Monod, Adolphe - Gib mir Dein Herz, oder: Gott verlangt des Menschen Herz
“Gib mir Dein Herz, mein Sohn.“
(Spr. 23,26.)
Obgleich man von jeher versucht hat, die menschliche Natur zu erklären und jede Art von Philosophie das Ihrige dazu beigetragen, so hat man den Menschen doch niemals richtig beurteilt. Die Bibel hingegen, als das praktischste und am wenigsten systematische Buch, verfolgt den umgekehrten Weg anstatt den Menschen zu erklären, ohne ihn zu offenbaren, offenbart sie ihn, ohne ihn zu erklären. Wir finden ihn in unserem Text ganz indirekt und gelegentlich mit einem einzigen Zug geschildert, aber dieser eine Zug erleuchtet den Gegenstand bis auf den Grund, in diesem einen Zug werdet Ihr Euch gänzlich wiedererkennen der Mensch ist ein Geschöpf, das ein Herz zu vergeben hat.
Das Innerste des Menschen ist der moralische Mensch, und das Innerste des moralischen Menschen ist das Herz. Ich verstehe hier unter dem Herzen nicht die zärtlichen Zuneigungen, noch weniger deren lebhafte Ergüsse; ich nehme dieses Wort in einer kräftigeren, ernsteren Bedeutung, welche jeglichen Charakter, jegliches Zeitalter, jeglichen Grad der Bildung in sich begreift; das Herz ist für mich der Sitz des Gefühls, des Gewissens, der Liebe. Alles dieses gehört jener inneren Sphäre an, die gleichsam der ursprüngliche und wesentliche Grund und Boden der menschlichen Natur ist; der Verstand und die Logik dringen trotz ihrer bewundernswürdigen Klarheit1) weniger vorwärts. Ja, man kann den Menschen weniger in demjenigen erkennen, der mit dem Verstand ein gründlich tiefes Urteil über eine Stelle oder über ein Buch der heiligen Schrift fällt, als in dem, der durch den Glauben des Herzens getrieben, sich in die allgemeine Leere verliert, ohne eine andere Stütze, als ein „aus dem Mund Gottes hervorgegangenes Wort“. Man kann den Menschen weniger in demjenigen erkennen, der die Beziehungen des Menschen zu Gott und diejenigen von Gott zu den Menschen logisch auseinander setzt, als in dem, der mit reuigem Herzen zu Gott spricht: „An Dir habe ich gesündigt, an Dir allein“, oder in dem, der aus tiefstem Herzensbedürfnis zu Ihm schreiet: Meine Seele dürstet nach Dir in dieser wüsten, verderbten, wasserlosen Welt“.
Aber dieses Herz, das in uns ist, das mehr als alles Übrige unser eigentliches Ich bildet, dieses Herz strebt danach, sich einem Anderen hinzugeben, ja wir können noch mehr sagen, es erkennt sich erst, wenn es sich gibt; geliebt zu werden, ist seine Freude; aber selbst lieben, das ist sein Leben. Hier kann man in seiner ganzen Wahrheit das Wort des Herrn anwenden: „Geben ist seliger denn Nehmen;“ denn das Herz empfängt nur, wenn es gibt; wenn es reichlich gibt, empfängt es auch im Überfluss; es fühlt überhaupt erst dann seine Existenz, wenn es sich ohne Rückhalt hingibt. Wenn ihm diese natürliche Nahrung fehlt, so drängt es sich in uns ich möchte sagen gegen uns zurück, und indem es sich zum Egoismus neigt, nagt es unersättlich an uns selbst; einem Andern gegeben, würde es uns erheben; für uns behalten, drückt es uns darnieder; einem Andern gegeben, würde es uns das Leben verleihen, für uns behalten, bringt es uns den Tod. Auch findet sich wohl schwerlich Jemand, der nicht eine Ruhestätte für sein Herz suchte; und wenn alle diejenigen, welche hier versammelt sind, ihr Inneres in diesem Augenblick erschließen möchten, so würde diese Kirche und ich könnte dasselbe von der ganzen Welt sagen einem großen Schauplatz gleichen, wohin Jeder sein Herz bringt, und sich bemüht, einen Andern zu finden, dem er es geben könnte.
Einem auf solche Art beschäftigten Herz antwortet Gott in meinem Text: „Gib mir Dein Herz, mein Sohn“, oder noch treffender und genauer dem Urtext nach: „Gib mir Dein Herz, mein Sohn, mir gib es.“ Ach, leider hat aber unser Herz nicht zum ersten Mal dieses: „Mir gib es“ gehört. „Gib es mir“ hat die Sünde gesagt mit ihren Begierden, und viele Herzen haben diesen breiten Weg betreten, bis eine zu späte Erkenntnis sie gelehrt hat, dass die Sünde den Neigungen des Herzens nur schmeichelt, um sie zu reizen, und, dass die reizendste Verführung nur die bitterste Umkehr im Gefolge hat. Ist dem nicht so? „Mir gib es“ hat die Welt gesagt mit ihrer Lust und ihrer Freude, und nur zu viele Herzen haben sich an dieser Lockspeise gefangen, bis sie erkannt haben, dass die Welt, selbst wenn sie jemals unschuldig gewesen wäre, der Leere des Herzens nichts als ihre eigene Leere zu bieten hat, die sich nur noch der andern zugesellt, ohne sie auszufüllen. Ist dein nicht so? - „Mit gib es“, hat die natürliche Zuneigung gesagt, in der Gestalt einer Mutter, einer Gattin, eines Kindes, und wie viele Herzen sind ohne Misstrauen einer Neigung gefolgt, welche die Stimme der Natur, ja selbst den Beifall Gottes für sich hatte, bis auch sie gefunden haben, dass kein Geschöpf auf Erden dem anderen den inneren Frieden geben kann. Ach! und wenn es dies selbst vermöchte, welch ein Friede würde das sein, der Tag für Tag alle möglichen Wechselfälle, alle zufälligen Krankheiten, ja selbst den gewissen Tod fürchten müsste. Ist dem nicht so? Dann kommt Gott oder sagen wir vielmehr (denn Er war von Anfang an da, ohne Zugang zu finden) dann kommt Gott zurück voller Barmherzigkeit, nachdem uns alle Anderen verlassen haben zufrieden diesen demütigen Platz einzunehmen, wenn er nur zuletzt, sei es auch nur als Aushilfe, angenommen wird: Gib mir, mein Sohn, ein Herz, mir gib es.
Ich spreche von Gott, aber von welchem Gott? Seltsam, aber doch heut zu Tage notwendige Frage, heute, wo diesem Namen von den verschiedenen Systemen und Parteien eine so unheilige und verschiedene Anwendung zu Teil wird. Der Gott, der Euer Herz verlangt, das ist der Gott, der sich in der heiligen Schrift offenbart, der Gott Jesu Christi, der Sott, Vater, Sohn und heiliger Geist, haltet diese Lehre nicht für eine theologische Spekulation; sie ist ein Mysterium, ja, sie ist vielmehr das Mysterium, aber ein Mysterium voller Gottseligkeit.2) Es ist der Vater, der uns so sehr geliebt hat, dass er seinen einzigen Sohn für uns dahingegeben, ob. wohl er die Sünde in dem Maße gehasst, dass er uns nur verschonen konnte, indem er diesen einzigen Sohn strafte; es ist der Sohn, durch den die Fülle der Gottheit unter uns gewohnt hat, bekleidet mit einem sterblichen Körper, mit dem er um unserer Sünden willen sich am Kreuze geopfert; es ist der heilige Geist, der mit seiner Einkehr in uns uns Eins macht mit dem Sohn, wie er Eins ist mit dem Vater und der uns teilhaftig werden lässt der göttlichen Natur.3) Dass dies der Gott ist, der in meinem Text zu Euch spricht, tut er Euch hinlänglich allein schon durch den Namen kund, den er Euch gibt: Mein Sohn, denn dieser Name ist nur wahr in dem Mund diese dreimal heiligen und dreimal gnädigen Gottes; wir armen, gesunkenen und widerspenstigen Geschöpfe sind nur darum Kinder Gottes, weil der Vater uns in seinem vielgeliebtem Sohn angenommen hat, wir sind nur darum Kinder Gottes, weil der Sohn sich nicht schämt, uns seine Brüder zu nennen,4) wir sind nur darum Kinder Gottes, weil uns der heilige Geist das väterliche Siegel aufgedrückt hat, indem er uns rufen lehrte: „Abba, lieber Vater“5) Das ist der Gott, das allein ist der Gott, der unser Herz von uns verlangt, es ist der persönliche Gott, oder besser noch mit der heiligen Schrift gesprochen, es ist „der lebendige und wahrhaftige Gott;“ der Gott, der mit uns in Gefühlsbeziehungen treten will, weil er ein Herz hat, das das unsere versteht und es sucht;6) der Mensch gewordene Gott, den wir ebenso wahrhaft und natürlich wie einen Bruder oder einen Freund lieben können, und zu gleicher Zeit durch eine wunderbare Verbindung, der Gott heiliger Geist, der in eine innere Gemeinschaft mit uns tritt, den weder wir, noch irgend eine Kreatur jemals verstehen oder begreifen können.
Euer Herz, ach! welch anderer Gott als dieser würde wohl danach begehren? Es ist dies nicht der Gott des Pharisäismus, der vollständig, ja überflüssig befriedigt ist, wenn nur Euer Körper sich seinem Dienst weiht, wenn Eure Knie sich vor ihm bis in den Staub beugen, wenn Ihr Euer Fleisch durch Fasten abkasteit, wenn Euer Mund einige auswendig gelernte Gebete herplappert, oder wenn Eure Hand verdienstliche Almosen ausstreut. Es ist auch nicht der Gott des Pantheismus, der, sich bald mit dem menschlichen Geist, bald mit der leblosen Natur vermischend, kein persönliches Gefühl haben kann, weil kein eigenes Leben in ihm wohnt, und der kein deutliches Bewusstsein von geben und nehmen, von lieben und geliebt werden, von schaffen und geschaffen werden hat; ja, ich kann sagen, für den das Wahre und das Falsche, das Gute und das Schlechte, das Sein und das Nichtsein sich in ein allgemeines Chaos vermischen oder vielmehr sich verlieren, in ein Chaos, das sich mit dem stolzen Namen der absoluten Einheit schmückt: Es ist auch nicht der Gott des Deismus, der, indem er Leben gibt, ohne sich selbst zu geben und der, indem er scheinbar, nur um sich der Sache zu entledigen, die Welt erschaffen, mit dem Werke seiner Hände verfährt, wie der Storch mit seinen Eiern, die er auf der Erde lässt, ohne sich um den Fuß zu kümmern, der sie zertreten könnte und der hart gegen seine Jungen ist, als wären sie nicht sein.7) Dieser Gott, der unabsehbar fern von seinen Geschöpfen weilt in dem eisigen Norden einer Schöpfung ohne Vaterliebe und einer Vorsehung ohne Gefühl, macht unser Leben zu einem ewigen Winter, und aus der Welt ein kaltes Grab, wovon er selbst nur das Denkmal ist. Ich will gar nicht von dem Gott des Muhamedanismus reden, der eine blutige und fatalistische Aufopferung mit der unreinen Münze einer selbstsüchtigen und fleischlichen Wollust vergilt; ich will auch nicht von dem Gott des Heidentums, ich müsste eigentlich sagen von den tausend Göttern desselben reden, die mit Wucher dem Menschen die Lehren der Gottlosigkeit und der Ungerechtigkeit, die sie von ihm empfingen, zurückzahlen; ich will ferner all die Götter unerwähnt lassen, die sich der Mensch nach seinem Bild geschaffen hat.
Keine Religion, außer der von Jesus Christus gestifteten (es kommt nicht darauf an, ob hier von dem gekommenen oder von den noch zu erwartenden Jesus Christus die Rede ist, da derselbe Geist Paulus sowohl wie Salomo und David beseelte) bietet uns irgend etwas, was der in unserem Text an uns ergangenen Aufforderung ähnlich sähe: „Gib mir, mein Sohn, Dein Herz.“ Gib mir Deine Taten, sagt der Gott des Pharisäismus. Gib mir Deine Persönlichkeit, sagt der Gott Hegels. Gib mir Deine Vernunft, sagt der Gott Kants. Gib mir Dein Schwert, sagt der Gott Muhameds. Gib mir Deine Begierden, sagt der Gott Homers und Virgils. Für den Gott Jesu Christi blieb daher nur übrig: Gib mir Dein Herz. Er erhebt das aus dem Staub, was von den anderen Göttern verachtet worden und macht daraus das Wesen und den Ruhm seiner Lehre. Wenn wir unser Herz, dieses Herz, aus dem die Lebensquellen sprießen, Gott geben, so ist dies in seinen Augen nicht allein eine Pflicht der Frömmigkeit, es ist dies vielmehr ihr Grund und Boden selbst, ihr Anfang, ihr Sein und ihr Ende; es ist der nicht zu bezweifelnde Charakter einer wirklichen Bekehrung. Wenn Ihr mir von einem Menschen erzählt, der an das Evangelium der Gnade geglaubt, so ist das recht schön; aber ist sein Glaube auch ein lebendiger gewesen? Ihr sagt mir, er habe ein tadelloses Bekenntnis abgelegt; aber ist dieses Bekenntnis auch ein aufrichtiges gewesen? Ihr sagt mir, dass er sich eines musterhaften Betragens vor seinen Mitmenschen befleißigt; aber ist dieses Betragen auch heilig vor Gott? Ihr sagt mir, dass er an der Spitze christlicher Werke steht; aber wird er dazu auch von dem christlichen Geist getrieben? Wenn Ihr mir aber sagt, dass er sein Herz Gott gegeben, so ist jede andere Frage überflüssig; dann ist der Glaube, die Werke, die Gnade, die Heiligkeit, die Wiedergeburt, Alles ist da.
Wohlan! Ihr, die Ihr dieses Alles des Evangeliums nicht habt, und die Ihr in Euch selbst fühlt, dass Euch dies fehlt (denn Euch allein will ich darüber urteilen lassen), Euch frage ich heute, ob Ihr es Euch endlich aneignen wollt. Ich halte mich nicht damit auf, Euch zu fragen, ob Ihr glaubt an die göttliche Eingebung der heiligen Schrift, an die Wahrheit des Evangeliums, an die Göttlichkeit Jesu Christi, an die Gnade, die in Ihm wohnt, dazu fehlt es mir an Zeit, auch halte ich diese Fragen für unnütz. In einem Gott geweihten Herzen ist die Religion auf eine so einfache, schöne und wahre Art kurz zusammengefasst, dass die vier Worte „gib mir Dein Herz“ eine genügende Schutzwehr gewähren. Wer aus diesem Ruf nicht das Herz des wahren Gottes erkennt, der muss selbst ein Mensch ohne Herz sein; bei dem würden alle unsere Worte doch verloren sein. Aber Ihr, die Ihr ein Herz habt, und die Ihr Gottes Stimme in meinem Text hört, erwägt aufmerksam die praktische Frage, die er aufwirft und sagt, ob Ihr Euer Herz dem Gott Jesu Christi geben wollt. Und wem anders als Ihm wollt Ihr es denn geben?
“Gib mir, mein Sohn, Dein Herz, gib es mir,“ mir, in dem allein Dein Herz ruhen kann und nach dem es verlangt, ohne ihn zu kennen.
Es herrscht in dem noch nicht wiedergeborenen Herzen ein nicht zu verstehendes Gemisch von Unglauben und Glauben, welches es dazu treibt, gleich der Stadt Athen, dem unbekannten Gott einen Altar aufzurichten, den das Herz wie ein Umhertappender sucht, obgleich er nicht fern ist von einem Jeglichen unter uns, denn in Ihm leben, weben und sind wir. Wohlan denn, dieser unbekannte Gott ist der, den ich Euch verkündige, wie der heilige Paulus ihn den Athenern verkündet hat. Alles was Euer Herz verlangt, um sich ohne Rückhalt zu geben, und welches Ihr keinem von Euren Mitmenschen, eben weil dies ihnen Allen fehlt, geben könnt, alles das findet Ihr in dem Gott Jesu Christi; ohne diesen Gott würdet Ihr nie Befriedigung für das, was Euch mangelt, finden, ohne Ihn würdet Ihr gar nicht darüber aufgeklärt werden, denn der lebendige Gott befriedigt unsere Bedürfnisse zu derselben Zeit, wo er sie uns erkennen lässt. Wenn Ihr auch unter Euren Mitmenschen den liebenswürdigsten und geliebtesten wählt, so werdet Ihr doch bald wahrnehmen, dass, wenn Ihr versucht, Euch gänzlich seiner Liebe hinzugeben, Ihr auf eine Schranke stoßt, die mitleidlos den Erguss Eures Herzens hemmt und die Euch mit bitterer Herausforderung zu sagen scheint: „Bis hierher, und nicht weiter.“
Warum ist dem so? Weil dieses Geschöpf sterblich ist. Es vergeht kein Tag, wo Ihr Euch in der Frühe nicht sagen müsst: „Dieser Mensch kann mir noch vor Untergang der Sonne genommen werden.“ Auf welche Art wird diese sichtbare Form, welche meiner Augen Lust und meines Herzens Wunsch ist“8) beigesellt, „diesen Totenbeinen und diesem Unflat,“9) welche sich von Generation zu Generation in den Grabstätten aufhäufen? Ihr könnt es nicht wissen, denn das ist eine Frage der Zeit. Aber, wie anders wäre es, wenn Ihr nun Euer Herz einem Gegenstand widmen könntet, von dem nichts in der Welt Euch zu trennen im Stande wäre, und dem Ihr Euch hinzugeben vermöchtet mit der ganzen Freude, mit der ganzen Frische und der ganzen Sicherheit, mit der unsterblichen Macht des Lebens? Wohlan, dieser Gott, den ich Euch verkünde, Er ist es, den Euer Herz verlangt, Er ist derselbe, gestern, heut und immerdar. Haltet Euch nur an Ihn, Er wird Euch nie fehlen; ruft Ihn, Er wird Euch stets antworten; rechnet auf Ihn, Er wird Euch nicht verlassen, und wenn Ihr selbst diese Welt verlasst, so werdet Ihr dorthin kommen, wo Ihr Ihn von Angesicht zu Angesicht sehen und Euch mit Ihm ohne Hindernis vereinigen könnt.
Warum ist dem ferner so? Deshalb, weil dieser Mensch, den Ihr lieben möchtet, obgleich unsterblich, doch endlich ist; wie könnte er also den unendlichen Bedürfnissen Eures Herzens entsprechen? Was ist er, dass er Euch genügen könnte, da er eingeschlossen ist in die engen Grenzen des Fleisches, beschränkt in seinem Willen und in seinem Verstand, ebenso unfähig, dass zu zeigen, was er fühlt, als zu fühlen, was Euer Herz von dem seinigen verlangt? Es mag sein, dass Ihr in einem Augenblick dahingerissen, gerührt von so vieler Aufopferung, von so vielen Reizen, von so mannigfachen Verdiensten, glaubt, dass Euch nichts als die Dauer für Euer Glück zu wünschen übrig bleibt; aber wenn Ihr einen Augenblick später in Euch selbst blickt, zurückgekommen von Euren zärtlichen Illusionen, so werdet Ihr doch ausrufen müssen, trotz Eurer Bemühung, diese Worte zu unterdrücken: Ach nein, das ists nicht, mein Herz verlangt etwas anderes! … Wohlan, dieses Andere, dieses Unendliche, welches Euer ganzes Herz erfüllen wird bis zum Überströmen, findet Ihr in dem Gott, den ich Euch verkünde; in diesem Gott, der das Licht, die Macht, die Wahrheit und das Leben unermesslich besitzt, ja der dies Alles selbst ist, und aus dessen Schoß wie aus einem unerschöpflichen Schatze alles das fließt, welches auf Erden irgend einen Anteil an diese geheiligten Namen hat. Die verschiedenen Eigenschaften, „dessen, der da ist,“ das Licht, die Macht, die Wahrheit, das Leben - sie alle führen Euch zu Gott zurück, wie ebenso viele Bäche, die von ihrer gemeinschaftlichen Quelle aus sich ergießen, und, indem Ihr Euch mit ihm verbindet, werdet Ihr die unendliche Verschiedenheit aller Gaben in einer unwandelbaren Einheit genießen.
Warum nochmals ist dem so? - Weil dieser Mensch, den Ihr lieben möchtet, ein Sünder ist und wenn er sich nur einigermaßen selbst kennt, gleich Euch sprechen muss: Ich weiß, dass in mir kein Gutes wohnt. Könnt Ihr Euch ihm also ohne Rückhalt geben? Wie dieses gesunkene Geschöpf, für das Ihr ebenso gut wie für Euch selbst Gottes Gnade anrufen müsst, in welchem Ihr denselben Kampf des Geistes wider das Fleisch wie bei Euch antrefft, mit dessen Schwächen und Gebrechen Ihr dieselbe Nachricht haben müsst, wie er mit den Euren, in diesem Menschen wollt Ihr das suchen und finden, wonach Euer Herz verlangt! O, welch unwürdiger Gedanke! Gebt dem Unglücklichen, der mit einer des Lebensprinzips beraubten Atmosphäre ringt, gebt ihm Luft; gebt jenem Gefangenen, der in einem unterirdischen Kerker, fern von der milden Klarheit der Sonne schmachtet, gebt ihm Licht; gebt dem hungrigen Brot, dem durstigen Wasser, und gebt dem Herzen des Menschen zum Gegenstand seiner höchsten Liebe, ein heiliges, unschuldiges, fleckenloses Wesen, das keine Gemeinschaft mit den Sünden hat, damit er in der Liebe zu demselben die Heiligung des Herzens, und in dessen Dienst die Heiligung des Lebens finde! Könnt Ihr bei dieser Schilderung den Gott verkennen, den ich Euch verkündige?
Ja, meine Brüder, gebt Eure Herzen, gebt sie dem Gott Jesu Christi. Dieser ewige, dieser unendliche, dieser heilige Gott, Er allein ist für Euer Herz gemacht, und Euer Herz nur für Ihn. Nach Ihm verlangte Euer Herz, ehe es Ihn kannte, und wie vielmehr wird es noch nach Ihm verlangen, wenn es erst anfängt, Ihn kennen zu Lernen! Wenn Ihr nur erst einmal eine schwache Ahnung von Ihm habt, so wird es Euch unmöglich sein, anderswo als in Ihm Eure Stütze zu suchen. Das Herz des Menschen ist, Dank Demjenigen, der es gebildet, so geschaffen, dass es seine Liebe nirgends rasten lässt, wenn es die Möglichkeit einsieht, sie würdiger verpflanzen zu können. Wenn Ihr auch die ganze Stufenleiter der Geschöpfe, bis zum würdigsten hinaufsteigt, so wird Euch doch stets irgend etwas drängen, noch immer weiter zu steigen; Ihr werdet stets, wie die beiden Zeugen der Offenbarung eine Stimme vom Himmel hören, die zu Euch spricht: „Steiget hinauf;“10) und so lange es noch einen Gott im Weltenraum geben wird, so wird nichts Anderes Euer Herz befriedigen können. Er, oder Niemand! Er, oder eine schreckliche Leere und ein bitterer Überdruss! Ich sage noch mehr Er, entweder zur Freude oder zur Qual des Herzens! Seine Barmherzigkeit will für Euch keine andere Ruhe als in Ihm: Euren Rausch wird er vernichten, Eure Begeisterung wird er in Eis verwandeln; Euren Wonnebecher wird er vergiften; gegen Eure abgöttischen Zuneigungen wird er die Trennung, die Krankheit und den Tod schicken, bis zu dem Tag, wo, des Irdischen beraubt, Ihr Euch endlich, sei es nun aus Ermattung, Durst oder Verzweiflung, in seinen Vaterschoß werfen und mit dem Psalmisten ausrufen werdet: „Wenn ich nur Dich habe, so frage ich nichts nach Himmel und Erde. Wenn mir gleich Leib und Seele verschmachtet, so bist Du doch, Gott, allezeit meines Herzens Trost und mein Teil.“11) Mein Teil darum, weil er meines Herzens Trost ist, auf den mein Herz sich mit seiner ganzen Last werfen kann, ohne befürchten zu müssen, dass Er jemals wankt!
“Gib mir, mein Sohn, Dein Herz,“ gib es mir, der, ehe ich das Deine von Dir verlangt, Dir das meine gegeben.
Liebe fordert Liebe, und dieser Forderung muss vor allen anderen Genüge geschehen. Man spricht zu Euch: Ihr müsst diesen Menschen lieben, aber Euer Herz kann sich nicht ergeben, es kann sich sogar versucht fühlen, zu widerstehen, weil es ihm im Geheimen Vergnügen macht, seine Freiheit zu beweisen. Man sagt Euch ferner: „Dieser Mensch ist wert, von Euch geliebt zu werden,“ und obgleich Ihr die Ansprüche gerechtfertigt findet, die er auf Euch machen kann, so wird sich doch Euer Herz wider Willen in Euch zurückziehen, da es Euch an der natürlichen Sympathie für ihn fehlt. Aber wenn man zu Euch spricht: „Dieser Mensch liebt Euch mit der innigsten Liebe; er hat für Euch, ohne jegliches eigene Interesse und ohne auf Euren Dank zu rechnen, sein Vermögen, seine Gesundheit und sein Leben gewagt,“ so ist Euer Herz augenblicklich gewonnen, denn die Undankbarkeit flößt dem menschlichen Gewissen, selbst wenn es noch nicht wiedergeboren ist, einen instinktmäßigen Abscheu ein. Dieser Fall jedoch wird in den Beziehungen der Menschen zu einander nie vollkommen eintreten können, mag es nun daher kommen, dass die Menschen in Euch ebenso wenig wie Ihr in ihnen das finden, wessen das Herz bedarf, oder daher, weil in ihrem tiefsten Inneren ebenso wohl wie in dem Euren Kälte und Egoismus verborgen liegen, die sie immer das eigene Ich selbst bei der hingebendsten Aufopferung suchen lassen. Aber Gott hat die Bedingung, unter welcher Euer Herz gewonnen werden kann, vollkommen erfüllt; denn auf Eure Frage, was Er ist, antwortet Johannes: „Gott ist die Liebe“; und wenn Ihr weiter fragt, was er getan, so antwortet derselbe Jünger in demselben Kapitel:, Gott hat Euch zuerst geliebt!“ Das macht das Herz mürbe, wenn es an das Evangelium glaubt, d. h. an die freudige Verkündigung von Gottes Liebe in Jesu Christo; und was uns zu Christen in der Weise des heiligen Johannes (erlaubt mir diesen Ausdruck) macht, das ist, wenn wir mit ihm sagen können: „Und wir haben erkannt und geglaubt die Liebe, die Gott zu uns hat.“12) Diese Liebe Gottes, die ihn dazu trieb, sich zuerst und ohne Rückhalt zu geben, sie würdet Ihr überall und stets wahrnehmen, wenn Ihr nur Augen zum Sehen hättet; aber wollt Ihr sie vollständig erklärt erblicken, so folgt dem Apostel der Liebe nach Golgatha; denn vor dem Kreuz hat er niedergeschrieben, was ich Euch so eben vorgelesen habe. Irgend Jemand hat gesagt: „In der Schöpfung erkennen wir das Werk der Hände Gottes, in der Erlösung gibt er uns sein Herz. Zweifelsohne liegt in diesem Gegensatz etwas Gezwungenes; ich lege zu Gunsten der Schöpfung Einspruch dagegen ein, denn das Herz Gottes fehlt nicht in der Natur: es erzittert in den Bewegungen der menschlichen Seele, in den Schlägen des mütterlichen Herzens, in der kostbaren Frucht einer ergiebigen Erde, in dem Regen des Himmels und in den fruchtbaren Jahreszeiten, ja selbst in dem gestillten Hunger der kleinen Vögel;13) und wie würde sich alles gestaltet haben, o Gott, der Du die Liebe bist, wenn der Mensch, anstatt, die Kreatur der Eitelkeit zu unterwerfen,“14) sie so gelassen hätte, wie sie aus Deinen Händen hervorgegangen. Der Gott, der uns errettet hat von der Sünde, ist derselbe, der alles geschaffen, und die Erlösung konnte uns nur mit der Liebe überschütten, die in der Schöpfung von Anfang an enthalten war. Aber freilich ist es wahr, dass die Beweise Seiner Liebe, die uns Gott in der Schöpfung gegeben, neben denen, die wir aus der Erlösung erkennen, erbleichen, wie die Sterne der Nacht in unseren Augen vor der Helle des Tages verschwinden, ohne deshalb wirklich zu weichen, und wir würden nur dem Beispiel des Johannes, so wie dem aller übrigen Apostel folgen, wenn wir Euch nach dem Kreuze Jesu Christi führen möchten, um Euch zu zeigen, „welche Liebe der Vater und bewiesen,“ oder dem Urtext gemäßer, welche Liebe der Vater uns gegeben hat.“ Ich gestehe, dass dieser Ausdruck sonderbar erscheinen mag, und begreife, dass unsere Übersetzer geschwankt haben, ihn in unserer sorgfältigen und zaghaften Sprache wiederzugeben, und doch tut es mir leid, dass sie es nicht getan. Das Wort geben, dieses Lieblingswort des Evangeliums, kann durch kein anderes ersetzt werden, und Johannes hat es darum gewählt, weil er in der Kreuzesliebe mehr als ein Gefühl, das sich kund gibt, weil er in derselben ein Herz, das sich gibt, erblickt hat.
Hast Du, mein lieber Zuhörer, Dich jemals im Ernst vor das Kreuz Jesu Christi gestellt? Bist Du Dir jemals bewusst worden der Liebe, die Dir Gott hat zu Teil werden lassen in jener geheimnisvollen Stunde, wo in dem weiten Raum und durch alle Jahrhunderte hindurch der Schrei der sich aufopfernden Liebe tönt: „Es ist vollbracht!“ Man erzählt von dem frommen Reformator der mährischen Brüder, dass er seine Bekehrung von dem Augenblick herleitete, wo er, durch eine mit Gemälden geschmückte Galerie gehend, zufällig (ich erzähle, wie die Menschen reden) vor einem Gemälde stehen blieb, wo man den sterbenden Herrn Jesus am Kreuz erblickte, mit den darunter geschriebenen Worten: „Das habe ich für Dich getan, was tatest Du für mich?“ Der Gedanke an das, was uns Gott durch dieses Kreuz gegeben, zum ersten Mal ernstlich erwogen, gewann Ihm an diesem Tag das Herz Zinzendorfs und durch sein Herz sein ganzes Leben! O! wenn diese Predigt doch auf Euch wirken möchte wie das Gemälde auf Zinzendorf! und warum kann dem nicht so sein? Warum kann ich nicht bei Euch auf die Wahrheit des Evangeliums, auf den göttlichen Geist, auf Euer Herz rechnen, wenn Ihr nämlich eins habt? Ich will Euch nicht mit hochtrabenden Worten die Leiden Eures Heilandes ausmalen, auch nicht pathetisch an Euer gereiztes Gefühl appellieren; es genüge die Tatsache, die einfache Tatsache der Erlösung, die von dem redet, was Euch der Gott, der Euer Herz verlangt, gegeben, die redet zu Eurem Gefühl und zu Eurer Vernunft: „Darum preist Gott seine Liebe gegen uns, dass Christus für uns gestorben ist, da wir noch Sünder waren.“15)
Christus ist für uns gestorben; mehr will ich nicht, Christus, dieser Sohn Gottes, sein einziger und vielgeliebter Sohn; dieses sein anderes Selbst, an dem Er seine Freude hat; dieser Gott, der darum Mensch geworden, um sich ohne Hindernis dem Menschen hinzugeben - wer nennt uns Seinen wahren Namen? Wer nennt uns Seinen bewundernswürdigen Ruhm? Wer nennt uns Seine zärtlichen Beziehungen zu Seinem Vater? Wer nennt Ihn uns, wenn selbst die Seraphim sich ihr Antlitz mit ihren Flügeln decken, um sich dem Glanz der Majestät zu entziehen.16) Wenn wir auch versuchen, und die begeistertste und die geheiligste Liebe des zärtlichsten Vaters für den geliebtesten Sohn auszumalen, wie könnten wir uns verbergen, dass alles das so weit von der geheimnisvollen Wirklichkeit entfernt ist, wie die Erde fern ist vom Himmel und der Mensch fern von Gott! O unaussprechlich großes Geschenk! Christus ist gestorben; dieser Tod, dieses grausame Zerreißen des Körpers, dessen man doch fast vergisst über die zehnmal grausameren Schmerzen der Seele; die Sündenlast des ganzen menschlichen Geschlechts auf ein Haupt gelegt und zwar auf das Eine, das allein unschuldig ist; dieser Fluch Sinais mit all seinen Schrecken auf das Lamm Gottes herabkommend und zu gleicher Zeit wieder gehoben durch die menschliche Heiligkeit und die göttliche Größe des Opfers; welch irdischer Tod könnte dem sich nähern, welch irdische Sympathie dem entsprechen, welch irdische Phantasie das begreifen? und wenn Ihr Euch auch bemüht, in Eurem Geist Euch alles das zu vergegenwärtigen, was Ihr empfunden, gekannt und gehört habt von den Leiden der Menschen, so muss doch dieser Wassertropfen verschwinden in dem Abgrund der Angst, woraus jener Klageruf ertönt: „Mein Gott, mein Gott, warum hast Du mich verlassen?“ O unaussprechlich großes Opfer! - Christus ist für uns gestorben; für Euch, für mich, für uns Alle. Für uns, die wir heilig, folgsam und treu sind? nein, aber für uns, die wir Sünder, Widersacher und Feinde sind, die wir nur leben, um ihn zu beleidigen und die wir Ihn durch unsere Sünde an das Kreuz geschlagen, wo Er sie für uns gebüßt hat. Ist Er denn wenigstens für uns gestorben, die wir bußfertig, gläubig sind und im Gebet nicht nachlassen? Nein, sondern für uns, die wir ohne Buße und ohne Glauben, ohne Gott und ohne Hoffnung in der Welt leben, die wir überhaupt erst eine Ahnung von unserer Ungerechtigkeit und der Gefahr, in der wir uns befinden, empfunden haben, als wir gesehen, um welchen Preis uns Gott von der einen losgekauft und aus der anderen errettet hat. Ist das die Weise, wie die Menschen handeln?17) Und was sind unsere Wege neben den Wegen dieser ganz freiwilligen Gnade, und unsere Gedanken neben seinen Gedanken! O unaussprechlich große Barmherzigkeit!
Aber folgt ihr mir auch? Muss ich nicht fürchten, in Euch nicht ein so offenes und einfaches Herz zu finden, wie das Zinzendorfs war, als er das Gemälde erblickte? Eure Begriffe von Gott und Seiner Gerechtigkeit, von Euch und Euren Sünden, von Christus und Seiner Tat sind so verwirrt und ungewiss, dass dasjenige, was das Herz des jungen Reformators durchdrungen, Euch vielleicht nur wie eine in der Kindheit gehörte Erzählung vorkommt, die zu Euch nur noch in einer längst vergessenen Sprache redet. Wohlan! Wenn Euer Gefühl auf solche Weise abgestumpft und Euer Verstand dermaßen verdunkelt ist, so beobachtet andere Menschen, ich habe nichts dagegen; wendet dem Kreuz den Rücken und leset die Liebe, die Gott Euch dadurch hat zu Teil werden lassen, in dem Eindruck, welchen sie auf die Zeugen hervorgebracht hat, welche fähiger waren, sie zu verstehen und zu würdigen. Hört auf das Zeugnis des einen Apostels, welcher dem Heiland bis zum Kreuz gefolgt war, oder ich müsste eigentlich sagen: Hört auf den Geist Gottes, der durch ihn sprach: „Daran ist erschienen die Liebe Gottes gegen uns, dass Gott Seinen eingeborenen Sohn gesandt hat in die Welt zur Versöhnung für unsere Sünden.“18) Hört auf die ruhmgekrönten Auserwählten, die das Lied singen: „Du bist erwürgt und hast uns Gott erkauft mit Deinem Blut aus allerlei Geschlecht, und Zungen und Volk, und Heiden.“19) hört auf die heiligen Engel, welche sich auf diese göttliche Barmherzigkeit stützen, wie die Cherubim auf den Bogen und doch verzweifeln, „jemals bis auf den Grund zu schauen.“20) Denkt an die leblose Natur, welche durch dieses Schauspiel belebt wird, an diese Felsen, welche sich spalten, an diese Erde, welche ihre Toten wiedergibt, an diese Sonne, welche sich bedeckt, an diesen Tag, welcher sich in Nacht verwandelt, an diesen Vorhang des Tempels, welcher zerreißt, als ob die ganze Ordnung der menschlichen Dinge umgewälzt wäre - oder gedenkt vielmehr des Gekreuzigten selbst, wie er zum Kreuz gegangen: „Also hat Gott die Welt geliebt, dass Er seinen eingeborenen Sohn gegeben, auf dass alle, die an Ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben.“21) Ach, dass ich nicht mit Euch hinabsteigen kann bis zu der ersten Quelle der Liebe, die der Welt durch das Kreuz geoffenbart worden, dass ich nicht mit Euch zurückgehen kann bis vor Erschaffung der Welt, dass ich nicht mit Euch die undurchdringlichen Heiligtümer betreten kann, wo die Ratschläge des starken Gottes gehalten werden,22) um Euch beiwohnen zu lassen dieser Beratung des Vaters, des Sohnes und des heiligen Geistes, wo die Erlösung des gefallenen Menschen seit ewigen Zeiten beschlossen und das Werk der Liebe geteilt worden zwischen dem Vater, der uns ruft, dem Sohn, der uns erlöst und dem Geist, welcher uns heiligt!23) Engel Gottes, die Ihr zugegen seid bei den Andachtsübungen in der Kirche,24) wisst Ihr nichts von jenem Liebesrat? Ist Euch kein Wort, kein Gedanke, kein Lichtblick bekannt, der diesen Herzen, die durch Nichts gerührt werden konnten, das Geschenk Gottes offenbaren möchte? Wenn aber die Gefahr, welche über die Beziehungen zwischen Euch und uns, während wir in diesem sterblichen Körper schmachten, herrschen, Euch nicht erlauben, vom Himmel herab die göttlichen Ratschläge der Erde mitzuteilen, so steigt herab, dass ich Euch zu Botschaftern einer andern, ganz menschlichen, aber ebenso merkwürdigen Beratung mache, die Ihr von der Erde zum Himmel bringen mögt! Sagt den himmlischen Mächten, dass, während ich hier in Übereinstimmung mit Euch, mit der heiligen Schrift, mit der göttlichen Wahrheit und dem Gewissen des Menschen die Liebe des Gottes verkünde, der Seinen Sohn auf die Welt gesandt, mich ein verlorener Sünder hört, der darüber nachdenkt, ob er sein Herz dem Gott geben soll, der ihm Seinen Sohn gegeben, oder ob er es nicht geben soll; der mit der Entscheidung warten will, bis er sich dem Einfluss einer Rede entzogen, die ihn zu sehr und sich zu wenig beherrscht, und der Euch erst morgen sagen will, welchen Beschluss er gefasst hat. Erzählt das dort oben - und, gleichwie Ihr oft die Erde ungläubig bei dem gefunden, was vom Himmel kommt, also werdet Ihr auch zum ersten Mal den Himmel ungläubig finden bei dem, was Ihr ihm von der Erde erzählt.
“Gib, mein Sohn, Dein Herz mir,“ mir, der es von Dir fordert.
Der es von Dir fordert. … Wenn ich hier nur die Rechte Gottes auf das Herz, das er verlangt, verteidigen wollte, so würde es genügen, wenn ich Euch daran erinnerte, dass er es geschaffen und dass Er also nur ein Gut zurückfordert, das von ihm kommt. Ich sagte vorhin, dass der Gott Jesu Christi uns sein Herz bei der Schöpfung gegeben. Er hat noch mehr getan, Er hat es in uns gelegt. Die Liebe, welche die schönste Erklärung Gottes ist, ist auch das schönste Geschenk, was Gott dem Menschen gemacht; das Geschöpf liebt, weil der Schöpfer die Liebe ist. Und wer anders hat wohl das erste Recht auf diese Macht zu lieben, wenn nicht Derjenige, der sie mit seinem Bild in unser Herz gelegt? Wie! Diese Kraft der Aufopferung, diese Wärme der Zuneigung, dieses Bedürfnis nach Mitteilung, alle diese ebenso lebhaften wie zärtlichen Gefühle, durch welche Er sich nicht allein in uns gezeigt, sondern vielmehr in uns geschildert hat, sie Alle hätten wir für die ganze Welt und nur nicht für Ihn? Weg mit dieser gottlosen Verirrung und diesem Übermaß des Undanks! Aber je verwerflicher dies ist, desto weniger brauche ich mich wohl dabei aufzuhalten. Ich habe Euch noch eine zartere Betrachtung vorzuführen, und ich will schließlich das in dem menschlichen Herzen anrufen, was am gefühlvollsten und mit ihm am innigsten verbunden ist.
Wenn Gott zu Euch tritt mit den Worten: „Gib mir, mein Sohn, Dein Herz, gib es mir;“ wenn er damit sagt, dass Ihr ein Herz zu geben habt, und wenn er Euch einlädt (verzeiht mir den Ausdruck), ihm den Vorzug zu gewähren, dünkt es Euch dann nicht, dass er in seiner unendlichen Herablassung die Rollen mit Euch getauscht hat; dass Ihr heute das als eine Bitte Gottes ausgesprochen hört, um was der Mensch flehen müsste; und dass Ihr zum ersten Mal aufgefordert werdet, Etwas für den zu tun, der Alles für Euch getan! Muss ich es erst erwähnen, dass uns jeder Gedanke fern liegt, der nur im allergeringsten die unendliche Größe, die unveränderliche Glückseligkeit dieses Königs der Könige antasten könnte, dessen, der keines Menschen zu Seinem Dienst, noch des Menschen Sohn zu Seiner Hilfe bedarf! Empfindet der Allmächtige etwa Freude, wenn Du gerecht bist, oder gereicht es ihm zum Vorteil, wenn Du rechtschaffen einherwandelst? Aber die Größe Gottes ist doch immer keine gefühllose Größe, noch seine Glückseligkeit kalt und unempfindlich. Der Gott Jesu Christi ist ein lebendiger Gott, der von dem Geist der Liebe und der Sympathie beseelt wird. Wie anders wohl könnten wir uns eine Vorstellung machen von dieser Liebe und Sympathie, als indem wir Gott mit den Gefühlen bekleiden, die wir ähnlich in den Menschen wiederfinden, nur indem wir sie uns noch frei denken von Allem, was sündig und fleischlich und nur das zurückbehalten, was wirklich lebendig und persönlich ist? Auch fordert uns Gott dazu auf, ihn aus dem Menschen zu erkennen, den er nach Seinem Bild geschaffen, indem er sich uns überall unter dem Namen des Vaters offenbart, und wie könnte man sich wohl einen Vater ohne ein väterliches Herz denken? Mein Text ist ganz durchdrungen von diesem Gedanken: Gott vergleicht sich hier so vollständig mit einem Vater, dass man wirklich nicht weiß, ob es die Worte eines irdischen oder eines himmlischen Vaters sind; und derjenige, der hier sagt: „Gib mir Dein Herz, mein Sohn“, ist derselbe, der in einer anderen Stelle desselben Kapitels ausruft: „Mein Sohn, so Du weise bist, so freut sich auch mein Herz.“ Aber diese Worte sind nichts gegen den herrlichen Ausspruch eines Propheten, der Alles, was ich zu sagen gewagt, bei weitem übertrifft, und wobei man nicht weiß, was man mehr bewundern soll, ob die Schönheit der Sprache, oder die Innigkeit des Gefühls: „Denn der Herr, Dein Gott, ist bei Dir, ein starker Heiland; er wird sich über Dich freuen, und Dir freundlich sein, und wird über Dir mit Schalle fröhlich sein.“ 25)
Jedoch fürchten wir uns, wie Moses vor dem brennenden Busch, und dem Gott Schöpfer und Erlöser, der um das Herz seines sündigen und verlorenen Geschöpfs bittet, zu nähern, wenn wir auch von ferne dieses Wunder der Liebe betrachten. Wenn wir nun auch nicht verwegen genug sind, um Gott als Gott anzublicken, so können wir doch auf den Gott unsere Blicke weilen lassen, der nur darum Mensch geworden, damit wir ihn erreichen können und das Herz des Vaters betrachten vermöge des menschlichen Herzens des Sohnes, der selbst zu uns gesprochen: Wer mich sieht, der sieht den Vater.26) Könnt Ihr nun wohl glauben, dass Christus gefühllos sein sollte beim Anblick des reuigen Sünders, der Ihm sein Herz darbringt? Wie kann der gefühllos sein, der sich mit dem guten Hirten vergleicht, welcher da geht, das verlorene Schaf zu suchen, bis dass er es finde! Und wenn er es gefunden, so legt er es auf seine Achseln mit Freuden. Und wenn er heimkommt, ruft er seine Freunde und Nachbarn und spricht zu ihnen: Freut Euch mit mir; denn ich habe mein Schaf gefunden, das verloren war!“ Wollt Ihr Ihm nicht diese Freude machen? Wer unter Euch beneidet nicht die Samariterin, zu der Jesus, müde vom Weg, am Brunnen Jakobs sitzend, spricht: „Gib mir zu trinken“ um das Privileg, dem Heiland ein Glas frischen Wassers zur Stillung seines Durstes geben zu können? Aber Ihr werdet sie nicht mehr zu beneiden nötig haben; wenn Ihr durch das Geschenk Eures Herzens jenem anderen tieferem und geistigerem: „Mich dürstet“ entgegenkommt, das Er am Kreuz gesprochen, als er für Euch starb. Wer unter Euch beneidet nicht den Zachäus, zu dem Jesus spricht: „Komm herab, denn ich will heut bei Dir einkehren“, um das Vorrecht, seinen Heiland in seinem Haus aufnehmen und für ihn sorgen zu können? Aber Ihr werdet ihn nicht mehr zu beneiden nötig haben, wenn Ihr Euer Herz diesem Heiland öffnet, der heut zu Euch spricht: „Ich stehe an der Tür und klopfe an; so Jemand meine Stimme hört und öffnet mir, so werde ich zu ihm eintreten und mit ihm essen, und er mit mir.“ Wer unter Euch beneidet nicht den Simon aus Cyrene um das Vorrecht, einige Augenblicke seinem Heiland das Kreuz, unter dessen Last Er fast erlegen, nachtragen zu dürfen, dieses Kreuz, auf das Er bald darauf unsere Sünden durch Seinen Tod abgebüßt hat? Aber Ihr werdet nicht nötig haben, ihn zu beneiden, wenn Ihr zu Denen gehört, durch die Er die Früchte der Arbeit seiner Seele ernten kann, und wenn Euer Herz ein Teil der köstlichen Beute ausmacht, die er mit den Gewaltigen teilt, weil Er seine Seele in den Tod gegeben. Wer unter Euch beneidet nicht den gefallenen aber wieder erhobenen Petrus, zu dem Jesus, als er schon gekreuzigt und kaum auferstanden war, spricht: „Simon, Jona Sohn, hast Du mich lieb?“ um das Vorrecht, in die Wunden, welche er selbst dem Körper und der Seele seines Heilandes geschlagen, das Öl und den Wein seiner Reue und Liebe träufeln zu können? Aber selbst den Apostel werdet Ihr nicht zu beneiden nötig haben, wenn Ihr mit einem Herzen, das wie das Seine der Frage seines und Eures Herrn zuvorkommt, begierig den zu erfreuen, den Ihr so sehr betrübt habt, ihm Eurerseits sagt: „Herr, Du weißt Alles, Du weißt, dass ich Dich liebe.“ Wenn hier unter Euch sich Jemand befindet, der darüber anders denkt, irgend Einer, der in der Samariterin Stelle das Glas kalten Wassers verweigert, oder in Zachäus Stelle seine Tür verschlossen, oder in Simon von Cyrene Stelle die Last des Kreuzes Christus nicht abgenommen, oder des Petrus Stelle anders als dieser geantwortet hätte - der wird wohl auch, sich gleichbleibend, der Einladung meines Textes widerstehen und fortfahren, sein Herz dem Gott Jesu Christi, der es verlangt, zu verweigern.
Warum wollt Ihr es aber verweigern? Was wollt Ihr denn sonst mit dem Herzen anfangen, wenn Ihr es Ihm nicht gebt? Denkt einmal darüber nach! Ihr müsst doch etwas damit anfangen; Ihr müsst es irgend Einem geben, da Ihr, selbst wenn Ihr es wolltet, es nicht für Euch behalten könnet; wem wollt Ihr es denn nun geben? Sprecht, erklärt Euch darüber: Seid so verwegen, Euch in dieser Versammlung zu erheben, um uns sagen, um welches würdigeren Gegenstandes willen Ihr Gott das Herz entzieht, das er von Euch fordert? Sollte sich doch der Himmel davor entsetzen, erschrecken und sehr erbeben, spricht der Herr. Denn mein Volk tut eine zwiefache Sünde: mich, die lebendige Quelle, verlassen sie und machen ihnen hier und da ausgehauene Brunnen, die doch löcherig sind und kein Wasser geben.“27) Hierin ist ganz treffend Euere unwürdige Geschichte, ganz treffend der blutige Schimpf geschildert, den Ihr dem lebendigen und wahren Gott antut! Mit einem Herzen begabt, das sich irgend Jemandem geben muss - mit einem Herzen, das gleich bereit ist, sich dem Geschöpf hinzugeben, das es verlangt - ja selbst dem, der es nicht verlangt - vielleicht dem, der es gar nicht einmal will - geht Ihr bettelnd von Tür zu Tür, um einen Zufluchtsort für dieses Herz zu finden, das hier getäuscht, dort zurückgestoßen, immer bewegt und unruhig ist!. Und doch, Unglückliche, steht Euch der Gott Jesu Christi zur Seite, der es von Euch verlangt, der Euch darum bittet, der es erwartet! Um das Verbrechen und die Größe einer solchen Verkehrtheit zu erklären, müssten wir eine Einfachheit besitzen, die unserem schwachen Christentum fehlt. Möge mir einer jener Heiden, der plötzlich von der Finsternis zum Licht, von dem Tod zum Leben und von der Gewalt des Satans zu Gott gelangt ist, seine Stimme leihen: Gott hat zur Sonne gesagt: leuchte - und sie hat geleuchtet; Er hat zum Gras gesagt: wachse - und es ist gewachsen; Er hat zu den Bächen gesprochen: fließt - und sie sind geflossen; Er hat zu dem Menschen gesagt: Liebe mich, und der Mensch hat Ihm nicht gehorchen wollen!
Aber was tue ich seit einer Stunde? Ich sammle die stärksten Vernunftgründe, ich wähle die rührendsten Ausdrücke, ich bitte, ich beschwöre - wen und weshalb? Etwa Gott, dem Menschen zu verzeihen und ihm sein Herz wiederzugeben, das er nur zu gerecht uns entzogen? Nein, sondern ich bitte vielmehr den sündigen Menschen, dem Gott Jesu Christi sein Herz zu geben; dem Gott, nach dem dieses Herz hungert und dürstet; dem Gott, der uns das Seine gegeben; dem Gott der, wie es scheint, unseres Herzens bedarf, um seine Liebesglückseligkeit zu vervollständigen. Sollte dies nicht eigentlich eine überflüssige Mühe sein? Ach fürchten wir vielmehr, dass es eine unnütze ist! Noch entscheidendere Gründe, rührendere Ausdrücke, dringendere Bitten und Beschwörungen müssten angewandt werden, wenn nicht mehr als ein Sünder, derentwegen ich hier rede, ebenso von hier fortgehen soll, wie er hineingekommen, indem er Gott, der zu ihm spricht: Gib mir Dein Herz, antwortet, entweder: „ich will nicht“ oder doch wenigstens „ich kann nicht“, was im Grunde dasselbe, nur ein wenig schonender ausgedrückt ist; oder der, was freilich weniger bloßstellend ist, gar nichts antwortet, sondern die Bitte Gottes von seinen trägen Schultern abwälzt und nur danach strebt, in den Beschäftigungen und Verlockungen des Lebens die lästige Helle wieder auszulöschen, die sich in der Tiefe seiner Seele Bahn brechen wollte… Aber nein, verweilt noch. Es ist leicht möglich, dass wir uns nicht wiedersehen Könnten. Noch zwei Worte also; ich spreche sie zu Euch, wie ein Mensch, der heute sterben kann zu Menschen redet, denen vielleicht ein gleiches Schicksal bevorsteht; Ihr sollt wenigstens wissen, wer Ihr seid und Euch selbst kennen lernen. Es ist nicht nötig, dass Ihr darauf bis zum Tage des jüngsten Gerichtes wartet, wo die geöffneten Bücher das Geheimnis der Herzen entschleiern werden; ein Herz, das gegen Gott kalt ist, ist schon entschleiert und gerichtet. Wenn es noch gegen Alles kalt wäre! aber nein, es ist warm für alles Übrige, warm für die Familie, warm für die Welt, warm für das Geld, warm für die Begierde, nur für Gott allein kalt. Es ist zu wenig gesagt, wenn wir das Wort kalt gebrauchen; die Gleichgültigkeit gegen den Gott Jesu Christi kann nie allein bestehen, sie wäre Torheit, angewendet auf den lebendigen Gott, der allein unser Herz erfüllen soll; auf den barmherzigen Gott angewendet, der uns sein Herz gegeben, ist sie Undank gegen den fleischgewordenen Gott, der um unser Herz bittet, ist die Gleichgültigkeit Gottlosigkeit; es gibt keine Mitte zwischen dem Gott Jesu Christi, zwischen der Liebe und dem Hass. Wisst Ihr denn überhaupt, was die Feindschaft gegen Gott ist? Das ist die ganze bewiesene und gerechtfertigte Hölle; das ist die Hölle auf Erden, als Vorgeschmack der Hölle in der Hölle. „Feinde Gottes“ das seid Ihr, wenn ich mit den Worten der heiligen Schrift zu Euch rede; bebt davor schaudernd zurück, wenn Ihr wollt, aber prüft Euch und Ihr werdet mit mir übereinstimmen. Warum ist man gleichgültig gegen Gott? weil man müde ist Seines Dienstes, müde Seiner Befehle, müde Seiner Belästigungen, müde vielleicht Seiner Liebe; was ist diese Müdigkeit anders als eine geheime Feindschaft? So sage ich es Euch denn noch einmal, Ihr seid Feinde Gottes - ich will vielmehr sagen, Ihr seid es gewesen - Ihr wollt es nun aber nicht mehr sein, wenn ich anders richtig in Euren Herzen lese! mein Bruder, meine Schwester, gebt heute der Welt wie Ihr am Tage des jüngsten Gerichtes es der ganzen Welt geben werdet, das einzige moralische Schauspiel, das schöner ist wie das der heiligen Engel, die nie aufgehört haben, Gott zu lieben, das Schauspiel eines Sünders, der aus einem Feind Gottes, Gottes Freund geworden; eines Petrus, der früher ein Gottesleugner auf Jesu Frage: „Liebst Du mich?“ „Du weißt, dass ich Dich liebe“ antwortet; einer Maria Magdalena, die früher von sieben Teufeln besessen auf Jesu Anruf: „Maria“ „Rabbi“ antwortet. Ja seid dieser Petrus, seid diese Maria, Ihr könnt es, wenn Ihr wollt. Der Mensch schlägt zwar alle Tage das Herz Gottes aus, aber Gott wird nie des Menschen Herz ausschlagen. Er bittet nicht darum, Er erweckt es nicht, Er rührt es nicht, um es dann schließlich auszuschlagen; wollt nur und Ihr werdet es geben - wollt, und Ihr habt es schon gegeben.
Umgebt Ihr älteren Brüder, die Ihr schon vor ihm das Vaterhaus betreten, das verlorene Kind, das wieder heimkehrt; kommt ihm mit Liebe zuvor, ermutigt seine noch wankenden Schritte; vor allem erspart ihm die Schmach Eures toten Glaubens, und denkt wohl daran, ob Ihr selbst auch wirklich Euer Herz Gott gegeben habt.
Und Du, der Du ihn siehst, wenn er noch weit entfernt ist, Du ewiger Vater, geh ihm entgegen, und während er sein demütiges Bekenntnis: „Mein Vater, ich habe an Dir und dem Himmel gesündigt, ich bin nicht mehr wert, Dein Sohn zu heißen,“ an Deiner Brust ausschüttet, lass ihn Dein Vaterherz gegen sein Sohnesherz schlagen hören und aus Deinem Mund jenen Vaterruf vernehmen: „Mein Sohn, der verloren war, ist wiedergefunden; er war gestorben, aber er ist auferstanden!“ Amen.