Murray, Andrew - Nach Jesu Bild - XXXI. In seiner Herrlichkeit
„Wir wissen, wenn Er erscheinen wird, dass wir Ihm gleich sein werden, denn wir werden Ihn sehen, wie Er ist. Und ein jeglicher, der solche Hoffnung hat, der reinigt sich, gleichwie Er auch rein ist“ (1 Joh. 3,2.3).1) „Ich will euch das Reich bescheiden, wie mirs mein Vater beschieden hat“ (Luk. 22,29).
Die Herrlichkeit Gottes ist seine Heiligkeit. Wenn wir Gott verherrlichen sollen, so müssen wir uns Ihm dazu hingeben, dass Er seine Herrlichkeit durch uns an den Tag legen könne. Wir müssen heilig werden wollen, uns Gott öffnen, damit seine Heiligkeit uns erfülle, dann kann seine Herrlichkeit aus uns strahlen. Das große Ziel Jesu war, den Vater zu verherrlichen, den Menschen kund zu tun, welch ein herrlicher, heiliger Gott Er sei. Und uns liegt es ob, gleich Jesu, durch unseren Gehorsam, unser Zeugnis und unser ganzes Leben unseren Gott, der da ist „herrlich in Heiligkeit“, bekannt zu machen, damit Er auf Erden wie im Himmel verherrlicht werde.
Als der Herr Jesus den Vater auf Erden verklärt hatte, da verklärte Ihn der Vater bei Ihm im Himmel. Dies war nicht nur sein gerechter Lohn, sondern es war die notwendige, naturgemäße Entwicklung der Dinge. Ein Leben, das ganz der Verherrlichung Gottes geweiht war, wie das Leben Jesu, konnte nirgends anders ausmünden, als eben in jener Herrlichkeit. Dasselbe gilt auch uns: ein Herz, das da dürstet und sich sehnt nach der Verherrlichung Gottes, das um ihretwillen zu leben und zu sterben bereit ist, ein solches Herz wird auch zubereitet und fähig gemacht, in dieser Herrlichkeit zu leben. Ein Leben zur Verherrlichung Gottes auf Erden ist der Weg zu einem Leben in der Herrlichkeit Gottes im Himmel. So wir mit Jesu den Vater verherrlichen, so wird der Vater uns wiederum mit Jesu verherrlichen. Ja, wir werden Ihm gleich sein in der Herrlichkeit.
Wir werden Ihm gleich sein in seiner geistlichen Herrlichkeit, in der Herrlichkeit der Heiligkeit. Nachdem Jesus als Mensch den Vater dadurch verherrlicht hatte, dass Er Ihn in seiner Herrlichkeit offenbarte, ehrte, und sich Ihm ganz zur Verfügung stellte, da wurde Er als Mensch aufgenommen in die göttliche Herrlichkeit und derselben teilhaftig gemacht.
Das ist auch uns verheißen. Haben wir uns hienieden auf Erden Gott hingegeben, damit seine Herrlichkeit ganzen Besitz von uns nehme, und Gottes Heiligkeit, sein Heiliger Geist in uns wohne und uns erleuchte, dann wird unsere, nach dem Ebenbilde Gottes geschaffene menschliche Natur mit allen ihren Fähigkeiten auf eine alles Verständnis übersteigende Weise von der Reinheit der Heiligkeit, ja von dem Abglanz der Herrlichkeit Gottes durchdrungen und durchströmt werden.
Wir werden Ihm gleich sein in seinem verklärten Leibe. Mit Recht ist es gesagt worden: Leiblichkeit ist das Ende der Wege Gottes. Die Erschaffung des Menschen sollte Gottes Meisterwerk sein. Vorher gab es Geister ohne Leiber, und lebendige Wesen ohne Geist, der Mensch allein war ein in einem Leibe wohnender Geist, welcher den Leib zu seiner himmlischen Reinheit und Vollkommenheit erheben und vergeistigen sollte. Der Mensch als ein Ganzes, ist Gottes Ebenbild, dem Leibe nach sowohl, als dem Geiste nach. Jesus ist mit seinem menschlichen Leibe o anbetungswürdiges Geheimnis auf den Thron Gottes gestiegen; Er ist als ein würdiger Genosse und Verwalter der göttlichen Herrlichkeit erfunden worden. Unsere Leiber werden das staunenswerteste Wunder umgestaltender, göttlicher Kraft erfahren: „Er wird unseren nichtigen Leib verklären, dass er ähnlich werde seinem verklärten Leibe, nach der Wirkung, damit Er kann auch alle Dinge Ihm untertänig machen.“ Die an unserem Leibe zustande kommende Herrlichkeit, da er dem verklärten Leib Jesu ähnlich gemacht werden wird, ist noch wunderbarer, als was wir an unserem Geiste erfahren. „Wir warten auf die Kindschaft, nämlich auf unsres Leibes Erlösung.“2)
Wir werden Ihm gleich sein auf seinem Ehrenplatz. Jesu Platz ist der Mittelpunkt des Weltalls: der Thron Gottes. Er sprach zu seinen Jüngern: „Wo ich bin, da soll mein Diener auch sein. Wer mir dienen wird, den wird mein Vater ehren.“ „Ich will euch das Reich bescheiden, wie mirs mein Vater beschieden hat; dass ihr essen und trinken sollt über meinem Tische in meinem Reich, und sitzen auf Stühlen, und richten die zwölf Geschlechter Israels.“ Der Gemeinde von Thyatira sagt Er: „Wer überwindet und hält meine Werke bis ans Ende, dem will ich Macht geben über die Heiden, wie ich von meinem Vater empfangen habe.“
Und der Gemeinde zu Laodicea: „Wer überwindet, dem will ich geben, mit mir auf meinem Stuhl zu sitzen, wie ich überwunden habe, und bin gesessen mit meinem Vater auf seinem Stuhl.“ Deutlicher und erhabener kann es uns nicht gesagt werden, als in jener bekannten Stelle: „Wie wir getragen haben das Bild des Irdischen; also werden wir auch tragen das Bild des Himmlischen.“ Die Ähnlichkeit wird eine ganz genaue und vollkommene sein.
Solche von Gott uns gewährte Blicke in die Zukunft lehren uns weit besser, als unser Verstand es erfassen kann, welche göttliche Bedeutung in jenem Schöpferwort enthalten ist: „Lasst uns Menschen machen, ein Bild, das uns gleich sei.“ Das Bild des Unsichtbaren darzustellen, Anteil zu haben an der göttlichen Natur, und an der Regierung des Weltalls, das ist des Menschen Bestimmung. Wahrhaftig eine Stellung unaussprechlicher Herrlichkeit. Wir stehen gleichsam zwischen zwei Ewigkeiten, zwischen dem ewigen Ratschluss Gottes, nach welchem wir zuvor bestimmt sind, umgestaltet zu werden in das Bild des erstgebornen Sohnes, und zwischen der ewigen Erfüllung dieses Ratschlusses, da wir Ihm ähnlich gemacht werden sollen in der Herrlichkeit. Schallt uns da nicht von allen Seiten der Ruf entgegen: „O ihr Träger des Ebenbildes Gottes, die ihr dazu berufen seid, an der Herrlichkeit Gottes und Jesu Christi teilzunehmen, führt ein göttliches, ein Jesusähnliches Leben!
„Ich will satt werden, wenn ich erwache nach deinem Bilde“, so hat schon der Psalmist gesungen. Nichts kann die Seele befriedigen, als das Ebenbild Gottes, weil sie dazu erschaffen ist. Und zwar kann etwas bloß äußerliches, etwas, das wir sehen, aber nicht besitzen, nicht das Verlangen unsres Herzens stillen; nur wenn wir Anteil haben an seinem Bilde, werden wir satt werden. Selig alle diejenigen, die hier mit unaufhörlichem Hunger danach verlangen; sie werden satt werden. Die vollkommene Ähnlichkeit mit Gott, das wird die Herrlichkeit sein, die von Gott selbst auf sie strömt, die ihr ganzes Wesen durchfließt, und sich aus ihnen auf das Weltall ergießt. „Wenn Christus, unser Leben, sich offenbaren wird, dann werden wir auch offenbar werden mit Ihm in der Herrlichkeit.“
Geliebte Mitchristen! Es kann nichts an jenem Tag offenbar werden, das nicht zuvor in diesem Leben zustande gekommen war. Wenn die Verherrlichung Gottes nicht hier schon unser Leben war, so wird sie es auch dann nicht sein. Es ist unmöglich; nur den kann Gott hernach verherrlichen, der Ihn hier verherrlicht hat. „Der Mensch ist das Ebenbild Gottes.“ Nur in dem Maße, als du hier das Bild Gottes an dir trägst, und in der Ähnlichkeit mit Jesu, der da ist der Abglanz seiner Herrlichkeit und das Ebenbild seines Wesens, lebst, wirst du für die zukünftige Herrlichkeit zubereitet werden. Sollen wir das Bild des himmlischen, des verherrlichten Jesu an uns tragen, so müssen wir zuerst das Bild des irdischen, des erniedrigten Jesu an uns getragen haben.
Kind Gottes! Jesus ist das unerschaffene Ebenbild Gottes; der Mensch dagegen ist das erschaffene Ebenbild. Auf dem Thron der Herrlichkeit werden diese beiden auf ewig eins sein. Du weißt, was Jesus getan, wie Er sich nahe zu uns herabgelassen und alles aufgeopfert hat, um uns zu der Ebenbildlichkeit Gottes zurückzuführen. O, wollen wir nicht endlich uns dieser wunderbaren Liebe in die Arme werfen, dieser unbegreiflichen Herrlichkeit uns hingeben, und unser ganzes Leben der Verherrlichung Jesu und der Darstellung seines Ebenbildes weihen? Wollen wir nicht, gleich Ihm, des Vaters Verherrlichung zum Ziel unseres Strebens und unserer Hoffnung machen, indem wir hier zu seiner Ehre leben, als Vorbereitung auf das Leben in seiner Herrlichkeit hernach?
Geliebte Brüder, die ihr mich bis hierher bei den Betrachtungen des Bildes unsres HErrn, und des Jesus-ähnlichen Lebens, worin dasselbe wiedergespiegelt werden soll, begleitet habt, es ist nun Zeit, uns von einander zu trennen. Als Abschiedswort wollen wir uns zurufen: „Wir werden Ihm gleich sein, denn wir werden Ihn sehen, wie Er ist.“ „Wer solche Hoffnung hat, der reinigt sich, gleichwie Er auch rein ist.“ Lasst uns nach Jesu Bild für einander und für alle Kinder Gottes beten, dass in immer größerem Maße dies das eine Ziel unseres Glaubens, das eine Verlangen unseres Herzens, die eine Freude unseres Lebens werde. O was wird das sein, wenn wir uns in der Herrlichkeit begegnen, wenn wir Ihn sehen, wie Er ist, und wir alle Ihm ganz ähnlich gemacht sind!
O hochgelobter, herrlicher Gott! Wie sollen wir dir danken für das herrliche Evangelium von Jesu, der da dein Ebenbild ist, und für das Licht deiner Herrlichkeit, das durch Ihn auf uns strahlt! Und wie können wir dir genugsam dafür danken, dass wir in Jesu nicht nur das Bild seiner Herrlichkeit gesehen haben, sondern auch das Pfand der unsrigen, dessen, was wir mit Ihm in alle Ewigkeit sein werden!
O HErr! vergib uns, um des Blutes Jesu willen, dass wir dies bisher so wenig geglaubt, so wenig danach gelebt haben. Und wir bitten dich, offenbare allen denen, die durch diese Betrachtungen Gemeinschaft mit einander gehabt haben, worin die Herrlichkeit besteht, in welcher sie in alle Ewigkeit leben sollen, in welcher sie schon hier leben können, je nachdem sie dich verherrlichen.
Vater! wecke uns und alle deine Kinder recht auf, damit wir sehen und erkennen, was deine Absicht mit uns ist. Wir sollen ja in alle Ewigkeit an deiner Herrlichkeit teilnehmen: Deine Herrlichkeit soll uns umgeben, auf uns und in uns ruhen; wir sollen deinem Sohne in seiner Herrlichkeit ähnlich werden. Vater! wir bitten dich, o besuche deine Gemeinde und nimm dich ihrer an. Dein Heiliger Geist, der Geist der Herrlichkeit wirke mächtig in ihr; und lass dies ihr einziges Verlangen, das eine Merkmal sein, daran man sie erkennen kann: dass die Herrlichkeit Gottes auf ihr ruht. Unser Vater! verleihe uns dies um Jesu willen! Amen!