Mayfart, Johann Matthäus - Himmlisches Jerusalem - XX. Von dem herrlichen Schmucke der auserwählten Seele.

Mayfart, Johann Matthäus - Himmlisches Jerusalem - XX. Von dem herrlichen Schmucke der auserwählten Seele.

Wenn dich die Liebe zu dem himmlischen Jerusalem eingenommen hätte, würdest du sehen, dass aller Schmuck der Kleidung nichts anders sei als Schmutz und Unflat; ja du würdest dessen spotten, worüber du dich jetzt verwunderst. Die Gottesfurcht ist ein Schmuck der Kirche; der Putz der Kleidung ist eine Pracht der Schauspiele. Jene ziert den Himmel; diese putzt Pferde und Maulesel.
(Chrysostomus.).

„Des Königs Tochter ist herrlich geschmückt,“ spricht der Psalm Davids (45, 14.). Und wie sollte am Tage. ihrer Hochzeit die auserwählte Seele nicht herrlich geschmückt sein? In ihrem Verstande leuchtet die Erkenntnis und Weisheit; in ihrem Willen die Heiligkeit, in allen ihren Kräften die Vollkommenheit und Gerechtigkeit. Das Ebenbild Gottes, das durch Adams Fall verloren gegangen, ist gänzlich in ihr wieder hergestellt.

Nunmehr erkennt sie die hohen Geheimnisse des Glaubens, welche in diesem Leben von keinem Gelehrten genugsam erklärt und dargelegt werden konnten. Nun erkennt sie, wie Gott einig sei im Wesen und dreifaltig in Personen; wie der Heilige Geist vom Vater und Sohne ausgehe und doch in einem Wesen bleibe; wie der Sohn vom Vater in Ewigkeit gezeugt und dennoch in der Zeit geboren werde. Nun erkennt sie das große Wunderwerk der Schöpfung; sie versteht, wie auf das Wort des Herrn am ersten Tage in einem Augenblicke das Licht aus der Finsternis hervorgebrochen, wie durch dasselbe Wort in einem Augenblick das Firmament fest gestanden, die Erde allerlei Bäume und Gewächse hervorgetrieben, die himmlischen Lichter aufgesteckt, allerlei Tiere auf dem Erdboden sich geregt haben, und wie endlich am sechsten der Adam aus einem Erdenkloß und die Eva aus der Rippe des Adam hervorgekommen sind und vor Gott gestanden haben. Nun versteht sie alle Gleichnisse der Schrift, alle Weissagungen der Offenbarung Johannis, alle scharfsinnigen Sprüche Salomos. Nun durchschaut sie das hohe Wunderwerk der Menschwerdung; und ergründet das Werk der Erlösung. Sie versteht, wie weislich Gott die Werke der Gerechtigkeit vermähle mit den Werken der Barmherzigkeit; wie er den Frieden zwischen Wasser und Feuer befestige; wie er den Lorbeerbaum des Friedens und die Waffen des Krieges ausgleiche; wie er aus Gnaden rechtfertige und mit Gerechtigkeit richte; wie er die Auserwählten ohne Verdienst selig mache und die Gottlosen nicht ohne Schuld verdamme. Sie erkennt und versteht alles, was Gottesgelehrtheit und Weltweisheit hienieden nennen mag. Nur die Gesetze der Rechtsgelehrten und die Rezepte der Ärzte müssen außerhalb des himmlischen Jerusalems bleiben.

So sind der auserwählten Seele die Geheimnisse des Glaubens allzumal offenbar. In dem Lichte ihrer himmlischen Erkenntnis überstrahlt sie alle Professoren und Doktoren, obwohl sie nicht studiert noch promoviert hat. Des können sich ungelehrte Handwerker und einfältige Bauersleute trösten und herzlich freuen, dass auch sie dermaleinst so hochgelehrt, so hocherleuchtet, so hocherfahren sein werden, dass sie selbst solche Geheimnisse völlig erkennen und verstehen, in welche die Engel mit Verwunderung schauen.

Das dünkt freilich vielen ein wunderlich Ding und unglaubliche Sache; sie erwägen aber nicht, was an den Aposteln geschehen, als sie mit dem heiligen Geist erfüllt wurden (Ap. Gesch. 2.). Redeten diese nicht in einem Augenblick vielerlei Sprachen, also dass sich entsetzten alle, die es sahen, und sprachen: „Sind nicht diese alle, die da reden, aus Galiläa? Wie hören wir denn ein jeglicher seine Sprache, darin wir geboren sind? Parther und Meder und Elamiter und die wir wohnen in Mesopotamia und in Judäa und Kappadocia, Ponto und Asia, Phrygia und Pamphylia, Ägypten und an den Enden der Libyen bei Cyrene und Ausländer von Rom, Juden und Judengenossen, Kreter und Araber. Wir hören sie mit unsern Zungen die großen Taten Gottes reden.“ Dazu lasst uns bedenken, was Gott verheißen durch den Propheten Jeremias (Kap. 31, 33. 34.), da er spricht: „Das soll der Bund sein, den ich mit dem Hause Israel machen will nach dieser Zeit, spricht der Herr. Ich will mein Gesetz in ihre Herzen geben und in ihren Sinn schreiben; und sie sollen mein Volk sein und ich will ihr Gott sein. Und wird keiner den andern, noch ein Bruder den andern lehren und sagen: erkenne den Herrn, sondern sie sollen mich alle kennen, beide klein und groß, spricht der Herr.“ Und wenn diese Weissagung schon im Neuen Testamente hienieden erfüllt wird, wie vielmehr im himmlischen Jerusalem?

Im 21. Psalm sieht geschrieben: „Du überschüttest ihn mit gutem Segen, du setzt eine goldene Krone auf sein Haupt.“ Im Segen dieser Erkenntnis prangt die Seele wie mit einer goldenen Krone, die mit zwölf Edelsteinen geschmückt ist. Und der erste heißet Gesundheit ohne Krankheit; der andere Überfluss ohne Mangel, der dritte Wollust ohne Überdruss, der vierte Erkenntnis ohne Irrtum, der fünfte Freude ohne Traurigkeit, der sechste Friede ohne Betrug, der siebente Sicherheit ohne Furcht, der achte Licht ohne Finsternis, der neunte Reichtum ohne Armut, der zehnte Glorie ohne Schmerz, der elfte Ewigkeit ohne Ende, der zwölfte immerwährendes Leben ohne Tod. Ei, ist das nicht eine köstliche Krone? Sind das nicht herrliche Edelsteine in der Krone und heilige Geheimnisse in dem Geschmeide? - Muss da nicht jeder mit dem frommen Kirchenvater ausrufen und sagen: O du seliges Reich! O du liebliches Leben! O du fröhlicher Ort! dessen Ende der Friede, dessen Ziel die Ewigkeit, dessen Erbgut die Wollust und Freude ist! Da wird keine Zeit benannt, keine Stunde gezählt, kein Tag oder Jahr gerechnet; denn da sind alle Zeiten ein Tag, welcher bei keiner Morgenröte anbricht, und bei keiner Abendröte abbricht.

So prangt daher die auserwählte Seele in unschätzbarem Schmucke und glänzt in himmlischem Lichte, in einem Lichte, das nicht wie das Licht dieser Welt von Wänden umschlossen, von der Zeit verringert und von dem Laufe der Sonne verändert werden kann; in einem prangenden Lichte, welches der irdischen Sonne glänzendste Strahlen zu grauen Nebeln verdunkelt und ihren Glanz zu schwarzem Rauch und ihre Helligkeit zu finsterer Nacht macht.

Und wie im Verstande leuchtet himmlische Erkenntnis und göttliche Weisheit; so blüht im Willen die Heiligkeit; so wohnt im Sinne die Gerechtigkeit und glänzt dermaleinst im Leibe der Auferstehung die Reinigkeit. Erneuert euch im Geiste eures Gemütes und zieht den neuen Menschen an, der nach Gott geschaffen ist in rechtschaffener Gerechtigkeit und Heiligkeit; spricht St. Paulus (Ephes. 4.). Was aber in diesem Leben nicht völlig erreicht werden kann wegen angeborener und stets anhaftender Sündhaftigkeit, das wird nunmehr der auserwählten Seele in überströmender Fülle zu Teil. Nun thront sie an der Himmelstafel eine Blume des ganzen Geschlechts, eine Lust des Paradieses, eine Königin aller Tugenden und heiligen Wollüste, eine Krone der Seligkeit, ein Smaragd der Lieblichkeit, ein Tempel des Heiligen Geistes. Aus den Gedanken strahlt die Keuschheit, aus den Reden die Wahrheit, aus den Gebärden die Demut, aus dem ganzen Leben die Frömmigkeit. Ja sie ist mit heiliger Gerechtigkeit so fest umschlossen und mit gerechter Heiligkeit so ganz umflossen, dass Gott selbst und alle Engel des Himmels sie mit heiliger Wonne anschauen und Jerusalems Bürger der Verwunderung kein Ende finden können. Der heilige Johannes sagt in der Offenbarung (Kap. 21.), dass zu den Toren des himmlischen Jerusalems nicht eingehe irgendein Gemeines und das da Gräuel tut und lügen, ja dass der Verzagten, der Ungläubigen, der Gräulichen und Totschläger, der Hurer und Zauberer und der Abgöttischen Teil sein werde im Pfuhl, der von Feuer und Schwefel brennt. St. Paulus bezeugt (1 Kor. 6, 9. 10.), dass die Ungerechten, die Ehebrecher, die Weichlinge, die Knabenschänder, die Diebe, die Geizigen, die Trunkenbolde, die Lästerer und Räuber das Reich Gottes nicht ererben werden. Es werden also im Paradiese nicht sitzen, in deren Willen die Bosheit herrscht, deren Gedanken von der Sünden Unflat starren, deren Sinn von Üppigkeit und dergleichen Lastern erfüllt ist. Die auserwählte Seele dagegen, wie sie weiland auf Erden trotz aller menschlichen Schwachheit ein Spiegel war des Himmels, ist nunmehr im Himmel ein Abbild der Engel; und wohnt in einer Stadt, die von allen Sünden ewig befreit ist, darin alle Bürger, sobald sie eingehen, in ewiger Gerechtigkeit bestätigt werden, nimmermehr sündigen, auch nicht auf die geringste Sünde denken können. Die Liebe Gottes ist ausgegossen in ihrer aller Herzen und dringt sie in allem Tun und Lassen, weil Er im Schenken so reich und im Lieben so überschwänglich. O ihr frommen Christen, schaut doch noch einmal an die Pracht der auserwählten Seele, die Rose des himmlischen Lenzes, die Lilie des paradiesischen Sommers. Sie ist bekleidet mit Gerechtigkeit, gekrönt mit Lieblichkeit, gegürtet mit Freudigkeit und geschmückt mit unvergänglicher Ewigkeit.

So viel lieblicher der köstliche Balsam ist als Modergeruch; so viel edler der leuchtende Jaspis als Kot; so viel heller die glänzende Sonne als Kohlen; so viel reiner das funkelnde Gold als Ruß: so weit überstrahlt der Schmuck der auserwählten Seele alle Herrlichkeit und Schönheit dieser Welt. - Wenn jemand von einem bösen Wurme viele Jahre lang geplagt wäre und dieser würde endlich von ihm abgetrieben; wie würde er sich darüber freuen! Und sollte nun die auserwählte Seele sich nicht höchlich freuen, dass sie von der Sünde völlig erlöst, dass sie endlich einmal so recht geheilt worden und nimmermehr wieder verwundet werden kann.

In dem himmlischen Jerusalem wird von keiner Ketzerei gehört, wird kein Laster geübt, kein Ärgernis gestiftet, keine böse Lust erregt, kein arger Gedanke ersonnen und gar keine Sünde getan. In diesem Leben hat Jeremias (Kap. 9, 1. 2.) gewünscht, dass er Wasser genug haben möchte in seinem Haupte und dass seine Augen Tränenquellen wären, um Tag und Nacht zu beweinen die Erschlagenen seines Volkes. Er hat gewünscht, dass er eine Herberge in der Wüste hätte, so wollte er sein Volk verlassen, von ihm ziehen, um dem sündigen Wesen nicht mehr zusehen zu müssen. - Aber gib dich zufrieden, du heiliger Prophet! im himmlischen Jerusalem kannst du deiner Wünsche überhoben sein. Augustinus vermahnt seine Zuhörer täglich, sie sollten sich vorsehen, dass der Teufel nicht verwunde, was Christus geheilt habe. Aber gib dich zufrieden, du heiliger Bischof; im himmlischen Jerusalem bist du dieser Sorge entledigt.

Herr Jesu! verleihe mir Deine Gnade, dass ich verlasse das Irdische und mich halte an das Himmlische; dass ich verlasse das Zeitliche und mich halte an das Ewige; ja dass ich den Leib entziehe der Gesellschaft des Leibes, und den Geist, so viel möglich, der Gesellschaft der Seele, und mich über die Wolken schwinge und an der unaussprechlichen Schönheit der auserwählten Seele mich erfreue. Amen.

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