Mühe, Ernst - Die Leidensgeschichte Jesu Christi - I. Hauptstück, II. Hälfte

Mühe, Ernst - Die Leidensgeschichte Jesu Christi - I. Hauptstück, II. Hälfte

Christe, du Lamm Gottes, der du trägst die Sünden der Welt, erbarme dich unser und gib uns deinen Frieden, o Jesu! Amen.

Text: Leidensgeschichte I. Hauptstück, 2. Hälfte.
Und alsbald, da er noch redete, siehe, Judas, der Zwölfen einer, da er nun zu sich hatte genommen die Schar und Diener der Hohenpriester und Pharisäer, der Ältesten und Schriftgelehrten, ging er zuvor der Schar und kommt dahin mit Fackeln, Lampen, Schwertern und Stangen.
Als nun Jesus wusste alles, was ihm begegnen sollte, ging er hinaus und sprach zu ihnen: Wen sucht ihr? Sie antworteten ihm: Jesum von Nazareth. Jesus sprach zu ihnen: Ich bin's. Judas aber, der ihn verriet, stand auch bei ihnen. Der hatte ihnen ein Zeichen gegeben und gesagt: Welchen ich küssen werde, der ist's, den greift. Und alsbald trat er zu Jesu und sprach: Gegrüßt seist du, Rabbi! und küsste ihn. Jesus aber sprach zu ihm: Mein Freund, warum bist du gekommen? Juda, verrätst du des Menschen Sohn mit einem Kuss?
Als nun Jesus zu ihnen sprach: Ich bin's, wichen sie zurück und fielen zu Boden. Da fragte er sie abermals: Wen sucht ihr? Sie sprachen: Jesum von Nazareth. Jesus antwortete: Ich habe euch gesagt, dass ich's sei. Sucht ihr denn mich, so lasst diese gehen; auf dass das Wort erfüllt würde, welches er sagte: Ich habe derer keinen verloren, die du mir gegeben hast. Da aber sahen, die um ihn waren, was da werden wollte, sprachen sie zu ihm: Herr, sollen wir mit dem Schwert dreinschlagen? Da hatte Simon Petrus ein Schwert und zog es aus und schlug nach des Hohepriesters Knecht und hieb ihm sein rechtes Ohr ab, und der Knecht hieß Malchus.
Jesus aber antwortete und sprach: Lasst sie doch ferner machen. Und sprach zu Petro: Stecke dein Schwert in die Scheide: denn wer das Schwert nimmt, der soll durchs Schwert umkommen. Oder meinst du, dass ich nicht könnte meinen Vater bitten, dass er mir zuschicke mehr denn zwölf Legionen Engel? Soll ich den Kelch nicht trinken, den mir mein Vater gegeben hat? Wie würde aber die Schrift erfüllt? Es muss also geschehen. Und er rührte sein Ohr an, und heilte ihn.
Zu der Stunde sprach Jesus zu den Hohenpriestern und Hauptleuten des Tempels und den Ältesten, die über ihn gekommen waren: „Ihr seid als zu einem Mörder mit Schwertern und mit Stangen ausgegangen, mich zu fangen; ich bin doch täglich gesessen bei euch und habe gelehrt im Tempel, und ihr habt keine Hand an mich gelegt. Aber dies ist eure Stunde und die Macht der Finsternis. Das ist aber alles geschehen, auf dass erfüllt würde die Schrift der Propheten“. Da verließen ihn alle Jünger und flohen.
Und es war ein Jüngling, der folgte ihm nach, der war mit Leinwand bekleidet auf der bloßen Haut, und die Jünglinge griffen ihn; er aber ließ die Leinwand fahren, und floh bloß von ihnen.

Liebe Gemeinde! Schon am verflossenen Freitag haben wir die Leidensgeschichte des HErrn zu betrachten angefangen. (Wir wollen auch an den Sonntagen darin fortfahren, damit das Bild des leidenden Jesus umso tiefer in unsere Seelen eingeprägt werde.) Wir haben voriges Mal mit innerlichem Schauer gesehen, wie das Lamm Gottes in Gethsemane für uns im göttlichen Gericht gestanden. Wie er als unser Stellvertreter unsere ganze Sündenlast auf sich genommen und der ewige Gott alle Schuld und Strafe auf ihn geworfen und an ihm schrecklich gestraft hat. Zulegt sahen wir aber auch, wie er nach langem heißem Gebetskampfe erhört wurde und er, aus der Angst und dem Gericht genommen, mit königlicher Ruhe und hohepriesterlicher Geduld und Ergebung dem nun folgenden menschlichen Gericht entgegenging. Die heilige Geschichte führt uns heute vor Augen:

Die Gefangennahme des HErrn Jesu.

Wir betrachten sie als eine Tat:

  1. schändlichen Verrates;
  2. freiwilliger Liebe;
  3. teuflischer Finsternis.

Zuvor aber lasst uns beten:

Jesus steht in Strick und Banden,
Dessen Hand die Welt gemacht,
Bei Verachtung, Spott und Schanden,
Und wird höhnisch ausgelacht.
Backenstreich und Fäustenschlag
Und der Feinde Grimm und Rach'
Duldet er für deine Sünden:
Wer kann solche Lieb' ergründen?

Lass es dir zu Herzen gehen,
Bess're und bekehre dich:
Wer kann diese Tat ansehen,
Dass man nicht bewege sich?
Jesus steht an unsrer Statt;
Was der Mensch verdienet hat,
Büßet Jesus und erduldet,
Was der Sünder hat verschuldet.

Amen.

1. Der schändliche Verrat

Seht, die Stunde ist gekommen, dass des Menschen Sohn in der Sünder Hände überantwortet wird. Steht auf. Siehe, er ist da, der mich verrät. Und alsbald, da er noch redete, horch: aus dem Tale herauf tönt Waffengeklirr. Fackelschein naht sich dem Eingange des Ölgartens. Auf demselben Wege, den Jesus vor einigen Stunden unter lieblichen Gesprächen mit seinen Jüngern gewandelt, kommt jetzt eine böse, nichtswürdige Rotte herangezogen. Sie gehen aus, Jesum zu fangen, den sie wohl aus seinen großen Taten kannten und kennen mussten. Darum ist ihr Vorhaben ein nichtswürdiges Werk. Der Schlimmste unter ihnen geht an der Spitze. Es ist Judas, der Zwölfen einer. Wie er dazu gekommen, seinen geliebten Meister und Heiland, den er mit den andern Jüngern als den Sohn des lebendigen Gottes geglaubt und erkannt hatte, aus Neid und Hass und Habsucht zu verraten, das wollen wir ein andermal ausführlicher betrachten. Merkwürdig aber ist es, dass wie 1800 Jahre vorher ein Juda unter 12 Brüdern seinen Bruder Joseph verkaufte, so auch hier ein Juda aus 12 Brüdern den geliebten Sohn des himmlischen Vaters an die Heiden verkauft. Er hat „die Schar“ mit sich genommen. Die Priester hatten nämlich den Landpfleger eilends gebeten, ihnen einen Teil der römischen Besatzung, welche immer in der, dicht beim Tempel erbauten, Burg Antonia, eine Legion oder 6000 Mann stark, lagerte, zur Verhaftung eines, wie sie sagten, gefährlichen Menschen zu überlassen. Eine Kohorte von 6 bis 700 Mann stand bei Festzeiten immer in den Vorhallen des Tempels bereit. Von dieser wurden etwa 200 Mann zur Gefangennahme Jesu beordert. Sie kommen um 1 Uhr nachts nach Gethsemane. Dazu auch die Leibwache und Diener der Hohenpriester und Pharisäer, der Ältesten und Schriftgelehrten. Judas fürchtete nämlich den Widerstand des HErrn Jesu und seiner Jünger. Darum kommen sie, mit Schwertern und langen Spießen, Stangen und Stöcken bewaffnet, und wegen des trügerischen Halbdunkels der diesmal besonders düstern Mondscheinnacht, haben sie auch Fackeln und Stäbe mit Hängelampen mitgenommen.

Jesus wusste genau, was ihm jetzt geschehen sollte. Er hätte fliehen können. Doch dann wäre er ja seiner Aufgabe untreu und könnte nicht unser Heiland sein. Aus freiwilliger Liebe will er sich fangen und binden lassen, um dadurch uns arme Gefangene und Gebundene des Teufels loszumachen. Darum geht er hinaus, seinen Feinden entgegen und spricht zu ihnen: Wen sucht ihr? Seht, welch große Liebe! Noch einmal will er ihnen zu Herzen führen, wen sie vor sich haben, an wem sie freveln. Sie aber sprechen ihr eigenes Urteil: Jesum von Nazareth!

Judas aber, der ihn verriet, stand auch bei ihnen. Der hatte ihnen ein Zeichen gegeben und gesagt: Welchen ich küssen werde, der ist's, den greift und führt ihn gewiss. Wir sehen mit Schaudern die tiefe Verlorenheit dieser Seele! Wo bleiben die halbherzigen humanen Leute, die Judas noch heute gern in Schutz nehmen? Die meinen, Judas habe nur einen Scherz mit den Feinden Jesu getrieben, der ihm beiläufig Geld einbringen sollte, in der Gewissheit, der mächtige Jesus werde sich wohl zu retten wissen. Die solche flache Ansicht der Judas-Tat haben, kennen weder die tiefe Verderbtheit des Menschenherzens noch die heilige Wahrheit der Bibel, und noch weniger die furchtbare Bosheitstiefe des Teufels. Wir wissen aber: Beim heiligen Passahmahl, 3 Stunden vorher, hat's ihm Jesus vorausgesagt ja, ihn deutlich als seinen Mörder bezeichnet. Er hat sich nicht warnen lassen wollen. Voll Wut und Rache war er gegen 10 Uhr zu den Priestern geeilt und hatte ihnen gesagt, dass er noch in dieser Nacht sein Vorhaben ausführen wolle. Sie möchten ihm eine starke Mannschaft mitgeben. Er wusste nämlich, dass der Herr diesmal nicht nach Bethanien ging, sondern nach dem nahen Gethsemane, weil die Israeliten in der Passahnacht das Weichbild der Stadt Jerusalem nicht zu verlassen pflegten. Es ist also keine Schwachheitssünde, sondern ein wohlüberlegtes Bosheits- und Bubenstück. Der heilige Lukas sagt Kap. 22, 3 ausdrücklich: der Teufel sei in ihn gefahren und habe ihn besessen und verstockt. Deshalb wählt er auch solch Erkennungszeichen. Den Kuss, das Zeichen der Liebe, der Anbetung, der Ehrfurcht, brandmarkt er als Zeichen des Verrats. Dazu welche teuflische Heuchelei in den Worten: Gegrüßt seist du, mein Herr und Meister. Seine Sünderlippen dürfen es wagen, die heiligen, holdseligen Lippen des Gottes- und Menschensohnes zu berühren. Dachte er vielleicht in seiner teuflischen Verblendung, dass er den HErrn Jesum selbst täuschen und betrügen könnte, als wäre er nicht der Verräter, sondern nur zufällig mit der Schar gekommen? Doch hören wir, wie der HErr ihm entgegnet: „Mein Freund, warum bist du gekommen? Juda, verrätst du des Menschen Sohn mit einem Kuss?“ Wunderbare Worte! Mein Freund, d. h. mein Gefährte, mein Hausgenosse. Wenn noch ein Fünkchen Scham und Gram in ihm war, so hätten diese sanften und doch so einschneidenden Worte ihn zerknirschen müssen. Der HErr erinnert ihn damit an den Psalm 41,10, wo seine Tat und sein schaudervolles Ende schon längst vorhergesagt war. Er erinnert ihn, dass er „des Menschen Sohn“ verrät - dass er also den Heiligen Gottes antastet. Doch auch diese letzte Warnung macht keinen Eindruck auf ihn. Er ist ja verstockt, und mit einem verstockten Herzen ist nichts mehr anzufangen. An solchen ist selbst Jesu Liebeswort verloren. Der HErr hat seinen heuchlerischen Kuss mit Unwillen erduldet und sich seiner unheiligen Umarmung rasch entledigt. Durch Jesu Liebe und Ruhe etwas in Verwirrung gesetzt, tritt er zurück zu der feindlichen Schar, ohne dass sie vielleicht genau gesehen, wen er geküsst. Damit wendet sich die schändliche Verrätertat in eine Tat

2. Der freiwilligen Liebe.

Deshalb tritt Jesus vor und sagt zu ihnen: Ich bin's! In dieses kurze Wort: „Ich bin's,“ legt er aber etwas von seiner Gottesmajestät hinein und siehe, die ganze große Schar, samt Judas, stürzt vor Schreck zu Boden. Der HErr will den Feinden beweisen, dass sie vergeblich gegen Gott ankämpfen, und dass er freiwillig in die Gefangenschaft und in das Elend gehe. Es ist dies Wort also noch ein Versuch, sie zur Erkenntnis und Buße zu bringen. Nun haben sie wahrlich keine Entschuldigung, dass sie es nicht gewusst, an wen sie ihre Hände gelegt. Dieser kleine Vorgang in Gethsemane wird sich aber einst im Großen wiederholen. „Ich bin's,“ so wird der Herr einst, wenn er wiederkommt zum Gericht, allen seinen verborgenen und offenen Feinden entgegenrufen: „Ich bin's“ den ihr in eurem Leben auf Erden verraten, an den ihr eure Hände gelegt habt. Und siehe, alle Frevler, alle Ungläubigen und Spötter auch aus dieser unsrer Gemeine werden niederstürzen vor dem Donner seiner göttlichen Richterstimme. - Doch sehen wir wieder nach Gethsemane.

Da die niedergestreckten Bösewichte erkennen, dass sie noch leben, hetzt sie der Satan an, dass sie unerschüttert im Herzen wieder aufstehen. Da fragt sie Jesus noch einmal: Wen sucht ihr? Und da sie trotzig antworten: Jesum von Nazareth! so fügt der HErr hinzu: Ich habe es euch gesagt, dass ich es sei. Sucht ihr denn mich, so lasst diese gehen. O, schaut auch hier wieder die wunderbare Liebe unseres Heilandes! Er tut Fürbitte für die Seinen. Er vergisst die Seinen nicht in seiner eigenen Not. Johannes, der diese Worte gehört hat, sieht darin schon den Anfang der Erfüllung des hohenpriesterlichen Gebetes vom selbigen Abend: „Ich habe derer keinen verloren, die du mir gegeben hast.“ Die Jünger sollten und konnten jetzt noch nicht für ihren Heiland in Leiden und Tod gehen. Sie hatten noch nicht die Kraft des Heiligen Geistes dazu, und noch war ihre Aufgabe eine andere. Sie sollten aber später die hohe Ehre haben, für Jesum gebunden zu werden. Jetzt aber sagt der HErr noch: Lasst diese gehen - und wir fühlen aus diesen Worten der Heilandsliebe nicht bloß die leibliche Errettung der Jünger, sondern auch ihre einstige gänzliche Rettung und ihren ewigen Triumph heraus. Wir aber, die wir auch Jesu Jünger sind, können und sollen uns aus diesen Worten trösten mit der Gewissheit, dass auch wir durch seine Hand vor unzeitiger und zu großer Gefahr errettet und endlich allen Gefahren und Banden siegreich entrückt werden sollen.

Doch hört nun weiter, was die heiligen Evangelisten erzählen: Da traten sie hinzu und legten die Hände an Jesum und griffen ihn. Was einst an Isaak, an Josef, an Simson als Vorbild geschah, das erfüllte sich jetzt. Die heiligen Hände Jesu, die so oft geholfen und Segen gespendet, sie werden von rohen Fäusten gepackt und mit Stricken gebunden. Er bietet sie willig dar. Wunderbar! Die allmächtigen Hände des Sohnes Gottes, welche die Welten gemacht von sündigen, schwachen Menschen gebunden und mit Missetäterketten belastet! Warum? O, Sünder, wisse auch hierbei: Er ist für uns gebunden, die wir ewige Fesseln hätten tragen müssen, damit wir durch seine Bande von des Teufels Stricken frei würden.

Da aber sahen, die um ihn waren, was da werden wollte, sprachen sie zu ihm: Herr, sollen wir mit dem Schwert dreinschlagen? Ein rührender Anblick! Alle Jünger haben sich um ihren geliebten Meister geschart, ihn zu schützen. Freilich haben sie nur zwei Schwerter bei sich. Was ist das gegen hundert und mehr feindliche Schwerter und Speere? Doch die Liebe kennt keine Gefahr. Sie sind bereit, dreinzuschlagen; doch fragen sie erst den HErrn. Petrus aber wartet die Antwort Jesu nicht ab. Er, der Mann mit dem feurigen Temperamente, kann nicht zusehen, wie man seinen geliebten Meister bindet. Er hat ein Schwert. In einem Nu hat er's gezogen und haut nach einem der frechsten Knechte des Hohepriesters, der eben seine Hand an Jesum legt. Ein erfreulicher Anblick! Man kanns nicht leugnen, solche mutige Tat gefällt dem männlichen Herzen wohl. Petrus hat nicht gelogen, da er vorhin sagte: Ich will mit dir sterben. Es ist kein Geringes, was er tut. Er stürzt sich inmitten der Feinde. Er musste erwarten, dass in demselben Augenblicke ihn an die zwanzig und mehr Schwerter und Spieße durchbohrten. Er geht für seinen HErrn wirklich in den Tod. Das sage ich ihm zu Lobe. Petrus hat Liebe, ganze brennende Liebe zum Heilande, die auch das Leben einsetzt. Solche treue, männliche, mutige Liebe ist umso herrlicher und schöner, je seltener sie besonders in unserer lauen Zeit zu finden ist. Doch freilich, darin hat er doch Unrecht getan, dass er das Schwert zieht gegen seine - wenn auch schlechte, verkehrte und gottlose - Obrigkeit. Darum ruft ihm auch der HErr tadelnd zu: Stecke dein Schwert in die Scheide: denn wer das Schwert nimmt, der soll durchs Schwert umkommen. Hört es, ihr Mitbürger, und alle, die ihr etwa von gottloser Obrigkeit oder wunderlicher Herrschaft ungerecht behandelt werdet. Der HErr Jesus gebietet uns, wir sollen niemals das Schwert ziehen gegen die Obrigkeit, auch wenn sie noch so schlecht wäre. Er ist ein Feind aller Aufrührer, Demokraten und Rebellen, und verkündet ihnen gerechte Vergeltung. Auch sehen wir hier deutlich, der HErr Christus will durchaus nicht mit irdischen, fleischlichen und unrechten Waffen verteidigt sein. Seines Reiches und seiner Kirche Ehre soll nicht durch Krieg und Blutvergießen verfochten werden. Mit solchen Gewaltmitteln wird der Kirche nur geschadet.

Darum fügt er hinzu: Oder meinst du, dass ich nicht könnte meinen Vater bitten, und dass er mir zuschickte mehr als 12 Legionen (Regimenter) Engel? Ja wohl, solchen Schutz konnte der Heiland herbeirufen. Er ist ja der HErr Zebaoth, d. h. der Herr der himmlischen Kriegsheere. Doch er will es jetzt nicht. Warum nicht? Er sagt zwei Gründe. Erstens: Ich muss den Leidenskelch trinken, den mir der Vater gegeben hat. Ich muss mich jetzt geduldig binden lassen. Es ist nötig. Zweitens aber auch muss die Schrift erfüllt werden, die schon längst geweissagt hat, dass der Messias und Heiland der Welt würde gefangen, gebunden und den Heiden überliefert werden. Darum sagt er: Lasst sie nur so ferner machen. Es muss also geschehen! Liebe Christen, achtet hier auf den Gehorsam des Menschensohnes und auf die Wichtigkeit und genaue Erfüllung der Bibel, des Alten Testamentes. Es ist eine auffallende Tatsache, dass nirgends mehr auf die Schrift des Alten Testamentes verwiesen wird als gerade in der Leidensgeschichte Jesu.

Doch seht wieder auf den HErrn. Jedes Wort, jede Tat auf seinem letzten Wege ist wichtig. Die Tat des Petrus war das Werk eines Augenblickes gewesen. Da liegt der geschlagene Knecht am Boden. Petrus hat ihm das rechte Ohr abgehauen. Johannes, der diese Geschichte einige Jahre später aufgeschrieben hat als die anderen Evangelisten, nennt uns auch den Namen des Knechtes, weil die Nennung des Namens zu seiner Zeit keinem Teile mehr schaden konnte. Der Knecht hieß Malchus. Er ist es, an dem der HErr Jesus seine letzte Wundertat verrichtete. Er rührte eilends des Verwundeten Ohr an und heilte ihn augenblicklich. Die heilige Sache des HErrn war durch Petri Gewaltstreich bei der Welt verdächtig gemacht. Nur durch sofortige Heilung konnte der HErr diesen Fehler wieder gutmachen. Freilich hat auch dieses letzte Wunder des Sohnes Gottes seine Feinde nicht bekehrt. Aber doch sehen wir daraus, wie Jesus die Fehler seiner Jünger wieder gutmacht. Er hat aber sicherlich noch heute das königliche Vorrecht, alle Fehler seiner Kinder zum Besten zu wenden. Das wollen wir merken uns zum großen Troste. - Wir kommen nun zum Schlusse des traurigen Vorganges in Gethsemane und erkennen die Gefangennahme Jesu als eine Tat:

3. Der teuflischen Finsternis.

Zu der Stunde sprach Jesus zu den Hohenpriestern und Hauptleuten des Tempels und den Ältesten, die über ihn gekommen waren: „Ihr seid wie zu einem Mörder mit Schwertern und Spießen ausgezogen, mich zu fangen. Ich bin doch täglich bei euch gesessen und habe euch gelehrt im Tempel und ihr habt keine Hand an mich gelegt. Aber dies ist eure Stunde und die Macht der Finsternis. Das ist aber alles geschehen, auf dass die Schrift der Propheten erfüllt würde.“ Das ist eine niederschmetternde Strafpredigt des gefangenen Jesus an die Geistlichen und Kirchenvorsteher seiner Zeit, die in ihrer Verblendung die Haupturheber seiner Gefangennahme geworden. Er zeigt ihnen in diesen Worten ihre Feigheit und dass ihr Werk ein Teufelswerk ist. Weil sie dem Fürsten der Finsternis dienten, darum haben sie auch die Stunde der Nacht zur Ausführung ihres Bubenstückes gewählt. Und doch, so sagt er ihnen, müsst ihr nur Gottes Rat ausführen und, wenn auch wider euren Willen, die Weissagung der Propheten erfüllen.

Liebe Christen, wir wollen uns auch diese Strafpredigt Jesu zu Herzen nehmen und daraus lernen getrost werden, wenn ähnliche Stunden der Finsternis über uns kommen. Wisst, die gottlose Welt und der Satan dürfen uns nicht ein Haar krümmen, wenn es Gott nicht haben will, und auch die grimmigsten Feinde und Spötter, die sonst von der Bibel gar nichts wissen wollen, sie müssen gerade durch ihr Tun, und durch ihr Gericht, die Wahrheit der Bibel bekräftigen und erfüllen.

Zuletzt aber heißt es: Da verließen ihn alle Jünger und flohen. Der HErr tadelt es nicht. Er wollte es so haben. Dennoch war ein Jüngling, der folgte ihm nach. Sein Name ist nicht genannt. Wahrscheinlich ist es der Evangelist Markus gewesen, der dies selbst erzählt. Der war mit einem weiten leinwandnen Umhange bekleidet auf der bloßen Haut. Daraus sehen wir, dass er in dem wahrscheinlich nahe bei Gethsemane befindlichen Hause seiner Eltern schon im Schlafe gelegen, als das Geräusch der heranziehenden Schar ihn weckte. Die Jünglinge aber, d. h. die jungen Soldaten, griffen ihn, um auch ihn gefangen zu nehmen. Er aber ließ seinen leinenen Umhang fahren und floh bloß von ihnen. Wir sehen daraus zum Schlusse: Dem HErrn nachfolgen ist zwar gut und schön, aber des HErrn Winke folgen, noch schöner. Wer eigenwillig, wenn auch mit guter Meinung, sich für den HErrn in Gefahr begibt, wird dafür Schaden leiden und muss Gott danken, wenn er durch besondere Fürsorge des HErrn dem Verderben entrinnt.

Lasst uns beten:

Es wird in der Sünder Hände
Überliefert Gottes Lamm,
Dass sich dein Verderben wende;
Jud' und Heide sind ihm gram
Und verwerfen diesen Stein,
Der ihr Eckstein sollte sein.
Ach, dies leidet der Gerechte
Für die bösen Sündenknechte!

Amen.

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autoren/m/muehe/muehe_leidensgeschichte_1_2.txt · Zuletzt geändert: von aj
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