Murray, Andrew - Warum glaubst Du nicht? - 4. Die Sprache des Glaubens.
Psalm 130, 4. Bei Dir ist die Vergebung.
Sieh hier eines der himmlischen Samenkörner, welche man nur in seinem Herzen aufnehmen und bewahren muss, damit sie lebendig werden, Glaube, Frieden und Segen hervorbringen. Lass mich dasselbe dir, bekümmerte Seele, an diesem Morgen anpreisen! Es ist ein so einfaches Wort. Jeder kann es verstehen. Jeder weiß ja, was es zu bedeuten hat, wenn ein irdischer Vater seinem Kinde vergibt. Er versichert es, dass er seiner Sünden nicht mehr gedenken, das begangene Unrecht ihm nicht zurechnen und es nicht strafen will. Er will mit dem Kinde so verfahren, als hätte es nichts Böses getan. Ebenso blickt eine von ihrer Schuld überzeugte und sich selbst verurteilende Seele zu Gott empor und sagt: „Herr, bei dir ist die Vergebung. Meine Schuld ist schwer, ich habe Deine schärfsten Strafen verdient, aber bei Dir ist die Vergebung. Aus freier Gnade hast du versprochen, den Schuldigen frei zu sprechen und ihm seine Sünden nicht zuzurechnen.“ Dies ist der einfache und zugleich der einzige Weg, auf welchem ein Fluchwürdiger, welcher nichts tun und zu seinen Gunsten vorbringen kann, selig zu werden vermag.
Völlig frei und umsonst, ohne die geringste Würdigkeit, oder das geringste Verdienst von seiner Seite empfängt er die göttliche Freisprechung von aller seiner Schuld.
Ist es nicht gleichfalls ein herrliches Wort? Muss nicht ein jeder sich danach sehnen, es von Herzen aussprechen zu können? Für eine Seele, welche mit David in diesem Psalm „aus der Tiefe“ zu Gott gerufen: „So, Du willst, Herr, Sünde zurechnen, Herr, wer wird bestehen?“ für eine solche Seele ist es herrlich, zu Gott mit der Gewissheit emporblicken zu können: „Alle diese Sünden will Gott austilgen und hinwegwischen.“ Ja, was ist es doch selig, in aller Angst, mit welcher die Seele ihre schwere Schuld und ihr tiefes Elend fühlt, zu Gott emporblicken und sagen zu dürfen: „Bei dir ist die Vergebung.“ Der Herr sieht mich in Gnaden an, Sein Zorn hat sich von mir gewendet und er tröstet mich. Welch' ein seliger Friede, welch' eine himmlische Freude lässt sich dann in das Herz hinab. O es ist herrlich, bei aller Überzeugung von der eigenen Sünde, bei aller Erfahrung von dem eigenen Elend und bei jedem Gedanken an den Tod und das Gericht sagen zu können: „Bei Dir ist die Vergebung.“ Wer sollte nicht begehren, dies sagen zu können?
Es ist auch ein so gewisses Wort. Jeder darf es glauben. Die ganze Bibel verkündigt es. Jesus kam von dem Himmel herab, es zu besiegeln. Sein Blut ist das Unterpfand für die Wahrheit dieses Wortes. Tausende der größten Sünder können seine Wahrheit bestätigen. Der ganze Himmel bekräftigt es wie mit einem Munde. Ja, durch die Ewigkeit hindurch wird es widerhallen: „Bei Gott ist die Vergebung.“
Eins ist gewiss. Die Gewissheit, dass Vergebung vorhanden ist, hängt nicht von deinem Glauben ab. Ob du es glaubst, oder nicht glaubst, verschmähst oder nicht verschmähst, es bleibt dabei: „Bei Gott ist die Vergebung.“ So gewiss Er Gott ist, so gewiss ist Er ein Gott der Vergebung, ein Gott, welcher reichlich vergibt. So gewiss dir ist, dass Er Gott ist, so gewiss muss dir auch sein, dass bei Ihm Vergebung ist. Noch ehe du es glaubst, ist es schon Wahrheit. Darum kannst du dich im Vertrauen darauf getrost und bestimmt dem Herrn übergeben. Du wirst es schon erfahren: Bei Gott ist ganz gewiss Vergebung.
Es ist weiterhin ein so kräftiges Wort. Jeder kann den Segen, welcher in ihm liegt, empfangen. Und hast du noch gar keinen Glauben, nimm dieses Wort als lebendigen Samen in deinem Herzen auf, so wird es den Glauben schon in dir hervorrufen. Und wärst du durchaus noch nicht im Stande, Gott deinen Vater zu nennen, o lege nur dieses Wort in deinem Herzen nieder, gib ihm nur da einen Platz! Denke nur über dieses Wort nach und sprich es vor dem Herrn deinem Gott aus: „Herr, bei Dir ist die Vergebung.“ Dieses Wort ist lebendig und kräftig. Es wird die Hoffnung in deiner Seele entflammen. Es wird dir neue Gedanken über Gott, Vertrauen zu Ihm und Freimütigkeit Ihm gegenüber einflößen.
Ohne dass du es merkst, wirst du schließlich dazu kommen, sagen zu können: „Bei Dir ist die Vergebung auch für mich.“ So wird es die Furcht vor Gott und die Liebe zu Gott in deiner Seele wecken. So wird es dich mit Jesus verbinden, dich anfeuern, dich gänzlich ihm hinzugeben. Liebe Seele, klage darum doch nicht länger über deine Schwäche! Nimm vielmehr dieses Wort in dich auf! „Es ist lebendig und kräftig.“ Erwäge es eifrig auf deinen Knien und rufe es, wenn es sein muss, tausendmal dem Herrn vom Grunde deines Herzens zu: „Herr, bei Dir ist die Vergebung.“ Dann wird dieses Wort seine kräftigen Wirkungen zeigen. Dann werden Glaube, Friede und Liebe die Früchte sein, welche es hervorbringt. Meine Lieben, ich biete euch dieses Wort Gottes an. Gott gibt euch das Recht, von diesem Worte Gebrauch zu machen. Gott gebietet euch, so über ihn zu denken, wie es dieses Wort mit sich bringt. Mag darum dein Herz, lieber Bruder, zu dir sagen: „Ich weiß nicht, ob bei Gott Vergebung ist,“ komm nur, lass nur diesen deinen verkehrten Gedanken fahren und gib dem Gottesgedanken in deiner Seele Raum! Ja, lass es nur bei dir feststehen: „Bei Gott ist die Vergebung,“ und schnell wirst du hinzufügen können: „auch für mich.“ Und so lernst du schließlich singen: „Lobe den Herrn, meine Seele, den Herrn, der dir alle deine Sünden vergibt.“