Bedenken Dr. Mart. Luthers und Philipp Melanchthons, dass man nach Moses Recht nicht urteilen noch richten solle.

Bedenken Dr. Mart. Luthers und Philipp Melanchthons, dass man nach Moses Recht nicht urteilen noch richten solle.

Ein jeder Richter ist schuldig, nach den Rechten des Landes zu richten, darinnen wir wohnen; denn weil wir den Heiden unterworfen sind, so sind wir auch ihrem Rechte und Schwert unterworfen, und das mag auch mit gutem Gewissen geschehen.

So sagt St. Petrus in seiner ersten Epistel: „Seid unterworfen allen menschlichen Kreaturen,“ d. i. aller menschlichen Ordnung, „denn das Gesetz Mose geht uns nichts an.“ So verordnet das Evangelium gar nichts von den Rechten, sondern lehrt allein den Geist.

Philipp Melanchthons erstes Bedenken.

Weil das päpstliche Recht in Verachtung gekommen ist, so suchen viele Leute neue Gesetze, Rechte und Zeremonien, und beschneiden sich wieder: derohalben soll man‘s eigentlich dafürhalten, alle, die es dafür achten, dass das Gesetz Mose aus Not müsse gehalten werden, dass dieselben in einem gottlosen Irrtum stecken. Wie denn Act. am 15. Kap. V. 9 steht: „Dass man den Heiden keine neue Lasst soll auflegen.“ Und die ganze Epistel Pauli an die Galater (V. 2. 4.): „Wenn ihr euch beschneidet, so seid ihr aus der Gnade gefallen.“

Dass man aber möge das Schwert und Rechte der Heiden gebrauchen, beweist St. Johannes der Täufer, Luk. 3, V. 14, da er den römischen Kriegsleuten diese Regel gab: „Tut Niemand Gewalt oder Unrecht, und lasst euch begnügen an eurem Sold.“ Also lässt er der Heiden Sold und Amt zu…

Desgleichen nennt St. Paulus, zu den Römern am 13., die Obrigkeit, „Gottes Diener, und Gottes Ordnung.“ Item: Er heißt zum Timotheo „für die heidnischen Amtleute bitten.“ Nun ist Räuberei weder Gottesdienst noch Ordnung; darum soll man auch für Räuberei nicht bitten, dass sie länger währe noch bestehe.

Zu dem, so sind die Heiligen Amtleute gewesen: als der Hauptmann, oder Centurio im Evangelio. Item: der Cornelius in der Apostelgeschichte usw. Joseph bei den Ägyptern, Naeman bei den Syrern, Daniel zu Babylonien.

Darum soll man gewiss dafür achten, dass die in einem gottlosen Irrtume stehen, die uns dahin bringen wollen, dass wir nach dem Gesetz Mose richten sollen.

Philipp Melanchthons anderes Bedenken.

1.

Das Evangelium ist eine Predigt der Gerechtigkeit des Geistes oder des ewigen Lebens, Joh. 17, V. 63, und Jerem. 31, V. 34.

2.

Das Evangelium fordert auch nichts Anderes, denn was der Heilige Geist mitbringt, als die Liebe, Keuschheit usw.

3.

Die andern Dinge sind alle frei, als Kleider, Speise, Haushaltung, Regiment, welches Alles St. Paulus zu den Kolossern nennt: „Element dieser Welt“ oder weltliche Satzung. Und St. Petrus: „Menschliche Kreaturen,“ d. i. menschliche Ordnung, von Menschen ausgerichtet, als Amt und Obrigkeit.

4.

Und eben, als frei ist, Schweinefleisch zu essen und nicht zu essen, also ist es auch frei, nach dem Gesetz Mose richten, oder nicht richten.

5.

Ja Alle, die das Gewissen an das Gesetz Moses binden, die tun wider die evangelische Freiheit.

6.

Christus, unser lieber Herr, hat die bürgerliche Ordnung der menschlichen Vernunft befohlen; denn St. Paulus spricht zu den Philippern am 3. V. 20: „Unsre Bürgerschaft ist im Himmel,“ als wollt' er sprechen: es wird noch dahin kommen, dass sie ein menschliches Regiment und Polizei aus dem Evangelio werden machen, wie wir zur Zeit sehen, wie es zu Mühlhausen zugeht, und der Carlstad lehrt; aber sie sehen nicht, was das Evangelium ist.

Zu dem so hat Christus nicht wollen Richter sein zwischen den Brüdern. Luk. am 12. V. 13. 14.

7.

Ob nun Jemand wollte sagen: es wäre aber ja dennoch freilich viel besser, dass man nach göttlichen, als nach menschlichen Rechten urteilt und richtet? Denn Gottes Wort macht ja des Menschen Gewissen gewiss, welches das menschliche Wort nicht vermag. Dazu gebe ich die Antwort: Es wird Niemand durch Gottes Wort gezwungen, das Gesetz Moses zu halten. Deshalb tun die Unrecht, die der Menschen Gewissen mit dem Gesetz Moses binden und zwingen, dieselben zu halten.

So wird auch durch das Wort Gottes der Heiden Obrigkeit bekräftigt, als zu den Römern am 13., 1. Tim. 2, Luk. 3, Actorum 15 und 1. Petri 2 steht.

8.

Ja, man soll des Schwerts zum Frieden gebrauchen, wie St. Paulus anzeigt. Derohalben sollen wir uns an die jetzigen Gesetze, Rechte und Ordnung halten. Denn Neuerung macht Empörung und Aufruhr.

9.

Wenn nun Einer auf einen Teil des Gesetzes Moses dringt, denselben zu halten, so wird er alle Gesetze Moses fördern, und wird daraus erfolgen, dass man alle Satzungen Mose halten müsste.

Nun denke ihm Einer nur nach, was daraus folgen sollte, wenn wir das Jubeljahr oder Halljahr, und andere Abwechselung der Guter und Erbe annehmen!

10.

Actorum am 15. nennen es die zwölf Boten: „Gott versuchen“, wenn man auf das Gesetz Mose dringt.

1524.


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autoren/m/melanchthon/melanchthon-bedenken_recht.txt · Zuletzt geändert: von aj
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