Unsere Werke sind alsdann wahr, wenn sie unserer Gesinnung entsprechen. Unsere Liebe ist wahr, wenn sie, wo sich Gelegenheit bietet, den Nutzen der Brüder wirkt. Eitel und unnütz sind die Werke, wenn sie nicht im Geiste und in der Wahrheit geschehen, wie Paulus (1 Kor. 13) es bezeugt, indem er spricht: „Und wenn ich alle meine Habe ausgespendet und meinen Leib hingegeben habe zum Verbrennen, habe aber keine Liebe, so bin ich nichts.“ Mit diesen Worten verbindet er die Werke der Unmündigen mit denjenigen der Vollkommenen. Die Anfänger, Kinder und Neulinge erklären die Liebe in der Hilfeleistung den Brüdern mit ihren Gütern, während die Vollkommenen sie dahin steigern, dass sie selbst ihr Leben für sie einsetzen. Diese zwei Beispiele der Liebe stellt auch unser Evangelist auf. Die Liebe ist niemals untätig, sondern wie die Flamme des Feuers nie verarmt, solange ihr Brennstoff begegnet, so wirkt die Liebe auch immerfort Gutes, solange sich ihr dazu Gelegenheit darbietet. Wenn aber sich keine Gelegenheit weder zum Sprechen, noch zum Handeln darbietet, genügt dann nicht die Gesinnung? Ja wohl! doch hüte dich, dass du dich nicht selbst täuscht, indem du dich überredest, du habest eine Gesinnung, die du nicht hast, sondern prüfe deinen Glauben und nimm dein Gewissen zum Zeugen, wie auch Paulus lehrt (1 Tim.): „Der Endzweck des Gebotes ist aber Liebe aus reinem Herzen und gutem Gewissen und ungeheucheltem Glauben.“ Dieses bestätiget Johannes an dieser Stelle, indem er sagt:

Daran erkennen wir, dass wir aus der Wahrheit, und können unsere Herzen vor Ihm beruhigen.

Siehe, wie vorsichtig er redet. Er sagt, nicht dadurch sind wir wahrhaft und gerechtfertigt, oder Kinder Gottes, sondern daran erkennen wir. Denn weder die Liebe, noch das gute Gewissen rechtfertigen uns. Daher spricht Paulus wieder: Ob ich gleich mir nichts bewusst bin, so bin ich doch darum nicht gerechtfertigt. Das nur zeigt das Gewissen, dass die Liebe nicht erheuchelt, und dass so der Glaube wahr sei und wir demnach an der Gnade nicht verzweifeln sollen. Es ist aber das Zeugnis des Gewissens sehr gewichtig und gilt, wie es in den Sprichwörtern heißt, für tausend Zeugen. „Das Gewissen ist (wie man zu sagen pflegt) das Auge, das immer wacht, der unbestechliche Richter, und allen Sterblichen ist das Gewissen Gott.“ Daher spricht auch Paulus: Das ist unser Ruhm, das Zeugnis unseres Gewissens, welches unsere Herzen aufs Gewisseste überzeugt, nicht vor den Menschen, sondern vor Gott, bei dem keine Täuschung gilt.“ Und wen beschuldigt nicht sein eigenes Herz? Wer wird sich rühmen, ein reines Herz zu haben? wirst du fragen. Ich antworte darauf: es handelt sich hier nicht von vergangenen Sünden, deren Paulus sich auch wohl bewusst war, sondern von dem gegenwärtigen Zustande deines Lebens, in welchem du dich nun befindest; denn das Gewissen muss dir Zeugnis geben, dass du von ganzem Herzen die Sünde hasst und dagegen den Nächsten liebst. Denn das kann dir nicht unbekannt sein, ob du ihn liebst. Welche wahre Mutter weiß nicht, dass sie ihre Kinder liebe? Welche schlechte Stiefmutter kennt nicht ihren Hass? Wahrlich keine! Obgleich ich zugegeben hätte, dass wir nicht wissen, wie sehr und wie stark wir lieben, solange wir lieben oder hassen, solange wir hier in der Prüfung weilen. Denn alsdann wird es offenbar werden. Oft tun wir mehr für die Freunde durch Teilnahme an Freud und Leid, als wir selbst es geglaubt hatten zu tun; oft aber leisten wir auch weniger; aber auch dann zeigen die Werke die Größe der Liebe. Lasst und daher selbst prüfen, als die da wissen, dass Gott der Aufseher unserer Herzen ist, und lasst uns Fleiß anwenden, dass unser Gewissen ganz rein erscheine. Dieses Buch wird am Gerichte aufgetan, wann der Alte auf dem Stuhle sitzt, und der Richter nach der Reinheit des Gewissens das Urteil sprechen wird. Wehe alsdann denjenigen, die gebrandmarkten und befleckten Gewissens sind; dagegen Ehre und Freudigkeit denen, die sich nichts Böses bewusst sind. Solches bezeugt auch Paulus (Gal. 6): Ein Jeglicher prüfe sein eigenes Tun, und alsdann wird er in sich selbst Ruhm haben und nicht in einem Anderen. Auch Johannes verschweigt solches nicht, indem er hinzufügt:

Denn wenn uns unser Herz verdammt, so ist Gott größer als unser Herz und kennt Alles. Geliebte, so uns unser Herz nicht verdammt, so haben wir Freudigkeit zu Gott, und was wir irgend erbitten, empfangen wir von ihm.

Wenn auch unser Gewissen gebrandmarkt und befleckt wäre, will er sagen, indem es nur von Eigennutz und nicht vom Gesetze Jesu Christi sich bestimmen ließe, siehe, so wird Gott es richten, der größer ist, ja der ein Herr ist unserer Gedanken, ja nicht allein ein Herr, sondern auch ein Durchforscher derselben. Vor seinen Augen ist nämlich Alles bloß und entdeckt, so dass Er nicht getäuscht werden kann; ja wir kennen uns selbst nicht so genau, als Er uns. Weil Petrus solches wusste, sprach er: „Herr du weißt es.“ Wenn wir ein gutes Gewissen haben, so dürfen wir freudig zum Richterstuhle hintreten, der Anderen so furchtbar ist. Aber nicht allein in der künftigen, sondern auch schon in dieser Welt genießen, die ein gutes Gewissen haben, viele Glückseligkeiten. Sie leben nämlich in Frieden und gleichsam im Genusse eines immerwährenden Freudenmahles; sicher wohnen sie unter ihrem Weinstocke im Vorgeschmacke der himmlischen Freuden. Dagegen ist das böse Gewissen die furchtbarste Rachegöttin. Nicht mit Unrecht sagt man, dass diejenigen, welche vom Nagwurme des bösen Gewissens gequält werden und keinen Frieden haben, schon hier einen Vorgeschmack der Hölle empfinden. Warum sind wir denn so stumpfsinnig? Warum sind wir so ungläubig, dass wir im Hinblicke auf so große Belohnung und so große Strafe nicht Acht haben auf den Richter, der allenthalben ist, und Alles schaut und nichts ungeprüft lässt? „Merkt doch (spricht David) ihr Narren unter dem Volke, und ihr Toren, wann wollt ihr klug werden? Der das Ohr gepflanzt hat, sollte der nicht hören? Der das Auge gemacht hat, sollte der nicht sehen? Der die Heiden züchtigt, sollte der nicht strafen?“

Noch einen anderen Vorteil des guten Gewissens zeigt uns der Apostel, nämlich, dass wir aller Güter teilhaftig werden, und alles erlangen, warum wir bitten. Diese Verheißung haben wir auch an anderen Orten. David spricht: „Bitte den Herrn, und Er wird dir es geben.“ Lukas 11, 9 spricht Christus: „Bittet, so wird Euch gegeben; sucht, so werdet ihr finden; klopft an, so wird euch aufgetan. Denn wer da bittet, der empfängt, und wer da sucht, der findet; und wer da anklopfet, dem wird aufgetan. Welcher Vater unter euch bietet dem Sohn, der ihn um Brot bittet, ein Stein? Und so er um einen Fisch bittet, der ihm eine Schlange für den Fisch biete? Oder so er um ein Ei bittet, einen Skorpion biete? So ihr, die ihr arg seid, könnet euern Kindern gute Gaben geben, wie viel mehr wird der Vater im Himmel den heiligen Geist geben denen, die ihn bitten?“ Ebenso spricht auch Jakobus: „Mangelt aber Jemanden unter euch Weisheit, so erbitte er sie von Gott, der allen willig gibt und Niemanden aufrückt, und sie wird ihm gegeben werden; er bitte aber mit Zuversicht und sei nicht zweifelhaft.“ Das gute Gewissen aber verleiht uns die Zuversicht. Merke aber wohl auf das Wort des Apostels, denn er heißt uns von Gott und nicht von sonst Jemandem erbitten. Du darfst auch nicht deine Unwürdigkeit vorzuschützen; denn Gott heißt uns, dass wir Ihn selbst bitten sollen, damit wir Ihm um so mehr trauen und mit größerer Zuversicht vor Ihn treten. Nirgends befiehlt Er uns zu den Heiligen zu gehen, damit sie uns bei Ihm vertreten. Auch verheißt Er uns, dass wir Alles, und nicht nur Dieses oder Jenes erhalten werden. Du aber sich zu, dass du um Angemessenes bittest und von ganzem Herzen, nämlich um Seligkeit und um dasjenige, was uns von Gott geboten ist. Und wenn Er nun solches auf gelegenere Zeit zu gewähren beschließt, oder wenn Er dir Besseres verleiht, so sollst du nicht wähnen, dass Er dir das verweigert habe, warum du Ihn gebeten. Der empfängt, spricht Er. So sicher bist du erhört, als wenn du schon das in Händen hättest, um das du gebeten. Auch sagt Er nicht, „der wird empfangen,“ damit wir nicht argwöhnen, Gott zögere damit, oder Er sei uns weniger gewogen. Wie prüfe ich endlich mein Gewissen, auf dass ich mich nicht täusche. Auch dieses übergeht der Apostel nicht mit Stillschweigen, denn er fügt bei:

Dieweil wir seine Gebote halten, und tun, was vor ihm wohlgefällig ist.

Ausdrücklich sagt er „seine Gebote“; damit wir nicht tun, was in unseren Augen recht scheint, sondern was Ihm wohlgefällt. Wenn du dir daher eine Lebensart wählst, über die Gott nichts geboten hat, so darfst du darauf keine Zuversicht setzen, denn solches wäre eitel und verderblich. Was dem Worte Gottes gemäß unternommen wird, das wissen wir, ist Gott wohlgefällig; was aber seinem Worte widerspricht, das ist jedenfalls Sünde. Siehe zu, ob du nicht eigene Vorteile bei seinem Tun suchst. Die Selbstsucht ist ein ziemlich verborgenes Übel. Oft schützen wir die Ehre Gottes vor, um den eigenen Willen zu erfüllen, indem wir nicht tun was Gott wohlgefällig ist, da Er gerade das Entgegengesetzte befiehlt. Verleugne daher dich selbst und sei gehorsam gegen Gott. Die Menschensatzungen vermögen weder unser Gewissen zu verpflichten, noch zu beruhigen; denn solche Macht ist den Menschen nicht verliehen. Gott allein ist der Herr über unser Gewissen. Das sind keine Diener Gottes, die ein Anders lehren, als was sie vom Herrn empfangen haben. Auch Paulus sagt (Koloss. 2.): So ihr nun abgestorben seid mit Christo den Anfangsgründen der Welt, warum, als lebtet ihr noch in der Welt, lasst ihr euch durch Satzungen fesseln? Es ist der Wille Gottes, dass wir sein Gebot erfüllen. Und dass du nicht einwendest, das Gesetz sei zu umfangreich und enthalte tausende Vorschriften, fasst der Apostel kurz den Inhalt des ganzen Gesetzes zusammen, indem er spricht:

Und das ist sein Gebot, dass wir glauben an den Namen seines Sohnes Jesu Christi, und uns unter einander lieben, so wie er uns geboten hat.

Siehe das kurze Wort, das unsere ganze Gerechtigkeit umfasst, ist nur ein Gebot. Gott will nämlich, dass wir so an den Namen seines Sohnes glauben, dass wir seinetwegen uns untereinander lieben, und das ist sein Gebot. Daher soll ich in der Liebe, in welcher er für uns gestorben, auch zu sterben wünschen, und auch sterben, wenn die Not es erfordert; und jetzt soll ich, wie Christus für mich gelebt, auch selbst dem Nächsten leben. Und so muss nun meine einzige Sorgfalt dahin gehen, dass ich nichts für mich selbst wünsche, sondern, dass ich dem Herrn gefalle und ihm diene, so wie er es wünscht. Und was ist sein Wille? Johannes 8 spricht Christus: „Dass ist der Wille des, der mich gesandt hat, dass, wer den Sohn sieht und an ihn glaubt, das ewige Leben habe.“ Und wiederum: „Das ist das Werk Gottes, dass ihr an den glaubt, den er gesandt hat.“ Wenn du aber sehen willst, wie die Liebe aus dem Glauben folgt, so höre den Apostel Petrus: „Zeigt in eurem Glauben die Tugend (auf dass ihr euch heiliger, wie Er, dadurch dass ihr das Fleisch verdammt) in der Tugend Erkenntnis (das ist Vernunft und Urteil) in der Erkenntnis Mäßigung (damit nicht Lässigkeit für Mäßigung gelte) in der Mäßigung Geduld (denn das Kreuz wird nicht fehlen), in der Geduld Gottseligkeit (damit wir in der Drangsal Dank sagen und nicht murren), in der Gottseligkeit Bruderliebe (damit wir nie aufhören den Brüdern wohlzutun), in der Bruderliebe die Menschenliebe, die aus reinem Herzen kommt. Da siehst du die Stufenleiter der Tugenden und den Baum des Glaubens mit seinen Früchten, das ganze Gebot Gottes, auf dessen Erfüllung ein so erhabener Preis folgt, nämlich jene Gemeinschaft, welche er uns im Anfange verheißen, dass wir bleiben in Gott, und Er in uns; und diese Gemeinschaft ist die Erfüllung des Gebotes, was Johannes mit diesen Worten ausdrückt:

Und wer seine Gebote hält, der bleibt in Ihm und Er in ihm. Und daran erkennen wir, dass er in uns bleibt, an dem Geiste, den er uns verliehen hat.

Alsdann wird das Gebot wahrhaft von uns erfüllt, wenn wir bleiben in Gott durch den Glauben und dieser in uns wirksam ist durch die Liebe. Und dieses ist die sichere Gewähr, dass der Geist uns verliehen sei. Denn die Liebe Gottes, spricht Paulus, hat sich ergossen in unsere Herzen durch den heiligen Geist, der bei uns bleiben wolle ewiglich. Amen.

1)
Pythagoras, ein berühmter griechischer Weisheitslehrer, der einen geheimnisvollen Bund gründete, dem er seine Weisheitslehren vortrug. Seine Schüler konnten erst nach mehrjährigem Schweigen zu den inneren Geheimnissen gelangen.
2)
Ambrosius, Bischof von Mailand, lebte in der zweiten Hälfte des vierten Jahrhunderts. Er stammte aus einer der ersten Familien des römischen Reiches und war früher Statthalter von Ligurien (jetzt Genua und die Umgebung). Sein Ansehen in der Kirche war sehr groß; er soll jenes berühmte Lied in der Ursprache gedichtet haben, welches noch jetzt allgemein bekannt ist: „Herr Gott dich loben wir.“
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