Müller, Heinrich - Von der Liebe Gottes im Kreuz.

Je liebers Kind, je schärfer Ruth.

Welchen Gott lieb hat, den züchtigt er, er stäupt einen jeglichen Sohn, den er aufnimmt. Denn wo ist ein Sohn den der Vater nicht züchtigt? Ist Jemand ohne Züchtigung, so ist er ein Bastard und nicht ein Kind. Hebr. 12, 6. 7. 8. Wenn Jesus sein schmerzliches Leiden im Oelgarten antreten will, läßt er acht Jünger vorn bleiben, drei aber, nämlich Petrum, Jacobum und Johannem, nimmt er mit sich hinein. Fragst du, warum? Sie hatten seine Herrlichkeit gesehen auf dem Berg Thabor, so sollten sie auch seine Niedrigkeit sehen am Oelberg. Auf den Himmelschmack folgt der Höllenschmack; heute erfreut, morgen geängstet; heute erquickt, morgen gedrückt. Sie waren ihm die Liebsten, drum müssen sie auch im Leiden die Nächsten sein. Ich höre sie nicht fragen: Herr, warum läßt du die Andern draußen und nimmst uns allein zu dir? Und du, mein Herz, fragst so kümmerlich: Ach, wie trifft mich solch groß Leiden, da mein Nächster so gnädig übersehen wird? Warum muß ich vor andern des Tages Hitze und Hast ertragen? Lieber, klage nicht. Große Kraft, großes Kreuz. Deine Schultern sind vielleicht stärker denn anderer, kannst mehr tragen. Du bist Gott der Liebste. Wenn der Vater Gaben austheilt, gibt er dem liebsten Kind das größte Stück; seinen liebsten Kindern mißt Gott das Leiden zu mit der längsten Elle. Wer hat je größere Leiden ausgestanden als Jesus? Gab ihn nicht Gott dahin dem Teufel, Tod und aller höllischen Macht in die Rappuse? verließ er ihn nicht mit Schutz und Trost, daß er jämmerlich klagen mußte: Mein Gott! mein Gott! warum hast du mich verlassen? Ps. 22, 2. Und war doch mitten im Leiden Gottes allerliebstes Kind. Kreuz ist nicht ein Zorn- sondern ein Liebeszeichen. Gott züchtigt die Seinigen nicht im Grimm, sondern in Gnaden. Paulus hatte seinen Satansengel, der ihn mit Fäusten schlug; war er aber darum verhaßt? Nein; laß dir, spricht Gott, an meiner Gnade begnügen. Denn meine Kraft ist in den Schwachen mächtig. 2. Cor. 12, 9. Wo viel und groß Kreuz ist, da ist auch hohe und reiche Gnade Gottes. Je tiefere Wunden uns Gott mit der Linken schlägt, je herzlicher umfängt uns seine Rechte. Gottes Gnade nimmt im Kreuz nicht ab, sondern zu; dem kranken Kind stellt die Mutter die höchste Liebe zu. An der Gnade Gottes läßt sich ein Kreuzträger genügen. Eine ganze Welt voll Goldes, ein ganzer Tisch voll Wollust trösten mich nicht, wenn meine Seele betrübt ist; gibt mir aber Gott ein Tröpflein seiner Gnade zu schmecken, so ist alles Leid verzuckert und das Herz zur Ruhe gebracht. Wo Gottes Gnade ist, da ist auch Gottes Kraft; da kann man das Kreuz tragen und überwinden. Ich will nicht sauer sehen, wenn mich groß Leiden überfällt. Denn wenn mich dünkt, Gott zürne am meisten, so lacht er mir am freundlichsten zu. Seine nächsten Freunde drückt er am härtesten. Ein Freund verträgt noch wohl, was ein Fremder nicht verträgt. Schickt mir Gott kein Kreuz zu, so hat er mich nicht lieb. Je liebers Kind, je schärfere Ruthe.

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