Ökolampad, Johannes - Bibelstunden über den 1. Brief des Johannes - Sechster Vortrag.

Ökolampad, Johannes - Bibelstunden über den 1. Brief des Johannes - Sechster Vortrag.

Es ging einst, wie wir diese Tage in der Kirche lesen, eine große Menge Volkes zu Johannes, dem Täufer, hinaus, nicht allein, um sich taufen zu lassen, sondern damit sie auch die Lehren des Lebens vernehmen, und der Weg bereitet würde durch dieselben, damit der Herr, der bald erscheinen sollte, einziehen könne. So denke ich mir auch, dass auch Ihr im nämlichen Sinne hierher gekommen seid zum anderen Johannes, ich meine den Evangelisten, dessen Brief wir nun seit einigen Tagen erklären: auf dass Ihr die Lehren des Lebens vernehmt, und so euch vorbereitet, das Fest der Erinnerung an die Geburt des Herrn zu feiern; und getrost mit allen Heiligen dem Tage des Gerichtes entgegengehet, wann in seiner Macht und Herrlichkeit derjenige wiederkommen wird, den die Teufel, der Widerchrist und alle, die ihres Zeichens sind, fürchten. Und so wie der Täufer durch Wort und Fingerzeig ankündigte, dass der demütige Jesus der verheißene Christus sei, und denjenigen, die zu ihm kamen, die heilsamen Lebensvorschriften erteilte, so gibt auch hier unser Johannes Zeugnis von der Hoheit Christi, und überliefert uns zugleich die heilsamsten Gesetze. Was für Gesetze das seien, habe ich neulich kurz erklärt, indem ich sagte: Daran erkennen wir, dass wir in ihm sind. Wer da sagt, er bleibe in ihm, muss auch selbst so wandeln, wie er gewandelt ist. Das ist der Befehl Christi, dass wir bleiben in ihm, wodurch auch er in uns bleibt. Diese zwei Dinge sind notwendig und unzertrennlich, nämlich, dass wir bleiben in ihm durch den Glauben, und dass er in uns bleibe und sein Werk in uns wirke, damit wir wandeln, so wie er gewandelt. Denn wir nennen uns nicht Christen nach einem entfernten Christus, sondern nach dem gegenwärtigen, der in uns wohnt, und unser ganzes Leben verherrlicht. Denn ohne ihn vermögen wir Nichts. Er selbst lehrt und wirkt zugleich in uns die Liebe. Und diese ist unser Gesetz, und wenn wir dieses Gesetz der Liebe erfüllen, so können wir getrost und zuversichtlich zu dem Richterstuhle Christi hintreten, und seiner Wiederkunft mit den klugen Jungfrauen ohne Furcht entgegensehen, denn an denen ist nichts Verdammliches, die auf Christum durch den Glauben eingepflanzt sind. Oder wie ist es nur möglich, dass Christus sich selbst verdamme? Doch wir wollen in der Erklärung fortfahren.

Brüder! ich schreibe euch kein neues Gebot, sondern ein altes Gebot, das ihr von Anfang an gehabt. Das alte Gebot ist das Wort, das ihr von Anfang an gehört habt. Wiederum ein neues Gebot schreibe ich euch, was bewährt ist in ihm und in euch.

Er antwortet mit dieser Stelle denjenigen, welche sagen: Es sei ein neues und großes Gebot, zu wandeln, wie Christus gewandelt; sintemal in Christo die ganze Fülle der Gnade war, wir aber nur Staub und Schatten sind. Wie nur, sagen sie, können wir uns mit ihm vergleichen? Es ist uns unmöglich, dieses Gebot zu erfüllen. Solchen, sage ich, antwortet er: „Brüder,“ als wolle er damit sagen: das sei fern, dass ich, der ich euer Bruder bin, und deswegen nicht euer Vorgesetzter, euch etwas Neues aufbürden wollte. Ich lehre euch daher nichts Neues, sondern das alte Gebot, das ihr von Anfang gehabt, und zwar von jener Zeit an, wo ihr auf Christum gepflanzt worden, indem ihr gelehrt seid und das Gebot habt, da er in euch solches wirkt. Denn das ist kein Christ, in welchem nicht Christus dieses wirkt. Neu ist es nicht, was das Gesetz und die Propheten fordern, in welchem Alles inbegriffen ist, was im Gesetze geschrieben steht. Denn jedes Gesetz will, dass wir das Leben Christi darstellen, nämlich seine Liebe. Mit dieser Stelle ist auch jenen törichten und unzeitigen Fablern zu antworten, welche vor den Predigern des Evangeliums zurückschaudern (denn bringen diese Zeiten nicht Alles mit sich?) als lehrten dieselben gleichsam einen neuen Glauben, ein neues Gesetz, einen neuen Gott; und doch sind es gerade diejenigen, die solches sagen, Menschen ohne Glaube, ohne Gesetz, ohne Gött. Welche Schmach! ist denn die Lehre Christi so veraltet in den Herzen der Menschen, dass, wenn sie in apostolischer Weise gelehrt wird, man glaubt, es werde etwas Neues verkündigt? Welchen neuen Gott predigen wir, wenn wir lehren, dass der in unseren Herzen wohne, welcher von Anfang war. Es ist offenbar, dass sie ihn nicht kennen! Denn wenn sie ihn erkennen würden, könnten sie uns nicht widersprechen. Ein neuer, erdichteter Gott ist Luzifer und der Widerchrist und jeder, der dem widerspricht, der von Anfang gewesen. Neue Götter machen sich die, welche das Wort Gottes verlassen, und Menschengebote halten. Einen neuen Glauben lehrt, wer dem Evangelium widerspricht, in der Tat lehrt er keinen Glauben, sondern die Finsternis des Aberglaubens und Abscheu. Wer aber solches lehrt, wird vom Vater ausgereutet werden, weil er nicht eine Pflanze ist, die der Vater gepflanzt. Neue Gebote sind die Menschengebote und die Überlieferungen der Pharisäer; wer solches lehrt, ändert den alten Sinn der Worte und lehrt neue Wege. Einen neuen Glauben und ein neues Gebot haben diejenigen, die auch einen neuen Gott haben, welcher einmal entstanden ist. Unser Gott hat niemals angefangen zu sein. Die Schrift erhebt nirgends die Überlieferungen der Väter, ja an einigen Stellen setzt sie dieselben sogar herunter; was beschuldigt man denn uns, die wir unternommen, allein das Gesetz Gottes zu verkündigen? Daher sagt Johannes: „kein neues Gebot schreibe ich euch, sondern ein altes;“ denn dasselbe haben alle heiligen Väter und Propheten, welche vorher gewesen, gehabt; obgleich es in einem gewissen Sinne neu genannt werden kann, dieweil es wegen unserer verdorbenen Sitten veraltet war, und nun der Erneuerung bedarf. Daher nennt auch Christus, der zu unserem Heile Mensch geworden ist, indem er sein Gebot erneuerte, dasselbe ein neues, und zwar zu unserer Verdammnis, weil wir es vernachlässigt, indem wir nach dem alten Menschen gelebt. Auch deswegen ist es ein neues, weil Christus es gegeben, und es in unseren Herzen geschrieben steht, wie Jeremias gesagt. Wie es bewährt werde, folgt nun:

Welches bewähret ist (wahr ist) in Ihm und in uns.

Das will sagen, weil die wahre Liebe in Christo ist, und wir Christo anhangen, daher ist auch in uns die wahre Liebe und kein untätiger Glaube. Nicht allein, weil wir Christum nachahmen, indem wir uns nach seinem Vorbilde gestalten (was Einige allein eingestehen), sondern weil der, welcher in unseren Herzen wohnt, unsere Liebe wahr macht. Obgleich ungern geben solches die bedauerungswürdigen Pelagianer zu, dennoch leugnen sie, man staune, sowohl die belebende Gerechtigkeit, als die Erbsünde, indem sie glauben, dass wir so sehr den ersten und den zweiten Adam nachahmen, dass nicht die Sünde in uns herrsche, nicht Christus uns regiere, sondern dass wir selbst nach unserem freien Willen, wiefern wir es wollen, tapfer, weise und heilig seien. Wenn Jemand weiter fragt: Wie Wahrheit und wahre Liebe in uns sein könne; da wir in so dicker Finsternis wandeln, wegen des sterblichen Leibes, der uns beschwert? So gestehen wir zwar die Finsternis ein; aber wir wissen, dass sie durch den Glauben verschwindet, und dass der alte Mensch samt seiner Eigenliebe und seinen Begierden durch die nämliche Kraft des Glaubens dahingeschwunden. Das Licht vertreibt die Finsternis, so, dass sie nicht mehr bestehen kann, sondern Christo Platz machen, der in unseren Werken wiederstrahlt. Dieses drückt Johannes mit folgenden Worten aus:

Denn die Finsternis vergeht und das wahre Licht scheint schon!

Das Nämliche hat uns Paulus gesagt: „Die Stunde ist da, wo wir nun aus dem Schlafe erwachen sollen; die Nacht ist vergangen und der Tag ist herbeigekommen.“ Und an einem andern Orte: „Ihr wart Finsternis, nun seid ihr Licht.“ Und wiederum: „Zieht aus den alten Menschen und zieht den neuen an!“ Dieses geschieht nur durch den Glauben. Der Glaube ist daher ein Licht und ein Feuer, das nicht unter dem Scheffel gestellt, oder im Feuerstein verborgen ist; sondern sein Licht leuchtet in den Werken, und glüht inwendig in der Liebe, dass du nicht in Heuchelei verfällst. Und damit du noch deutlicher erkennst, es ist kein Glaube, in welchem nicht Nächstenliebe wohnt, und kein Licht, welches nicht in Liebe leuchtet, sondern Finsternis und Lüge, wie der Evangelist es lehrt:

Wer das sagt, dass er im Lichte sei, und hasst seinen Bruder, der ist bis jetzt in der Finsternis!

Bis jetzt ist er in der Finsternis, wie vorher geschrieben steht, da ihm das Wort Gottes noch nicht bekannt geworden. Bemerke jedoch, dass er nicht von Schimpfereien, Verachtung, Mord und anderen äußeren Dingen redet, sondern vom inneren Hasse. Und wenn diese, die nur im Herzen die Brüder verfolgen und hassen, noch in der Finsternis sind, wie viel mehr sind es diejenigen, bei denen der Hass in Wut, Toben und Mord sich äußert? Dieses beweist er aus dem Gegensatze mit den Worten:

Wer seinen Bruder liebt, der bleibt im Lichte und für ihn gibt es keinen Anstoß (zum Straucheln).“

Weil derjenige, welcher liebt, im Lichte ist, so folgt, dass der, welcher noch im Hasse befangen ist, noch in der Finsternis wandelt. Was ist die Liebe anders als Glut und Feuer? Daher Hass aber ist Frost und Eis. Woher die Wärme als vom Lichte? Und woher die Kälte, als von der Entfernung vom Lichte, von der Finsternis? Wo daher Hass, da ist auch Finsternis, und wo Liebe dagegen, da ist auch Licht und Wärme. Es hüte sich aber Feder, eine geschminkte Liebe als Frucht des Glaubens, noch den Hass als verächtlich und geringen Schadens anzusehen. Nachdem er von der Liebe gesprochen, fügt er hinzu: „Und für ihn gibt es keinen Anstoß.“

So spricht auch David: „Großen Frieden haben, die dein Gesetz lieben, und werden nicht straucheln.“ Glückselig ist, wer Glauben hat, und er leidet keinen Schaden; denn die Liebe ist so glühend, dass sie durch keine Schmach gelöscht werden kann; sie legt alles, soweit es irgend geschehen kann, zum Guten aus. Sie gibt Niemandem mutwillig Anstoß, nimmt auch nicht Anstoß am Leben irgend Jemandes. Ja sie entäußert sich selbst, und wenn sie Jemanden leiden sieht, leidet sie mit, tröstet, erbarmt sich, und betet für die Leidenden. Sie ist fest, daher leidet sie keinen Anstoß. Dagegen lehrt er vom Hasse und Neid:

Wer aber seinen Bruder hasst, der ist in der Finsternis, und wandelt in der Finsternis, und weiß nicht, wohin er geht; denn die Finsternis hat seine Augen verblendet.

Hass und Neid ermangeln nicht nur des Glaubenslichtes, sondern sie stürzen die damit Erfüllten in verschiedene Verbrechen, nehmen an allem Ärgernis, selbst an dem, was gut ist, und schonen auch Christum nicht. So gereicht auch das Licht den schwachen Augen zum Ärgernis. Zu dem folgt aus dieser Finsternis, dass die Ungläubigen ihre Werke nicht recht zu würdigen wissen, ob sie Gott angenehm seien oder nicht, und auch nicht erkennen, wie schwer das Wesen der Sünde sei, und welche große Strafe daraus folge. Warum machen sonst Viele weniger aus dem Morde eines Menschen, als einer Gans? Warum halten Einige das Verleumden, Verlästern und Verfolgen für keine Sünde? Sie haben zwar Augen erhalten, Gott zu erkennen, aber Finsternis umdunkelt sie. Sie erwägen nicht, dass sie zehntausend schuldig seien, während sie um nichts den Nächsten erdrücken, und denken nicht, wie Vieles Christus für sie erduldet, wie barmherzig er ist, damit sie auch selbst barmherzig seien. Daraus erhellt hinlänglich, dass das Leben der Gläubigen heilig sei, dasjenige der Ungläubigen aber voll Sünden, da der Glaube Liebe wirkt, der Unglaube aber die Quelle der Selbstsucht und des Hasses ist. Indem nun der Evangelist zu dem zurückkehrt, was er von Anfang gesagt, dass er kein neues Gebet aufstelle, spricht er:

Ich schreibe euch, Kindlein, weil Such die Sünden vergeben sind durch seinen Namen. Ich schreibe euch, Väter, weil ihr erkannt habt den, der von Anfang ist. Ich schreibe euch, Jünglinge, weil ihr den Bösen überwunden habt. Ich habe euch geschrieben, Kinderchen, weil ihr den Vater erkannt habt. Ich habe euch geschrieben, Väter, weil ihr erkannt habt den, der von Anfang ist. Ich habe euch geschrieben, Jünglinge, weil ihr stark seid, und das Wort Gottes in euch bleibt, und ihr den Bösen überwunden habt.

Damit ihr seht, dass ich nichts Neues dazu füge, so schreibe und lehre ich das Nämliche, was ich früher geschrieben und gelehrt habe. Früher lehrte ich, dass unseren Werken nichts zuzuschreiben sei, sondern dass unsere Sünden im Namen Jesu erlassen werden, das Nämliche bestätige ich noch jetzt und schreibe es euch, Kindern. Und weil ihr zuerst durch die Erleuchtung Kinder geworden, und hierauf im Fortschreiten Väter: so seid ihr denn weiter stark und vollkommen geworden; so dass ihr nun wagt für die Brüder zu sterben, und das Böse überwindet. Wie ich daher früher über diese Angelegenheit gelehrt, so schreibe ich nun jedem geistigen Alter, und den Nämlichen, denen ich früher geschrieben, unterlasse ich auch jetzt nicht zu schreiben. Ich habe früher den Vätern geschrieben, nicht weil ich irgend aufs Alter Rücksicht nahm, sondern deswegen, weil sie früher den erkannt, der vom Anfang war, den Gleichen schreibe ich deswegen wieder, weil sie den Namen „Greise“ nicht verdienten, wenn sie Ihn nicht erkannt hätten. Denn nicht der Jahre Zahl machen einen zum Greisen im geistigen Sinne, sondern die größere Erkenntnis Gottes. Und wie früher, so habe ich auch euch jetzt geschrieben, Kinderchen, indem ich nicht auf die Rücksicht nahm, welche erst kurz den Mutterleib verlassen, sondern nur auf die reine Unschuld, damit alle unsere Gerechtigkeit in Christo sei, weit wir durch den Glauben zu Kindern werden. Ich habe nicht vergessen, auch euch Männern zu schreiben, wie ich auch früher geschrieben habe, damit ihr männlich kämpft gegen das Böse, und euch so weder durch Freuden noch Widerwärtigkeiten überwinden lasst, wie der Psalmist ermahnt: Kämpft männlich, und euer Herz sei getrost! Und Paulus: Über Alles zieht an die Waffen des Glaubens. Und wenn ihr so kämpft, so werdet ihr die ewige Krone empfangen, welche euch durch die Barmherzigkeit Christi zu Teil werden wird. Amen!

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