Ökolampad, Johannes - Bibelstunden über den 1. Brief des Johannes - Achter Vortrag.

Ökolampad, Johannes - Bibelstunden über den 1. Brief des Johannes - Achter Vortrag.

Wir haben den Weg zur Seligkeit gezeigt, soweit sich dieses hier in der Kürze tun ließ. Durch den Glauben an Jesum Christum nämlich, der für uns durch sein Blut genug getan, erlangen wir Gemeinschaft mit Gott und allen Heiligen. Denn wir werden bekennen, dass wir Sünder seien, die Sünde verabscheuen, die Brüder lieben, Bürgerrecht im Himmel erlangen, indem wir nicht mehr die Welt und ihre Lüste lieben, sondern wie wir einst in der Taufe der Welt entsagt, so werden wir sie jetzt aus freiem Entschlusse verleugnen und auch alle andere Früchte des Glaubens bringen und die Gebote des Herrn erfüllen. Und sintemal sich uns viele Hindernisse auf dem Wege des Heils entgegenstellen, so liegt uns ob, dieselben alle durch heilsame Ermahnungen zu entfernen und unaufhaltsam auf dem Wege fortzuschreiten, damit wir nicht träg und lässig stille stehen oder im Laufe ermatten, sondern ausharren bis zum Ziele. Und obgleich die Gläubigen in ihrem Innern den Geist der Wahrheit haben, der sie mahnt und leitet, so gefiel es doch Gott, dass wir den Glauben, wie durch das Wort, so auch durch die Predigt empfangen. Denn wie können sie glauben, spricht Paulus (Röm. 10), wenn sie nicht hören? So verlangen wir auch Glauben an das Wort, denn der Mensch lebt nicht allein vom Brote, sondern von jeglichem Worte, das aus dem Munde Gottes geht. Daher waren die bisherigen Erinnerungen und Ermahnungen nicht überflüssig. Und vernehmt nun, wie angelegentlich der Evangelist auch diese Pflicht erfüllt, denn es folgt nun:

Kinder, es ist die letzte Stunde,

Eindringlicher als irgend etwas Anderes mahnt uns die Erinnerung an die letzte Stunde, wenn uns nämlich in unseren Ohren tönt, was den Jungfrauen gesagt wird: „Steht auf, der Bräutigam kommt, gehet aus, ihm entgegen.“ Daher ermahnt Christus: „Wacht, denn ihr wisst, weder Tag, noch Stunde, in welcher des Menschensohn kommen wird.“ Wahrlich um so mehr war hier Grund zu sagen: Wacht, die letzte Stunde ist da, schon kommt der Bräutigam. So sprechen auch die Engel bei Christi Himmelfahrt: So wird er wieder kommen, wie ihr ihn gesehen gen Himmel fahren. Desgleichen spricht Jacobus: Seid geduldig und stärkt eure Herzen, denn die Zukunft des Herrn ist nahe. Seufzt nicht wider einander, lieben Brüder. Siehe der Richter ist vor der Türe.„ So Paulus (1 Kor. 1, 7): „Wartet auf die Offenbarung unseres Herrn Jesu Christi.“ Ferner 1 Kor. 7: „Die Zeit ist kurz, daher sollen die dieser Welt brauchen, sein, als brauchten derselbigen nicht, indem sie nämlich dieselbe nicht lieben.“ In solcher Gottesfurcht lebten einst die Heiligen, als müssten sie im Augenblicke vor den Richterstuhl Christi erscheinen, und so sahen sie jeden Tag an als den letzten, indem sie dem Rat des Weisen folgten: „denke an dein Ende, und du wirst ewig nicht mehr sündigen.“ Übrigens ist die ganze Zeit zwischen der ersten Erscheinung Christi und der zweiten die letzte Stunde, denn auch zur elften Stunde werden Arbeiter in den Weinberg geschickt. Daher heißt sie auch die Fülle der Zeit. Bei den Propheten wird durch die letzten Tage die Zeit, da das Reich Christi aufgerichtet ist, bezeichnet, z. B. Jesaja 2 und Micha 4. „In den letzten Tagen aber wird der Berg, darauf des Herrn Haus steht, gewiss sein, höher als alle Berge und über die Hügel erhaben.“ Überdies ruft auch Christus (Joh. 19): „Es ist alles vollbracht.“ Was Wunder daher, dass Johannes sagt, die letzte Stunde ist da? Auch du bist dadurch gemahnt. Siehe wenn ein König verheißen hätte denjenigen, welche zu einer bestimmten Stunde kämen, goldene Becher. oder andere Kostbarkeiten zu geben; denjenigen aber, die nicht kommen, würde er nicht nur solches versagen, sondern noch Streiche geben lassen, wer würde da nicht aus Furcht seine Füße beflügeln, wenn er hörte, im Augenblicke schlage die letzte Stunde? Wahrlich, die meisten Menschen täuschen sich durch falsche Hoffnung auf ein längeres Leben, obgleich täglich so viele vor ihren Augen zu ihrer letzten Ruhestätte hinaus getragen werden, die in Rücksicht auf Alter oder Körperkraft, oder in Rücksicht auf ärztliche Pflege, die ihnen zu Gebote stand, noch viele Jahre sich hätten versprechen dürfen. Lasst uns nun sehen, wie und aus welchen Gründen er zum Schlusse kommt, dass es die letzte Stunde sei.

Und wie ihr gehört habt, dass der Widerchrist kommt, und nun sind viele Widerchristen geworden, daher erkennen wir, dass die letzte Stunde ist.

Aus der Erscheinung des Widerchristen schließt er, dass die letzte Stunde vor der Türe sei. Aber was sollen wir zu jener Stelle Pauli II. Thess. 2 sagen, da er um der Zukunft Jesu Christi willen bittet, dass sie sich nicht durch Briefe, als von ihm gesandt, erschrecken lassen sollen, als sei die Ankunft des Herrn vor der Türe. „Lasst euch durch Niemanden verführen in keinerlei Weise,“ sagt er warnend. Und nun redet unser Evangelist so, als wäre die Wiederkunft des Herrn ganz nahe. Stehen diese Stellen nicht miteinander im Widerspruch?

Keineswegs. Beide behaupten, dass die Vorläufer des Widerchristen auf die nahe Wiederkunft Christi hindeuten; auf die Erscheinung des Widerchristen folge die Erscheinung Christi, welcher durch seine Herrlichkeit jenen vernichten werde. Und was Johannes hier mit den Worten ausdrückt „und nun sind viele Widerchristen geworden“ das bezeichnet Paulus mit: nun regt sich das Geheimnis der Bosheit. Denjenigen übrigens, welche einwenden, jener Tag werde nicht erscheinen, bevor ein Abfall geschehen und bevor offenbar worden der Mensch der Sünde diesen antworten wir, dass wir gerade aus diesem Grunde schließen, der Tag sei nicht mehr ferne. Denn schon sind solche Vorzeichen da, dass es nicht den Anschein hat, als werde er lange auf sich warten lassen. Daher ziemt es uns alle Trägheit und Lässigkeit abzulegen, vorzüglich im Hinblick auf unsere Zeit, in welcher nicht nur die Vorläufer des Widerchristen sich zeigen, sondern der Widerchrist selbst, und wie vorausverkündigt worden, das Bild der Verwüstung im Hause des Herrn erblickt wird, was untrüglicher, als alle anderen Zeichen, wodurch die Menschen erschreckt werden, die nahe Ankunft des Herrn verkündigt. Deutlich liegt uns jener furchtbare Abfall vor Augen, den Daniel schildert, dass man sich unterstehen werde Zeit und Gesetz zu ändern, oder Paulus auch verkündigt, dass Gott kräftige Irrtümer sende, so dass man der Lüge glaube.“ Abgefallen ist man vom Glauben zu einem Zeremoniendienste und vom Worte Gottes zu den Überlieferungen der Menschen. Betrachte die Lehren der Schulgelehrten, der Bischöfe und Äbte und siehe, wie Petrus sie in seinem zweiten Briefe Kap. II. schildert: „Es werden unter euch falsche Lehrer sein, die nebeneinführen werden verderbliche Sekten, und verleugnen den Herrn, der sie erkauft hat; durch welche wird der Weg der Wahrheit verlästert werden. Und durch Geiz mit erdichteten Worten werden sie an euch hantieren.“ An diesen Stellen müssen wir einige Bemerkungen über den Widerchristen machen. Und wer ist der Widerchrist? Ohne Zweifel der ärgste Feind Christi! Es wird aber heut zu Tage Christo mehr widersprochen, als vormals durch die Offenbarung des Geheimnisses der Gottlosigkeit. Diejenigen, welche durch Heuchelei und unter dem Vorwande Christen zu sein, gegen die Wahrheit kämpfen, schaden ihr mehr, als diejenigen, welche mit offener Gewalt ihr widerstehen. Wenn Türken und Juden Christum verleugnen, so nehmen die Schwachen weit weniger Ärgernis daran, als wenn Geistliche, die Glieder der Kirche sind, ja Säulen derselben sein sollten, sich wider Christum erheben. Solches tun sie aber offenbar, indem sie dem Worte Gottes und dem Evangelio widersprechen. Und schaut und erwägt im Geist, wie sehr gegen das Evangelium gewütet worden: gottlose Menschen haben christliche Bücher verbrannt, die Aussprüche und Lehren der Apostel wurden öffentlich verdammt, unschuldige Männer wurden durch Beschlüsse von Konzilien und Fürsten zum Flammentode verurteilt. Wenn das nicht Christo widersprechen heißt, was heißt denn Anders ihm widersprechen? Es war sonst eine weitverbreitete Meinung über den Antichrist, dass, wie Christus von einer Jungfrau geboren, erfüllt war von der Gnade des heiligen Geistes, so werde auch Einer kommen, der, von schlechten Menschen geboren, mit aller teuflischen Arglist ausgerüstet sei. Doch scheint es, dass man dieses nicht also nehmen müsse; denn die Propheten pflegen die ganze Körperschaft eines Reiches als eine Person zu bezeichnen, so wird uns auch durch Mensch der Sünde, Sohn des Verderbens und Widerchrist eine sehr mächtige Gewalt veranschaulicht, welche im Namen der Religion und des Christentums gegen Christum streitet. So ist der Widerchrist die ganze Folge derer, welche Christo in seinem eigenen Reiche am heftigsten widerstreiten. Und das ist jener mächtige König, welchen Daniel in einem Gesichte geschaut und beschrieben. Daher haben wir hier nicht mit einer einzelnen Person zu tun, sondern mit einer ganzen Körperschaft, die jedoch mit Einem Haupte verbunden ist, und wie aller Schiffsunrat im untersten Schiffsraume zusammenfließt, so vereinigt sich auch in diesem Haupte Alles, was in der Kirche geändert werden sollte, und nicht geändert wird, was nicht geboten werden sollte, und doch geboten wird, was verhindert werden sollte, und nicht verhindert wird. Rate nun selbst, bei wem dieses Alles zusammenfließt. Das Volk wünschte, dass Vieles zum Bessern erneuert und dem Worte Christi gemäß gestaltet werde, aber die Priester gestatten es nicht. Vieles wünschten auch fromme Priester zum Besseren geändert, aber sie wagen es nicht vor den Bischöfen und ihren Vikarien. Vielleicht wollten es auch die Bischöfe selbst, aber sie sind zu sehr dem römischen Stuhle ergeben; und da dieser in allen Dingen seine Willensmeinung erst einzuholen zwingt, und dabei selbst sich nichts um das Heil der Kirche bekümmert, ja offenbar vom Vorbilde der Väter, ich meine des Petrus und Paulus, abweicht, und inzwischen die Heiden toben und die Völker ratschlagen wider den Herrn und wider seinen Gesalbten: erscheint der Widerchrist und es sind der Widerchristen viele schon da. Und dieweil wir in so bedenklichen Zeiten leben, so tut es vor Allem Not, dass wir uns Christo und der Wahrheit nähern, während uns die Bösen Drangsal bereiten. Da überdies so Viele auf den Stein des Ärgernisses anstoßen, und Christum verlassen, so müssen wir Sorge tragen, dass wir nicht zu ihnen gehören. Und damit wir noch achtsamer werden, fügt er bei:

Von uns sind sie ausgegangen; aber sie waren nicht von uns; denn wenn sie von uns gewesen wären, so wären sie bei uns geblieben; aber es sollte offenbar werden, dass sie nicht Alle von uns sind.

Da die gefährlicheren Widerchristen, wie er lehrt, von uns ausgehen, so müssen wir mit Wachsamkeit, Umsicht und Klugheit verbinden. Sie werden nämlich zu den Christen gezählt, da sie doch nichts weniger als wahre Christen sind: denn wenn sie gleich getauft und auch der anderen Sakramente teilhaftig geworden; so haben sie doch nicht die Taufe des Geistes empfangen, noch sind sie Christo einverleibt, von dem ihr Leben so sehr abweicht. So tut es Not, dass wir auf das Reich des Widerchristen mitten in der Kirche und im Hause Gottes aufmerksam machen. Demnach soll man sich sorgfältig umsehen, damit jene trügerischen Männer, die stets die Kirche im Munde führen, Niemanden täuschen. Das ist Sitte in der Kirche,„ sagen sie, dieses hat die Kirche festgesetzt,“ „so haben es die Väter angesehen.“ Denn wenn die Kirche, die unter der Herrschaft des Wortes Gottes steht, und die weder Flecken noch Runzeln hat, Etwas beschließt, was den Ansprüchen desselben widerspricht, was wäre solches anders, als Christum selbst verleugnen? Da nun die Partei der Widerchristen im Namen Christi und seiner Kirche zuweilen solches beschließt, was in geradem Gegensatze mit Christo steht, so wäre es wohl große Unklugheit, diesen falschen Propheten so leicht Gehör zu schenken. Gehorsam tut wahrlich allerwegen Not, dass wir nicht, während wir allzu einfältig und unüberlegt Menschen, die Recht und Unrecht lehren und befehlen, gehorchen, Gott ungehorsam werden, dessen Wort leider bei uns weniger gilt als die Fabeln der Menschen. Es ist Tatsache, dass auch die größten Konzilien sich in einigen Dingen geirrt, und dass sie überhaupt auch dem Irrtume unterworfen sind; das Wort Gottes aber bleibt in Ewigkeit. Warum ergreifen wir nicht das Gewisse statt des Ungewissen? Jene waren nämlich nicht alle von den Unsrigen, d. i. Glieder der wahren Kirche, Sie waren nicht Glieder, sondern Geschwüre am Leibe des Herrn: sonst wären sie nicht ausgegangen, noch hätten sie solches gelehrt, noch beschlossen, noch getan, was die wahren Christen nach dem Worte Gottes nicht anerkennen können. Sie wären nicht unterlegen in den Drangsalen, und hätten sich nicht so ganz von den Freuden dieser Welt und ihrer Eitelkeit fesseln lassen. Das Feuer offenbart nämlich, ob wir Stoppel oder Edelsteine auf diesen Grund bauen. Es schließen Einige aus dieser Stelle, dass die einmal wahrhaft Erleuchteten nicht mehr ganz vom Glauben abfallen oder aus der Kirche vollends austreten können. Denn wenn Petrus auch den Herrn verleugnete, so verließ er ihn doch nicht ganz. Wir wissen von ihm, dass der himmlische Vater und nicht Fleisch und Blut ihm offenbart, dass Jesus der Sohn Gottes sei (Matth. 16.), und wir übersehen zwar nicht, dass er eine schwere Sünde begangen, dennoch ließ sein Glaube nicht ganz nach, so wie auch derjenige des Davids nicht, der Ehebruch beging. Daher kehrten auch beide bußfertig unter Tränen um. Aber von denjenigen, die so weggehen, dass sie nicht mehr zurückkehren, ist keineswegs zu glauben, dass sie wahrhaft erleuchtet waren. In denjenigen hingegen, die wieder zurückkehren, sind einige Pflanzen des Glaubens unverletzt geblieben, und sie waren daher noch nicht verloren. Auch ist keiner von diesen so weggegangen, wie die Widerchristen, welche als nicht wahrhaft erleuchtet weggingen, damit sie entweder die erkannte Wahrheit, oder die Brüder um der Wahrheit willen befeindeten. Unter diesen lesen wir von Keinem, dass er sich wieder bekehrt habe; denn sie haben eine unverzeihliche Sünde begangen, eine Sünde gegen den heiligen Geist, die weder in dieser noch in der zukünftigen Welt vergeben wird. Es soll nun Jeder wohl zusehen, welchen Glauben er bis jetzt habe, und beten zu Gott ohn' Unterlass: „Herr, vermehre unsern Glauben,“ „hilf meinem Unglauben!“ damit ich nicht mit der großen Zahl der Widerchristen hingerissen werde, noch dass ich unvorbereitet sei, wenn der Herr Jesus Christus kommt, und mich mit seiner Stimme ruft. Es geschehe nach unserem Wunsche. Amen.

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