Ökolampad, Johannes - Bibelstunden über den 1. Brief des Johannes - Erster Vortrag.

Ökolampad, Johannes - Bibelstunden über den 1. Brief des Johannes - Erster Vortrag.

Wie wir in leiblichen Krankheiten uns lieber der Pflege derjenigen Ärzte unterziehen, welche in ihrer Kunst erfahrener sind, und auf welche wir zuversichtlich größeres Vertrauen setzen dürfen: so wenden wir uns in Krankheiten der Seele mit Recht an diejenigen Lehrer (denn das sind die Seelenärzte) über deren Treue gegen uns wir keine Zweifel hegen und die wir als vorzüglich erfahren in der himmlischen Weisheit kennen gelernt haben. Solcher Art sind zwar alle Apostel, welchen der Herr Jesus Macht verlieh, uns nicht am Körper allein, sondern auch an der Seele gesund zu machen. Der Apostel Johannes aber, dessen ersten Brief wir hier auslegen wollen, zeichnet, wie in vielen anderen Dingen, so besonders in dieser Heilkunst vor den Übrigen sich aus. So wird er uns nicht allein aus seinen Schriftwerken empfohlen, ich meine sein Evangelium und seinen ersten Brief, der selbst das reinste Evangelium ist, sondern auch anders woher. Denn wer darf an der Treue desjenigen zweifeln, dem Christus am Kreuze seine Mutter nicht ohne tiefe sinnbildliche Bedeutung empfohlen hat? Wer misst nicht dem ausgezeichnete Erkenntnisse in himmlischen Dingen zu, der an der Brust Christi geruht und Zeuge gewesen der geheimsten Ereignisse aus dem Leben des Herrn? Er sah die Verklärung Christi auf dem Berge, er sah ihn wieder im Garten, als er im Blutschweiße rang; er war Zeuge der Auferweckung der Tochter Jairus, und erscheint überall unter den Ersten. Wenn wir ihn ferner mit den anderen Evangelisten vergleichen, so hat er, während die anderen Tiere der Erde, den Adler, der nach der Höhe fliegt, zu seinem Sinnbilde. Aus der Eigentümlichkeit seiner Schreibart wird von Einigen auf die Anmut seiner Sitten geschlossen. Seine Rede ist gegen die Guten einnehmend, und gegen die Bösen ermangelt sie des Eifers nicht; so verhält es sich auch mit seiner Lehre und seinem Leben. Und so wie Einige heut zu Tage den Apostel Paulus ächten möchten, so vermögen sie auch nicht das Ansehen des Johannes zu ertragen. Kein Wunder: denn wie könnten die Feinde der Wahrheit die Jünger derselben lieben? Bei Lukas will er Feuer vom Himmel erbitten, welches die Samariter verzehren sollte, die Jesus aufzunehmen geweigert. Mit Recht wird er daher der Sohn des Donners, das ist, der Donnernde, genannt, weil er einerseits die Gottlosen niederdonnert mit seiner Rede, anderseits nicht von der Erde redet; denn er donnert nicht wie die Erdzauberer Jesaj. 29, sondern vom Himmel herab, und verkündet uns himmlische Lehren. Glückbringender Donner; denn mit ihm träufelt milder Regen nieder, der das Erdreich unserer Herzen fruchtbar macht und das Wachstum fördert. Welche Bildung, Frömmigkeit und Heiligkeit er in seiner Lehre offenbart, und wie verdient ihm der Name eines Theologen zukommt, wird hinlänglich klar aus dem Briefe selbst, den wir nun lesen wollen.

Was von Anfang war, was wir gehört, was wir gesehen mit unseren Augen, was wir geschaut und unsere Hände betastet haben, vom Worte des Lebens, und das Leben erschien: was wir gesehen und gehört haben, verkündigen wir euch, auf dass ihr Gemeinschaft mit uns habt; unsere Gemeinschaft aber ist mit dem Vater und mit seinem Sohne, Jesu Christo. Und solches schreiben wir euch, auf dass eure Freude vollkommen sei.

Diese Worte stehen hier als Einleitung. Es wundert sich vielleicht Jemand, warum hier gegen die apostolische Sitte der apostolische Gruß fehlt. Man findet sonst nirgends in den apostolischen Briefen, dass der schuldige Gruß unterlassen worden, außer in diesem Briefe und im Hebräerbriefe, dessen Verfasser noch nicht hinlänglich bekannt ist. Dieses soll aber um so weniger Jemanden ärgern, da der Herr seinen Aposteln eine solche Eile bei der Verkündigung des göttlichen Wortes anbefohlen, dass sie auch Niemanden auf dem Wege grüßen dürfen. Diese Eile bemerken wir auch an dieser Stelle. Nichts liegt ihm näher am Herzen, als bald möglich die Verheißungen in das Herz der Gläubigen zu gießen, und so verweilt er nicht bei der Begrüßung. Die Eile ist diesem Jünger auch anderswo auf eine vorzügliche Weise eigen; vor allen eilt er nach dem Grabe des Herrn. Daher wird hier der Gruß auch nicht vermisst, vielmehr muss es uns erwünscht sein, dass dasjenige, was wir in der Begrüßung anzuwünschen pflegen, als schon erschienen verkündigt wird. Oder was glaubt Ihr, welches ist besser, das Heil anzuwünschen oder das Heil zu verkündigen? Jedenfalls zu verkündigen! Es wünschen uns oft Freunde solches, was uns nie begegnet, noch auch begegnen kann. Wahrlich diejenigen nützen uns mehr, die uns Etwas verkündigen, als die uns nur Etwas wünschen! Daher spricht der Prophet: wie lieblich sind die Füße derjenigen, die Frieden und Heil verkündigen; nicht aber derer, die uns grüßen und Gutes anwünschen. So unterlässt er schon im Eingange des Briefes nichts, was uns zum Heile gereicht, zu verkündigen, sondern offenbart uns, dass uns die größten und unaussprechlichen Güter, nämlich Jesum Christum, das ewige Leben, die Gemeinschaft mit Gott und mit allen Heiligen, überhaupt unsere vollkommenste Freude, dargeboten sei, wenn wir es nicht verschmähen. Wer, der Ohren hat zu hören, möchte daher nicht so Freudiges und Angenehmes gerne hören? Wahrlich schon an der Schwelle offenbart er die Tiefe und Gewissheit seiner Erkenntnisse, und gleichsam mit einer Donnerstimme von oben verheißt er uns das Höchste zu geben.

Was von Anfang war.“ Ist dieser Anfang des Buches nicht erhaben? Wahrlich sein Antlitz ist vom Glanze und der Hoheit eines Seraph umleuchtet! Es unterscheidet sich dieser Eingang nur in Wenigem von dem seines Evangeliums. Dort schreibt er: „Im Anfange war das Wort“ hier: „Was von Anfange war.“ Dort nennt er den Sohn Gottes in einem gewissen Sinne das Wort, hier will er ihn uns einprägen, ohne einen Namen zu nennen, ja er findet keinen, womit er ihn bezeichnen könnte. Das Göttliche ist für das Geschöpf unaussprechbar. Denn weder „Sohn“ noch „Wort“ bezeichnen ganz den Sohn Gottes. Auch wird er „zeitenlos“ umschrieben, weil er über alle Zeit ist. Wer möchte nicht darüber genauer untersuchen?

Was wir gehört, was wir gesehen mit unseren Augen, was wir geschaut.“ Du sagst: unsere Natur ist zu schwach, als dass wir Etwas von der Gottheit erkennen und über sie zu reden vermöchten. Solchen Sonnenglanz vermögen unsere Augen nicht zu ertragen! Wahr ist dieses; aber jener Unaussprechliche, der unser Verstehen übersteigt, hat sich unserer Schwachheit anbequemt und ist zu unserem Verständnisse heruntergestiegen, Er ist Fleisch geworden. Weil nun Johannes ihn selbst gesehen, so lässt er uns auch hoffen, ihn schauen zu können. Indessen will er mit diesen Worten sagen: Wir reden nicht Verborgenes, sondern was offenbar geworden. Wir haben es selbst gehört. Und dass man nicht glaube, wir haben falsch gehört, so haben wir es auch gesehen; und zwar nicht wie die Propheten in eingebildeten Gesichtern oder in gewissen Erscheinungen Gott gesehen: sondern wir haben es mit unseren leiblichen Augen geschaut. Hier kannst du gewissen Tyrannen begegnen, welche sich das Recht anmaßen, kanonische Schriften aufzustellen, indem sie sagen: sind wir nicht die Nachfolger der Apostel? Waren die Apostel nicht auch Menschen, wie wir? Freilich waren die Apostel auch Menschen, aber sie lehrten und schrieben nicht auf Eingebung des menschlichen, sondern des göttlichen Geistes: und sie haben nicht ihre eigene Erfindungen überliefert; sondern was sie entweder mit eigenen Augen gesehen, oder was sie vom Herrn empfangen. Daher erinnert Johannes auch mit solchem Nachdrucke, dass sie es selbst gesehen und gehört haben. Auch Lukas spricht im Eingange seines Evangeliums: Sowie es diejenigen überliefert haben, welche es von Anfang mit ihren Augen gesehen, und kundig waren dessen, was sie erzählten. Jene aber, welche erst so viele Jahrhunderte später erschienen, und ihre Träume an die Stelle der von ihnen vernachlässigten, heiligen Schriften zu stellen wagen, verdienen zu den falschen Propheten gezählt zu werden.

Und was wir mit unseren Händen betastet vom Worte des Lebens.“ Die Apostel begnügten sich nicht, den auferstandenen Jesus mit ihren Augen zu sehen, und ihn mit ihren Ohren zu vernehmen, sondern sie betasteten und befühlten ihn mit ihren Händen. „Vom Worte des Lebens.“ Das in ein hebräisches Bild. Wenn irgend eine Sache oder Erscheinung lebendig ist, so ist es wohl der, den die Juden gekreuzigt haben und der von den Toten auferstanden. Er will damit sagen: auch wir waren nicht so bereitwillig zum Glauben, sondern wir waren so im Gegenteile so hartnäckig ungläubig, dass unser Unglaube uns als Fehler vorgeworfen worden.

Und das Leben ist erschienen und wir haben gesehen und geben Zeugnis davon.“ Befühlend haben wir erfahren; entweder, dass jenes wesentliche Leben Fleisch geworden, d. i. im Fleische erschienen sei oder es kann dieses auch von der Auferstehung gedeutet werden. Du siehst, die Gewissheit, die er von den Dingen hat, über die er spricht, sowie die Erhabenheit des Gedankens - „und verkündigen euch das Leben, das ewig ist, welches war bei dem Vater, und ist uns erschienen.“

Wir wünschen Euch nicht allein Heil und jenes gewöhnliche Leben, sondern, wenn Ihr horcht, siehe, so wird Euch durch denjenigen, den wir gesehen haben, das ewige Leben zu Teil. Christum können wir gewinnen, der Gott und Mensch zugleich ist; der das wahre Leben ist und durch den auch wir leben. Seine Gottheit bezeichnet er mit den Worten „welches war bei dem Vater,“ seine Menschheit aber durch die Worte und „ist uns erschienen,“

Was wir gesehen und gehört haben, das verkündigen wir euch, auf dass auch ihr mit uns Gemeinschaft habt, und unsere Gemeinschaft sei mit dem Vater und mit seinem Sohne Jesu Christo. Und solches schreiben wir euch, auf dass eure Freude vollkommen sei.

Nicht vergebens wiederholt er den nämlichen Gedanken. Unser schwaches Gewissen bedarf viel, um zum Glauben geweckt zu werden, und damit der ganze Betrug des Zweifels schwinde. Daher antwortet er hier dem, der verwegen einwenden möchte, was geht's uns an, was die Apostel gesehen? Wir zwar, was uns betrifft, sind selig, weil wir Christum gesehen haben; die Liebe aber gibt uns nicht zu, dass wir uns mit unserem Heile begnügen; sondern sie nötigt uns, auch euer Heil zu suchen. Wir lassen uns demnach durch keine Gefahren hindern, und weichen keinen Mühsalen und Drangsalen, ja selbst dem Tode nicht, euch es zu verkündigen; indem wir wünschen, dass auch ihr selig werdet, und Gemeinschaft habt mit uns, und seine Jünger werdet, Bürger des himmlischen Jerusalems und teilhaftig des ewigen Lebens. Und dass ihr nicht allein Gemeinschaft habt mit dem Vater und dem Sohne, sondern, dass ihr bleibt in Gott durch den Glauben und der Sohn in euch bleibe, und euch zu Kindern Gottes umwandle. Daher suchen wir nicht euer Gold, wir trachten nicht euch in Knechtschaft zu bringen: wir wollen euch nicht schwere Lasten aufbürden; denn das ist nicht Sache der Apostel. Wir schreiben aber und geben Zeugnis, damit eure Freude vollkommen sei; nicht jene Schattenfreude der törichten Welt, welche sich bald in Trauer verwandelt, sondern jene wahre ewig dauernde Freude, weil Christus in euch herrscht. Der Zweck aber des ganzen Briefes ist, meiner Ansicht nach, dass wir Gemeinschaft haben mit dem Vater und dem Sohne und dadurch mit allen Heiligen. Ähnliche Freunde verkündet auch der Engel den Hirten; indem er sagte: „Siehe ich verkündige euch große Freude, welche allem Volke wiederfahren wird; denn euch ist der Heiland der Welt geboren!“ Und seit der Zeit feiern wir zum Andenken dessen den Festtag der Erscheinung des Herrn, an welchem das unaussprechliche Wort zu unserem Heile Fleisch geworden ist. Wir müssen demnach gleich wie jene Hirten, welche Nachtwache hielten, sich aufmachten nach Bethlehem, auch in Wachsamkeit des Geistes, mit Unterdrückung der bösen Gedanken, des Stolzes, Neides und der unerlaubten Begierden, im Glauben das Wort annehmen, welches uns verkündigt wird; indem wir erwägen, wie köstlich es ist, und wie notwendig für uns, auf dass auch unsere Freude vollkommen werde. Diese wird aber am vollkommensten sein, wenn Christus in unseren Herzen wohnt und herrscht, und uns, wenn er nach seiner Verheißung wieder kommt, zu sich aufnimmt. Amen.

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