Ökolampad, Johannes - Bibelstunden über den 1. Brief des Johannes - Zwölfter Vortrag.

Ökolampad, Johannes - Bibelstunden über den 1. Brief des Johannes - Zwölfter Vortrag.

Wir haben gestern gesagt, wie wir die Kinder Gottes von den Kindern des Teufels unterscheiden sollen: wenn wir nämlich Christum darin nachahmen, dass wir die Werke der Finsternis zerstören, die Wahrheit lieben und Liebe üben, so sind wir aus Gott; wenn wir aber der Lüge huldigen, und die Brüder im Hasse verfolgen, so sind wir aus dem Teufel, dessen Werke wir tun. Daran nämlich, spricht er, offenbaren sich die Kinder Gottes und die Kinder des Teufels. Er spricht aber, daran sind offenbar, und nicht einfach sind; denn wir werden durch den Glauben gerechtfertigt, und zu Kindern Gottes erklärt: der Liebe dagegen wird die Rechtfertigung nicht zugeschrieben. Aus dem Glauben fließt nämlich die Liebe und die Tat der Gerechtigkeit, und diese sind zugleich Zeichen des Glaubens. Wenn auch die Liebe noch so groß ist, kann sie uns dennoch nicht rechtfertigen, weil Niemand so liebt, wie er es sollte. Du sollst aber jenen Ausspruch Petri: „Die Liebe deckt auch der Sünde Menge“ nicht in dem Sinne verstehen; denn jene Stelle hat einen anderen Sinn. Petrus will nämlich sagen, dass der, welcher liebt, bereit sei zum Verzeihen, und nicht leicht zum Zorne sich reizen lasse. Aus dem Worte: „sie sind offenbar,“ erhellt, dass Liebe und die Tat der Gerechtigkeit Zeichen des Glaubens sind. Daher fügt er dem Obigen den Schluss bei:

Jeder, der nicht Gerechtigkeit tut, ist nicht von Gott, und wer seinen Bruder nicht liebt.

Es wird dich der Grundsatz der Unterscheidung zwischen Kindern Gottes und Kindern des Teufels, den wir aufgestellt, nicht beirren. Alle, die aus Gott sind, tun die Gerechtigkeit, indem sie das Fleisch kreuzigen mit seinen Gebrechen und stets vom Streben erfüllt sind, das Fleisch dem Geiste untertan zu machen, und darauf bedacht sind, wie sie nur dem Nächsten um Christi willen behilflich sein können. Die solches unterlassen, zeigen sich als falsche Christen, ohne Glauben und sind weit entfernt, Kinder Gottes zu sein. Es mag sein, dass du dich im Betreff eines Einzelnen täuschen kannst, der wohl äußerlich getauft und der übrigen Sakramente teilhaftig geworden ist, aber im Bezug auf den täuscht du dich nicht, der alle seine Kräfte dahin verwendet, sein Leben zu erneuern und Liebe zu üben. Es ist dieses auch keine neue Regel der Unterscheidung zwischen Kindern Gottes und Kindern des Teufels; sondern sie gilt von Anfang der Welt bis zu ihrem Ende, und bewährt sich am ältesten Beispiele.

Denn das ist die Ankündigung, die ihr gehört habt von Anfang an: dass wir uns unter einander lieben sollen; nicht wie Kain vom Bösen war, und seinen Bruder tötete. Und warum tötete er ihn? weil seine Werke böse waren, die seines Bruders aber gerecht.

Das ist keine von den Christen erfundene neue Lehre, sondern die wir einst aus dem Münde Christi vernommen, indem er sprach: „Daran werden Alle erkennen, dass ihr meine Jünger seid, so ihr Liebe habt untereinander.“ Und dieweil die Liebe der Inbegriff des Gesetzes und der Propheten ist, so hat sie auch Gott von Anfang an von uns verlangt: und es haben von Anfang an die Frommen dieses Gesetz erfüllt, die Gottlosen aber dasselbe übertreten: wie uns solches das Beispiel Kains und Abels zeigt. Diese werden aus dem Grunde in der Schrift gleich im Anfang der Genesis erwähnt, auf dass man erkenne den Glauben Abels, und auf der anderen Seite den Unglauben und die Feindschaft Kains; sonst hätten sie mit vielen anderen Söhnen und Töchtern Adams unerwähnt bleiben können, dieweil sie nicht zum Geschlechtsregister Noahs gehörten. Denn es ist gewiss, dass Adam auch damals mehr Söhne hatte, obgleich nur diese zwei hier genannt werden. Betrachte nun Beider Anfang, Fortgang und Ende, und du siehst die Söhne Gottes und die Söhne des Teufels in deutlichen Bildern hingemalt. Von Kain spricht der Evangelist hier, dass er vom Teufel gewesen. Und wie konnte Eva sagen: „einen Mann habe ich von Gott empfangen,“ indem sie dadurch bezeugte, dass ihr Sohn ein Gut Gottes sei? Ich antworte darauf: Johannes sagt hier nicht, dass unsere Natur vom Teufel sei: auch nicht wegen der Erbsünde sagt er, dass Kain vom Teufel gewesen. Denn in dem Sinne hätte er auch von Abel und von Allen solches sagen können; sintemal wir Alle Kinder des Zornes sind. Von Kain heißt es, dass er vom Teufel gewesen wegen seines Unglaubens. Wegen seines Glaubens war Abel ein Sohn Gottes, aus Glauben opferte er die Erstlinge seiner Herde, und wegen seines Glaubens war sein Opfer Gott angenehmer als das des Kains, wie es im elften Kapitel des Briefes an die Hebräer heißt. Daher ist es klar, dass Kain keinen Glauben hatte. Es geht aber auch aus dieser Stelle klar hervor, dass hier nicht vom geschichtlichen Glauben die Rede ist, sondern von demjenigen, den der heilige Geist den Herzen der Gläubigen einflößt. Beide bekannten, dass Gott sei, aber nicht beide setzten auf gleiche Weise ihr Vertrauen auf Gott. In Abel war der wahre Glaube, in Kain hingegen ein geschminkter Pharisäerglaube: und daher trug auch der Glaube Abels süße Frucht, der Glaube Kains dagegen die bitterste Frucht.

Aber dieweil du den Anfang Beider gesehen; so betrachte nun auch den Fortgang. Kain opferte daher Geringeres, nämlich Früchte des Feldes und nicht sich selbst zum Gehorsam gegen Gott; auf dass er mit Dank hinnehme, was Gott über ihn verfügen möge, und bereit sei, Gott in allen seinen Geschöpfen zu dienen. Er opferte Gott Gaben, sich selbst aber entzog er Gott. Er opferte Gott, setzte aber seine Hoffnung auf sich selbst: er erhob sich über seinen Bruder, und zürnte, dass sein Bruder von Gott ihm vorgezogen, und seine Opfer verschmäht werden. Daher übersetzen die Siebziger1) richtig: Wenn du auch recht opferst, aber dabei nicht recht gesinnt bist, sündigst du nicht? Kain tat nicht die Gerechtigkeit, weil ihm die Wurzel der Gerechtigkeit, der Glaube, fehlte. Niemand tut die Gerechtigkeit, außer dem, der eine gerechte Tat tut aus dem Glauben, und der sich der Gerechtigkeit befleißt. Daher wurde er von Gott öffentlich getadelt, damit er sich ihm im Gehorsam unterwerfe, und er sich alle Mühe gebe, das Fleisch, das ist, seinen Hass zu kreuzigen. Dies waren seine bösen Taten, die er in seinem Herzen trug, und um derentwillen er seinen Blick senkte. Denn er wurde weder durch den Glauben bewegt, Gott zu lieben, noch konnte er seinen Bruder lieben, weil er Gott nicht liebte: sondern er wütete gegen den Bruder, weil er es nicht gegen Gott konnte. Ganz anders waren die Früchte, die Abel brachte. Er opferte sich selbst ganz Gott, sintemal er seine Opfer im Glauben brachte. Aus Liebe gegen Gott, weigerte er sich nicht, mit seinem Bruder aufs Feld zu gehen und ertrug geduldig Verfolgung und Tod, schon bevor Christus für uns gelitten: so weit war er entfernt, Böses mit Bösem zu vergelten. Endlich wie war Beider Ende? Schrecklich war das Ende Kains, sanft dasjenige Abels. Was ist wohl schrecklicher, als Verzweiflung? Und Kain befand sich in offenbarer Verzweiflung, da er ausrief: Meine Sünde ist größer, als dass sie mir vergeben werden könnte. So ward er unstet und flüchtig auf Erden. Und das ist das Los aller, die die Sünde lieb haben. Sie sind nämlich voll Schrecken und Bestürzung bei der Ankunft des Herrn: dagegen ist groß die Zuversicht des Gerechten, die selbst im Tode noch den Ungerechten furchtbar sind. Das Blut Abels schrie von der Erde auf zu Gott; und es schwieg dann in der Erwartung gläubiger Nachkommen.

Wahrlich eine herrliche Geschichte und höchst lehrreich, aber die Zeit gestattet uns nicht, ein Weiteres davon zu reden. Ein ähnliches Beispiel führt Paulus (Galater 4,) und passt es unserer Zeit an; indem er von Ismael und Isaak spricht: „Gleich wie damals der nach dem Fleische Geborne den nach dem Geiste verfolgte, also auch nun.“ So ahmen die Gottlosen Ismael und Kain nach durch Verfolgung der Frommen. Kain bebaut das Land, und jagt dem Irdischen nach. Abel ist ein Fremdling auf Erden, sintemal er sein Bürgerrecht und seinen Schatz im Himmel hat. Wenn nun Jemand solches für unwürdig hielte, dass ein Abel und die gerechten Kinder Gottes, da sie nicht erkannt werden von der Welt, je von den Schlechtesten und Nichtswürdigsten das Herbste und Unwürdigste ertragen; so antwortet darauf der Evangelist, indem er fortfährt:

Verwundert euch nicht meine Brüder, wenn euch die Welt hasst. Wir wissen, dass wir vom Tode zum Leben übergegangen sind, weil wir die Brüder lieben.

Was verwunderst du dich? sagt er: Was beklagst du dich? Was beweinst du? Berechnest du wohl jene kleinen Unannehmlichkeiten und denkst du nicht an die ewigen Freuden? Wie könnte wohl unser himmlischer Vater liebevoller mit uns handeln, als da er zulässt, dass dieses verächtliche Kleid zerrissen werde, damit er uns sodann ein neues, goldenes und ewig unvergängliches verleihe? Siehe, das ist unsere Hoffnung. Jeder, der die Brüder liebt, wird schon nicht mehr zu den Toten oder Sterblichen gezählt, sondern er ist vom Tode zum Leben hindurchgedrungen; denn der Glaube macht ihn lebendig. Übrigens willst du wissen, welche bedauerungswürdig und elend sind?

Wer den Bruder nicht liebt, der bleibt im Tode. Jeder, der seinen Bruder hasst, ist ein Menschenmörder; und ihr wisst, dass kein Menschenmörder ewiges Leben in sich bleibend hat.

Warum bedauerst du nicht jenen Gottlosen, der keine Bruderliebe hat? Ein solcher ist nicht nur im Tode, sondern er bleibt auch in demselben. Siehe welch ein Gewicht auf diesen Worten ruht. Wer keine Liebe und kein Wohlwollen hat, ist schon tot und verbleibt im Tode: es fehlt ihm nämlich der Glaube, welcher die Liebe wirkt, und durch welchen der Gerechte lebt. Wenn er noch dazu durch Groll und Hass geleitet wird, und übel gesinnt ist, so ist er des Menschenmordes schuldig, und ein zweiter Kain: denn dieweil die nämliche fleischliche Anfechtung ihn beherrscht, wird er auch, sofern es Gott zulässt, gleiche Freveltat üben, wie jener. Was werden die hier dazu sagen, welche die Gesetze in Ratschläge umwandeln? Ich sehe nicht ein, was die nun vorschützen können, welche glauben, es genüge, wenn man nicht hasse. Wenn du mit Zuversicht vor den Richterstuhl hintreten, und leben willst, so wird es notwendig sein, dass du Liebe übst. Hier zeigt er deutlich, wie das Gebot „Du sollst nicht töten,“ geistig zu verstehen sei, so wie auch der Herr dasselbe (Matth. 5.) ausgelegt hat. Es ist daher eine Teufelslehre, die lehrt, dass es unter Christen gerechte Kriege geben könne: dieweil Christen jedweden Hass wie Menschenmord verabscheuen. Oder man zeige mir einen Krieg, der in Liebe geführt wird. Krieger, die sich freuen, Blut zu vergießen, sind wahre Kains. Man kann allen Neidern sagen: Eure Hände sind voll Blutes, ihr seid Söhne Kains: was darf man daher denen sagen, deren ganze Kunst, ja deren ganzes Leben in Blutvergießen besteht? Und was wir vom Blutvergießen sagen, das darf man auch vom Betruge behaupten. Siehe, wie viele Kinder Kain hinterlassen hat. So wie kein Glaube mehr in der Welt ist, so ist auch keine Liebe mehr. Dieses kannst du leicht erfahren. Viele begrüßen uns als Brüder in Christo, und nennen uns geliebte Söhne: aber höre einmal auf, ihnen zu dienen oder ihnen zu schmeicheln: und du wirst dann sehen, wo deine Freunde sind. Übrigens muss die Liebe so groß sein, dass wir nicht nur nicht mit unserer Hand Totschlag begehen, noch dass wir Hass hegen; sondern dass wir unsere Brüder lieben, ja mehr als uns selbst. So sehr muss jeder Trug fern sein. Christus drängt dich so, dass dein Herz nicht mehr dein ist, sondern deines Bruders: so dass bei jedem Anlass, wo du nur kannst, ihm in Christo zu helfen nicht unterlassest. Daher sagt er nämlich:

Daran haben wir die Liebe erkannt, dass Er sein Leben für uns gelassen; auch wir sollen für die Brüder das Leben lassen. Wer aber irgend die Güter der Welt hat, und sicher seinen Bruder darben, und verschließt sein Herz vor ihm: wie bleibt die Liebe Gottes in ihm?

Tausend, wie Großes uns geboten wird, und wie ist unsere Trägheit so groß! Es wird uns geboten, das Leben für die Brüder zu lassen, die Feinde als Brüder zu achten: wir aber beschädigen und töten diejenigen, die uns nie gekannt, die unschuldig sind, oder die uns selbst Wohltaten erwiesen haben! Und wie ist es nun möglich, den Krieg zu rechtfertigen? Und da wir selbst unser Leben für unsere Brüder lassen sollen, wie viel mehr sind wir verpflichtet zeitliche Güter mitzuteilen, dem der Mangel hat? Sonst ist auch kein Fünkchen Liebe in uns. Sieh' nun hier, wie verdammlich die Wucherer, die Ungastfreundlichen, die Unbarmherzigen und alle Geizhälse sind! Man findet auch nicht wenige Freigebige, die vieles durch Prachtaufwand verschwenden, und den ungerechten Erwerb an Unwürdige austeilen. Gott hat dich aber nur zum Verwalter und nicht zum Herrn des irdischen Gutes bestimmt. Daher teile es denen mit, denen der Herr befiehlt. Man ruft uns zu, indem wir lehren, man müsse für die Brüder sterben: wer hat wohl je solches nötig gehabt? Ist es nicht genug an dem Beispiele Christi, welcher solches für dich, Sünder, zu tun nicht verschmäht? Und du sagst, du wollest gern hören, wer darin Christum nachgeahmt? Wunderbar, wir haben so viele tausende Märtyrer, und suchen noch nach Beispielen? Doch ich will ein Beispiel aus dem alten Bunde anführen. Die Juden wollten Mosen steinigen, und er bat dagegen, dass, wenn Gott beschlossen die Israeliten gänzlich zu vertilgen, so möge Er ihn mit jenen aus dem Buche der Lebendigen tilgen. Vernimm noch etwas Bewunderungswürdigeres. Die Juden wüteten gegen Paulus, und er wünschte für sie verflucht zu sein. Solches ziemte es auch Kain und uns zu tun, und nicht unwillig zu werden, wenn es dem Bruder besser geht als uns: dagegen wenn er unglücklich ist, sollen wir von ganzem Herzen für ihn zu Gott beten, und wenn er bedürftig ist, sollen wir ihm mit Unterstützung zu Hilfe kommen: und wenn es die Not erfordert, so sollen wir, um ihn zu retten, selbst für ihn sterben. Solches wird dann wahrlich ein untrügliches Zeichen der Liebe und des Glaubens in uns sein, so dass wir als Kinder Gottes mit Freudigkeit zum Herrn hinzutreten werden, wenn er er scheinen wird in seiner Herrlichkeit; indem wir wissen, dass wir mit Ihm uns ewiglich freuen werden. Amen.

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Die Siebziger: Übersetzer des alten Testamentes aus der hebräischen in die griechische Sprache.
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