Murray, Andrew - Warum glaubst Du nicht? - 8. Die Demut des Glaubens.
Matth. 8,8. Herr, ich bin nicht wert, dass Du unter mein Dach gehst; sondern sprich nur ein Wort, so wird mein Knecht gesund.
Der Glaube, welcher in diesen Worten sich ausspricht, war so groß, dass der Herr sich über denselben verwunderte und ausrief: „Wahrlich, Ich sage euch, solchen Glauben habe Ich in Israel nicht gefunden.“ Daher kann es denen, welche zum Glauben zu kommen wünschen, oder stärkeren Glauben, als sie bisher besessen, begehren, nur dienlich sein, diesen Glauben des Hauptmannes einmal genau zu betrachten und den Boden zu erkennen, aus dem dieser große Glaube sprießt. Dieser Boden ist tiefe Demut. Dieser Mann, welcher von den Ältesten der jüdischen Gemeinde, obwohl er noch ein Heide ist, gepriesen wird, dessen Glaube alles übertrifft, was der Herr der Art in Israel gefunden, dieser ausgezeichnete Mann ist der einzige, welcher sich in der Zeit der irdischen Wallfahrt Jesu, wie wir lesen, nicht wert hielt, dass der Herr unter sein Dach käme. Welch' eine bewundernswerte Demut in einem solchen Glaubenshelden! Wir entnehmen daraus die hochwichtige Lehre, dass tiefe Demut mit starkem Glauben aufs genaueste verbunden ist. Aus der Demut entspringt der Glaube. Eine Seele unterwirft sich ja erst dann der freien Gnade Gottes und nimmt dieselbe erst dann im Glauben an, wenn sie voll und ganz erkennt, dass sie nichts hat, und wenn sie sich entschlossen hat, als eine, die nichts besitzt, Gunst zu empfangen. In der klaren Erkenntnis, dass sie nichts hat und nichts ist, darf sie Gott mit ihrem Bedenken, es nicht zu verdienen, und mit ihrem Wunsche, erst das Eine oder Andere noch zu Stand zu bringen, nicht entgegen treten. Wenn es dem großen Gott behagt, an dem Ärmsten und Elendesten sein Erbarmen zu zeigen, fühlt sie klar und deutlich, dass sich für sie nichts mehr schickt, als zu schweigen und Ihn Seine Liebesgedanken ausführen zu lassen. Sie weiß ja, dass sie so tief gesunken ist, dass sie niemals aus sich selbst und durch sich selbst besser werden kann. Daher ist ihr Glaube gerade der beste Beweis ihrer Demut, ein Zeichen, dass sie ihre völlige Unzulänglichkeit und Hilflosigkeit erkannt. Weil sie davon überzeugt ist, dass sie aus eigener Kraft nicht besser werden kann, unterwirft sie sich dem Willen Gottes. Fürwahr, ein durchaus anderer Zustand, als der, in dem sich so Viele befinden, die da meinen, es sei Demut, dass sie nicht glauben. Als ob es Demut sein könnte, darauf zu warten, bis etwas sich in uns findet, was uns dem Herrn angenehmer machen kann, als wir ihm jetzt sind! Als ob es Demut sein könnte, dem Befehle Gottes, gleich zu glauben, nicht nachzukommen.
Ebenso töricht ist auch die Meinung, als müsse der Glaube zuletzt doch zum Hochmut führen. Nein! Der Glaube vermehrt die Demut, ebenso wie er aus der Demut hervorgeht. Gerade weil der Hauptmann im Glauben erkannte, dass Jesus eine Macht über die Natur habe, welche durch keine Entfernung gehindert werden kann, mit einem Worte von jeder Krankheit zu heilen, gerade darum fühlte er sich nicht wert, Ihn in seinem Hause zu empfangen. Und so geht es immer. Je herrlicher die Offenbarungen und Bezeugungen der Größe und Güte des Herrn sind, welche der Glaube empfängt, desto tiefer sinkt er staunend und anbetend in den Staub, weil solch' ein Gott sich um solch' einen Sünder kümmert und sich ihm offenbaren will. Um so tiefer die Demut, um so stärker der Glaube, und umgekehrt, um so stärker der Glaube, um so tiefer die Demut. Gott bringe uns diese Wahrheiten zum Verständnis, damit wir völlig überzeugt werden, dass es keinen stärkeren Beweis für das Vorhandensein der Demut und kein besseres Mittel zur Förderung derselben gibt, als den Glauben. Ob wir uns nun tief gedemütigt fühlen, oder noch demütiger zu werden wünschen, das Eine sowohl, wie das Andere muss uns zum Glauben treiben, weil Beides nur durch den Glauben erreichbar ist.
Und nun, liebe Seele, warum glaubst du nicht? Meinst du noch, es nicht wert zu sein? Das darfst du nicht mehr sagen. Je tiefer man seinen Unwert fühlt, desto mehr Grund und Recht hat man, zu glauben. Oder bist du noch zu hochmütig? Ach, sei es nicht länger! Erkenne doch endlich, dass du in dir selbst verloren und tief elend bist! Dann wirst du einsehen, dass es keinen anderen Rat für dich gibt, als den, dir von dem Herrn helfen zu lassen und dich im Glauben dem Worte Seiner Gnade zu ergeben.