Murray, Andrew - Nach Jesu Bild - XXX. In der Verherrlichung des Vaters

Murray, Andrew - Nach Jesu Bild - XXX. In der Verherrlichung des Vaters

Vater, die Stunde ist hier; verkläre deinen Sohn, auf dass dich dein Sohn auch verkläre. Ich habe dich verklärt auf Erden“ (Joh. 17,1.4) „Darinnen wird mein Vater geehrt, dass ihr viel Frucht bringt, und werdet meine Jünger“ (Joh. 15,8).

Es gereicht einem Gegenstand zur Ehre, wenn er seinem innersten Wert nach ganz den Erwartungen entspricht, die in Beziehung auf denselben gehegt werden. Dieser Wert, diese Vollkommenheit mag aber derart verborgen sein, dass der Gegenstand dennoch in den Augen derer, die ihn betrachten, nicht zu Ehren kommt. Soll er aber verherrlicht werden, so muss jedes Hindernis aus dem Wege geräumt, und der innere Wert ans Licht gebracht werden, dass seine Vorzüglichkeit von jedermann gesehen und anerkannt wird.

Die höchste Vollkommenheit Gottes, das tiefste Geheimnis seines Wesens ist die Heiligkeit, in welcher seine Gerechtigkeit und seine Liebe zusammengefasst sind. Als der Heilige hasst und verurteilt Er die Sünde; als der Heilige befreit Er aber auch den Sünder von ihrer Macht und erhebt ihn zur Gemeinschaft mit Ihm selbst. Sein Name ist: „Der Heilige in Israel, dein Erlöser.“ Im Lobgesang der Erlösten wird Er also gepriesen: „Groß ist der Heilige in Israel unter dir.“ Im neuen Testamente wird dem Geiste, dessen hauptsächlichstes Werk es ist, die Gemeinschaft zwischen Gott und den Menschen herzustellen, noch öfter, als dem Vater oder dem Sohne die Bezeichnung heilig“ beigelegt. Ja, diese Heiligkeit, welche die Sünde verdammt, aber den Sünder erlöst, das ist die Herrlichkeit Gottes; deshalb werden die beiden Worte so oft in Verbindung miteinander gebraucht. Im Liede Mosis heißt es: „Wer ist dir gleich, herrlich in Heiligkeit?1) Die Seraphim singen: „Heilig, heilig, heilig ist der HErr Zebaoth; alle Lande sind seiner Herrlichkeit voll.“2) Und im Liede des Lammes ertönt es: „Wer sollte dich nicht fürchten und deinen Namen verherrlichen3), denn du allein bist heilig.“ Mit Recht ist es gesagt worden: „Gottes Herrlichkeit ist seine offenbarte Heiligkeit; Gottes Heiligkeit ist seine verborgene Herrlichkeit.“

Als Jesus auf die Erde kam, sollte Er den Vater verherrlichen; er sollte jene Schönheit und Herrlichkeit, welche die Sünde dem Menschen vollständig geraubt hatte, wieder in ihrem wahren Lichte offenbaren. Der Mensch war nach dem Bilde Gottes erschaffen worden, Gott hatte etwas von seiner Herrlichkeit ihm mitgeteilt, damit Er in ihm verherrlicht werde. Jesus kam, um den Menschen zu dieser seiner hohen Bestimmung zurückzuführen: Er legte die Herrlichkeit ab, welche Er bei dem Vater gehabt hatte, und erschien in unserer Schwachheit und Gestalt der Erniedrigung, auf dass Er uns lehre, wie wir auf Erden den Vater verherrlichen könnten. Gottes Herrlichkeit ist eine vollkommene, eine unendliche; der Mensch kann derselben nichts beifügen, was Gott nicht schon hätte; er kann nur als ein Spiegel dienen, in welchem die Herrlichkeit Gottes wiederstrahlt. Gottes Heiligkeit ist seine Ehre; wenn daher die Heiligkeit Gottes im Menschen offenbar wird, so wird seine Herrlichkeit offenbar.

Jesus verherrlichte den Vater durch seinen Gehorsam. Als Gott dem Volk Israel das Gesetz gab, wiederholte Er immer wieder: „Seid heilig, denn ich bin heilig.“ Durch das Halten der Gebote sollte ihr Leben mit Gott in Einklang gebracht werden, sollten sie in Gemeinschaft mit dem Heiligen treten. Durch seinen Kampf mit dem Satan und der Sünde, durch die Darangabe seines eigenen Willens, durch sein Warten auf die Weisungen des Vaters, durch seinen unbedingten Gehorsam zeigte Jesus es deutlich, dass Er keinen höheren Lebenszweck kannte, als den einen, den Menschen klar zu machen, wie selig es sei, den heiligen Gott in der Tat Gott sein zu lassen, seinen Willen allein anzuerkennen und demselben zu gehorchen. Weil Er allein heilig ist, sollte sein Wille allein geschehen, und dadurch seine Herrlichkeit durch uns offenbart werden.

Jesus verherrlichte Gott, indem Er für Ihn zeugte. In seiner Lehre überliefert Er uns nicht nur die Botschaft, die Ihm Gott aufgetragen hatte, nämlich uns mit dem Vater bekannt zu machen. Wir bemerken noch etwas weit auffallenderes: Er sprach beständig von seinem eigenen persönlichen Verhältnis zum Vater. Er verließ sich nicht bloß auf den stillen Einfluss seines heiligen Lebens, sondern Er wollte, dass die Menschen mit Bestimmtheit erkennen, was die Wurzel und das Ziel dieses Lebens war. Einmal über das andere sagte er ihnen, er sei gekommen, als ein vom Vater gesandter Knecht, Er hänge gänzlich von Ihm ab, und verdanke Ihm alles, Er suche nur des Vaters Ehre, und all sein Glück bestehe darin, dem Vater wohlzugefallen und seiner Liebe und Gunst sich zu versichern.

Jesus verherrlichte Gott dadurch, dass Er sich selbst dargab zu dem Werk der erlösenden Liebe. Gottes Herrlichkeit in seiner Heiligkeit, und Gottes Heiligkeit in seiner erlösenden Liebe: die Liebe, welche über die Sünde triumphiert, indem sie dieselbe besiegt und den Sünder befreit, das sehen wir an Jesu Hingabe für uns. Jesus sprach nicht nur von dem Vater, als von dem Gerechten, der die Sünde verdammt, nicht nur als von der Liebe, die einen jeden errettet, der sich von der Sünde zu Ihm wendet, sondern Er gab sich selbst dieser Liebe als Knecht, dieser Gerechtigkeit als Opfer dahin, sogar zum Tode am Kreuz. Nicht nur durch Taten des Gehorsams, oder Worte des Zeugnisses verherrlichte Er den Vater, sondern indem Er sich selbst dargab, um die Heiligkeit Gottes zu erhöhen, und durch sein Versöhnungswerk sowohl sein Gesetz als seine Liebe zu befriedigen. Er gab sich selbst, sein ganzes Leben und Sein, völlig dahin, um zu zeigen, wie sehr der Vater uns liebte, wie Er zwar die Sünde verdammen muss, aber doch den Sünder retten möchte. Kein Opfer war Ihm hierfür zu groß; Er lebte und starb, damit die Herrlichkeit des Vaters, die Herrlichkeit seiner Heiligkeit und seiner erlösenden Liebe den dichten Schleier der Sünde und des Fleisches durchbrechen, und in die Herzen der Menschenfinder hineinleuchten möchte. Er selbst sprach dies aus, als beim Beginn seines letzten Werkes auf Erden die herannahende Angst anfing, Ihn darnieder zu drücken: „Jetzt ist meine Seele betrübt. Und was soll ich sagen? Vater, hilf mir aus dieser Stunde? doch darum bin ich in diese Stunde gekommen: Vater, verkläre deinen Namen.“ Und die Versicherung, dass sein Opfer ein wohlgefälliges und von Gott angenommenes sei, wurde Ihm in der Antwort zu teil: „Ich habe ihn verklärt, und will ihn abermals verklären.“

Auf diese Weise wurde Jesus als Mensch dazu vorbereitet, an der Herrlichkeit Gottes teilzunehmen: Er suchte sie in seiner Erniedrigung auf Erden; Er fand sie auf dem Thron des Himmels. So ist Er unser Vorläufer geworden, der viele Kinder zur Herrlichkeit geführt hat. Er zeigt uns, dass, um auf sicherem Wege zu der Herrlichkeit Gottes im Himmel zu gelangen, wir hier auf Erden nur zur Verherrlichung Gottes leben müssen. Ja, darin besteht die Herrlichkeit unsres Erdenlebens: indem wir hier Gott verherrlichen, werden wir zubereitet, auf ewig mit Ihm verherrlicht zu werden.

Geliebter Mitchrist! Ist es nicht ein wunderbarer, ein all unser Denken übersteigend seliger Beruf, wie Jesus nur zur Verherrlichung Gottes zu leben, in unserem ganzen Leben Gottes Herrlichkeit durchstrahlen zu lassen? Lasst uns Zeit nehmen, diesen wunderbaren Gedanken recht zu erfassen: unser tägliches Leben soll bis zu den allergewöhnlichsten Aufgaben desselben von der Herrlichkeit Gottes durchleuchtet sein. O lasst uns diesen Zug des Bildes Jesu, als einen für uns besonders anziehenden, genau betrachten: Er verherrlichte den Vater. Lasst uns seiner Stimme lauschen, wenn Er uns auf das hohe Ziel hinweist: „dass euer Vater im Himmel verherrlicht werde“, und wenn Er uns zeigt, wie wir dazu gelangen können: „Darinnen wird mein Vater geehrt.“ Wir wollen nicht vergessen, was Er uns gesagt hat, dass, wenn Er vom Himmel unsere Bitten erhört, dies noch immer sein Zweck sei, und bei jedem Seufzer gläubigen Gebets sei dies auch unser Zweck: „dass der Vater geehrt werde in dem Sohne.“ Unser ganzes Leben werde von diesem Grundsatz beherrscht, bis wir mit heiliger Begeisterung ausrufen können: „Alles, alles zur Verherrlichung Gottes.“ Lasst uns im Glauben festhalten an der zuversichtlichen Gewissheit, dass in der Fülle des Geistes auch für die Erlangung dieses unseres Wunsches Gewähr geleistet ist: „Wisst ihr nicht, dass euer Leib ein Tempel des Heiligen Geistes ist, der in euch ist? Darum, so verherrlicht Gott an eurem Leibe und in eurem Geiste.“4)

Damit wir des Weges hierzu nicht verfehlen, lasst uns immer wieder auf Jesum schauen. Er gehorchte dem Vater. Einfacher, schlichter Gehorsam kennzeichne auch unser Leben. Unsere tägliche Stellung sei eine demütige, kindliche, da wir der Winke Gottes gewärtig sind, da wir, Soldaten gleich, seiner Befehle harren, und in Jesus-ähnlicher Abhängigkeit vom Vater uns den Weg weisen lassen, den wir zu gehen haben. Alles, was wir tun, sei dem HErrn getan, nach seinem Willen, zu seiner Verherrlichung, mit bestimmter Beziehung auf Ihn. Gottes Herrlichkeit leuchte aus der Heiligkeit unsres Wandels heraus.

Er zeugte von dem Vater: Er scheute sich nicht, oft von seinem persönlichen Verhältnis zum Vater und von seinem Umgang mit Ihm zu sprechen, gerade wie ein kleines Kind gerne von seinen Eltern spricht. Es ist nicht genug, dass wir vor den Augen der Menschen richtig wandeln: wie können sie verstehen, so es ihnen niemand auslegt? Sie bedürfen nicht sowohl der Predigt als des persönlichen Zeugnisses, dass alles, was wir sind und tun, daraus entspringt, dass wir den Vater lieben und Ihm leben wollen. Das Zeugnis des Wandels muss mit den Worten übereinstimmen.

Er gab sich selbst dar, um des Vaters Werk auszuführen, und damit verherrlichte Er Ihn. Er zeigte uns Sündern, dass Gott ein Recht habe, uns völlig und allein für sich zu beanspruchen, dass die Verherrlichung Gottes allein wert ist, unser Lebenszweck genannt zu werden, und dass Gott uns in dem Maße, als wir uns dazu hingeben, wunderbar segnen und als Werkzeuge gebrauchen werde, um andern seine Herrlichkeit zu zeigen. Damit die Menschen den Vater im Himmel verherrlichen, damit auch sie ihre Seligkeit darin finden möchten, diesen herrlichen Gott zu erkennen und Ihm zu dienen, hierfür lebte Jesus, und hierfür sollen auch wir leben. O wir wollen uns selbst Gott hingeben für andere, wir wollen flehen, arbeiten, leben und sterben, auf dass unsere Mitmenschen es mögen erkennen, dass Gott in Heiligkeit herrlich ist, und dass die ganze Erde seiner Herrlichkeit voll werde.

O Kind Gottes! „Der Geist, der ein Geist der Herrlichkeit und Gottes ist, der Geist der Heiligkeit ruht auf dir.“ ist Jesu Freude, auch in dir sein Werk der Verherrlichung des Vaters auszuführen. Fürchte dich nicht, zu sagen: O mein Vater, durch deinen Sohn, gleich deinem Sohne, will ich nur dafür leben, dich zu verherrlichen.

O mein Gott, ich bitte dich, zeige mir deine Herrlichkeit! Ich fühle tief, wie unmöglich es ist, durch irgend einen eigenen Entschluss, oder eigene Anstrengung mich dazu zu erheben und zu verpflichten, allein zu deiner Verherrlichung zu leben. Aber wenn du mir deine Herrlichkeit offenbaren, wenn du „alle deine Güte an mir vorübergehen lassen willst“, und mir zeigen, wie herrlich du bist, wie es gar keine andere Herrlichkeit gibt; wenn du, o mein Vater, deine Herrlichkeit willst in mein Herz hinein scheinen, und Besitz von meinem innersten Wesen ergreifen lassen, dann werde ich dich verherrlichen können, und mit meinem ganzen Leben bezeugen, was für ein herrlicher, heiliger Gott du bist.

Herr Jesu, der du auf Erden gekommen bist, um vor unseren Augen den Vater zu verklären, und der du gen Himmel gefahren bist und uns die Aufgabe hinterlassen hast, hinfort in deinem Namen und an deiner Statt vor der Welt den Vater zu verherrlichen, o lehre uns durch deinen Heiligen Geist, wie du dies getan hast. Lehre uns, gleich dir dem Vater gehorsam sein, und mit dir darin übereinstimmen, dass sein Wille geschehen müsse, koste es auch, was es wolle. Lehre uns Acht haben auf das Zeugnis, das du von deinem persönlichen Verhältnis zum Vater vor den Menschen abgelegt hast, als du ihnen sagtest, was Er dir sei, und welche Stellung du Ihm gegenüber einnehmest; lass dann auch unsere Lippen bezeugen, was wir von der Liebe des Vaters haben schmecken dürfen, auf dass Er verherrlicht werde. Und ganz besonders bitten wir dich, du wollest es uns klar machen, dass die erlösende Liebe durch die Nettung der verlornen Sünder ihren größten Triumph feiert, und darin ihre höchste Freude findet, und dass in der Heiligkeit, die alle Sünde verbannt, Gottes vornehmste Herrlichkeit besteht. Nimm du so vollständig Besitz von unseren Herzen, dass wir unsere ganze Liebe, unser Arbeiten, unser Leben und Sterben auf das eine Ziel richten: „dass jede Zunge bekenne, dass Jesus Christus der HErr sei, zur Ehre Gottes des Vaters.

O mein Vater, lass alle Lande, lass mein Herz voll werden deiner Herrlichkeit. Amen!

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Revidierte Bibelübersetzung.
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