Monod, Adolphe - Abschiedsworte - Die Liebe Gottes in den Seinigen offenbart.

Monod, Adolphe - Abschiedsworte - Die Liebe Gottes in den Seinigen offenbart.

(Den 25. November 1855.)

Ich habe befürchtet, meine lieben Freunde, ich würde von Leiden und Mattigkeit niedergedrückt heute nicht zu Euch reden können, und nun lässt mir der Herr doch noch Gnade widerfahren, indem er mir einige Linderung verleiht. Wie danke ich ihm für die Kraft, die er mir, aller menschlichen Voraussicht zum Trotz, immer noch lässt, mein geistliches Amt, welches ich gern bis zum letzten Atemzug verwalten möchte, in einem gewissen Gradejeden Sonntag auszuüben; denn mein Amt ist mein Leben, und ich fühle, dass, wenn ich es nicht mehr verwalten kann, ich nur dazu berufen werde, ein anderes und besseres Amt zu verwalten. Bittet Gott, dass er mir diesen Trost nicht entziehe, jeden Sonntag den Leib und das Blut Jesu Christi zu empfangen, um Leib und Seele in ihm zu stärken und auch einige Worte der Erbauung und Ermahnung an meine Brüder zu richten.

Letzten Sonntag unterhielt ich mich mit den Freunden, die hier zugegen waren (es sind ja jeden Sonntag Andere) über das große Vorrecht, Gott verherrlichen zu können, was uns nicht nur erlaubt, sondern befohlen ist. Heute will ich hinzufügen, dass es einen Gesichtspunkt gibt, nach welchem es noch ganz besonders unsere Pflicht und unsere Seligkeit ist, ihn zu verherrlichen. Wenn es unter den Vollkommenheiten Gottes, die wir vor den Menschen zu offenbaren berufen sind, eine gäbe, deren Kundmachung Gegenstand seines besonderen Wohlgefallens wäre, könnten wir ihn dann nicht am besten verherrlichen, wenn wir gerade diese Vollkommenheit nachahmten und an uns offenbar werden ließen? Welches ist denn nun die Vollkommenheit, in welcher Gott am meisten seine Gegenwart offenbart? Ist es nicht die Güte? Steht nicht geschrieben: „Gott ist die Liebe?“ Gott ist gerecht; und doch steht nicht geschrieben: Gott ist die Gerechtigkeit. Gott ist allmächtig; und doch steht nicht geschrieben: Gott ist die Allmacht. Es gibt aber zwei Vollkommenheiten, denen der geliebte Jünger, der an der Brust seines Heilandes lag, diese besondere Ehre zuteilt; die Heiligkeit und die Liebe; „Gott ist das Licht, Gott ist die Liebe;“ und während er nur ein Mal in seinem ersten Brief sagt: „Gott ist das Licht,“ sagt er zwei Mal in zwei verschiedenen kurz auf einander folgenden Versen: „Gott ist die Liebe“, wie um diese Vollkommenheit noch über andere zu erheben. Wenn dem so ist, meine lieben Freunde, so müssen wir, um Gott zu verherrlichen, diese Liebe, die in ihm ist, dergestalt an uns offenbaren, dass man, wenn man uns leben sieht und sprechen hört, unsere Handlungen betrachtet, wenn man uns leiden, leben und sterben sieht, die Liebe Gottes in uns bewundern kann, aber nicht uns. Und wie können wir diese Liebe Gottes offenbaren? Jesus Christus hat es uns gezeigt: Er hat in ganz vorzüglicher Weise diese Liebe offenbart; er hat unter Allen Gott verherrlicht und durch die zarte Gewalt seiner Liebe Alle die, welche ihn im Glauben betrachteten, gezwungen, auszurufen: Welche Liebe ist in Gott! - da der, welcher uns gesagt hat: „Wer mich sieht, der hat meinen Vater gesehen,“ selbst mit so viel Liebe erfüllt ist. Und wie hat er diese Liebe leuchten lassen? In allen Dingen; ganz besonders aber in seinem Leiden für die Brüder; zuerst für ihre zeitliche Erlösung: „Er ist umher gezogen und hat wohl getan.“1)

Aber diese Heilungen waren nur ein Vor- und Abbild der wahren Erlösung, die eine geistige ist: Er hat seine Liebe ganz besonders im Leiden für diese geistige Erlösung bewiesen, und das ist das höchste, wie wir die Liebe Gottes kund machen können, wenn wir für unsere Brüder, besonders zum Heil ihrer Seelen, leiden. Wir können es Alle, meine teuren Freunde. Nicht Alle freilich können es auf eine so besondere und unmittelbare Weise, wie der Apostel Paulus, dessen ganzes Leben der Verkündigung des Evangeliums geweiht war, und welcher sagte: „Ich erstatte an meinem Fleisch, was noch mangelt an Trübsalen in Christo, für seinen Leib, welcher ist die Gemeine;“2) - lasst uns nicht eine ganz genaue Auslegung dieser Worte suchen: es liegt ein Abgrund, eine Tiefe der Liebe in diesen Worten des heiligen Paulus, die sich nicht in die Schranken menschlicher Erklärungen einschließen lässt. Sein ganzes Leben ist erfüllt von dem Drang, seinem Heiland nachzufolgen, der „uns ein Vorbild gelassen, dass wir sollen nachfolgen seinen Fußstapfen ;“3) und wie sein Heiland für die Menschen gelitten hat, um sie zu erretten, so lebt in Paulus der Drang, für seine Brüder zu leiden, nicht um sie zu erretten, Niemand hat bestimmter als er erklärt, dass kein Mensch, kein Geschöpf etwas vermag um uns zu erlösen, - sondern um an ihrem Heil zu arbeiten: „Denn wo du solches tust, wirst du dich selbst selig machen und die dich hören.“4) Aber selbst wenn wir nicht wie Paulus unmittelbar im Dienst Gottes und für das Wohl der Menschen zu leiden hätten, so können wir doch jedem unserer Leiden diesen Stempel aufdrücken durch den Geist, welchen wir in sie hineintragen. Wenn „wir nach dem Willen Gottes leidend ihm unsere Seelen befehlen als dem treuen Schöpfer in guten Werken,“5) und wenn wir uns bestreben, diese Leiden, die Leiden der Seele, des Geistes und des Körpers, alle, welche Gott nach seinem Willen uns zuschicken wird, zum Wohl der Menschen, zu ihrem zeitlichen, besonders aber zu ihrem geistigen Wohl anzuwenden, so werden wir das Ziel erreicht haben, wohin uns Gott dadurch bringen wollte. Überhaupt, meine Lieben, je mehr wir lieben, desto mehr werden wir in diese Gemeinschaft des Geistes mit Gott eingehen, desto mehr werden wir ihm ähnlich werden. Lasst uns in die Welt gehen, Jeder von uns, als ein Abglanz der Liebe Gottes; alle unsere Worte und Werke, unsere verborgensten Gedanken, unsere geheimsten Gebete mögen die Liebe atmen, die uns Gott in Jesu Christo offenbart hat, dass die Menschen ausrufen müssen: Wahrlich, Gott ist die Liebe!

1)
Apg. 10,38
2)
Kol. 1,24
3)
1. Pet. 2,21
4)
1. Tim. 4,16
5)
1. Pet. 4,19
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