Mayfart, Johann Matthäus - Himmlisches Jerusalem - XVIII. Von der majestätischen Hochzeit Christi Jesu und der auserwählten Seele.
Da die Menschen ewig leben wollen, sollen sie auch so handeln, dass sie am ewigen Leben Teil haben können; denn das ist die größte und abscheulichste Torheit, wenn man sich so verhält, dass zwar aus den Worten und Wünschen ersichtlich wird der Wille, aber aus den Werken und Taten der Widerwille. Gleichermaßen ist es die größte Torheit, wenn die Menschen nach der himmlischen Hochzeit verlangen, aber die Boten schmähen und das Freudenmahl verachten. (Salvianus.)
Der Apostel Paulus rühmt in der Epistel an den Titus (Kap. 3, 4.) gar sehr die Freundlichkeit und Leutseligkeit Gottes unsers Heilandes, wie billig; denn Gottes Liebe ist wunderreich und geht weit über alles, was wir bitten und verstehen.
Gott hat uns geliebt, ehe der Welt Grund gelegt worden, noch ehe wir da waren. Er hat uns geliebt aus freier Gnade, da wir seine Feinde waren. Er hat uns geliebt, ohne einen Gewinn von uns zu haben. Er hat uns geliebt ohn‘ all unser Verdienst und Würdigkeit. Er hat uns geliebt nicht aus Unwissenheit, sondern in heiliger Erkenntnis und heiliger Bewegung. Er hat endlich sogar die geliebt, von denen er wusste, dass sie undankbar verbleiben würden. In Summa die Liebe entstand nicht aus menschlicher Würdigkeit, sondern allein aus Gottes Gütigkeit.
Diese Freundlichkeit und Leutseligkeit Gottes unsers Heilandes, welche der Apostel Paulus so hoch rühmt, wird vollendet auf der majestätischen Hochzeit. Das ist der Tag, den nicht der Lauf der Sonne, sondern der Herr gemacht hat (Ps. 118, 24.). Das ist der heilige Tag, wo Gott der Vater die gläubige Seele Seinem lieben Sohne vermählt, der mit ihr von Anbeginn verlobt war. Das ist der heilige Tag, wo Gott der Sohn die gläubige Seele zur ewigen Braut nimmt. Das ist der heilige Tag, wo Gott der heilige Geist die gläubige Seele ihrem himmlischen Bräutigam zuführt. Das ist der heilige Tag, wo alle Cherubim und Seraphim, wo alle Engel und Erzengel und alle Auserwählten jauchzen und frohlocken, dass das menschliche Geschlecht, obwohl tief gefallen, doch nicht ganz verloren wäre.
O des schönen Tages! O des herrlichen Tages, an welchem der Abend nicht anbricht, auch die Finsternis nicht einbricht! - Da ist alles geschäftig, was im Paradiese lebt, und doch ohne Mühe und Ermüdung. Da geht alles durcheinander, und doch in heiliger Ordnung. Da zeucht einher die auserwählte Seele; ihr ist aufgesetzt die schöne Krone, davon das Buch der Weisheit (5, 17.) verkündet; die Krone der Gerechtigkeit, von der St. Paulus redet (2 Tim. 4, 8.); die unverwelkliche Krone, die St. Petrus verheißet (1 Petri 5, 4.); die Lebenskrone, von der St. Jakobus schreibet (1, 12.); die güldene Krone, von der St. Johannes rühmt (Offenb. 4, 4.). Da frohlocken die Engel und rufen: „Geht heraus, ihr Töchter Zion und schaut an die Braut Jesu Christi in der Krone, damit sie ihr Bräutigam gekrönt hat am Tage seiner Hochzeit und am Tage der Freude seines Herzens.“ (Hohel. 3, 11.)
Doch müssen wir menschlich davon reden. An diesem Fest ist Gott der heilige Geist Brautführer; Gott der Vater spricht selbst den Segen und ist Priester. Die Apostel und Prediger sind die Hochzeitsbitter. Die Heiligkeit der hochgebenedeiten Dreieinigkeit erfüllt den Tempel, und von dem Gesang und Klang der Cherubim und Seraphim erbeben die Überschwellen des Hauses (Jes. 6, 4.). Da sind zugegen alle heiligen Patriarchen, alle heiligen Propheten und Priester, alle heiligen Könige und Regenten, alle heiligen Männer und Frauen, alle heiligen Jünglinge und Jungfrauen, alle heiligen Greise und Kinder, die jemals gelebt haben.
Ein jeglicher wünscht Jerusalem Glück, dass es wohl gehen müsse denen, die sie lieben, dass Frieden sein müsse inwendig in ihren Mauern und Glück in ihren Palästen. Um ihrer Brüder und Freunde willen wünschen sie ihr Frieden, um des Hauses des Herrn ihres Gottes willen suchen sie der Stadt Bestes (Ps. 122, 6-9.). Man hört nichts anderes, denn jubilieren; man sieht nichts anderes, denn triumphieren. Es wird keines Jammers mehr gedacht und keines Leidens mehr geachtet.
Wenn in dem himmlischen Jerusalem eine Sonne wäre, müsste sie an diesem Feste heller scheinen; wenn ein Mond wäre, müsste er voller sein; wenn Sterne wären, müssten sie feuriger funkeln; wenn Winde wären, müssten sie sanfter wehen; wenn Vögelein, müssten sie lieblicher singen; wenn Wasser, müssten sie lauter rauschen; wenn Bäume und Blumen wären, müssten sie schöner leuchten und zu der Freude der majestätischen Hochzeit also mit beitragen helfen.
Mag Ahasverus mit seiner Esther Hochzeit halten zu Susa in Medien! Mögen alle Herrscher und Gewaltigen dieser Welt in ihren Burgen und Palästen prunken und prangen mit aller Pracht, welche die Welt ersinnen und darreichen kann! Wir wollen ihrem Stolze nicht. zusehen, sondern zuhören der großen Stimme im Himmel, welche spricht: Halleluja! Heil und Preis, Ehr' und Kraft sei Gott unserm Herrn (Offenb. 19, 1.)! Wir wollen zusehen, wie die vierundzwanzig Ältesten und die vier Tiere niederfallen, Gott anbeten, der auf dem Stuhle sitzt und sprechen: Amen! Halleluja! Wir wollen hören die Stimme, die aus dem Stuhle geht: Lobt unsern Gott, alle seine Knechte, und die ihn fürchten, beide klein und groß (Offenb. 19, 4. 5.). Wir wollen hören die Stimme einer großen Schar, als eine Stimme großer Wasser und als eine Stimme starker Donner, welche spricht: Lasst uns freuen und fröhlich sein und ihm die Ehre geben; denn die Hochzeit des Lammes ist kommen und sein Weib hat sich bereitet (Offenb. 19, 7.). - Wir wollen zusehen, und hören die große Schar, welche niemand zählen kann aus allen Heiden, Völkern und Sprachen, welche vor dem Stuhle stehen und vor dem Lamm, angetan mit weißen Kleidern und Palmen in ihren Händen, die da schreien und sprechen: Heil sei dem, der auf dem Stuhle sitzt, unserm Gotte und dem Lamm (Offenb. 7, 9.). Wir wollen schauen die Engel, welche bei der Vermählung Jesu Christi mit der auserwählten Seele um den Stuhl stehen und um die Ältesten und um die vier Tiere und fallen vor dem Stuhle auf ihr Angesicht, beten Gott an und sprechen: Amen! Lob und Ehre und Weisheit und Dank und Preis und Kraft sei unserm Gott von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen. (Off. 7, 11. 12.) Ach dass wir die auserwählte Seele mit einem Blick betrachten könnten! O du ungestüme Liebe, du heftige Liebe, du starke Liebe, du feurige Liebe, die du nicht zugibst, dass die Seele an etwas anderes denket, denn an ihren Bräutigam! O du auserwählte Seele, die du in Unsterblichkeit lebst, und doch vor Liebe krank bist! O du auserwählte Seele, die du in Unsterblichkeit lebst, und doch in der Liebe gestorben bist! Denn du bist gestorben der Sünde und Welt aus Liebe und lebst in Liebe dem, der da lebt von Ewigkeit zu Ewigkeit.
Herr Jesu! wann werde ich zu dem hohen Feste in der heiligen Stadt gelangen! O du heilige Stadt, wann werde ich in dir feiern! Du schöne Stadt, zu dir rufe ich, nach dir sehne ich mich! Denn ich begehre nicht nur in dir zu sein, sondern auch in dir zu ruhen. Ich begehre nicht nur nach dir zu seufzen, sondern auch zu dir zu fliehen, und werde doch von der Last meines Leibes aufgehalten. Herr Jesu, Du weißt, worauf ich hoffe. Wenn alle Kreatur, die im Himmel und auf der Erden und unter der Erden und im Meere ist, rufen wird: Lob und Ehre und Preis und Gewalt von Ewigkeit zu Ewigkeit: will ich sagen: Amen, Herr Jesu, Amen!