Melanchthon, Philipp - Einleitung in die Adventsfeier.
Der Zeitabschnitt, den die alte Kirche Advent, d. h. Zeit der Ankunft nannte, sollte vorbereiten auf das Geburtsfest des Herrn. Es läßt sich aber ein mehrfaches Kommen Christi unterscheiden. Darum sind auch verschiedene evangelische Abschnitte für diese Sonntage verordnet, welche nach dem Advent benannt sind.
Der Text am ersten Adventsonntage handelt von der Ankunft oder dem Einzuge Christi in die Stadt Jerusalem, um zu leiden. Darauf folgt der Abschnitt vom Kommen des Herrn zum jüngsten Gericht. An den beiden folgenden Sonntagen wird von dem Kommen des Herrn zum Lehramte gehandelt, wobei zugleich Johannes des Täufers Erwähnung geschieht, welcher Christi Vorläufer im Amte des neuen Bundes war. Zuletzt wird am Feste der Geburt des Herrn die Geschichte seines Kommens ins Fleisch vorgelegt. - Hierbei will ich darauf aufmerksam machen, daß der Sohn Gottes vom Anbeginn an die Kirche gesendet worden ist, um das Evangelium zu offenbaren; und wiewohl die Geburt Christi, seine Predigt im Fleische und sein Leiden in verschiedene Jahre und Zeitabschnitte fallen: so können doch alle diese einzelnen Theile seines Wirkens füglich unter der Benennung des Advents oder der Sendung Christi in den Stand der Niedrigkeit zusammengefaßt werden. Das Kommen Christi zum jüngsten Gerichte aber wird erfolgen, um die Herrlichkeit des Sohnes Gottes und die endliche Befreiung der in alle Ewigkeit zu verherrlichenden Kirche vor Augen zu stellen. So pflegen auch die Propheten das Kommen Christi zu unterscheiden, indem sie jetzt von dem erniedrigten und leidenden, jetzt von dem nach seiner Verklärung oder Auferweckung von den Todten in göttlicher Allmacht regierenden Messias reden. - Diese fortwährende Sendung des Sohnes Gottes an seine Kirche vom Anbeginn muß man wohl betrachten, und oft sich an die unablässige Gegenwärtigkeit des Sohnes Gottes erinnern, welche in ihrer allgemeinsten Bedeutung sich auf die Kirche in allen Zeiten erstreckt. Denn davon gilt der Ausspruch: „Wo zween oder drei versammelt sind in Meinem Namen, da bin Ich mitten unter ihnen“ (Matth. 18, 20.), und: „Ich bin bei euch alle Tage bis an das Ende der Welt.“ (Matth. 23,20.) Dieser seiner Gegenwärtigkeit wollen auch wir uns getrösten, eingedenk, daß der Sohn Gottes auch jetzt bei uns weilt, und wollen das Evangelium vernehmen, durch welches Er in uns will wirksam sein.