Merle d'Aubigné, Jean Henri - Die Verpflichtung der Christen.

Merle d'Aubigné, Jean Henri - Die Verpflichtung der Christen.

1) Missionsrede über die Worte: Marc. 16, 15.
Und Jesus sprach zu ihnen: Gehet hin in alle Welt und prediget das Evangelium aller Kreatur.

Das Wert der Verkündigung des Evangeliums an alle Völker der Erde ist das größte und herrlichste Werk, welches je unternommen worden ist, und je unternommen werden kann. Obgleich die Christenheit noch größtentheils mit finstern Schatten bedeckt ist, und noch viel daran fehle, daß das Reich der Selbstsucht unter den Menschen aufgehört habe, so kann man doch behaupten, daß die Zeit, in der wir leben, sich durch Liebe für das öffentliche Wohl, und durch Menschlichkeit auszeichnet. Zahlreiche Vereine bilden sich in verschiedenen Gegenden für mancherlei Zwecke zum allgemeinen Besten. Aber alle diese Vereine, so wie alle Unternehmungen des gegenwärtigen Jahrhunderts, sind doch sehr geringe im Vergleich mit dem großartigen Unternehmen, alle Kreaturen mit dem Evangelium bekannt zu machen. Der Menschenfreund, welcher daran nicht Theil nimmt, hat noch wenig gethan; erst wenn er an dieses Hauptwerk kommt, trägt er seine Schuld gegen seine Mitmenschen ab, und wird gewürdigt, einige Steine zu dem Tempel des lebendigen Gottes auf Erden beizutragen.

Was wird unter den Menschen groß genannt, das nicht durch die Verkündigung des Evangeliums bei weitem übertroffen würde? Etwa ein Verein zur Erleichterung des Elendes einiger Unglücklichen, die in den Gefängnissen, oder unter anderen Lasten seufzen? Es ist dies etwas Großes; aber das Werk, von dem ich rede, verkündigt der ganzen gefangenen Erde eine Erledigung, den Gebundenen eine Oeffnung und Freudenöl für Traurigkeit (Jes. 61,1.3.) Wäre es ein Sieg, der zum Zweck hätte, ein Volk von grausamen Unterdrückern zu befreien und es seinem rechtmäßigen Fürsten wieder zu geben? Dies ist etwas Großes; aber hier ist die Rede davon, alle Völker der Erde ihrem rechten und ewigen Könige wieder zu geben. - Wäre es, einem ganzen Volke durch weise Gesetzgebung Frieden und Glück zu verschaffen? Aber dieses Werk bringe allen Nationen das Grundgesetz ihres Glückes, eine göttliche Gesetzgebung, welche allein ihnen Gerechtigkeit und Frieden verschaffen kann. Das Werk der evangelischen Missionen ist das ausgedehnteste von allen Werken der Wohlthätigkeit, worauf Menschen sich legen können, denn es umfaßt die ganze Welt; das edelste, denn die Wohlthat, welche hier den Menschen erzeigt wird, bezieht sich mehr als alle anderen auf den unsterblichen Geist, von welchem unser Körper nur die sterbliche Hülle ist; das großmüthigste, weil diejenigen, denen wir so große Wohlthat erzeigen, und unbekannt sind, sich durch ihre Sitten, ihre Farbe, ihre Sprache von uns unterscheiden, weil sie uns persönlich ihre Erkenntlichkeit nicht bezeugen können und wir sie nicht eher als vor dem Throne des Ewigen sehen werden, wohin die Predigt des Evangeliums sie gebracht haben wird. - Wie kommt es denn, daß unser Zeitalter, welches auf so viele verschiedene Weisen bewegt ist, an diesem Werke so wenig Theil nimmt? Daß, während so oft durch unnöthige Ausgaben das Geld verschwendet wird, für diejenigen nichts übrig ist, welche den Heiden die frohe Botschaft des Heils verkündigen? Einige sagen, dies sey unnöthig; ich werde ihnen antworten, indem ich das Elend in seiner ganzen Größe Darstelle. Andere behaupten, nicht zu wissen, auf welche Weise einem so großen Uebel abgeholfen werden könne; ich werde ihnen das Mittel zeigen, welches Gott von Anfang an dafür bestimmt hat. Andere wenden vor, daß durchaus kein Grund zur Hoffnung des Gelingens vorhanden sey; diesen werde ich den Erfolg zeigen, womit das Werk bereits gekrönt ist.

Als unser Herr die Worte unsers Textes aussprach, befand er sich auf den Oelberge, auferstanden von den Todten. Unter ihm befindet sich die Erde, die er gerettet hat, um ihn herum seine Jünger in Traurigkeit; über ihn der Himmel mit seiner Herrlichkeit, von welchem er im Namen seiner Erlöseten Besitz nehmen will. In diesem feierlichen Augenblicke umfaßt er mit seinem liebevollen Blicke die Erde mit ihren Tausenden von Völkern und Generationen, deren ewige Ketten er gebrochen hat, und indem er seinen Jüngern seinen letzten Willen hinterläßt, setzt er sie für immer zu Vollstreckern dieses gnadenreichen Testamentes ein, indem er sagt: Gebet hin in alle Welt, und predigt das Evangelium aller Kreatur!

O Herr, verleihe uns aufmerksame und lehrbegierige Herzen, auf dein Wort zu hören, und über unsere heiligen Verpflichtungen nachzudenken! Amen.

Das Elend.

Zuerst also gibt es einige, die da sagen: „Es ist nicht nöthig, Missionare zu den nicht christlichen Völkern zu senden; diese Völker sind eben so gut als wir und sind eben so glücklich. Ja sogar, wollte Gott, daß wir ihre Unschuld, ihre sanften und einfachen Sitten hätten!“

Es ist nicht nöthig! Unmöglich kann ein Christ solche Worte sprechen. Urtheilet selbst. Man zähle auf unsrer Erde ungefähr tausend Millionen Einwohner; von diesen sind nur zwei hundert Millionen Christen; Hundert Millionen sind Mahomedaner und ungefähr sieben hundert Millionen Heiden. Es verlassen also alle dreißig Jahre 800 Millionen Seelen, die unsterblich sind, wie wir, diese Welt, ohne den wahren und lebendigen Gott und den zu kennen, welcher gesagt hat: Ich hin der Weg, die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater, denn durch mich (Joh. 14,6.). Dreißig Jahre verfließen wieder und andere 800 Millionen unsterblicher Seelen folgen den ersten in den Tod, und so steigen traurig von Generationen zu Generationen diese Millionen in der tiefsten, beklagungswürdigsten Nacht ins Grab hinab. Welche wahrhaft christliche Seele könnte nach einem solchen ernsten Gedanken noch fragen: „Ist es nöthig?“

Aber der Zustand der nicht christlichen Welt ist so beschaffen, daß ein bloßer Freund der Menschheit, wie auch sein Glaube seyn mag, Freund des Werkes seyn muß, von welchem ich rede. Ueberall wo das Christenthum sich nicht findet, bieten die Länder nur Barbarei, Unwissenheit und den schrecklichsten Aberglauben dar; denn das Christenthum ist nicht allein das Heil der einzelnen Seelen, sondern zugleich das Glück und die Kraft der Völker. Gibt es unter allen diesen Ländern ein einziges, welches eine falsche Philosophie als Ausnahme in Schutz nehmen könnte? Wollte man z. B. von der bewundrungswürdigen Civilisation der Chinesen reden? so antworte ich mit Hinweisung auf die 9000 Kinder, welche jährlich in der Hauptstadt dieses Volkes dem traurigsten Tode ausgelegt werden. Wollte man den Islam hervorheben, wo man diesen Glauben an Gottes Einheit und die Unsterblichkeit der Seele findet, an welchem man genug zu haben glaubt? so betrachte man den Islam, wie er seit Jahrhunderten gleich einem Leichnam über die schönsten Gegenden der Welt hingestreckt liegt, und durch seinen unreinen Hauch diese Länder in eine weite Einöde verwandelt, und nur aus seinem Schlafe erwacht, um rund um sich herum voller Wuth Feuer und Schwerdt zu bringen und das edle Blut der Vertheidiger des Kreuzes in Strömen zu vergießen.

Nein, meine Brüder, sanft und einfach sind die Sitten nicht, welche wir bei den Heidnischen Völkern finden.

Beginnen wir eine Reise um die Welt, um uns mit dem Zustande derjenigen Völker bekannt zu machen, unter welchen die evangelischen Missionare arbeiten, wofür wir jetzt euren Beistand und euer Gebet in Anspruch nehmen. Lasset uns nicht uns scheuen, die Schreckensscenen zu enthüllen, welche eurer Mildthätigkeit empfohlen werden sollen.

Was sehen wir, wenn wir Europa verlassen und zuerst die westliche Küste von Afrika durchwandern, von wo diese armen Sclaven in Westindien mit allem ihren Aberglauben und ihren Gräueln fortgeführt, und dann durch unsere Missionare in dem Gesetze der wahren Freiheit unterrichtet werden? Wir sehen die Negerkönige grausame Feste feiern, die durch das Niedermetzeln ihrer Kriegsgefangenen und ihrer eignen Unterthanen den höchsten Grad des Schreckens erreichen. Ein König stirbt in Akim; sogleich werden den 336 Frauen seines Harems die Beine und Arme zerbrochen und sie dann lebendig begraben. Verlangen Abgesandte diesem Könige vorgestellt zu werden, so müssen sie sich dem Throne durch lange Reihen noch blutender Menschenköpfe nähern; und das heißt bei diesen Völkern ihre Pracht und ihren Ruhm glänzen lassen. Wenn in dem Lande der Aschanties auf der Goldwüste ein König stirbt, so werden alle seine Orams oder Diener, 100 an der Zahl, auf seinem Grabe niedergemetzelt, und einer großen Anzahl seiner Frauen ergeht es nicht besser. Der jetzt dort regierende König hat kürzlich seine Mutter verloren, und gibt seine Trauer darüber durch dreitausend Menschenopfer kund, wozu die großen Städte 100 und die kleineren 10 Schlachtopfer liefern müssen, und die Sitten der Unterthanen sind in diesen unglücklichen Ländern, wie überall, denen der Könige gemäß! Die Buschmänner im südlichen Afrika leben nur von Raub und Mord und begehen die schändlichsten Frevelthaten. Dort vergißt selbst die Mutter ihres Kindes, und gleich dem wilden Thiere verläßt sie es. Wenn diese Völker sich von einem Orte nach einem andern begeben, so sieht man sie oft ihre alten, schwachen Eltern in der Einöde zurücklassen. Sie legen ihnen etwas Speise und einige Muscheln mit Wasser hin, nehmen Abschied von ihnen und bald werden diese unglücklichen Wesen entweder ein Opfer des Hungertodes, oder eine Beute der wilden Thiere. Und nun frage ich Euch, geliebte Brüder, ist es nothwendig, diesen uns ähnlichen Wesen, welche unser gemeinschaftliches Erbtheil, die Erde, mit solchen Gräueln erfüllen, zu Hülfe zu kommen?

Aber verlassen wir Afrika und wenden uns nach jenen Gegenden Asiens, wo gleichfalls einige unserer Missionare arbeiten. Welcher Anblick bietet sich uns zuerst in Indien dar, dieser Mutter der Civilisation, wie man es oft genannt hat? Welche Vorstellungen machen sich diese unglücklichen Einwohner von dem wahren, lebendigen Gott? Wir sehen sie vor 330 Millionen Götzen die Kniee beugen. Ungeachtet dieser großen Menge Gottheiten wissen sie doch nicht, auf wen sie vertrauen, wem sie gehorchen sollen. Sie beten bald Affen und Schlangen, so wie Götzen, von ihren Händen gemacht, an. Bald fallen sie ihren grausamen und ausschweifenden Priestern zu Fuße und verehren deren Frauen und Tochter mit schändlichen Ceremonieen, welche zu beschreiben einem Christen nicht ziemt. Endlich wenn sie nichts anders bei der Hand haben, verwandeln sie ihre heiligen Bücher in Gottheiten und knieen vor ihren Schasters und Vedas nieder. Alles ist ihnen Gott, mit Ausnahme des wahren Gottes. Unglückliches Volk! Deine Götter sind Ungeheuer, deine Priester sind Verführer, deine heiligen Bücher Verzeichnisse von Schamlosigkeit, Bosheit, Rache und Mordlust, und dein Himmel selbst nur ein schändlicher Tempel der Wollust.

Und auf welche Weise reinigen sie sich von ihren Sünden? Sehet wie am Abend zahlreiche Haufen sich in den Gangesfluß stürzen, welchen sie anbeten, überzeugt, daß dessen Fluthen sie von allem Bösen reinigen, während andere, um für ihre Sünden Vergebung zu erlangen, sich Jahre lang Tag und Nacht damit beschäftigen, die Namen ihrer Schutzgötter herzusagen. Aber unter allen diesen unnützen Namen kommt nicht der einzige Name vor, welcher den Menschen gegeben ist im Himmel und auf Erden, darin sie sollen selig werden. (Ap. Gesch. 4, 12.)

Aber vielleicht bietet uns ihr häusliches Leben erfreulichere Scenen dar? Nein, und dieses ist eine ernste Wahrheit: häusliches Glück, welches uns unser Leben versüßt, findet sich außerhalb der Kirche Christi nicht. Mahomedaner und Heiden wissen alle nichts davon; und die entartetsten Gefühle müssen seine Stelle ersetzen. Die ganze Hälfte des Menschengeschlechts, von Gott den Menschen zu Gehülfinnen erschaffen, wird dort wie Sklaven und noch geringer gehalten.

Unter mehreren dieser Völker wird die Geburt einer Tochter für ein Unglück angesehen. Bei einem indianischen Stamme, den Rayputen, werden die Töchter sogleich nach ihrer Geburt von dem Vater getödtet. Einmal indessen konnte sich doch ein Vater, der weniger grausam als die andern war, nicht entschließen, sein zartes Kind aufzuopfern: er verbarg es in seinem Hause und ließ es im Verborgenen bis zum Alter von 10 bis 12 Jahren, in welchem die Mädchen dort gewöhnlich verheirathet werden, aufwachsen. Jetzt ließ er sie zum Vorschein kommen; aber der Anblick einer Tochter in dem Hause eines Rayputen ist etwas so außerordentliches, daß kein Vater das unglückliche Kind seinem Sohne zur Frau geben wollte. Der betrübte Vater wurde verfolgt, und durch die Drohungen seiner Freunde zur Verzweiflung gebracht, so daß er die Hand gegen sein junges unschuldiges Kind aufhebt und sie dem Wahne opfert.

Und wenn auch bei den andern Stämmen den Töchtern das Leben geschenkt wird, so ist doch ihr Loos nicht glücklicher; sie schleppen in den ersten Jahren ihr Leben in dem traurigsten Müssiggange, in der schrecklichsten Unwissenheit dahin. Sie irren oft, durch den finstersten Aberglauben getrieben, auf langen Pilgerschaften umher. Eines Tages schifften sich sechszehn junge Mädchen mit eben so vielen Priestern auf dem Ganges ein. Jedes dieser unglücklichen Schlachtopfer hatte ein Gefäß an den Schultern befestiget. Hierauf stürzten sie sich, von den grausamen Priestern unterstützt, eine nach der andern in den Strom, und schwammen so lange umher, bis das Gefäß mit Wasser gefüllt war, und sie nun dadurch auf den Boden des Flusses hinabgezogen wurden! Sie glaubten den geraden Weg nach dem Himmel angetreten zu haben; die Priester weiden ihre Blicke an solchen Schauspielen; die Menge am Ufer läßt die Luft von ihren Beifallsbezeugungen ertönen und nicht eine einzige Thräne wird diesen armen Schlachtopfern nachgeweint! O du, der du auf dem Wege nach Golgatha über die Tochter Jerusalems weintest (Luc. 23, 28.), du wenigstens siehst von deinem Himmel herab dieses schreckliche Elend und lässest von neuem in unseren Herzen deine allmächtige Stimme erschallen: „Gehet hin in alle Welt und prediget das Evangelium aller Kreatur.“

Aber laßt uns weiter das Leben des interessantesten, weil des schwächsten Theiles des menschlichen Geschlechtes untersuchen. Wenn ein Hindu stirbt, so wird, wie euch, geliebte Zuhörer, bekannt ist, ein Scheiterhaufen errichtet, um seinen Leichnam zu verbrennen; seine Witwe wird herbeigeschleppt, auf demselben festgebunden, und der älteste Sohn zündet selbst mit frevelnder Hand den Holzstoß an. Zuweilen zerreißen diese unglücklichen Frauen ihre Bande, fliehen von dem Scheiterhaufen herab und stürzen sich in den Fluß, um ihren schon in Flammen stehenden Todesschmuck auszulöschen… aber die barbarischen Priester führen sie zurück und das Kind facht das Feuer wieder an, wodurch seine eigne Mutter verbrannt werden soll! Aber bei einigen Kasten werden die Todten nicht verbrannt, sondern begraben; dadurch wird das Schicksal der Schlachtopfer noch um so schrecklicher. In diesem Falle wird die Witwe mit vielen Ceremonien zu der Grabstätte geführt, in die Grube gelegt und der Leichnam ihres Mannes in ihre Arme gelegt. Die Verwandten und Kinder fangen an, langsam Erde um sie herum zu werfen; sie bleibt unbeweglich; die Erde steigt immer höher um sie herum; jetzt geht sie ihr bis an die Brust, jetzt bis an die Lippen; plötzlich wirft man einen großen Klumpen auf ihren Kopf … die Erde erstickt sie … die Kinder eilen herbei, treten mit Füßen darauf, und die arme Mutter haucht bald ihren letzten Athem aus. 2)

Und dieses, meine Brüder, geschieht noch immer; allein in der Provinz Bengalen werden jährlich 1200 Witwen auf diese Weise hingeopfert. Ihr Frauen des christlichen Europas, hört ihr nicht auf das Geschrei eurer Schwestern, das aus den Flammen heraustönt, und auf die erstickten Seufzer dieser lebendigen Leichen aus der Tiefe ihrer Gräber?

Wenn so das Schicksal der Frauen ist, wie wird das ihrer Kinder seyn? Ach, der Geist der Finsterniß übt in diesem traurigen Lande seine Herrschaft über alle Geschlechter, Alter und Stände aus. Wenn eine Mutter schon vor der Geburt ihr Kind irgend einer grausamen Gottheit geweihet hat, so bringt sie es selbst an das Ufer des Flusses, sobald es sein drittes Jahr erreicht hat, und ladet es ein, seine zarten Glieder zu baden; sie führt es an der Hand bis zu einer gewissen Tiefe, wo der Strom es dann mit sich fortreißt. Sie selbst setzt sich dann an das Ufer des Flusses, hört das Klagegeschrei ihres Kindes und betrachtet seinen letzten Kampf mit dem Tode. Andere werfen ihre Säuglinge den Krokodilen vor und sehen zu, wie diese Flußungeheuer sich um ihre Beute streiten, bis eines sie verschlungen hat. .. Ihr armen, armen kleinen Kinder! von denen der Heiland der Welt liebreich sagte: lasset sie zu mir kommen, denn das Himmelreich ist ihrer und derer, die ihnen gleich sind, ihr, die er zu sich rief und regnete, indem er seine heiligen Hände auf euer Haupt legte; dies ist nicht das Schicksal, welches das Evangelium Jesu Christi euch bestimmt!

Und welches Loos wartet der Greise? Wenn das Ende ihres Lebens herannaht, so werden sie sogleich an das Ufer des Ganges oder eines andern heiligen Flusses geführt. Man zwingt sie, das reinigende Wasser in Uebermaaß zu trinken, bestreicht ihnen Brust, Stirn und Arme mit dem Schlamme des Flusses und füllt damit den Mund, die Augen und Ohren, und ehe noch die Seele den Körper verlassen hat, wirft man ihn in das Wasser, welches jährlich so viele Menschen verschlingt. So stirbt der heidnische Greis. Wie verschieden von dem Tode unserer Simeons, welche in Frieden dahin fahren, weil ihre Augen den Heiland Gottes gesehen haben! (Luc. 2,30.)

- Wie ist ferner die Art der Anbetung, welche diese armen Leute ihren schauderhaften Götzen erweisen? Wohnet einmal dem jährlichen Feste des großen Götzen Muha Bei. Hier lassen sich einige an eisernen Haken, die in ihren Leib eingedrückt sind, vermittelst langer Seile zur Ehre der Götzen umher schwingen; dort laufen andere auf scharfen eisernen Spitzen, und bringen sich mit einem Messer tödtliche Wunden bei, und alle endigen das Fest damit, daß sie mit bloßen Füßen auf glühenden Kohlen tanzen. Oder kommet zu dem Feste des Juggernaut; während eine große Menge seiner Anbeter mit Mühe den ungeheuren Wagen des scheußlichen Götzen ziehen, legen sich mehrere auf dem Wege nieder, wo dieser mörderische Wagen vorbeikommen wird, lassen sich durch die schweren Räder desselben zerquetschen und enden so ihr Leben unter den schrecklichsten Qualen! Wort unsers Erlösers! Halle wieder in diesen entfernten Gegenden und sage den Unglücklichen: „Gott ist ein Geist, und die ihn anbeten, müssen ihn im Geist und in der Wahrheit anbeten.“ (Joh. 4,24.)

Jetzt laßt uns den ausgedehnten Archipel mit den Niederländischen Colonien betrachten, nach welchen besonders unsere Missionare ausgesandt werden. Ach! wir finden eben dieselben Sachen wieder, nur vielleicht etwas mehr Rohheit und Wildheit. Der Gott, welchen ein großer Theil der Bewohner von Java anbetet, ist das Krokodil. Die benachbarten Inselbewohner betrachten es als ihren Vater und den Stamm ihres Geschlechtes. Auf den Molucken scheinen die Einwohner eine höhere Gottheit zu kennen; aber statt ihr zu dienen, beten sie den Teufel an. Ihre Sitten sind durch und durch verdorben; Ehebruch und Völlerei scheinen ihnen keine Sünden zu seyn. Sie sind faul, falsch, verrätherisch, lügenhaft, kurz allen Lastern ergeben; wenn sie sich beleidigt glauben, sind sie fürchterlich und rächen sich nur durch Mord.

Auf der Insel Borneo, von welcher wir eine ungeheure Fläche besitzen, ohne sie noch recht zu kennen, gibt es Völkerschaften, wo kein Mann sich verheirathen kann, ohne vorher zwei oder drei Morde begangen zu haben. Sie stellen sich an der Seite des Weges hin, bedecken sich geschickt mit Zweigen und Blättern und bleiben so unbeweglich stehen. Kommt nun das Opfer ihrer Mordlust, welches nur ein schattiges Gebüsch zu sehen glaubt, so bewegen sich in diesem Augenblicke die verrätherischen Bäume, und sie überfallen ihre Beute und metzeln sie nieder. In den Bergen auf Java leben Menschenfresser, welche, wie sie sagen, aus Grundlagen der Liebe sich Gräueln hingeben, welche eine menschliche Zunge kaum erzählen kann. Wenn einer ihrer Freunde krank ist, so rufen sie den Wahrsager und wenn dieser dann den Tod verkündiget, tödten sie den Kranken, schneiden kaltblütig seinen Körper in Stücke, welche die Verwandten unter sich theilen und verzehren.

O welche schreckliche Schauspiele bietet die Heidenwelt dar! o welche Finsterniß deckt noch die Völker, denen das Licht aus der Höhe noch nicht erschienen ist! Wie herrlich ist die Religion Jesu Christi, und wie sehr bedürfen unsere erschrockenen Augen des sanften Lichtes derselben, um sich daran zu erholen! Nun, Christen, meinet ihr noch, es sey nicht nöthig? es sey nicht eure Pflicht, ein jeder nach seinen Kräften einem solchen Elende zu Hülfe zu eilen? Ist das Unschuld? Sind das sanfte und einfache Sitten? Ist das Elend nicht groß genug, oder soll es noch schlimmer werden, ehe unsre milde Hand sich öffne? Sollen denn dem Erdkreise nicht bessere Tage aufgehen? Sollen Finsterniß, Aberglaube, Grausamkeit und Verzweiflung fortfahren, von Jahrhundert zu Jahrhundert den größten Theil der von uns bewohnten Erde zu bedecken? Es ist leicht, zu sagen, es sey nicht nöthig, während man aller Annehmlichkeiten des Lebens in Ruhe genieße. Aber hört ihr denn nicht die Stimme dieser Schlachtopfer, welche aus den fernen Gegenden zu euch hinüber hallt? Wenn ihr diese Stimme verhallen lasset, so erkläre ich euch, daß sie euch vor Gottes Throne verklagen wird! Ja sie erheben sich mit ihrem schrecklichen Gefolge, alle diese Völker, welche in den Gräueln des Heidenthums versunken sind, sie kommen zu euch wie jener Mann aus Macedonien, welcher in Troas dem Paulus im Traume erschien, und von allen ihren Schmerzen umgeben, bitten und flehen sie zu euch, wie jener Macedonier: Kommet herüber und helfet uns! (Ap. Gesch. 16, 9.)

Das Mittel.

„Es ist wahr,“ sagt ihr jetzt vielleicht, geliebte Zuhörer, „die Noth dieser Völker ist dringend, aber wie ist diesem großen Elende abzuhelfen? Was haben wir für Mittel in Händen, die kräftig genug wären, den Zustand der Nationen und die Beschaffenheit der Länder umzuändern?“

Ja das Uebel ist groß, aber das Mittel ist noch größer. Das Uebel rührt von jener Macht der Finsterniß her, welche unser Geschlecht in seiner Empörung wider Gott umstrickt hat; das Mittel aber kommt von dem alle mächtigen Gott, der Himmel und Erde gemacht hat. Es ist nicht der Mensch, welcher dem Menschen zu Hülfe kommt, sondern Gott, der Herr, selbst betritt diesen Kampfplatz, wo so schreckliche Schlachten geliefert werden müssen. Ihr habt Recht, alle menschliche Philosophie würde hier nicht ausreichen. Socrates und Plato haben mit ihrer bewunderungswürdigen Weisheit und der Macht ihrer Beredsamkeit nicht ein einziges Dorf von den nichtigen Götzen zu dem Gott bekehrt, den sie kannten. Aber Gott hat es übernommen, das auszuführen, was Menschen uns möglich war. Der, welcher auf den Feldern die guten Kräuter wachsen läßt, um die Wunden unsres Körpers zu heilen, konnte der Wunde unserer unsterblichen Seele nicht vergessen. Er hat ein Mittel gefunden, die Welt zu bekehren.

Die Verkündigung des Evangeliums von Jesu Christo an alle Völker, mit allem, was ihr vorangeht, was sie begleitet, und was ihr folgt; die Gründung zahlreicher Schulen, die Verbreitung des Unterrichtes, der evangelischen Aufklärung und Tugend, die Einführung eines häuslichen, ruhigen, thätigen, gesellschaftlichen, mit einem Worte, eines christlichen Lebens; dies ist das Mittel, von Gott erwählt, zu dessen Ausführung er der Welt einen Heiland gegeben hat. Er hat, wie die Heilige Schrift sagt, auf beiden Seiten des Stromes des Menschengeschlechtes das Holz des Lebens gepflanzt, deren Blätter zu der Gesundheit der Heiden dienen. (Offenb. 22,2.)

Schon vor vielen Jahrhunderten Hat Gott angefangen, zur Erfüllung dieses Werkes alles vorzubereiten, und ehe die Völker waren, hat er mit weiser Hand den Grund zu ihrem Heil gelegt. Ungefähr zweitausend Jahre vor dem großen Ereignisse, da durch die Geburt des Erlösers der Welt alle Dinge hienieden neu gemacht wurden, fingen die Wissenschaften und Künste an, unter den Völkern zu entstehen; die Begriffe wurden bestimmter, und man suchte sie nach gewissen Abtheilungen zu ordnen; jede Nation beschäftigte sich mit der Vervollkommnung derjenigen Theile des Wissens und der Gewerbe, welche die Vorsehung für sie bestimmt zu haben schien. Die Wissenschaften schienen in Aegypten und Babylonien einen zu ihrer Ausbildung günstigen Boden gefunden zu haben; die Künste in Griechenland; der Handel in Phönicien. Die Kenntniß Gottes verlangte ein besonderes Volk. Die Religion, über alles andere weit erhaben, welche das Glück der Menschen bewirken sollte, bedurfte ebenfalls eines Feldes, worin das Samenkorn derselben gedeihen und mit der Zeit seine Zweige über die ganze Erde ausbreiten konnte. Gott kam diesem Bedürfnisse zuvor; er erwählte aus allen Nationen einen Mann, Namens Abraham, zum Vater des Volkes, aus welchem einst der Gründer seines ewigen Reiches hervorgehen sollte. In dir sollen gesegnet werden alle Geschlechter auf Erden (1 Mos. 12,3.) Dies war die Begründung des Bundes Gottes mit dem Sohne des Tharah. Isaak, Israel, die zwölf Patriarchen folgten dem Abraham, dessen Nachkommen ein mächtiges Volk wurden. Aber weder Abraham noch Isaak dachten je daran die Welt zu bereisen und die Geschlechter auf Erden zu bekehren. Also nicht um sogleich Hand ans Werk zu legen, rief Gott den Abraham; es mußte eine zukünftige Bestimmung seyn, die jetzt im Stillen vorbereitet ward, und welche, wenn die Zeit erfüllet seyn würde, über die Völker die Herrlichkeit seiner Wohlthaten verbreiten sollte. Allmählig erblickte man für künftige Zeiten ein noch nicht recht deutliches Bild, auf welches die Augen aller Väter mit Ehrfurcht gerichtet waren, wo von Jahrhundert zu Jahrhundert jeder folgende Prophet zu mehrerer Deutlichkeit beitrug, und welches der Menschheit einen geheimnißvollen Wohlthäter versprach, dessen Bestimmung war, die Verheißungen der ewigen Liebe zu erfüllen. Jacob sieht ihn auf seinem Todbette voraus; er begrüßt ihn unter dem Namen eines Helden (schiloh), und erklärt, daß er es sey welchem die Völker anhangen werden (1 Mos. 49, 10.)

David fängt seinen Heiligen Gesang mit einem Klageliede an (Ps. 22.) Er sieht den Gerechten verfolgt, redet sogar vom Kreuzigen. Seine Kleider werden getheilt, das Loos über sein Gewand geworfen. Aber er redet mit Lob und Preis und verkündet ein Reich, wo aller Welt Ende und alle Geschlechter der Heiden sich zum Herrn bekehren werden und den anbeten, dessen unaussprechliche Schmerzen er sah.

Jesaias sieht gerade zu der Zeit, wo die zehn Stamme schon in die Gefangenschaft geführt sind, wo das Reich Juda anfängt zu sinken und seinem Untergange entgegensieht, wo die Zerstörung der Stadt und des Tempels droht und die Verbannung, Zerstreuung und große Schmach des Volkes Israel das traurigste Schicksal befürchten lassen, dennoch in ferner Zukunft einen Sprößling Isai mit neuem Glanz bekleidet, den der Herr zu einem Lichte der Heiden gemacht hat, ihr Heil bis an der Welt Ende zu seyn (Jes. 49,6.) Mache Dich auf, ruft er dem Volke Gottes zu, werde licht, denn dein Licht kommt, und die Herrlichkeit des Herrn gebet auf über dir. (Jes. 60,1.)

Daniel erblickt am Hofe zu Babylon in künftigen Zeiten den Untergang der Pracht und des Reichthumes, welche ihn umgeben, und sieht vier auf einander folgende Reiche alle einer andern Herrschaft weichen, die errichtet ist durch den Herrn des Himmels, und vollendet durch des Menschen Sohn, welchem gegeben ist Gewalt, Ehre und Reich, daß ihm alle Völker, Leute und Zungen dienen sollten, dessen Gewalt ist ewig, die nicht vergehet und dessen Königreich kein Ende hat (Dan. 7,14.) Diese Kunde von der Erlösung und Errettung aller Völker zieht sich durch die ganze Offenbarung hindurch, wie das entfernte Rollen des Donners, welches an Stärke zunimmt, so wie es näher kommt. Und als die Zeit erfüllet war, als der Erlöser der Welt, auf den die Völker gehofft hatten, geboren war, rief der alte Simeon aus: Meine Augen haben deinen Heiland gesehen, welchen du bereitet hast, vor allen Völkern, ein Licht zu erleuchten die Heiden und zum Preis deines Volkes Israel (Luc. 2,30.) Der Sohn des Zacharias läßt in der Wüste die Worte erschallen: Alles Fleisch wird den Heiland Gottes sehen (Luc. 3,6.) Der Sohn Abrahams und Davids selbst, dessen Blick die Jahrhunderte durchdringt, gibt der, durch eine unzählige Menge von verschiedenem Aberglauben zerspaltenen Erde dies erfreuliche Versprechen: „Es wird eine Heerde und ein Hirte seyn.“ Und zuletzt bei seiner Himmelfahrt hinterläßt er seinen Jüngern das in unserm Texte enthaltene Vermächtniß, von welchem das bisher angeführte nur die nähere Erläuterung ist: Gehet hin in alle Welt und prediget das Evangelium aller Kreatur.

Und ihr wolltet meinen, geliebte Zuhörer, daß ein Mittel, welches auf diese Weise viele Jahrhunderte im voraus von Gott selbst bereitet ist, nicht mächtig genug wäre, um den Zweck zu erreichen, welchen er sich vorgesetzt hat? Das Werk, das der Vater in seinem Rathe beschlossen, für welches er ein besonderes Volk erwählt, Propheten erweckt und Israel von Jahrhundert zu Jahrhundert mit den glänzendsten Verheißungen erfüllt hat, sollte ein Werk seyn, zu dessen Ausführung es kein Mittel gäbe? Der dem Sohne des Tharah vor 4000 Jahren in dem Sande Canaan verkündete Segen sollte sich jetzt nicht über die ganze Erde verbreiten? Was ein Mensch vorbereitet, führt er aus, wenn ihm nicht die Kraft dazu gebricht, und Gott sollte es nicht thun? Er sollte sich zurückziehen, und nachdem er geredet hat, stillschweigen? Nein! Der Wahrhaftige hat den Vätern nicht gelogen; der Getreue läßt sich das jetzt nicht gereuen, was er damals versprochen hat; Gott ist nicht ein Mensch, daß er lüge, noch ein Menschenkind, daß ihn etwas gereue; sollte er etwas sagen und nicht thun? (4 Mos. 23,19.)

Aber, sagt ihr weiter, ist dieses von Gott vor mehreren Jahrhunderten versprochene Mittel wirklich zu dem hier beabsichtigten Zwecke geeignet und im Stande, die Gräuel der Völker wegzuschaffen? Könnten wir daran zweifeln, da Gott es ist, der es gefunden hat, Gott, der die Herzen der Menschen kennt? Aber sehet und bewundert, wie herrlich dieses Mittel ist, und wie geeignet, den Grund des Götzendienstes zu zerstören, und so den Baum mit seiner Wurzel auszurotten? Woher ist der Götzendienst entstanden? Der Mensch hat ein Gewissen; diese heilige Stimme ruft ihm zu, daß er schuldig ist, und aus Furcht vor einem erzürnten Richter, sucht er überall Stützen und Vermittler. Die Engel, die Gestirne, fabelhafte Wesen, Menschen, ja sogar Thiere, Bäume, Steine wurden für ihn eben so viele Nebengötter und Vermittler, an welche er sich wandte, um mit der höchsten Gottheit versöhnt zu werden und vor denen bald dieselbe Furcht ihn überwältigte. Eure Untugenden scheiden euch und euren Gott von einander (Jes. 59,2.) Was war zu thun, um alle diese, im höchsten Grade von einander abweichenden, aber aus demselben Ursprunge entstandenen System der Abgötterei vom Grunde aus zu zerstören? Die Furcht hat diese Götzen geschaffen, die Liebe muß den Thron Gottes in den Herzen der Menschen wieder herstellen. Im Grunde des Herzens muß die tröstende Stimme wiederhallen: „Gott hat dir vergeben! Gott hat dich geliebt!“ Sie ist erschallt! Auf Golgatha erschallte sie vor 1800 Jahren; seitdem erschallt sie in der Welt und wird jetzt zu allen Völkern auf Erden gebracht. Als der Sohn Gottes, mit unsern Schmerzen beladen, für unsere Schuld litt, der ewigen Gerechtigkeit Genugthuung gab, die Welt mit seinem Vater versöhnte, auf Golgatha blutete, alles erfüllte, was von ihm geschrieben stand und sein göttliches Haupt neigte, wurde durch dies wunderbare Geheimniß den Menschen verkündigt: „Gott ist die Liebe!“

Völker zittert nicht mehr vor euren blutigen Götzen! Gott ist die Liebe! Haltet ein mit euren Opfern! Lasset ab von euren vergeblichen Bemühungen, von euren ohnmächtigen Vermittlern! Gott selbst hat es gethan, ihr braucht es nicht mehr zu thun. Jesus, der einige Mittler ist gestorben, er, der Gerechte für die Ungerechten. Gott versöhnete die Welt mit ihm selber. Gott ist die Liebe! Und diese neue Stimme, welche in der Welt erschallte, bringt die Herzen der Völker zum Staunen. Ihre Furcht ist gehoben; sie verlassen die blutigen Götzen und werfen sich mit Thränen dem rettenden Gotte in die Arme. „Nichts hat mich in dem ganzen Evangelio mehr überrascht,“ sagte ein bekehrter Afrikaner, „als diese Botschaft: Gott ist die Liebe. Als ich dies hörte, erfüllte eine unaussprechliche Freude mein Herz und ich zerbrach meine Götzen.“ Ein Hindu sagte zu einem Missionar, der ihn fragte: warum er Christ werden wolle: „Ich habe alle die Mittel versucht, welche meine Landsleute kennen, um die Unruhe meines Herzens zu stillen; ich habe mich im Ganges gebadet, die heiligen Oerter besucht, den Braminen Geschenke gemacht, alle Namen unserer Götter hergesagt; aber dies alles hat meiner Seele keinen Frieden gegeben. Endlich erfuhr ich, daß Jesus Christus Mensch geworden und für uns, seine Feinde, gestorben ist, um unsere Sünden zu tilgen. Dies muß der wahre Weg des Heils seyn, und deshalb will ich sein Jünger werden.“

Ja, Herr, dein Tod bekehrt die Völker. Den Juden ein Aergerniß, den Griechen eine Thorheit, ist er die Weisheit und die Kraft Gottes, und seit achtzehn Jahrhunderten hat dies Wort deines Mundes nicht aufgehört, in Erfüllung zu gehen: Wenn ich erhöhet werde von der Erde, so will ich sie alle zu mir ziehen. (Joh. 12, 32.)

Aber was waret ihr selbst, meine geliebten Zuhörer, ehe diese frohe Botschaft von Christo zu euch gebracht ward? Entziffert auf alten Denkmälern die Namen der Götzen, welche eure Väter anbeteten; suchet in den finstern Wäldern die blutigen Altäre, worauf die Druiden ihre Opfer schlachteten und ihr könnt euch einen Begriff von der Macht dieser guten Nachricht von der Liebe Gottes in Christo, um den Aberglauben der Heiden zu zerstören, machen.

Völker Europas, wem verdankt ihr das Licht, dessen ihr genießt, die Kenntniß des wahren Gottes, die Civilisation, die gesellschaftlichen Einrichtungen, die Wohlthaten des häuslichen Lebens, und die vielen Stiftungen und Vereine zur Abhülfe alles menschlichen Elendes? Wem anders als dem Evangelio Christi? Und warum sollte er nicht jetzt noch dasselbe für andere Völker thun, was er einst für euch gethan hat?

Aber beweiset das, was wir noch jetzt mitten unter uns sehen, nicht hinlänglich die Kraft des Kreuzes Christi zur Bekehrung der abgöttischen Herzen? Ich sah den weltlich Gesinnten bekehrt, den Ungläubigen überzeugt werden; ich sah den, welcher sündlichen Leidenschaften geopfert hatte, vor dem Herrn heilig werden; und es war das Kreuz Christi, wodurch diese Wunder hervorgebracht wurden! Meinet ihr denn, liebe Zuhörer, das menschliche Herz könne ihm unter einer Zone eher widerstehen, als unter einer andern? Glaubet ihr, daß diese goldenen und silbernen Götzen, vor welchen diese Völker ihre Kniee beugen, Ketten haben, die für die Kraft Gottes schwerer zu brechen sind, als die tausend Götzen unserer Vorfahren? Nein! das Wasser, durch welches unsere Glieder geheilet sind, ist allen Völkern zugänglich, und behält dieselbe Kraft für alle Nationen!

Bedenkt also, meine Brüder, welcher Verantwortung ihr euch aussetzt, welche Schuld ihr auf euch ladet, wenn ihr der Welt nicht dieses Mittel mittheilt, in dessen Besitz ihr seid! Wenn eine Stadt durch ein ansteckendes Fieber verheert würde, gegen welches jemand ein untrügliches Mittel wußte, und dieser weigerte sich, die Kenntniß davon mitzutheilen, wie strafbar würde er seyn! Ach! die tödtliche Pest der Seelen, welche die heidnischen Völker verheert, ist tausendmal schrecklicher, als irgend eine Krankheit des Körpers. Wir besitzen ein Mittel, sie zu zerstören, das Evangelium Jesu Christi, und ihr wolltet euch weigern, es ihnen bringen zu lassen?

Gott hat auf Erden einen Baum gepflanzt, welcher, wie der Heiland sagt, aus dem kleinsten Saamenkorn hervorgegangen, mit seinen wohlthätigen Aesten und Zweigen alles überschatten soll, was unter dem Himmel ist. Christen Europa's! warum wolltet ihr willkürlich die Zweige abschneiden, und ihnen verwehren, außer über eure eigenen Wohnungen auch über die der entferntesten Völker sich zu erstrecken?

Gott hat beschlossen, sich auf Erden einen Tempel zu erbauen, und von Anfang an den Entwurf dazu so gemacht, daß er alle Geschlechter der Erde umfassen sollte; wer hat euch das Recht gegeben, die Gränzen desselben einzuschränken und den Raum seiner Hütte enge zu machen? (Jes. 54,2.) Der Sohn Gottes gab sein Leben zur Vollführung dieses göttlichen Rathschlusses und ihr widersetzet euch, so weit es euch möglich ist, durch eure Trägheit, ihr macht, daß das Blut des Sohnes Gottes vergeblich vergossen ist und seid Schuld daran, daß die verloren gehen, für welche Christus gestorben ist! Wie! gehören die Völker in Asien, Afrika, Amerika und Australien nicht eben sowohl zu den Geschlechtern der Erde, welche durch die Nachkommenschaft des Abraham gesegnet werden sollen? Christliche Seelen, ihr seid die Bewahrer des Heilmittels für alle Nationen, und wenn ihr es in der Erde vergrabt, anstatt damit zu wuchern, so werdet ihr einst am Sage des Herrn die Worte Hören: „Werfet den unnützen Knecht in die äußerste Finsterniß hinaus, da wird sein Heulen und Zahnklappen.“ (Matth: 25,30.)

Diese unglücklichen Völker denken nicht so wie ihr! Sie verlangen mit starker Stimme dieses Mittel von euch. Ein Hindu sagte zu den europäischen Christen, welche mit der Bibel in der Hand zu ihm gekommen waren; „Ihr seid schon so lange im Besitz dieses herrlichen Buches, dieses Buches der Nationen; seit Jahrhunderten kennt ihr diese Wahrheit, welche euch frei gemacht und euch den Frieden gegeben hat, und uns, uns lasset ihr in Finsterniß und Schatten des Todes, in der Sklaverei des Aberglaubens und der Sünde schmachten!“ Und der erste Missionar unter den Heiden, Paulus von Tarsen, ruft aus, und wir alle müssen es ihm nachsprechen: „Wehe mir, wenn ich das Evangelium nicht predigte.“ (1. Cor. 9, 16.)

Der Erfolg

Ja, meine Brüder, das Werk der Ausbreitung des Evangeliums über die ganze Erde ist das große, von Gott beschlossene Werk. Aber, werden vielleicht einige von euch sagen, wer sollte nicht durch die Größe des Elendes der heidnischen Völker entmuthiget werden? Wie können wir hoffen, in diesem allen etwas zu ändern? Welche Menge von Hindernissen! Es ist eine unausführbare Sache! Zum Theil erkenne ich die Wahrheit dessen an, was ihr saget. Ja, es ist eine große Menge von Hindernissen. Wir finden Völker, welche unerschütterlich an ihrem Aberglauben fest zu halten scheinen, wir treffen auf Menschen, welche den Christen-Namen tragen und aus allerlei Beweggründen sich diesem bewunderungswürdigen Werke widersetzen; wir können uns sogar bisweilen in unsern Missionaren irren, welche vielleicht nicht immer diesem schwierigen Werke gewachsen sind; noch andere Hindernisse können sich in den Weg stellen. Aber wenn diese Hindernisse sich auch so hoch aufthürmten, so hoch der Himmel über der Erde ist, so dürften wir doch nicht einen Augenblick zweifeln; denn alles dessen ungeachtet ist es das Werk Gottes, das Werk des Heiles der Völker, um welches es sich handelt. Welches gute Werk findet auf Erden kein Hinderniß? Was würde ausgerichtet werden, wenn man sich so entmuthigen ließe?

Und was wäre aus uns geworden, aus uns Europäern, wenn der Missionar Paulus von Tarsen alle Hoffnung aufgegeben hätte, als er in der ersten europäischen Stadt, nach welcher er das Evangelium brachte, ergriffen, vor den Rat geschleppt und in ein Gefängniß geworfen wurde, wo man seine Füße in den Stock legte? Und als sich in der zweiten Stadt, nach welcher er ging, ein so schrecklicher Aufruhr gegen ihn erhob, daß seine Freunde sich genöthigt sagen, ihn in der Nacht an der Stadtmauer herunter zu lassen; was wäre aus uns geworden, wenn er, durch diese Hindernisse zurückgeschreckt, seine Mission beendigt, Europa verlassen hatte und nach Asien zurückgekehrt wäre? Wir würden noch unwissende Barbaren sein und in den Wäldern den blutgierigen Göttern Menschenopfer bringen! Aber er scheute keine Hindernisse; er schritt unerschrocken in seinem Laufe vorwärts, verkündigte den Athenern den unbekannten Gott und hinterließ so allen Jahrhunderten ein Beispiel des Muthes, welcher immer alle Jünger Christi beseelen muß.

Die Hindernisse sollen uns also nicht schrecken, sondern vielmehr unsern Eifer verdoppeln! Wenn der Seemann sich auf einem stürmischen Meere befindet, so läßt er sich nicht durch die brüllenden Wogen aufhalten, die von allen Seiten an seinem Schiffe sich aufthürmen; sondern er sieht auf seinen Compaß, leitet mit sicherer Hand sein Steuerruder, durchschneidet mit Blitzesschnelle die Wellen und erreicht so glücklich den Hafen. Nun, meine Zuhörer, der Compaß, auf welchen wir sehen sollen, ist das Wort Gottes, die Verheißungen Gottes, ja der wahrhaftige Gott selbst, der uns gewiß nicht verlassen wird. Auf ihn lasset uns sehen und getrost vorwärts gehen. Er wußte, daß er einen schwierigen Auftrag ertheilte, und daß seinen Jüngern oft der Muth sinken würde. Derselbe, welcher ihnen in unserm Texte sagt: Gehet hin in alle Welt und prediget das Evangelium aller Kreatur, sagt auch eben vorher: Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden, und gleich darauf: Siehe, ich bin bei euch alle Tage, bis an der Welt Ende. Diese beiden Zusprüche sind die beiden Säulen, welche, die eine zur Rechten, die andere zur Linken, das Werk tragen, welches wir euch verkündigen. Fürchtet nichts! und lasset nicht einen Augenblick den Muth sinken. Es ist nicht eure Kraft, ihr Freunde der Verkündigung der Botschaft des Friedens auf der Erde, ihr, die ihr den entfernten Nachkommen von Sem und Ham die Gerechtigkeit predigen sollt, sondern es ist die Kraft Christi, die alles vollenden wird. Ihr kämpfet unter der Fahne eines Herrn, dem alle Gewalt gegeben ist, im Himmel und auf Erden! Er hält in seiner Hand alle Herzen der Könige und der Völker und kann, wenn er will, aus den Steinen selbst dem Abraham Nachkommen erwecken! Fürchtet nichts! Er ist immer bei euch alle Tage bis an der Welt Ende.

Es ist sein Werk, nicht das Eure, was ihr vollbringen sollt und Er selbst ist da, um es auszuführen. Du Elende, über die alle. Wetter geben und du Trostlose, fürchte dich nicht, spricht der Herr. Siebe, wer will sich wider Dich rotten und dich überfallen, so sie sich ohne mich rotten? Aller Zeug, der wider dich zubereitet wird, dem soll es nicht gelingen. (Jes. 54.)

Wenn wir also auch nicht den geringsten Erfolg sähen, meine Brüder, so müßten wir doch im Glauben vorwärts gehen. Aber ist dies denn nicht der Fall? Ja wohl, man singet mit Freud en vom Siege in den Hütten der Gerechten; die Rechte des Herrn behält den Sieg. (Ps. 118,13.) Wer sind die, welche fliegen, wie die Wolken, und wie die Tauben zu ihren Fenstern? Du sollst Milch von den Heiden saugen, und der Könige Brüste sollen dich säugen! (Jes. 60,8.16.) Seit der ersten Verbreitung des Christenthums auf der Erde ist noch nie die Predigt des Evangeliums mit solchem Erfolg gekrönt worden, wie jetzt. Die Boten Christi predigen jetzt von einem Pol bis zum andern und überall, wo die Sonne scheint , findet sie dieselben bei der Arbeit. An den äußersten Gränzen des Nordens in Grönland haben Barbarei und Laster des rohen Lebens dem Evangelio weichen müssen, und diese beeisete Wüste blühet, wie eine Rose. Etwas südlicher in Labrador vereinigen vier Missionsstationen nach und nach die unstäten, wilden Völker um sich herum und verwandeln sie in Kinder Gottes und in civilisirte Staaten. Ein ehrwürdiger Missionar, welcher 30 Jahre lang in diesem rauhen Klima gearbeitet hatte, sagte: „Um zu erfahren, ob ein Eskimo Christ ist, oder nicht, braucht man ihn nur anzusehen, so wird man sogleich im ersten Fall den Frieden und die Liebe aus allen seinen Zügen hervorleuchten sehen, im andern den finstern und wilden Blick erkennen.“

Gehen wir weiter nach Westindien und dem festen Lande von Amerika, so sehen wir, wie überall die unglücklichen Negersclaven zu der herrlichen Freiheit des Evangeliums gerufen werden. In den Häusern unserer Kolonisten in Paramaribo hat man Negerinnen, welche durch die Missionare der Brüdergemeine bekehrt sind, und nun sich durch alle christliche Tugenden auszeichnen und für die Kinder ihrer Herren mütterlich sorgen.

Ueberzeugen wir uns ferner, welche Wunder auf Otaheite und den benachbarten Inseln hervorgebracht sind; auf Otaheite, welches eine christliche Kirche, ein christlicher Staat geworden ist; auf Otaheite, wo die schrecklichsten Ausschweifungen und die Menschenopfer aufgehört haben, welches jetzt ganz von dem göttlichen Worte erfüllt, ein Gegenstand der Bewunderung der Seefahrer3) ist und fortwährend eine große Menge eingeborner Prediger aussendet, um andern Inseln die Wohlthaten des Evangeliums zu bringen; auf Otaheite, dessen jetzt verstorbener König einem europäischen Seefahrer als Zeichen seiner Freundschaft statt aller andern Geschenke ein Neues Testament in otaheitischer Sprache gibt. Besuchen wir die Sandwich-Inseln, die vor wenigen Jahren noch mit Finsterniß bedeckt waren, so hören wir, daß alle Sonnabend Abend ein öffentlicher Ausrufer durch die Dörfer geht und sagt: „Leute, laßt die Arbeit ruhn, der Tag des Herrn kommt heran!“ Die Schulen vermehren sich; die Vielweiberei ist abgeschafft; die Kinder werden nicht mehr aufgeopfert. Ein Vater brachte ein mit Oel angefülltes Bambusrohr zum Besten der Missionen, mit den Worten; „Dieses ist für mein Kind; wenn die Missionare nicht gekommen waren, so hätte mein Kind sein Leben verloren, wie so viele andere.“ Und die mächtige Königin Keopuolani richtete sich von ihrem Todbette noch einmal empor und sammelte alle ihre Kräfte zusammen, um den umstehenden Häuptlingen zu sagen: „Das Wort Gottes ist ein wahrhaftiges Wort! Ich hege nicht das mindeste Verlangen, zu den Göttern von Hawaii zurückzukehren, diese sind alle falsch; aber Jesum Christum liebe ich, ihm habe ich mich ergeben!“

Wir kommen jetzt nach Neuseeland. Hier hat freilich das Evangelium noch keine solche glänzende Siege davongetragen; indessen fängt es doch auch dort schon an, die menschenfressenden Einwohner milder zu machen. Der Häuptling Bangki hat seinen unsichtbaren, menschenfressenden Gott Atua verlassen; denn er hat Christum gefunden, und kurz vor seinem Tode rief er aus: „Es ist eine große Klarheit in mir.“

Nachdem wir den weiten Ocean durchkreuzt haben und durch Südamerika gekommen sind, welches noch mit dichter Finsterniß bedeckt ist, freuen wir uns der Ankunft in Südafrika. Eine noch immer zunehmende Anzahl wahrhaft christlicher und civilisirter Gemeinen hat sich unter den Hottentotten, den wilden Buschmännern, den Kaffern, Namaquas und andern Völkern gebildet. Der einfältige Hottentotte, durch das Evangelium erleuchtet, bauet Zufluchtsörter für seine Armen, seine Kranken, seine Greise; alle Künste der Civilisation verbreiten sich über diese Gegenden, über welche die menschliche Philosophie ihren ohnmächtigen Fluch ausgesprochen hatte. An der Westküste von Afrika bieten die Kolonien der befreieten Neger eine wunderbare christliche Demuth, Liebe und Glauben, verbunden mit Fleiß und Ordnung dar und diese Kinder des brennenden Sandes fassen den Inbegriff des ganzen Christenthums in diesen rührenden Worten zusammen: „Herz böse, sehr böse, aber Heiland gut, sehr gut!“

An den Gränzen des unzugänglichen Abessiniens befinden sich Missionare aus der Schweiz, und einer derselben, den wir das Glück gehabt haben, kennen zu lernen4), hat, noch ehe er dasselbe betreten hat, die Freude, daß einer der einflußreichsten Abessinier sich zum wahren Christenthum bekehrt. Cairo und das alte Alexandria hallen wieder von den Schritten der Boten Jesu Christi. Das neu erwachende Griechenland wird hoffentlich auch zum Christenthum erwachen; in Thessalonich erneuet sich schon der Anblick, welcher sich den Augen des Missionars Paulus darstellte. (1. Thess. 1,6-10; 2,13.) Griechische Kinder, junge Leute, Greise, eine große Anzahl Priester verlangen zu gleicher Zeit mit großem Eifer die Neugriechische Bibel und ein armer Gärtner, der nur von den Früchten seines kleinen Gartens lebt, legt seinen ganzen Reichthum, einen Korb mit Früchten, zu den Füßen des Missionars nieder und verlangt dagegen das Evangelium Christi. - Die alten verfallenen Kirchen des Orients bewegen sich und erwachen. Söhne der neuen Welt, vom Ufer des Ohio, predigen Christum den Gekreuzigten den Einwohnern von Jerusalem; das neue Testament wird reichlich unter den zerstreuten syrischen und armenischen Kirchen, so wie in den Ruinen von Aleppo vertheilt; ein verwirrtes Geräusch, als wenn ein Leichnam seine Todtengebeine wieder zusammen sucht, wird in diesen Gegenden vernommen; armenische Familien sammeln sich, durch die russischen Waffen beschützt, haufenweise in ihrem ehemaligen Vaterlande, aus welchem die Unterthanen des Halbmondes geflohen sind. Der Islam, dessen Untergang durch mehrere Begebenheiten und Prophezeihungen verkündet wird, fängt an, das Evangelium von Jesu von Nazareth anzunehmen. Die Kirgisen, die Kalmucken, die Burgaten verlangen nicht umsonst nach Missionaren. Auf Ceylon befinden sich mehr als 10.000 Kinder in den Schulen; ehemalige Priester der Buddhas Religion verkündigen das Evangelium Jesu Christi; man sieht sie in großen Haufen mit ihren Priesterbekleidungen sich den Orten nahen, wo die heilige Taufe verrichtet wird; sodann werfen sie den Priesterrock von sich und bekennen Christum. Der Hohepriester Nadaris, welcher sechzig heidnische Tempel erbauet hatte und 350 Priester unterhielt, ist zum Christenthum bekehrt, wendet seinen ganzen Einfluß an, um es zu verbreiten, und erwidert auf die Frage, was er vom Christenthum halte: „Die Buddha - Religion ist der Mond, aber die Religion Jesu Christi ist die Sonne.“ Das Birmanische Reich, ein Gegenstand der auffallendsten Hingebung, fängt an, für die Strahlen der Sonne der Gerechtigkeit empfänglich zu werden. Die Missionare dringen in die goldene Stadt hinein und sehen das goldene Antlitz des Königs. Sie werden in's Gefängniß geworfen, sehen sich ihre geliebten Lebensgefährtinnen entrissen5) aber sie bleiben unerschütterlich im Glauben. Bald darauf errichten sie die Fahne Christi mit mehr Kühnheit als je, und hoffen, wie sie sagen (1826), auf die nicht sehr entfernten Zeiten, wo die Birmanen, so wie die Otaheiter, die Ketten des Aberglaubens und des Götzendienstes zerbrechen und sich mit den Völkern vereinigen werden, welche den wahren, lebendigen Gott anbeten. Aber laßt uns jetzt sehen, wie es in Indien zusteht, dessen Gräuel wir erst beschrieben haben. Noch ist es nicht bekehrt, wie Otaheite, Eimeo, die Sandwich-Inseln und Süd-Afrika; aber schon jetzt fangen diese traurigen Gegenden an, sich dem Evangelium zu öffnen. Anstatt sich in den Ganges zu stürzen, hört man jetzt, wie uns die Directoren der niederländischen Missionare erzählen, die jungen Mädchen in Chinsurah, in Bengalen mit lauter Stimme sich einander aus der Bibel vorlesen oder die Geschichten unserer Heiligen Bücher erzählen, indem sie unter schattigen Bäumen sitzen, welche sie gegen die brennenden Sonnenstrahlen schützen. Die Frauen, anstatt die traurigen Sklavinnen ihrer Männer zu seyn, tragen vielmehr mitunter zu deren geistiger Bildung bei; oft lehren sie sie lesen, nachdem sie es eben selbst gelernt haben, und beide bieten alsdann den Missionaren ihre Dienste zum Unterrichte des Heranwachsenden Geschlechtes an. Die armen Kinder werden nicht mehr den Krokodilen vorgeworfen, sondern in die Schulen, deren es eine große Menge gibt, aufgenommen. Ein kleines Mädchen, in Europa geboren, entzieht sich, wie man uns schreibt, täglich etwas von ihren Nahrungsmitteln, um den jungen Mädchen ihres Alters die Wohlthat des Unterrichts verschaffen zu können. „Die Fortschritte des Christenthums. in diesen Gegenden,“ fahren die ehrwürdigen Männer, von denen ich redete, fort, „sind über alle Beschreibung! Ach! wenn doch die Frauen in den Niederlanden, aus Liebe zu ihrem Heilande, das Heil ihrer Schwestern in Bengalen zu Herzen nehmen wollten! Wir können nicht aufhören, von hieraus unsere Freunde in Christo dringend zu bitten, uns durch Missionare, durch Gebet und durch Beiträge zu Hülfe zu kommen!“

Und welche rührende Auftritte anderer Art theilen sie uns noch aus Indien mit! Hier sehen wir einen Bramanen, welcher das Gelübde eines ewigen Stillschweigens gethan hat; wenn er langsam durch die Straßen geht, werfen sich ihm die reichsten Hindus zu Füßen und beten ihn an. Dieser geheimnißvolle Mann trägt ein Halsband von Schlangenzähnen, scheint fast nichts mehr von der menschlichen Natur an sich zu haben und hält sich selbst für einen Gott. Aber ein christlicher Tractat in Bengalischer Sprache findet einen Weg durch die Hindernisse, womit rein ewiges Stillschweigen ihn umgibt; seine Augen werden geöffnet, er wirft sich Jesu Christo zu Füßen, verläßt seine Kaste, empfängt die Taufe und wird ein demüthiger Schüler des Erlösers. - Hier sehe ich einen Mann, der lange Zeit der Anführer eines Sängertrupps war, und in den Götzentempeln ausschweifende Lieder erschallen ließ, jetzt leitet er in einer christlichen Kirche, als Diener Christi, mit Thränen in den Augen, die Dank- und Freudenlieder der Gläubigen, welche mit ihm an dem Mahle des Erlösers Theil nehmen. Dort bemerke ich einen alten Hindu, welcher lange blindlings der Leitung seiner Priester folgte, und sich sechsmal an eisernen Haken in der Luft umherschwingen ließ. Er ist Christ geworden und sein Tod nahet sich. Der furchtbare Gedanke, daß seine Seele erst durch 60 Millionen Thiere gegen müsse, ehe er wieder Mensch werden könne, beunruhigt ihn nicht einen Augenblick in dieser ernsten Stunde. Das alte ist vergangen, siehe es ist alles neu worden. Ein Missionar, welcher ihn auf seinem Todbette besucht, fragt ihn mitten in seinem Leiden, ob er noch die Gegenwart seines Heilandes fühle? Hierauf legt der Greis sogleich die Hand aufs Herz und ruft aus: „Hier ist er, hier ist er; ich fühle, daß er hier ist!“

Und kommen wir jetzt, geliebte Zuhörer, nach Java und allen den benachbarten Inseln, welche unserm geliebten Könige unterthan sind und wo unsere Missionare auf eilf Stationen arbeiten. Auf den Reisen, die unsere Missionare machen, drängen sich die Eingebornen haufenweise um sie her und verlangen das Wort der frohen Botschaft von Christo, so wie ein ausgedorrtes Land auf den Regen vom Himmel wartet. Die heidnischen Fürsten tragen selbst zum Unterhalte der Missionen bei; andere rufen Missionare auf ihre Insel, um daselbst christliche Schulen zu errichten. Die dem bösen Geiste geweihten Kapellen werden zerstört; die Begierde dieser Insulaner, das Wort Gottes zu lesen, ist so groß, daß die Missionare, weil sie nicht hinreichend mit Exemplaren der heiligen Schrift versehen sind, sich genöthigt sehen, unter ihnen die einzelnen Blätter ihrer eignen Bibeln zu vertheilen; die Gnade Gottes wirkt in den Herzen, überall verlangen sie nach Unterricht, und die Verbesserung der Sitten und des Kunstfleißes dieser Völker beweiset sehr deutlich die Fortschritte derselben in der Wahrheit. Wollt ihr jetzt eine chinesische Witwe sehen, welche lange in der Religion des Confucius gelebt hatte, und nach einer unserer Inseln geflüchtet war? Diese entschlief vor einiger Zeit ruhig in dem Herrn und sagte auf ihrem Todbette zu der Gattin des ältesten niederländischen Missionars in Ostindien: Nein, ich fürchte jetzt nichts mehr, selbst nicht den Tod; denn ich weiß an wen ich geglaubt habe, und daß mein Erlöser Macht hat, mir alle meine Sünden zu vergeben.„ In der Nacht ihres Heimganges sagte sie noch: „Jetzt fühle ich, daß ich mit Gott versöhnt hin, und sein Friede ist in meiner Seele ausgegossen.“ Einige Zeit nachher rief sie diejenigen, welche bei ihr wachten, zu sich, und sagte zu ihnen: „Jetzt könnt ihr euch zum Schlafen legen, denn ich gehe auch zur Ruhe.“ Und als sie das gesagt hatte, entschlief sie sanft im Herrn.

Wie aber konnten wir unsere Reise um die Welt besser beschließen, als durch die Begrüßung des alten China, welches sich für so unbeweglich, wie Gott selbst hält, und dennoch anfängt, durch das Wort des Herrn erschüttert zu werden? Unsere Missionare auf dem niederländischen Archipel, welche sich auf den Vorposten der Christenheit befinden, stehen diesem furchtbaren Feinde gegenüber; das Wort Gottes, ins Chinesische übersetzt, ist überall reichlich verbreitet, wo es Eingang gefunden hat. Einer unserer Missionare, den ich mehr als einmal die Bruderhand gedrückt habe, Bruder Gützlaff, ist unermüdet, dasselbe auf allen chinesischen Schiffen, die unsere Häfen erreichen, zu vertheilen. Schon hören wir die Stimme des Keutenching, eines durch seinen Landsmann Leangafa bekehrten Chinesen, von dem Ufer des sogenannten himmlischen Reiches mit dem rührenden Bekenntnisse zu uns herüberschallen: „Mein Bruder sagte mir, daß, wenn meine Sünden auch so schwer wie die größten Berge wären, und ich nur wahre Reue empfände und auf Jesum den Heiland der Welt vertraute, ich völlige Vergebung aller meiner Sünden und ewige Segnungen in jenem Leben erlangen würde! Ich beugte mein Herz; ich glaubte, empfing die heilige Taufe und bat den heiligen Geist, die Wurzel der Heiligkeit in mein Herz zu pflanzen!“

So beginnen also die Bollwerke, von denen behauptet ward, sie seien unerschütterlich, zu wanken. So beginnt alles Fleisch, das Heil Gottes zu sehen; so beginnt die Erkenntniß des Herrn und seines Gesalbten, die Erde von einem Ende bis zum andern zu erfüllen. O Gott! du richtest wahrlich dein Panier unter den Heiden auf! (Jes. 11,12.)

Jetzt, meine Brüder, trete ich zu euch und bitte euch im Namen Gottes unseres Heilandes, an diesem so großen und bewunderungswürdigen Werke der evangelischen Missionen unter den Heiden künftig warmen und lebhaften Antheil zu nehmen.

Völker Europas! lange genug haben wir durch unsern Geiz und unsern Hang zu Vergnügungen den entfernten Völkern Elend, Ausschweifungen und Uneinigkeit beigebracht. Rühmt euch mit eurer Civilisation, ihr Geschlechter von Europa! und diese Völker werden euch mit Hinweisung auf eure Irrthümer, eure Uneinigkeit und eure Verbrechen antworten. Dieses ist seit langer Zeit von der verdorbenen Christenheit ausgegangen! Wir sind in tiefer Schuld gegen diese Völker, meine Brüder, wir haben viele Fehler wieder gut zu machen. Unsre Väter haben uns eine Schuld hinterlassen, die wir bezahlen müssen. Wir müssen neue Stapelplätze an allen Ufern von Indien errichten, wo neue Kaufleute neue Schätze in Umlauf bringen.

Europa, geliebte Brüder, ist wie ein feuerspeiender Berg, der oft äußerlich ruhig ist, weil dann sein verheerendes Feuer innerhalb desto mehr in Bewegung ist; aber zu gewissen Zeiten wirft er seine Flammen und brennende Lava weit um sich her. Europa kann alles Leben, welches es enthält, nicht fassen. Schon zu drei wiederholten Malen hat es in der letzteren Zeit seine Macht nach außen geworfen. Einmal ergriff es, angetrieben durch einen kriegerischen Geist, den der religiöse Fanatismus noch mehr aufreizte, unter dem Panier des Kreuzes die Waffen, um mit Feuer und Schwerdt das durch die Gegenwart des Friedensfürsten geheiligte Land zu erobern. Späterhin wurden sämmtliche Küstenlander Europas von der Sucht, Entdeckungen zu machen, ergriffen; ein Schiff folgte dem andern, Europa wanderte über das Meer und fand zu seiner Verwunderung eine ganze neue Welt und eine Menge neuer Völker, welche bisher auf der Erde gewesen waren, ohne daß man dieses in Europa wußte. Noch später endlich, als diese Entdeckungen sich bestätigt hatten, bemächtigte sich ein kaufmännischer Geist derselben Völker; man durchkreuzte die Meere, um Gold und Silber zu erlangen und legte überall Geschäftszimmer an.

Jetzt, meine Brüder, beginnt ein neuer Zeitraum. Europa bedarf auf's neue, seine im Frieden gesammelten Kräfte nach außen zu bringen. Mögen die Entdeckungen fortgesetzt werden, die Handlungsverbindungen sich vermehren; Das ist gut, aber es müssen noch neue Unternehmungen ausgeführt werden. Alle evangelischen Nationen in Europa sehen, wie in ihrer Mitte ein neues religiöses Leben erwacht. Dieser Zeitraum muß durch ein neues Kennzeichen und ein edleres Siegel als alle vorhergehenden unterschieden werden. Laßt uns den Völkern, welche unsre Brüder, aus demselben Blute, wie wir, entsprossen und durch dasselbe Blut erlöset sind, die Kenntniß Gottes, Civilisation, christliche, häusliche und gemeinnützige Segnungen, irdischen Frieden und ewigen Frieden bringen!

Christen! gedenkt derer, die euch das Christenthum gebracht gaben! Erinnert euch, daß wenn ein Amandus, ein Eligius, ein Wilfried, ein Willebrod und Ewald6) und so viele andere eine solche Gleichgültigkeit bezeigt hätten, weder eure Väter, noch ihr jemals Christen geworden wären. Ihr seyd diesen Predigern des Evangeliums, welche zuerst die Botschaft des Heils in diese Gegenden gebracht haben, die größte Erkenntlichkeit schuldig, tragt diese Schuld ihren Nachfolgern ab! Und wenn diese großmüthigen Männer eine solche Bereitwillig seit bei der Verbreitung eines Lichtes bewiesen, das durch menschliche Irrthümer schon verdunkelt zu werden anfing, welch' ein Eifer muß euch jetzt beseelen, da Gott es in seinem ursprünglichen Glanze in eure Hände gelegt har!

Evangelische Christen! hat der Herr euch das Evangelium nicht in seiner ganzen Reinheit übergeben? Nicht ohne Absicht hat Gott jetzt die Herrschaft der Meere den evangelischen Völkern anvertraut. Erinnert euch dieser Missionare der Wahrheit, die der Herr vor 300 Jahren erweckte, während ganz Europa im Schlafe lag, und sendet andern die Wohlthat, welche diese euch gebracht haben.7) Ihr seid das Licht der Welt, und man zündet ein Licht nicht an und setzt es unter einen Scheffel, sondern man stellt es auf den Leuchter, so scheinet es allen denen, welche im Hause, d. h. auf Erden sind..

Niederländische Christen! zeiget euch eurer Vorfahren würdig! Ihnen war es vorbehalten, die ersten evangelischen Missionen zu gründen! Als sie vor ungefähr 300 Jahren ein doppeltes Joch zerbrochen, und sich unter der siegreichen Fahne von Oranien zu einer Nation vereinigt hatten, faßten sie den rühmlichen Entschluß, zugleich mit ihrem Handel das Reich Jesu Christi in Indien zu verbreiten. Es fanden sich Prediger, welche allen zeitlichen Vortheilen entsagend, in Java, Ceylon und andern Gegenden das Evangelium verkündigten. Ein Missions-Institut ward in Leyden gegründet. Wie? meine Brüder! Haben die Zeiten sich geändert? Die Fahne von Oranien ist noch immer dieselbe; so wie sie nicht aufgehört hat, die Fahne des wahren Ruhmes zu seyn, so hat sie auch nicht aufgehört, die des Evangeliums zu seyn, und mit ihrem mächtigen Schutze die Bemühungen aller derer zu bedecken, welche daran arbeiten, unter den Heiden die Wohlthaten Jesu Christi zu verbreiten!

Niederländische Christen! Hört auf die Stimme eurer Mitbürger in Indien, welche noch die Götzen anbeten! Alle evangelische Nationen wetteifern jetzt im Missionswerke. Das reiche England widmet dem Herrn einen Theil seiner Schätze, seine schnellfahrenden Schiffe und den Einfluß seiner Macht. Das reformirte Frankreich, nachdem seine Trauer, seine langwierige Armuth und seine langen Leiden vorüber sind, bringt mit Freuden die Erstlinge seines neu erwachenden Lebens dem Herrn seinem Gotte dar. 8) Die Schweiz, obgleich fern von dem Meere, hört von ihren Bergen aus doch das Klaggeschrei jenseits desselben. Das biedere Deutschland, welches nie zurückbleibt, wenn die Rede ist von Aufklärung, Wahrheit und Menschenliebe, bietet reichlich seine Söhne und Tochter dar, und wird Sklave mit den Sklaven, um sie zu Christo zu bekehren. Amerika, das jüngste in den Reihen der Völker, tritt mit jugendlichem Eifer hervor und bringt den frischen Hauch eines neuen Lebens nach jenen todten Gegenden Asiens, von wo zuerst das wahre Leben ausging, und welches die Wiege aller Völker ist. Die Liebe Christi umfaßt jetzt alle Völker; alle evangelischen Kirchen reichen sich die Hände von allen Enden der Erde, und streiten zu demselben Zwecke unter derselben Fahne.

Niederländische Christen! soll diese allgemeine Bewegung uns nicht erschüttern? Wir waren einst die ersten, laßt es uns noch jetzt seyn! Laßt uns mit jenen verdienstvollen Männern uns vereinigen, welche in unserem Vaterlande diese herrlichen Einrichtungen gegründet haben, die demselben zur Ehre gereichen, damit diese allumfassende Liebe, das Zeichen der Größe und Kraft der Völker, Aller Herzen durchdringe. Aber vielleicht werdet ihr antworten: „Wir können nicht gehen, uns halten unsere Geschäfte, unsere Angehörigen zurück.“ Es ist wahr, meine Brüder, ihr sollt auch nicht selbst gehen; hier sind schon andere zur Abreise bereit! Eilf junge Missionare erwarten an unsern Ufern9) eure Beiträge, um in den Stand gesetzt zu werden, im Namen Gottes auszuziehen, ohne von den Heiden etwas zu nehmen (3. Joh. 7.), und denen die frohe Botschaft zu bringen, welche sie noch nicht kennen. Gebet also, meine Brüder, gebet reichlich! Ein jeder nach seinen Kräften! Alles was ihr habet, gehört dem Herrn; er hat es euch anvertrauet, und verlanget. jetzt nur ein Weniges von seinem Eigenthume von euch zurück. Gebet also! Denket an die unbeschreiblichen und ewigen Schätze der Gnade Christi, welche euch zu Theil worden sind, und gebet ihm dagegen etwas von eurem Silber und Gold. Höret nicht auf jene geheime Stimme in eurem Herzen, welche euch räth, den Beitrag zu vermindern, und auf den Altar des Herrn nur geringes Kupfer anstatt des Silbers oder Goldes niederzulegen. Gib mir zu trinken, sagte Jesus zu der Samariterin am Brunnen. Gib mir zu trinken! sagt er noch zu einem jeden unter euch durch den Mund jener Völker, welche nach dem Wasser schmachten, wo den, der davon getrunken hat, ewiglich nicht dürsten wird, und welche aus Mangel daran umkommen. Gebet, aber vor allem unterstützet dieses Werk mit eurem Gebete; ohne das Gebet der Gläubigen wird in der Heidenwelt nichts ausgerichtet werden. Betet also, daß Gott den großen, einzigen Missionar sende, seinen heiligen Geist, der allein machen kann, daß, wo es zuvor trocken gewesen ist, Teiche stehen, und wo es dürre gewesen ist, Brunnenquellen sind. (Jes. 35, 7.)

Aber ehe ich schließe, lasset mich noch fragen, ob ich nicht selbst ein Missionar bin, der in diesem mir angewiesenen Kreise die vom Himmel Herabgekommene frohe Botschaft verkündigen soll, als wenn ihr sie noch nie gehört hättet. Lasset uns eine Prophezeihung des Herrn hören und zittern: „Ich sage euch, es werden viele kommen vom Morgen und vom Abend und mit Abraham und Isaac uno Jacob im Himmelreich sitzen. Aber die Kinder des Reichs werden ausgestoßen in die äußerste Finsterniß hinaus. (Matth. 8,11.) Bei der Betrachtung dieser Worte fühle ich mich von einer lebhaften Furcht ergriffen; und wenn ich sehe, wie sie an dem Volke Israel in Erfüllung gegangen sind, so zittere ich bei dem Gedanken, daß sie bei uns aufs neue erfüllt werden könnten! O ihr, die ihr mitten unter den Wohlthaten des Hauses Gottes aufgewachsen seid, habt ihr die gute Botschaft, die in der ganzen Welt bekannt gemacht ist, aufgenommen und geglaubt, so wie sie die gesegneten Seelen aufgenommen und geglaubt haben, die in unsern Tagen von Morgen und Abend gerufen werden? Ach! ich fürchte, daß die beständige Wiederholung derselben nur eure Herzen verhärtet hat! Ich komme also jetzt, als wenn ich ein Missionar wäre, der zum erstenmale eine Gegend betritt, wo das Evangelium noch nie gehört worden ist. So höret denn also, ihr sündigen, strafbaren Seelen, höret die große Botschaft, welche vom Himmel gekommen ist, und welche ich euch bringe: „Gott errettet die Welt; eröffnet aufs neue die Thore seiner Gnade und Herrlichkeit; Christus hat sich selbst gegeben für alle zur Erlösung.“ (1. Tim. 2,6.) Höret dieses Zeugniß, als wenn es zum erstenmale wäre, und bemühet euch, es zu fassen und zu glauben. Ja, vor 18 Jahrhunderten ist dein Lösegeld bezahlt, o Seele, die du an Jesum Christum als den Sohn Gottes und deinen Heiland glaubst. Schon damals ist Deine Schuld gegen Gott bezahlt, und zwar für einen ungeheuren Preis, mit dem Leben des Sohnes Gottes selbst. In dem Augenblicke, da Christus am Kreuze ausrief: Es ist vollbracht! war das Heil aller Kinder Gottes, die auf Erden waren, sind und noch seyn werden, vollkommen vollbracht, wie dieser göttliche Mund es sprach. Christus ist jetzt das Lösegeld für alle; für Europa; für Asien; für die entfernten Inseln; für die ganze Welt; er ist das Lösegeld für dich o Seele! die du an ihn glaubst. Der, welcher das Heil der Welt ist, ist auch mächtig, dich zu erretten. Der, den der Hindu, der wilde Bewohner von Labrador, der Neger in Afrika, der Insulaner auf Otaheite mit Freuden als ihren Heiland anerkennen, ist der Deinige ebensowohl als der Ihrige. Denn gleich wie sie in Adam alle sterben, also werden sie in Christo alle lebendig gemacht werden. So ist nun nichts verdammliches an denen, die in Christo Jesu sind. (1. Cor. 15,22; Röm. 8,1.) .

O welch' eine freudenvolle Botschaft! wollten wir diese andern verkündigen lassen, ohne sie uns selbst zu verkündigen? Wollten wir das köstliche Gold des Glaubens weit in die Ferne hinwerfen und selbst arm und elend bleiben? Wollten wir andern die Thore der Herrlichkeit öffnen, und sie wieder verschließen, ohne selbst hineinzugehen? Das sei ferne! Laßt uns an das Heil glauben; laßt uns für uns selber glauben und rechtschaffene Früchte der Reue schaffen! Laßt uns Kinder Gottes und neue Kreaturen werden und beten, daß der göttliche Hauch, der da macht, daß die Wüste und Einöde lustig ist, und das Gefilde fröhlich steht und blühet, wie die Lilien, unsere eigenen Herzen lebendig mache, auf daß wir Gott Frucht bringen.

Herr! gnädiger Gott! ist die Predigt des Evangeliums, die ich den Heiden will verkündigen lassen, in meinem Herzen geschehen und geglaubet? Ist die Aufforderung zur Reue und die Vergebung der Sünden, welche ich den entfernten Völkern will bringen lassen, in meinem eignen Hause bekannt gemacht worden? Und ist dein Reich, welches sich jetzt bis ans Ende der Welt erstreckt, auch schon in mir selbst aufgebaut? Herr dein Reich komme! Dein Reich komme inwendig in uns, dein Reich komme außerhalb zu allen Völkern! Amen! Amen!

1)
Nach der Vorrede zu der nachfolgenden Predigt, (aus welcher jedoch beim Vortrage manches weggelassen worden) war ein Manuscript derselben in französischer, der Original - Sprache, in die Hände eines Freundes der Missionssache in Holland gefallen, von demselben mit Zustimmung des Herrn Verfassers in die holländische Sprache übersetzt, und so erschien sie in Amsterdam in 2 Ausgaben, in 8. und 12., im Jahre 1828.
Durch die Entstehung einer Hülfs - Gesellschaft zur Verbreitung des Christenthums in den beiden Indien zu Brüssel, welche sich an die bereits bestehenden Vereine im Haag und Rotterdam anschloß, fand sich später der Hr. Verf. bewogen, dieselbe auch in französischer Sprache der Oeffentlichkeit zu übergeben. Paris und Brüssel 1830.
Von dieser Ausgabe sind mehrere Exemplare auch nach Hamburg gekommen, wo der Hr. Verf. als Prediger vor seiner jetzigen Anstellung in dem größten Segen stand, und gewiß noch in den Herzen Vieler in theurem Andenken lebt.
Die Predigt enthält in ihren Theilen nur Thatsachen aus den glaubwürdigsten Berichten über das Missionswesen, namentlich Auszüge aus den Briefen des Missionars Ward über Indien, und Thatsachen aus der heiligen Schrift, betreffend den von Ewigkeit gefaßten Rathschluß Gottes zu unserer Seligkeit und zur Begründung des Reiches seines Gesalbten.
Wenn gewiß Viele noch mit dem innigsten Dank gegen den Herrn an die schöne Zeit gedenken, wo der Hr. Verf. in Hamburg durch die Predigt des heilsamen Wortes, durch Theilnahme an die Missions- und Bibelsache, deren eifrigster Beförderer hieselbst er mit vollem Rechte genannt werden konnte, der Zeit, wo derselbe bei jeder Unternehmung, die das Reich Jesu Christi auf Erden förderte, als eines der nachahmungswürdigsten Werkzeuge in der Hand seines Gottes unter uns sich darstellte, so bedarf es gewiß keiner Entschuldigung, daß diese Predigt in die deutsche Sprache übersetzt wurde, und darin erscheint.
Der Hr. Verf. wird in seiner großen Freundlichkeit es entschuldigen, daß dies ohne sein Vorwissen und Erlaubniß geschah, und sich mit dem Uebersetzer zu dem herzlichen Gebete vereinigen, daß dieselbe auch hier ein Mittel werde, den Eifer für das köstlichste Werk, welches je unternommen ist und werden kann, wieder anzufachen und zu entzünden.
Der da spricht und es geschieht, der da gebeut und es steht da, Er wolle Seinen Segen auch hierzu verleihen, Er, der allein würdig ist, zu nehmen Ehre und Preis und Anbetung in Ewigkeit! Amen.
2)
Die englische Regierung hat endlich ein Gesetze gegen diese Witwenopfer (suttees) erlassen, welches jedoch nur in Bengalen, wo die englischen Truppen sind, wird ausgeführt werden können. In dem übrigen Indien, besonders wo die Völker den Engländern nur Tribut geben, wird allein die Verbreitung des Christenthums diesem verabscheuungswürdigen Aberglauben ein Ziel geben können.
3)
Man sehe unter andern den Brief des Herrn Seelieutenant Duperrey an den Marine-Minister in Frankreich. Baseler Magazin 1827, 1stes Heft, S. 191.
4)
Br. Gobat aus dem ehemaligen Bisthum Basel.
5)
Ich denke hier besonders an den Tod der Frau Judson, deren interessante Berichte in Amerika erschienen sind. Baseler Magazin, 1826. 11tes Heft. S. 214 ff.
6)
Amandus predigte das Christenthum in Flandern Anno 635, Eligius in Friesland und Flandern 640, Wilfried in Friesland 680, Willebrod und Ewald, aus England, in Friesland, Utrecht rc. 690.
7)
Diese Rede ist an dem Tage vor dem Reformationsfeste, nämlich den 30. October gehalten worden.
8)
Die drei ersten französischen reformirten Missionare sind im Sommer 1829 von Paris nach Südafrika abgereiset.
9)
Diese sind seitdem abgereiset, aber andere bereiten sich vor, ihnen zu folgen.
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