Mylius, Georg - Predigt am heiligen Pfingsttage aus der Apostelgeschichte am 2. Cap., den 30. Tag Maji Anno 1585.
(Drei christliche Predigten. Zwo von dem heiligen Pfingstfest, eine auf den Sonntag der heil. Dreifaltigkeit. Wittenb. 1586. 4.)
Von den auserwählten Christgläubigen lieset man, ihr Geliebten in dem Herrn, bei dem königlichen Propheten David: Sie werden mit viel Segen geschmückt, und sie erhalten einen Sieg nach dem andern (Ps. 84). Dieses ist nicht von äusserlichem und weltlichem Segen und Glück zu verstehen. Denn was der Welt Segen gegen die frommen und auserwählten Gotteskinder belanget, heisst es, wie Paulus sagt: Wir sind stets ein Fluch der Welt und ein Fegopfer aller Leute (1. Cor. 4). Sondern mit gedachten Worten wird gemeint der geistliche Segen, davon Paulus (Ephes. 1) redet: Gelobt sei Gott und der Vater unseres Herrn Jesu Christi, der uns gesegnet hat mit allerlei geistlichem Segen in himmlischen Gütern durch Christum. Eben dergestalt redet David nicht von äusserlichem, leiblichem Siege, den die Chrisen viel und oft in dieser Welt erhalten. Denn da gehet es nach David’s Psalm (129): Sie haben mich oft gedrängt von meiner Jugend auf; so sage Israel: Sie haben mich oft gedrängt. Sondern es ist David’s Rede zu verstehen vom geistlichen Sieg, da die liebe Christenheit immer einen Sieg über den andern erhält wider die Haupt- und Erzfeinde christlichen Namens, Sünde, Tod, Teufel, Hölle etc., und hierum Freude hat und einen Triumph über den andern erhält und begeht, inmaassen in den Kirchen der ganzen Christenheit des Jahres über viel und oft gesehen und gehöret wird. Denn sobald wir das Jahr anfahen, wird uns gepredigt von der seligmachenden Menschwerdung und Geburt unseres Heilands Jesu Christi. Allhie erlanget die Kirche Gottes einen herrlichen Sieg und hält einen gewaltigen Triumph wider die Sünde, da sie der Sünde begegnen und sagen kann: Nun bist du, Sünde, nicht durch alle Menschen hindurchgedrungen, nun ist Gott Lob nicht unser ganzes Geschlecht und Natur durch die Sünde verderbet; sondern nun ist Bein von unserm Gebein und Fleisch von unserm Fleisch, ein wahrer Mensch von unserer Natur und Geschlecht, der gänzlich ohne Sünde ist.
Es folget unlängst hernach die klägliche Zeit des unschuldigen Leidens Christi. Hier scheint gleichwohl die Schlacht eine Zeit lang verloren oder ja eine cruenta victoria, ein blutiger und schädlicher Sieg zu sein. Doch ist dieser ein edler und köstlicher Sieg wider den Hauptfeind, den Teufel. Denn hier können nun wir Christen dem Teufel entgegen gehen und sprechen, wie ein alter Kirchenlehrer (Theodoretus) schreibt: Du hast verloren, Teufel, du hast verloren, dieweil du den Menschen geplaget hast, der ohne Sünde war. Denn gleich wie du Recht und Macht bekommen hast über alle Menschen um eines Menschen wegen, der zu weit gegriffen hatte: also verleuerst du nun dein Recht und Anspruch an alle Menschen, dieweil du die Tatzen verbrannt und dich vergriffen hast an einem Menschen, der der allerheiligste, ja, Gott und Mensch gewesen ist.
Da denn bald hierauf folget der fröhliche Ostertag, eine siegreiche Auferstehung unseres Herrn Christi von den Todten, da erhält die Christenheit abermals einen herrlichen Sieg wider den Tod, triumphiret billig und singet: Der Tod ist verschlungen in den Sieg! Tod, wo ist dein Stachel? Gott sei Dank, der uns den Sieg giebt durch unsern Herrn Jesum Christ (1. Cor. 15).
Unlängst hernach über 40 Tage erhalten wir einen neuen Sieg. Christus fährt auf gen Himmel mit Jubel und Triumph und sitzet zur Rechten göttlicher Majestät und Herrlichkeit. Dies ist unser Sieg wider die Hölle, und können nun sagen: Hölle, wo ist dein Sieg? wie Paulus auch geschrieben hat.
Stehet kaum zehn Tage an, da ist wiederum ein neuer Sieg auf den heutigen Tag. Der heilige Geist wird sichtlich den Aposteln vom Himmel gesendet auf ein Mal, damit zu bezeugen, dass er unsichtlich der lieben Christenheit alle Mal bis an’s Ende der Welt beiwohnen wolle. Dies ist zumal ein gewaltiger Sieg der Christenheit wider die Anklage des Gesetzes, wider die Verdammniss, wider die Welt und unser Fleisch, und was dergleichen Feinde mögen genannt werden. Denn dieser Geist schafft und bringt uns bei die Heiligung, die dem Gesetz unmöglich war, macht, dass nichts Verdammliches ist an Denen, die in Christum glauben, schwächet und bricht in den Gläubigen das Regiment der Welt und des Fleisches.
Da nun einfältige Zuhörer vorhanden und zugegen wären, die da nicht verstünden, faule und unlustige, die da nicht achteten, muthwillige und boshaftige, die da gar verlachten, was heute mit grosser Freude in den Kirchen Gottes verrichtet wird: so müsste alle Freude und Gottes Lob, damit sonst billig dieses hohe Fest zuzubringen, eingestellt, entgegen scharfer Ernst gebraucht und eine solche Predigt angestellt werden, dadurch die Einfältigen und Albernen unterwiesen, die Faulen ermuntert, die Boshaftigen gescholten und erschreckt würden, inmaassen Petrus gethan, welcher auf den ersten Pfingsttag die Gemeinde auf diese Weise anredet: Ihr Juden, lieben Männer, und die ihr zu Jerusalem wohnet, Das sei euch kund gethan, und lasset meine Worte zu euren Ohren eingehen: Diese sind nicht trunken, wie ihr meinet. Man müsste den Leuten sagen: Wir wissen, was wir reden, und verstehen ja, was wir handeln. Demnach ich aber auf dies Mal hochverständige, fleissige und andächtige Zuhörer vor mir habe und nicht anders vermuthe, denn dass wir allhier in Freuden zu Gottes Lob und Preis versammelt sind: soll heute auf dies Mal allein Gott mit Lob von uns gedienet und in dieser Predigt zwei Stücke gehandelt werden:
Das erste, warum wir uns der Pfingsten so hoch erfreuen. Zum Andern, wie wir doch recht und christlich Pfingsten halten und diesem Fest sein gebührlich Recht anthun sollen.
Sintemal wir aber, o Gott, heiliger Geist, ohne deine Gnade Nichts vermögen zu handeln, so komme, o heiliger Geist, erfülle meinen Mund mit deinem Lob, theile mir auch mit ein Stück der feurigen Zungen, welche du den lieben Aposteln gegeben hast. Erfülle die Herzen deiner Gläubigen, dass wir die grossen Wunderthaten Gottes recht reden und aussprechen, auch wohl fassen und behalten mögen. Amen.
Anfänglich, Geliebte, Auserwählte in dem Herrn, so oft ich die gnadenreiche Sendung des H. Geistes mit Fleiss betrachte, so gedünket mich, ich sehe gleich als mit Augen oben am Himmel und in der Höhe einen hellen, klaren Feuerspiegel göttlicher Liebe und Barmherzigkeit gegen allgemeine Christenheit. Was sage ich aber einen Spiegel göttlicher Liebe? Vielmehr dass des ewigen Gottes ganzes Vaterherz mit überflüssiger Gnade ausgeschüttet scheinet, habe sich wollen augenscheinlich sehen lassen in dieser gnadenreichen Absendung des heiligen Geistes; wie Solches unterschiedlich an jeglicher Person der heiligsten Dreifaltigkeit leichtlich und augenscheinlich zu ersehen ist.
Gott der Vater, die erste Person der ewigen Gottheit, hat uns erstlich nach seinem Ebenbild und zu seinem Gleichniss erschaffen und hat dem Menschen diese Welt zum erblichen Eigenthum untergeben und eingeräumt, so lang zu besitzen, bis er endlich ohne Tod zur ewigen und himmlischen Seligkeit wäre verwandelt worden. Hiemit ist menschliches Geschlecht einmal höchlich gewürdigt und begnadigt worden. Denn was hat Gott, der ewige Vater, menschlichem Geschlecht Höheres und Grösseres sollen thun? Nichts hat er gesollt. Denn Gott ist Niemand Etwas schuldig. Wer hat Gott Etwas zuvor gegeben, spricht Paulus, das ihm wiedervergolten werde? Dennoch hat Gott gewollt und zwar gewollt das Höchste, so ihm möglich gewesen. Denn als durch den verdammlichen Sündenfall der Mensch jetzt gedachte Herrlichkeit und Seligkeit allerdings verscherzt und verloren hatte, liebet Gott der ewige die Welt also, dass er seinen eingebornen Sohn gab, auf dass Alle, die an ihn gläuben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben. Demnach, als die Zeit erfüllet war, sandte Gott seinen Sohn, geboren von einem Weibe und unter das Gesetz gethan, auf dass er Die, so unter dem Gesetze waren, erlösete, und wir die Kindschaft empfingen.
Nun ist des ewigen Vaters Meinung nie gewesen, seinen Sohn dergestalt in diese Welt zu senden, dass er derselbigen Jammer und Elend alle Zeit und bis an’s Ende der Welt sollte unterworfen sein, wie es auch zwar keine Nothdurft erfordert hat, ja, auch weder ihm selbst, noch menschlichem Geschlecht zum Heil wäre dienstlich gewesen, dass Christus alle Zeit sichtlich bei uns auf Erden gewandelt hätte. Sondern Gottes Wille und Wohlgefallen ist gewesen, sobald sein lieber Sohn das Werk der Erlösung menschlichen Geschlechts (darum er in diese Welt abgefertigt worden) verrichtet und vollendet hätte, ihn aus diesem Jammerthal wiederum abzuholen, zur Rechten seiner Majestät im Himmel zu setzen und zum Herrn und vollmächtigen Regenten über Alles im Himmel und auf Erden zu machen. Welches denn unlängst in seiner majestätischen Himmelfahrt geschehen ist.
Als aber der ewige Vater wohl gewusst, wie schwer es den Aposteln fallen würde, der sichtbaren Gegenwärtigkeit ihres getreuen Herrn und Meisters zu entbehren, und derselben auch in künftiger Zeit die liebe Christenheit nicht gern entrathen würde. thut Gott, der ewige Vater, wiederum und nun zum dritten Male auf den tiefen Abgrund seines väterlichen Herzens, erschöpfet gleichsam zumal die ganze Fülle der Gottheit, sendet ab die dritte Person der hochheiligsten Dreifaltigkeit, schenkt, giebt und geusst reichlich aus den h. Geist unter seine werthe Christenheit, damit ja gleichsam die ganze Fülle göttlicher Liebe an uns gewendet werde.
Eine Mutter, welche ihr Kind herzlich liebet, wenn sie ihm die eine Brust gegeben, da das Kind noch nicht gesättigt ist, beut sie ihm auch die andere dar, und da es an Milch mangelt, entzeucht sie ihm doch die Brüste nicht, obschon das helle Blut hernachgeht. Das ist ja eine grosse Liebe. Denn was kann auch die Mutter ihrem Kindlein Mehreres geben? Hie aber ist bei Gott noch grössere Liebe denn Mutterliebe. Denn allhie reicht Gott, der ewige Vater, nicht Mutterbrüste dar, sondern es geht dem ewigen Vater an’s Herz und kostet ihm nicht nur ein Stück desselbigen, sondern er beut uns dasselbige ganz und gar herfür, giebt erstlich seinen lieben Sohn, an dem er Wohlgefallen hatte. Hier, ob es gleichwohl gekostet, dennoch als er gesehen, dass menschlichem Geschlechte noch nicht gar geholfen ist, wendet er auch an das übrige Stück seines väterlichen Herzens, schenkt uns den heiligen Geist, damit ja die ganze Gottheit und Dreifaltigkeit völliglich an uns gewendet werde, Das sei dir nun und ewig Dank, du mildester Vater in deinem ewigen Himmelreich!
Aus der gnadenreichen Sendung des h. Geistes erscheinet auch insonderheit die herzliche Liebe der anderen Person in der ewigen Gottheit, unsers geliebten Herrn und Heilands Jesu Christi. Wohl wahr ist es, durch seine sieghafte Himmelfahrt hat er sich aus unseren Augen abziehen und in ein höher und besser Leben einsetzen wollen (inmaassen Beides seiner göttlichen Majestät geziehme, und uns auch zum Heil Solches hat frommen sollen). Doch erstattet Christus alsbald wiederum diesen Abgang seiner sichtlichen Beiwohnung mit Darsendung des h. Geistes, welchen er zuvor vielmals seinen Jüngern versprochen und sie hierauf stark vertröstet hatte.
Ein gemeiner Gebrauch ist dieses bei uns Menschen auf Erden, wenn gute Freunde, so sich unter einander herzlich lieb haben, von einander in die Fremde ziehen, dass einer dem andern mit freundlichem Gruss und Zuschreiben, mit Gaben und Geschenken begegnet, damit sie Lieb’ und Freundschaft haben und unterhalten. Ein Bräutigam schickt seiner lieben Gespons gemeiniglich Etwas aus der Fremde, so deren Orten, da er ist, hoch und köstlich gehalten wird. Damit erweiset er seine Liebe, in der er seiner lieben Vertrauten unvergesslich eingedenk sei. Fürwahr, unser himmlischer Bräutigam Christus erweiset uns auf diesen heutigen Tag gleiche Liebe und Freundschaft. Denn damit man nicht gedächte, es hiesse mit ihm auch ab Augen, ab Herz, und sobald er gen Himmel gefahren, hätte er uns vergessen: sendet er uns vom Himmel den h. Geist, da kein köstlicher Schatz und edler Gut im Himmel nicht gewesen ist. Gute Freunde können einander Anzeigungen der Liebe mittheilen und schenken, dabei ihres Herzens Neigung gespüret werde; aber die Liebe selbst oder sein eigen Herz kann Keiner dem Andern mittheilen. Christus aber hat uns vom Himmel gesendet die Flamme göttlicher Liebe selbst und sein und des Vaters Herz, menschlicher Weise zu reden, gar mit uns getheilet, da er den heiligen Geist so reichlich ausgegossen hat. Und ist hiemit eben gar ein feiner Tausch und Wechsel von Christo mit uns getroffen worden. Zuvor in seiner Menschwerdung hat Christus das Unsrige, nämlich menschliche Natur, an sich genommen; hier auf Pfingsten mittheilt er uns das Himmlische und Göttliche. Auf den Tag seiner Himmelfahrt führet er unser Fleisch und blut gen Himmel und setzet es zur Rechten Gottes; heute sendet er den h. Geist vom Himmel herunter auf Erden. Menschliche Natur in Christo, die zuvor die Auserwählten im Himmel nicht gesehen, schauen sie nun ohne Unterlass. Den heiligen Geist, den die Welt zuvor auf Erden wenig gekannt, siehet und spüret man nun augenscheinlich, und wird sein Werk und Gewalt nun täglich in aller Welt brieflich gefühlt. Ehr und Preis sei Christo in der Höhe, der uns armen Sündern so gnädige und reiche Fürsehung verschafft hat.
Als nun Gott der Vater und Gott der Sohn sich Beide um das menschliche Geschlecht auf’s allerhöchste verdienet, hat es auch die dritte Person der ewigen Gottheit an sich nicht wollen erwinden lassen, sondern alles Vermögens beflissen, bei menschlichem Geschlecht auch für ihre Person das Beste zu thun. Nun mangelt es noch bei uns Menschen an einem Stück. Gott der Vater hatte zwar das menschliche Geschlecht geliebt und für dasselbige seinen Sohn gegeben; Christus hatte mit der Erlösung und Aussöhnung menschlichen Geschlechts auch das Seinige gethan. Aber hie fehlet es noch an der Application, wie dem Menschen solche Wohlthaten beigebracht und er dabei in wahrer Heiligung erhalten würde. Dieses dritten Gnadenwerkes nimmt sich nun der heilige Geist an, schaffet und wirket bei dem Menschen die wahre Heiligung, da unsere Herzen erstlich durch den Glauben gereinigt, folgends in rechtschaffener Liebe Gottes und des Nächsten geheiliget und also vollkommentlich aller himmlischen Wohlthaten und Gnadenschätze theilhaftig werden. Welcher Ursachen denn dem h. Geist, der dritten Person der h. Dreieinigkeit, das Werk der Heiligung zugeschrieben und zugerechnet wird. Wahr ist, was Augustinus sagt: Opera divinitatis, quoad extra, indivisa esse; was Gott in äusserlichen Werken sonst schaffet und thut, Das wirket die ganze Gottheit insgemein, und da lässt sich keine Person von der andern trennen und absondern; Alles zumal wirket und schaffet der einige Gott, welcher ist Vater, Sohn und heiliger Geist. Doch aber, je nachdem jegliche Person in einem besondern Werk sich mehr erwiesen und erzeiget hat, denn andere, wird ihr fürnehmlich dasselbige Werk zugelegt und zugeschrieben. Dannenher Gott dem Vater das Werk der Erschaffung zugemessen wird, nicht, dass Gott der Sohn und Gott der h. Geist nicht auch Theil haben an Erschaffung aller Dinge, sondern dieweil Gott der Vater, die erste Person, durch den Sohn in Kraft des h. Geistes Alles erschaffen und gemacht hat. Von dem Werk der Erlösung menschlichen Geschlechts können und sollen ja Gott der Vater und Gott der Sohn hierinnen sich fürnehmlich hat sehen lassen, besonders mit Annehmung menschlicher Natur und Erduldung allerhand Leidens und des Todes selbst, wird Diesem fürnehmlich das Werk der Erlösung zugeschrieben. Der h. Dreifaltigkeit Werk insgemein ist unsere Heiligung. Demnach aber dieses Werk dem h. Geiste fürnehmlich aufgetragen ist und sich derselbige allermeist hierinnen sehen und vernehmen lassen, auch hiezu abgesandt worden, wird ihm auch die Heiligung fürnehmlich zugerechnet. Es hat also jegliche Person der h. Dreifaltigkeit ein besonder Werk, damit sie sich um das menschliche Geschlecht hoch und herrlich verdienet hat, und wenn man genau und eigentlich darauf Achtung giebt, so scheinet es gleichsam, als habe die h. Dreifaltigkeit um das menschliche Geschlecht stark eifern und buhlen wollen, und hierinnen keine Person der andern nichts bevor geben, sondern jegliche auf’s höchste um dasselbige wollen verdient sein. Darum schaue nun, du auserwählte Christenheit, wie hoch dich Gott gewürdigt, wie stark die h. Dreifaltigkeit um dein Heil und Seligkeit geeifert hat. Billig kann ein Mensch sprechen mit dem lieben David (Ps. 144): Ach Herr, was ist der Mensch, dass du dich sein so annimmst und des Menschen Kind, dass du ihn so hoch achtest? Hilf, du ewiger Sohn Gottes, liessen wir uns selbst unser Heil so hoch angelegen sein, so hoch sich hierum die übergebenedeiete h. Dreifaltigkeit hat angenommen, wie gewiss wäre unsere Seligkeit? Ja, wenn von dem grossen, flammenden Feuer göttlicher Liebe gegen uns nur ein einiges Fünklein der Menschen Herzen berührte, so würde kein Mensch leichtlich verdammet werden. Das ist nun unsere neue Pfingsten, die wir jetzt halten, das ist die Ursache, darüber wir uns der gnädigen Sendung des h. Geistes so herzlich erfreuen.
Wem diese Speculatio und Erklärung dieses Handels zu hoch ist, Derselbige bleibe in der Tiefe hier unten auf Erden und sehe sich ein wenig in der Welt um, so wird er auch sehen und finden, dabei unserer neuen, gnadenreichen Pfingsten Herrlichkeit leichtlich abzunehmen und zu spüren ist. Auf Erden ist uns am nächsten und gleichsten das Volk Israel. Diesem, seinem Volke hatte Gott vor alten zeiten auch ein Pfingstfest gemacht und hierob ein jährlich Freudenfest zu halten befohlen. Funfzig Tage nach Haltung und Stiftung der ersten Ostern, als Gott sein Volk Israel aus Ägypten ausgeführt hatte, beruft sie Gott und spricht sie an in der Wüste Sinai, auf dem Berge Horeb, offenbaret ihnen daselbst seinen Willen, mittheilet ihnen das Gesetz Mosis, die beiden Tafeln und heiligen zehn Gebote, mit seinem selbst eigenen Finger auf zwei steinerne Tafeln geschrieben und verzeichnet. Dieser göttlichen Offenbarung hatte sich das Volk Israel nicht unbillig zu erfreuen. Gott rühmet es auch seinem Volk selbst und sprach (Deut. 4): Frage nach den vorigen Zeiten, die vor dir gewesen sind, von dem Tage an, da Gott auf Erden Menschen geschaffen hat, von einem Ende des Himmels bis zum andern, ob je ein solch gross Ding geschehen, oder Desgleichen je gehört sei, dass ein Volk Gottes Stimme gehört habe. Derwegen auch Gott seinem Volke stark befohlen und ernstlich eingebunden hat, ob der jährlichen und feierlichen Gedächtniss dieses Gnadenwerkes fleissig zu halten und das Pfingstfest jährlich zu seiner Zeit mir Freuden zu begehen.
Aber wie viel fröhlichere und herrlichere Pfingsten haben wir Christen im neuen Testament, so wir es gegen die alten und jüdischen Pfingsten halten und vergleichen wollen. Dort wurde das Gesetz durch Mosen gegeben; hier wird Gnade und Wahrheit durch Christum gegeben. Dort war ein Buchstabe, der da tödtet; hie ist der Geist, welcher da lebendig macht. Dort wurde Gottes Gesetz mit Gottes Fingern in steinerne Tafeln eingeschrieben; hie wird durch den lebendigen Finger Gottes, den heiligen Geist, das Gesetz in fleischerne Tafeln, ja wie der Prophet Jeremias sagt (C. 31), in’s Herz gegeben und in den Sinn hineingeschrieben. Dort war Nichts, denn Furcht, Schrecken und Zittern, da es mit Donner und Blitz dermaassen untereinander ging, dass der ganze Berg hievon rauchte und bebte und das Volk Israel selbst Mosen bat, er wollte Gott nicht mehr mit ihnen reden lassen, sie möchten sonst sterben; er, Moses, wollte allein mit ihnen reden. Hier werden der Apostel Herzen mit einer Flamme vom Himmel dermaassen angezündet und sie mit einer lieblichen Windsbraut dermaassen angewehet, dass Nichts denn göttliche Kraft, freudiger Heldenmuth, ja himmlische Freude an ihnen gesehen und gehöret wird; dergleichen in Allem noch heutiges Tages der h. Geist in den Herzen der Gläubigen und Auserwählten Gottes schaffet und wirket, wie hernach weiter soll vermeldet werden. Das sollte ja billig fröhliche Pfingsten machen und uns zum höchsten Lobe Gottes antreiben und aufmuntern.
So Jemand wäre, der dieses Handels Wichtigkeit weder oben in der Höhe, an den Personen der h. Dreifaltigkeit, noch auch hienieden auf Erden, in die Ferne, an dem Volk Israel ansehen könnte: Der bleibe in der Natur und sehe allein nächst um sich, ja, in sich selbst hinein, wofern er anders ein Christ ist, so wird er auch befinden genugsame Anleitung, warum wir uns der Sendung des h. Geistes herzlich zu erfreuen haben, und das aus den Wirkungen des h. Geistes. Denn erstlich, sobald wir armen und sündlichen Adams Söhne und Evä Töchter als Kinder des Zorns von Natur auf diese Welt geboren werden, nimmt sich der h. Geist unser gnädigst an, und gleichwie er den Namen des h. Geistes mehr führet propter effectum, darum, dass er heilig und geistlich macht, denn propter essentiam, das ist, darum, dass er für sich selbst heilig und ein Geist sei: also macht er uns auch aus Irdischen und Fleischlichen zu Geistlichen, aus verdammten Sündern zu heiligen Menschen und Kindern Gottes und, wie die Schrift redet, zu lauter neuen Creaturen, nicht durch Anschaffung eines neuen Wesens und Natur, wie Etliche zu unserer Zeit auch geschwärmet haben, sondern durch Mittheilung neuer Gnaden, bringt uns bei die Kindschaft gegen Gott, schenkt uns die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt und verleiht uns mit Christo, und thut dies Alles durch das Bad der Wiedergeburt und Erneuerung des heiligen Geistes, welchen Gott hat ausgegossen über uns reichlich durch Jesum Christum, unsern Heiland, wie Paulus, der Apostel, an Titum (Cap. 3) bezeuget. Dies ist und heisst nun die erste Heiligung, in welcher uns die Vollmaasse des heiligen Geistes gegeben wird, in welcher wir vor Gott so heilig und rein geachtet sind, als hätten wir keine Sünde an uns und wäre ganz und gar nichts Verdammliches an uns. Und währet oder bestehet die Kraft dieser Heiligung, so lange wir leben, und ist auch keine andere Heiligung oder Heiligkeit, in der wir vor Gott erscheinen oder bestehen können, denn eben diese. Durch diese Gnade der Heiligung sind wir gerecht und Erben des ewigen Lebens nach der Hoffnung. Das ist je gewisslich wahr, wie Paulus am erstgedachten Ort zum Tito schliesslich bezeuget. Wie aber und welcher Gestalt uns erstlich der heilige Geist zurichtet und bereitet gegen Gott, Dergleichen macht er uns auch hernach von Aussen gegen die Menschen. Denn in welchen der h. Geist ist und wohnet, in Diesen wirket er auch eine äusserliche Heiligung, in der sie billig als Gottes Kinder nach Gottes Willen leben. Denn es heisst, wie Paulus sagt. Welche der Geist Gottes treibt, Die sind Kinder Gottes. Diese wandeln im Geist, kämpfen und streiten mit dem Geist wider das Fleisch; sie tödten und kreuzigen das Fleisch mit seinen Lüsten und Begierden (Gal. 5). Doch aber in dieser andern und äusserlichen Heiligung empfahen wir nur die Erstlinge des Geistes. Denn vollkommener Heiligung ist unser Fleisch und Blut und menschliche Natur um ihrer angeerbten Verderbung wegen nicht fähig; es ist lauter Stückwerk und, wie es die Bauleute nennen, nur eine Berauhwerkung. Der Tod muss erst hernach das Übrige und Beste thun, bis wir völlig geputzt und gepoliret werden. Aus welcher Ursach denn auch folget, dass unsere menschliche Gerechtigkeit und Frömmigkeit nimmermehr vollkommen und also auch zum Verdienst des ewigen Lebens ungültig und unkräftig ist. Denn wie alle Heiligen wissen, erfahren und bekennen, so sind unsere Werke, auch da sie am besten sind, an der Anzahl viel zu wenig, an der Maasse und Ellen viel zu kurz, am Gewicht auch viel zu gering, denn dass wir hiemit das ewige Leben verdienen sollen und könnten. Dass sich nicht unbillig zum Höchsten zu verwundern, der römische Haufe noch so blind und verzaubert ist, dass sei bei so hellem Licht des h. Evangelii vom Verdienst eigener Werke und Frömmigkeit noch so freventlich schreien und schreiben, ja, noch wohl so weit ausbrechen und sagen dürfen, dass ein Mensch nicht allein Gottes Gesetz vollkommenlich halten und also ihm selbst den Himmel verdienen könne, sondern noch wohl einen Ausschlag geben und ein Übermaass an guten Werken haben, Das ist in’s Teufels Namen so Viel gesagt, er könnte mehr Gutes thun, denn ihm befohlen sei und Gott ihm geboten habe; mit welchen übermässigen Werken sie anderen Leuten, so sie käuflich an sich bringen, auch den Himmel und die Seligkeit erwerben können, welche erlogene Übermaass ihnen der Teufel mit höllischem Feuer vergelten und belohnen wird.
Für’s Andere, so wirket auch der h. Geist in uns ein rechtschaffen und wahres Erkenntniss Gottes, darinnen denn auf seine Weise bestehet das ewige Leben, wie Christus im Johanne (Cap. 12) bezeuget, und eignet dies Werk dem h. Geist so gar eben, dass ohne den h. Geist von Gott Niemand das Wenigste wissen oder verstehen, auch nicht gedenken kann, es offenbare es ihm denn der h. Geist. Dieser ist der rechte, lebendige Finger Gottes, der Christum in unsere Herzen schreibt. Ein Mensch kann dem andern den Weg weisen zum ewigen Leben und hievon mit Worten in die Ohren predigen, inmaassen ich auch auf dies mal euch Allen das Wort Gottes zu Ohren trage. Denn ferner und weiter kann ich und kein anderer Prediger nicht. Dass es aber durchdringe und in die Herzen gehe, allda hafte und Frucht schaffe, Das kann Niemand, denn nur der h. Geist, ist diesem allein zu wirken vorbehalten une befohlen worden, also, dass auch Christus seinen Jüngern und Aposteln nicht Alles eingepredigt, sondern ihnen den Geist der Wahrheit, den h. Geist, versprochen hat, der sie denn erst in alle Wahrheit leiten und führen solle. Zum Dritten wird der h. Geist Paracletus, das ist Tröster, genannt. Denn alle Freude wider Kleinmüthigkeit, allen Trost wider die Verzweiflung mittheilt uns der h. Geist. Den lieben Gottesgläubigen wird in dieser Welt gar kläglich und erbärmlich mitgefahren. Sie werden übel gepeiniget, ihre Seele wird übel geplaget. David (Ps. 129) malet es gar scheulich und schrecklich ab, indem er es dem Pflügen auf dem Rücken vergleicht und sagt in der Gläubigen Namen: Auf ihrem Rücken ackern die Pflüger, und sie ziehen lange Furchen. Wenn man Einem mit dem Pfluge auf dem Rücken umgehen und da Furchen ziehen sollte, da müsste das Lachen theuer und der Freude der Boden aus sein. Er klagt auch sonst, wie er allenthalben und täglich geplagt werde, wie sehr voll seine Seele der Stolzen Spott sei und der Hoffährtigen Verachtung; die frommen Gerechten gehen hin und weinen, sie säen mit Thränen, sagt er an einem andern Ort (Ps. 126). Gleichwohl kann David singen und noch auf der Harfe spielen und schöne, fröhliche Psalmen machen. Ja er schreibt von den Gläubigen: Noch fürchten sie sich nicht, wenn gleich die Welt unterginge und die Berge mitten in’s Meer sänken (Ps. 46). Die Apostel konnten noch fröhlich sein, da sie öffentlich gestäupt und mit Ruthen ausgehauen wurden (Act. 5). Wer thut Das? Wer wirket diese Freude? Wer giebt solchen Trost und freudigen Muth? Der h. Geist wirket dieses Alles, und ist Niemand, der ausser diesem solche Freudigkeit wirken oder geben könnte. Haben E.L. nie gesehen fromme Christen absterben? Hoffe ja gänzlich. Wie manches Mal werdet ihr gesehen haben, wie ganz willig, ja fröhlich sie sind zu sterben? Oft als mit lachendem Munde geben sie ihren Geist auf; sie begehren herzlich aufgelöst und bei Christo zu sein. Nun muss hier Leib und Seele auch scheiden, die Welt mit dem Rücken angesehen, Weib und Kind, Hab und Gut und was sonst anders mehr lieb gewesen ist, gelassen werden. Was schafft denn solche Freude und Lust zu sterben? Allein der h. Geist, der höchste Tröster in aller Noth, hilft, dass wir nicht fürchten Schand noch Tod, wie wir christlich bitten und singen. Ach, wie manches Mal lieset man, dass die lieben Märtyrer, Weiber so wohl als Männer, ja auch junge Töchter und Knaben, in ihrer Marter gesunden, mitten im Feuer Psalmen gesungen und Gott gelobet haben. Woher kommt diese Gnade? In Adam’s Garten wächst dieses Kräutlein nicht, Fleisch und Blut giebt diese Gaben nicht, sondern der h. Geist, welcher der Tröster ist und hilft in Noth und Tod. Wie jämmerlich rumoret, wüthet und tobet der Teufel in der Welt, besonders zu diesen letzten Zeiten, da er weiss, dass er nicht viel Zeit mehr hat? (Apoc. 12). Noch fürchten sich die Frommen, wider die der Teufel allein zürnet, nicht zu Tode. Wie kommt Dies? Ach, sie wissen, wie böse und trotzig der leidige Teufel ist und seine liebe Getreue, die Welt, noch sei Der stärker, der in uns ist, denn der in der Welt ist, und seien Derer mehr, die mit uns sind, denn die wider uns (4. Röm. 6). Wehces Alles aber uns beibringt und eingiebt der heilige Geist, der einige Tröster der ganzen Christenheit.
Wir empfahen auch von Gott dem heiligen Geist in unseren Herzen die vertrauliche Freudigkeit zu Gott, wie auch die unzweifelhafte Gewissheit des Glaubens über unsere Seligkeit wider den verdammlichen Zweifel, auch knechtische Furcht und Schüchternheit, die uns der Satan immerdar gern in unsere Herzen stecken und einjagen wollte.
Denn erstlich, was des h. Geistes Beiwohnung belanget, heisst es, wie Johannes sagt: Dabei erkennen wir, dass Gott in uns bleibet und wir in ihm, dass er uns von seinem Geist gegeben hat (1. Joh. 4). Daher auch der h. Geist seiner Einwohnung halben das Sigel und Pfand unserer Seligkeit und Erlösung von dem h. Apostel Paulo genannt wird (Eph. 4. Röm. 8). Neben Diesem so zeuget auch dieser h. Geist in unserm Herzen und giebt Zeugniss so unfehlbar und gewiss ist, dass Johannes sagen darf: Wir wissen, dass wir Kinder Gottes sind; wir wissen, dass wir Christum schauen und ihm gleich sein werden. Ebnermaassen darf auch Paulus schreiben, es sei gewiss, dass weder Tod noch Leben, weder Engel, noch Fürstenthum, noch Gewalt, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, weder Hohes noch Tiefes, noch keine andere Creatur uns scheiden möge von der Liebe Gottes, die da ist in Christo, unserm Herrn. Aus welchem Zeugniss des h. Geistes und Gewissheit unserer Seligkeit im Herzen eines Gläubigen entstehet eine vertrauliche Freudigkeit und freudiges Vertrauen zu Gott, unserm Vater, davon Paulus schreibet, dass wir nun als liebe Kinder Gottes zu ihm einen ungesuchten Zutritt, als zu unserm Vater, haben und nicht einen knechtischen Geist empfangen, dass wir uns abermals fürchten müssen, sondern einen kindlichen Geist, aus dem wir rufen: Abba, lieber Vater (Röm. 8); also dass, so wenig sich ein Kind vor seinem leiblichen Vater scheuet oder entsetzet, Etwas von ihm zu begehren, oder sich alles Besten gegen ihn zu versehen, eben so wenig und viel weniger wir uns vor Gott, unserm liebsten Vater im Himmel, scheuen oder entsetzen sollen. Wer kann Gott dem h. Geist um dieser einigen Gutthat wegen immer genugsam dankbar sein? Wer sollte sich auch der Sendung dieses Geistes vom Himmel nicht herzlich erfreuen?
xxx-So viel desto mehr ist denn zu erbarmen, ja höchst zu beklagen und zu verwundern die schreckliche Blindheit und Verstockung des armseligen Papstthums, welches sich an gedachter tröstlicher Hauptlehre in zween Wege ganz lästerlich vergreift. Denn erstlich lehren und bekennen sie, kein Mensch auf Erden könne seiner Seligkeit gewiss sein und sagen, er wisse, dass er einen gnädigen Gott und gewisse Vergebung der Sünden habe, sondern hoffen möge es ein Christ wohl, doch bei stetigem und immerwährendem Zweifel, sintemal die Hoffnung einen Christen wohl betrügen möge. Diese Lästerung ist obgesetzter Grundlehre von unbeweglicher Gewissheit des christlichen Glaubens stracks entgegen.
Am Andern lehren und predigen sie öffentlich, Gott sei einem armen Sünder viel zu hoch, auch allzu streng und rauh, dass sich kein Armer vor Gott selbst persönlich wagen solle; sondern, wie arme Leute an grosser Herren Hofe Fürbitter und Fürsprecher haben, so müssen wir die Heiligen Gottes im Himmel zu Fürsprechern haben und erbitten, die uns bei Gott das Wort thun und Gnade daselbst erlangen können. Wo bleibt denn das Abba, lieber Vater? Wo bleibt der Trost des heiligen Geistes? Wo bleibt die einige vollkommene Mittelung unseres Heilandes Christi? Die wird ja alles von des römischen Stuhles Lehre aufgehoben und umgestossen.
Letztlich und für’s Fünfte, so wirket der h. Geist in den Gläubigen Gottes alle gute und vollkommene Gaben, Alles, was Löbliches, Heiliges und Gutes von den Christen gedacht, geredet und gethan wird; dies Alles wirket einig und allein der h. Geist. Wer hat den lieben David so zu einem trefflichen Beter gemacht? Wer hat Salomoni gegeben die Weisheit, dergleichen an keinem Menschen ist gesehen worden? Wer hat dem frommen Hiob solche Geduld, Josepho solche Keuschheit, den Propheten die Gaben der Weissagung, Paulo seine herrliche Kraft zu reden, den Aposteln die Gabe gesund zu machen gegeben? Alles Dieses hat gewirkt der einige h. Geist, welcher auch noch zur Zeit dergleichen Tugenden und Werke in den Auserwählten Gottes wirket. Eben Dies, dass ich an diesem fremden und ansehnlichen Orte, in so herrlicher Gemeine, nach so langwierigem Stillstand und Unterlassung meines Predigtamts Gottes Wort auch noch dieser Zeit fürtragen und erklären kann, Das ist eine Gnade und Werk des h. Geistes, dafür ihm ewiges Lob und Dank gesagt sei. Summa, alles Gute wirkt in uns der h. Geist. Ohne den h. Geist kann Niemand Jesum einen Herrn nennen (1. Cor. 12). Dieser Geist macht uns grossmüthig im Glauben, langmüthig in Hoffnung, einmüthig in der Liebe. Und ist der h. Geist gleichsam der Gärtner, welcher in den Seelengärtlein unserer Herzen alle Tugenden und guten Werke pflanzt und anrichtet, ohne welches Gnade und Beiwohnung der Mensch nichts Gutes vermag, wie die Kirche im lateinischen Lobgesang bekennet: Sine tuo numine nihil est in homine; Herr, ohne deinen Geist ist nichts Gutes in und bei dem Menschen. Denn gleich wie des Menschen natürlicher Leib kein Leben und Bewegung in sich hat, sobald die Seele oder Geist des Menschen ist ausgefahren: also vermag der Mensch nichts Gutes mehr, sobald der h. Geist von ihm gewichen ist. Dieser Geist macht auch den Unterschied unter Guten und Bösen, zwischen Christen und Unchristen. Denn dem Wesen und der Natur halben sind wir Alle gleich, da ist Abel wie Cain, Isaak wie Ismael, Jakob wie Esau, Moses wie Pharao, David wie Saul, Petrus und Paulus wie Judas, ja die Engel wie die Teufel. Dass aber nun zwischen diesen Allen ein grosser Unterschied und Ungleichheit ist, Das kommt daher, dass dort der h. Geist beiwohnet, welcher allhie bei diesen ganz und gar ausgewichen und abgezogen ist.
Allhie wäre noch zu Beschluss des ersten Pünktleins Etwas beizubringen und anzuhängen, dann auch folgends das andere Hauptstück unserer Proposition auszuführen. Aber die Zeit ist nun bereits verflossen, und hat sich der h. Geist auf dies Mal etwas weitläuftig ergossen; wollen demnach abbrechen und das Übrige einstellen.
Wir danken aber nun dir, ewiger Gott und Vater, für Deine herzliche Liebe; wir danken Dir, Herr Jesu Christe, um deine gnädige Fürsehung; wir danken Dir, du h. Geist, für deine tröstliche Ankunft. Ja, wir danken dir, du heilige, übergebenedeiete Dreifaltigkeit, für deine göttliche und väterliche Fürsorge um unser Heil. Wir erkennen und bekennen von Herzen, dass wir ja reichlich mit allerlei Segen in himmlischen Gütern gesegnet sind und bitten dich, o h. Geist, ganz herziglich, richte nun heut und alle Zeit auch in uns ein fröhlich Pfingsten an, heilige uns in Deiner Wahrheit, leite uns auf ebener Bahn, sei unser Trost in Noth und Tod, mache und erhalte in uns ein freudig Gewissen, wirke Du in uns, was da dienet zu unserm Heil und deiner Kirche Wohlfahrt, fürnehmlich aber zur Ehre deines heiligen Namens, welchem sei Preis und Macht und Herrlichkeit von nun an bis in Ewigkeit. Amen.
Quelle: Beste, Wilhelm - Die bedeutendsten Kanzelredner der lutherschen Kirche des Reformationszeitalters