Marbeck, Pilgram - Epistel von fünferlei Früchten wahrer Buße

Die Gnade unsers Herrn Jesu Christi und sein Erbarmen sei über und mit Euch und allen, so in Armut des Geistes sind. Amen.

Wir danken Gott unserm himmlischen Vater mit Recht, wenn jemand um seiner Sünden willen betrübt wird, <wenn es Menschen gibt>, die durch Gnade wieder zu wahrer Buße kommen und mit Reue und Leid vor Christus, dem Gnadenstuhl, erscheinen, demselben ihre Sünde bekennen und sie durch das Gesetz der Gnaden erkennen, durch das sie Gnade um Gnade empfangen. Denn das Gesetz der Rache ist durch Moses gegeben. Gnade und Wahrheit ist uns durch Christus <zuteil> geworden. Diese Gnade und Wahrheit führt wiederum hinein in wahren Trost, Friede und Freude des Heiligen Geistes. In diesem Heiligen Geist allein ist durch das Opfer des Todes am Kreuz und durch Vergießung des Blutes Christi Verzeihung der Sünde, (das aber heißt so viel wie allein): in der Gemeinschaft der Heiligen, der solches allein geschenkt und von Christus gegeben ist.

Darum spricht Paulus: „Das Brot, das wir benedeien (das heißt so viel wie: wohlreden, unsern Gott preisen und ihm danken), das ist die Gemeinschaft des Leibes Christi, und der Kelch, damit wir danksagen (verstehe: unserm Gott danken für Verzeihung der Sünde), das ist die Gemeinschaft des Blutes Christi“ (I. Kor. 10,16). Darum gibt es außerhalb der Gemeinschaft Christi keine Verzeihung der Sünde, wie sehr sich die ganze Welt auch rühmt mit falschem Ruhm der Gnade und der Sündenvergebung. Das schreibe ich Euch darum, auf daß Ihr für Eure Hoffnung auf Verzeihung und Vergebung der Sünde einen rechten und wahren Beweis zu empfangen wißt und rechtschaffene Frucht der Buße tut, dem zukünftigen Zorn Gottes zu entrinnen, damit wir nicht unter dem Geschlecht der Vipernattern gefunden werden.

Dieses Geschlecht und diese Art gehören unter das Gesetz der Vermaledeiung und ist auf ewig verdammt und verbannt. Und wenn dieses Geschlecht schon tausendmal mit Bekenntnis ihrer Sünde Buße heuchelt und sich zum Bann Christi bekennt, da bleibt doch das vipernatterische Gift in ihnen, andere wie sich selbst mit zukünftiger Bosheit zu vergiften und zum Ärgernis zu machen. Sie fallen trotzdem von einer Sünde in die andere. Man warne, schelte, strafe und ermahne sie, wie man wolle, so hilft es doch nicht, und ist ihre ganze Darstellung nichts anderes, als sich selbst und andere mit sich zu verführen und zu betrügen. über dieses Geschlecht hält Johannes der Bußtäufer eine schwere, schreckliche Rede und spricht: „Du vipernatterisches Geschlecht, wer hat dir gezeigt, dem künftigen Zorn Gottes zu entrinnen? Sprecht nur nicht, daß ihr Kinder Abrahams seid; denn Gott wird Abraham aus den Steinen Kinder erwecken“ (Matth. 3,7 ff.). Das heißt so viel wie: Rühme du dich nicht, daß du das Geschlecht Christi (gleichsam vom Samen des Wortes) seist. Denn es liegt noch heute solchen kahlen, unfruchtbaren und zweimal erstorbenen Bäumen (obgleich sie im Schein des Wortes grünen) die Axt an der Wurzel, sie abzuhauen, vor allem wenn keine Arbeit, weder Umgraben noch Bauen, an solchen Bäumen mehr hilft. Es komme Christus zu ihnen, wann er will, so findet er nur seinen Namen, sozusagen nur grüne Blätter (die allerdings, obgleich sie dem Namen Christi entsprechen, nicht zur Gesundheit der Heiden dienen: Off. 22,2) und keine Frucht. Für solche gilt der Fluch Christi „Wie für den Feigenbaum (Matth. 21,18 ff.). Denn wenn Christus mit Hunger ankommt (d. h. die Frucht begehrt und sucht), die Frucht aber nicht findet, so kann und mag nichts anderes folgen als nur Vermaledeiungen wie über den Feigenbaum, so daß man verdorrt und (wie die Abgehauenen, die nicht am Weinstock Christi Frucht bringen) fürs Feuer zubereitet wird.

Das schreibe ich darum, damit wir die Zeugnisse unserer Herzen wohl wahrnehmen, auf daß wir, wenn wir sündigen, rechtschaffene Frucht der Buße tun und vollbringen, damit nicht der Zorn Gottes und der Fluch Christi über uns komme zum Verderben, wie er über alle Feinde Gottes gewiß kommen wird, so daß das letzte übel ärger wird als das erste (Luk. 11, 29ff.). über solche erbittet sich auch der Psalmist David Rache und spricht: „Herr, laß eine Missetat nach der andern über sie kommen; mache ihnen ihren Tisch zu einem Strick“ usw. (Psalm 69, 23 ff.). Denn es kann keine größere Strafe oder Rache gefunden werden, als wenn man von einer Missetat und Sünde in die andere fällt und dennoch meint, man habe teil an der Tischgemeinschaft Christi, obgleich sie nur an ihrem eigenen, zum Strick verwandelten Tisch sind und bleiben und davon zum Gericht essen und gar nicht von des Herrn Tisch. Obschon sie geladen sind (Matth. 22,2 ff.; Luk. 14, 16 ff.) oder aber mit besudelten Kleidern zum Hochzeitsmahl kommen, so werden sie doch des Herrn Abendmahl in Ewigkeit nicht schmecken, sondern sie werden ihr eigenes Mahl von ihrem zum Strick verdrehten Tisch essen und gerichtet werden, so daß sie verbannt und verdammt ausgehen müssen. Denn sie können im Gericht nicht stehen bleiben, wie der Psalmist spricht und bittet: „Laß sie verdammt ausgehen, wenn sie gerichtet werden“ usw. Und wie der Herr spricht und befiehlt, solche unehrlichen Menschen mit gebundenen Händen und Füßen hinauszuwerfen in die äußerste Finsternis usw. <Matth. 18,6>.

Das alles sind erschreckende und harte Reden, über die man sich entsetzt und erschreckt, wenn man sie wirklich mit Ernst recht bedenkt, und wohl denen, die sich durch des Herrn Wort so erschrecken lassen und sich mit Ernst darüber entsetzen. Denen naht das Heil. Denn sie werden dem Herrn Christus zubereitet und zugeführt durch rechtschaffene Früchte der Buße, daß er sie begnadet. Diese Frucht der Buße bewahrheitet sich in Leid, Trauern, Angst und Schmerzen im Gewissen, in Herzeleid und in rechtschaffenen Früchten der Buße.

Die erste Frucht der wahren Buße

Es ist die, daß sich der Sünder des ewigen Todes schuldig erkennt unter der strengen, ernsthaften Gerechtigkeit und zornigen Rache Gottes; daß er ganz beschämt wird, in seinen eigenen Augen ganz zerschlagen und zerbrochen, mit Furcht und Zittern vor dem Angesicht Gottes erscheint, hilflos, trostlos, ganz verlassen von allen Kreaturen im Himmel und auf Erden; daß er weder bei sich selbst noch in irgendetwas eine Hilfe mehr hat oder weiß, sucht oder erkennt: nur allein die Sünde und Schuld, die ihn hinunterrichtet mit dem Teufel und seiner Gefolgschaft in die Hölle. Das ist die erste und allerbitterste Frucht „einer wahren Buße, auf daß wir vor allen andern Früchten versuchen und erfahren, was für Früchte, uns die Sünde, die wir begangen haben, bringt, und daß wir sie zum ersten kosten und genießen. Ja, vor ~ aller andern Frucht muß ein wahrer Büßer das genießen, was er selber (durch Betrug der Sünde) gearbeitet und gesät hat. Denn was ein jeder sät, das muß und wird er ernten oder schneiden (Gal. 6,7 ff.). Denn alle Schmerzen, Angst und Not, Leiden samt dem ewigen Tod sind die wahre Frucht und Belohnung, ja der rechte Sold der Sünde, den alle Sünder, die nicht begnadigt werden, empfangen und mit dem sie hinuntergerichtet werden zum ewigen Verderben. Und wer Christus in dieser Vertiefung (d. h. in dieser rechten Taufe zur Verzeihung der Sünde) nicht findet, der wird ihn in der Höhe in Freud und Glorie in Ewigkeit nicht finden. Denn der hinunter ist gefahren, der ist es, der hinaufgefahren ist <Eph. 4,9 ff.>. Wer dieses Osterlamm genießen will, der muß bittere Salze mitgenießen (2. Mos. 12, 8). Es steht dennoch in Gottes freier Gnade, ob er <dem Menschen>, auch wenn dieser die unschuldige Bitterkeit versucht, das Lamm Gottes, das hinwegnimmt die Sünde der Welt, zu genießen geben wird oder nicht. Ob wir schon den Kelch des Leidens der Verschuldung trinken, so wird uns darum das Reich Gottes nicht beschieden3. Denn Kain, Esau, Saul, Judas und andere mehr (Heb. 12,1 ff.), wie alle Sünder, die haben die Bitterkeit empfunden, aber der Genuß des Lamms ist ihnen auf ewig versagt. Wer darum die Güte Gottes besehen will, der besehe zuvor den Ernst (Röm. 11,22). So viel in Kürze von der ersten Frucht der Buße.

Die zweite Frucht wahrer Buße

<Es ist die>, daß Gott zugleich mit dem Verdammen einen kleinen Glanz Hoffnung, begnadet zu werden, scheinen läßt, auf daß der Sünder mit Langmütigkeit! die Gnade erwartet, damit er inne werde, daß er Gott um seine Gnade nicht pfänden oder berauben kann. Mittlerweile hält er das göttliche Zögern und Zurückhalten der Gnaden des Trostes und des Friedens im Heiligen Geist für seine Seligkeit, bis das Licht <anders ausgedrückt: bis> der Tag der Gnade am Teich des Gnadenwassers (Joh. 5, I ff.) -hell erscheine und <das Wasser> bewegt werde, <dem Kranken zur> Hoffnung, gesund zu werden - oder aber bis ihn Christus in der Halle Salomonis nach 38jähriger Krankheit in solcher Hoffnung und Langmütigkeit findet, um sich seiner zu erbarmen. Dann heißt er ihn aufstehen, nimmt den Schmerz der Sünde, die Angst und Not des Gewissens sowie die Sünde hinweg und schenkt und gibt Frieden und Freude im Heiligen Geist. Ach Gott, wie sind wir so gar ungeduldig, deine Tröstung zu erwarten! Wir meinen gleich, du müßtest uns mit deiner Tröstung und Barmherzigkeit zu Füßen fallen, es brauche nicht mehr, als daß wir nur die Sünde bekennen und selbst ein Leid und falsche Reue erdichten, um in die Gemeinschaft Christi aufgenommen zu werden; damit sei die ganze Sache schon richtig. Wer so denkt, wird weit in die Irre gehen und durch sich selbst betrogen werden.

Die dritte Frucht wahrer Buße

Es ist die, daß dem Sünder das, was er wider Gott getan hat, mehr leid tut als das, was er darum leiden muß. So begehrt er von Gott (in Hoffnung auf seine Gnade) nicht, von Kreuz und Leiden loszuwerden, bis der Wille Gottes an ihm gesättigt wird und bis er im Leiden (wie der Schächer zur Rechten) begehrt, daß Gott seiner gedenkt. Denn der Schächer dachte gar nicht daran, vom Kreuz des Todes ledig zu werden, sondern der böse Schächer zur Linken (den der andere zurechtwies, daß er auch Gott nicht fürchtete, während er selber seine Schuld der Fürsorge der Unschuld Christi empfahl), der sprach: „Bist du Gottes Sohn, so hilf uns und dir vom Kreuz“ <Luk. 23, 39 ff.>.

So tun noch heute die vipernatterischen Büßer, denen es nur darum leid ist, daß sie um der Sünde willen leiden müssen, und es ist ihnen nicht leid um die Sünde selber, mit der sie das Leiden verschuldet haben. Die wahren Büßer aber begehren nicht, das verschuldete Leiden, sondern die Sünde loszuwerden. Sie empfehlen ihre Schuld der Fürsprache der Unschuld Christi, bekennen, daß sie mit Recht und schuldig leiden und daß der Herr Jesus Christus unschuldig für unsere Sünden gelitten hat, und warten so mit aller Geduld auch auf die Erlösung vom Leiden durch den, der sie erlöst hat von ihren Sünden, die Sünde nimmermehr zu vollbringen, auf daß sie nun fortan ihrem Gott ganz zum Wohlgefallen leben können. So viel von der dritten Frucht der Buße.

Die vierte Frucht der Buße

Obwohl die Sünde (nach der ersten adamitischen Fleischgeburt) in uns stecken bleibt, so läßt ein wahrer Büßer sie doch nicht herrschen, weil er noch um der Sünde willen mit Christi Unschuld am Kreuz leidet. Denn welcher Übeltäter begehrt oder tut noch übeltat, wenn er gefangen ist und Marter leidet wegen seiner übeltat, er sei denn freventlich ganz verzweifelt? Viel weniger noch lassen diese Sünder die Sünde herrschen, weil sie wahre Gottesgefangene sind und die Pein im Gewissen um der Sünde willen leiden und noch keinen gewissen Trost haben, sondern lediglich hoffen, die Sünde loszuwerden. Es müßte ein großer Frevel und Mutwillen wider Gott sein, Sünde zu tun, während man in der Buße steht und im Gewissen gefangen ist und eine Hoffnung auf die Erlösung hat. Darum läßt ein wahrer Büßer die Sünde nicht herrschen, sondern nimmt mit der Buße, soll es wahre, beständige Buße sein, den Befehl Christi an, daß er es nicht mehr tun soll, auf daß das letzte übel nicht ärger werde als das erste (Luk. 11, 26). Denn das ist die höchste, größte und allernützlichste Buße, daß man fortan dem Willen Gottes und nicht der Bosheit lebe. Ohne das ist alle Buße vergebens und Gottes Sohn gekreuzigt und mit Füßen getreten (Heb. 6,4ff.; 10, 26ff.).

Die fünfte Frucht der Buße

<Es ist die>, daß ich keine Kreatur im Himmel und auf Erden wegen meiner Sünde beschuldige oder sie als Ursache meiner Sünde ausgebe; etwa so: Wenn dies und das nicht gewesen wäre, so wäre ich so fromm gewesen; daß ich's nicht getan hätte. Denn die ursprüngliche Bosheit entspringt nur aus sich selber. Sie nimmt und hat in sich selber, durch sich selber den Anfang, als wäre sie von ewig her, wie ein lügenhafter falscher Gott, der aus sich selber eine Ewigkeit, von gleichen wahren göttlichen Ehren, macht, ein Dieb und Mörder, der alle Ehre dem wahren Gott stiehlt und die Menschen, die dem wahren Gott alle Ehre gönnen, ermordet. Damit ist er ein Anfang der Bosheit, ein Vater der Mörder, der Lügen, samt aller Bosheit und Schalkheit, ein Hasser alles Guten und Liebhaber alles Bösen. Folglich ist er ein Herr und Gott und Gewalthaber aller Schmerzen, die er um der Schuld der Bosheit willen in sich selbst trägt und hat. Sünde, Tod und Hölle folgen ihrem Gott nach. Denn die Schalkheit und alle Bosheit ist, wie schon erwähnt, ein eigener Gott, ungeschaffen, der sich selber (gleich dem ewigen und wahren Gott) aus nichts gemacht hat, als wäre die Bosheit (samt ihrem Gott) von ewig her. Also bleibt dieser Gott (als Fürst der Welt) auf ewig in seinem Eigentum. Hölle, Tod, Sünde samt allen Schmerzen folgen ihm nach als ihrem Gott. Wer darum irgendeine Kreatur im Himmel und auf Erden als Ursache seiner Sünde, Schalkheit und Bosheit ausgibt, sich damit zu entschuldigen, der beschuldigt seinen eigenen Gott, Schöpfer und Macher aller Kreaturen, obgleich diese Geschöpfe zu allem Guten erschaffen sind. Das heißt gerade so viel wie Gott lästern; als wenn ich spräche: Wenn Gott nicht wäre, so hätte ich nicht gesündigt. Das Gegenteil ist wahr: Wenn der boshafte Gott (seine und alle eigene Bosheit) nicht wäre, so geschähe auch keine Sünde. Aber wer sich so mit irgendeiner <andern> Ursache der Sünde entschuldigen will, der wünscht, daß statt seiner der wahre Gott mit seinen guten Geschöpfen der Lügner und ein Täter der Bosheit wäre. Das ist aber die Frucht wahrer Buße, daß Gott samt seinen Geschöpfen für wahrhaft und gut geachtet wird, wie er auch wahrhaft und gut ist. Ja, es ist besser, es bleiben alle Menschen Lügner und Gott wahrhaftig, wie Paulus sagt (Psalm 115, I; Röm. J,4). Aber die vipernatterische Art und ihr Gift ist voll solcher Ausreden, sich zu verbergen und andere in die Schuld zu stoßen. Wo solches verborgene Gift ist, da kann eine rechtschaffene Frucht der Buße nimmermehr folgen, sondern man muß mit dem David bekennen und sprechen: „Herr, ich, ich, ich bin der Schalk selber (2. Sam. 12,13)' Darum, mein Gott, wollest kein Gemächt deiner Hand wegen irgendeiner Ursache beschuldigen oder wegen meiner Sünden strafen, sondern mir, mir, mir folgt mit Recht alle Schuld samt aller Pein und Strafe. Denn ich habe stets demselben Fürsten, nämlich dem Gott aller Bosheit, Gefolgschaft geleistet und die Einwilligung aus eigenem Mutwillen selber gegeben. Denn du bist stets mein Gott, Herr und Erlöser, der du mir und allen Menschen die Macht und das Vermögen, aller Bosheit zu widerstehen, wiedererobert, geschenkt und gegeben hast. Darum habe ich diese von dir eroberte Macht, dein Gericht und deine Gerechtigkeit, mit der du den Fürsten dieser Welt gerichtet, gebunden und überwunden hast, selbst mutwillig dem Feind meines Heils wieder übergeben und ihn über mich mit seiner Bosheit und Schalkheit herrschen lassen. Der hat mich wieder gefangen und mir die Macht genommen. Also habe ich die von dir eroberte Macht, dein Gericht, deine Wahrheit und alle Gerechtigkeit wieder verloren und dem übergeben, den du durch deine Kraft gebunden und von dem du alle seine Waffen, samt seiner Macht, auch alle seine Güter, die er dem menschlichen Geschlecht gestohlen, wiedererobert hast, um sie uns allen wieder zur Beute zu schenken, seinen Raub zu verteilen und uns die Macht, Gewalt und Stärke wiederzugeben (Matth. 12,22 ff.). Die hätte ich behalten sollen und sollte über das Heil meiner Seele besser gewacht haben. Ich habe es verschlafen (Matth. 24,38 ff.), bis der Feind, Dieb und Mörder mein Haus untergraben und durch Betrug der Sünde Unkraut in mein Herz gesät hat, so daß der Fall meines Hauses sehr groß ist. Es wird auch nicht wiederhergestellt, noch werden mein Herz und meine Seele gesund. Du, Herr Jesus Christus, stehst dann ein für den Fall und Riß. Das erhoffe ich mir aus deiner Barmherzigkeit und Gnade, daß du mich wieder aus meines Feindes Hand erretten und erlösen, mein Haus wieder aufrichten, das Unkraut der Sünde „wiederum ausjäten, dich meines Elends und großer Armut erbarmen und mir armen Sünder gnädig sein wirst.“

Und wie ich wollte, daß Gott meine Sünde zudeckte, die Größe der Schuld mir nicht zurechnete und meine Übertretung vergäbe, so wird man auch zubereitet, solches in wahrer Buße gegenüber allen Kreaturen zu tun und keines anderen Menschen Sünde zu offenbaren oder zu beichten, wenn Gott es ihnen nicht zuvor aufgedeckt, bezeugt, hervorgezogen und durch öffentliche Tat offenbart hat. Wer aber anderen seine Sünde bekennt und hervorzieht, erst nachdem ihm seine Sünde hervorgezogen und offenbart worden ist, obgleich er das (nach dem Befehl Christi) vorher hätte tun können, sich aber nicht unter diese Zucht begeben hat -der handelt wie die ganze Welt, die spricht: Ei, ich bin es nicht allein, auch nicht der erste; ein anderer hat doch dies und jenes, dies und das auch getan oder tut es noch. Er deckt seine Sünden auf und zieht sie hervor wider alle Ordnung Gottes, obgleich er es nach dem Befehl Gottes vorher, vor Offenbarung seiner Sünde und Schande, hätte tun können. Er tut es aber erst, wenn ihm Gott seine Sünde hervorzieht, offenbart und zuschanden macht. So greift die vipernatterische Art Gott und dem Heiligen Geist in sein Geheimnis und offenbart ihre Schande und Sünde, um sich damit zu beschönigen.

Es wäre noch viel zur Lehre und Reinigung unserer Gewissen hinsichtlich wahrer und falscher Buße zu unterscheiden. Gott unser himmlischer Vater, der gebe Gnade und der Herr Jesus Christus, daß wir uns recht demütigen gegenüber der großen Höhe und Güte unseres Vaters und daß wir uns darstellen und bekennen ohne ein Falsch unseres Geistes, ja recht offenbaren, bekennen und darstellen. Wir können uns nie genug demütigen vor unserm Gott, gegen den wir gesündigt haben. Und wo sich eine solche Reue, wahre Traurigkeit und Leid bei den Sündern findet, da bewirkt sie eine Reue, die niemanden mehr reut (2, Kor. 7,10), und wo die Sünde so im Leid (ich sage nicht: im Werk der Bosheit) überhand nimmt, da nimmt auch die Gnade überhand. Ohne das bleibt ewige Reue, Schmerzen und Angst der Gewissen, samt ewiger Pein, wo man das Rechte und Gute verläßt und tut Lüge, Sünde, Bosheit, samt aller Ungerechtigkeit.

So nehmt bitte diese Ermahnung und Erinnerung an, samt anderer Heiliger Schrift, die uns nicht wider die Zucht und den Gehorsam des Wortes der Wahrheit weist, sondern einführt und anzeigt, was zu Gottes Preis und zum Heil unserer Seelen dient. Auch wenn es uns Reue, Leid und Trauern bereitet, so nimmt und empfängt doch niemand einen Schaden, nur die, die sich mutwillig verstocken und verzweifeln, die auch Gott keine Ehre gönnen. Denn stets wird alle Zucht, Strafe, Drohung der Gewissen, samt allem Leiden an Geist, Seele und Leib, was zur Reinigung und Heiligung dient, als ein trauriges Ding und, wenn man drinsteckt, als schwere Angst angesehen. Aber hernach, sagt der Heilige Paulus, gebiert es die friedsame Frucht ewiger Seligkeit.

So nehmt bitte auch dies mein Schreiben zu Euer und unser aller Besserung auf und an und erwartet in dem allen den Trost der Stärke, Frieden, Gnade und Liebe in und mit wahrer Hoffnung und Langmütigkeit. Das bitte ich von Gott unserm himmlischen Vater und von dem Herrn Jesus Christus, daß er Euch samt uns die Wirkung und Geistung des Heiligen Geistes schenken und geben wolle, solches zu erwarten. Amen. Amen. Amen.

Die Gnade unsers Herrn Jesu Christi sei Euer Trost und unser aller. In ihm können wir uns mit Euch in der Wahrheit wieder erfreuen, unser Trauern aber ergötzt und getröstet werden. Amen.

Datum: Augsburg, den 24. August Anno 1550. Im Herrn Jesus Christus Euer und aller Wahrgläubigen Diener und Mitgenosse an der Trübsal, die in Christus ist,

Pilgram Marbeck

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