Luther, Martin - Die sechste Wittenberger Predigt.
Am Freitage nach dem Sonntage Invocavit.
Bisher haben wir die Hauptstücke gehandelt, und sind nun kommen zu dem Sacrament des Leibes und Bluts Christi, davon wir gestern ein wenig gesagt; heut aber wollen wir etwas mehr sagen, wie man sich hierinne halten soll, und welche zu der Empfahung des Sacraments geschickt sind und gehören.
Erstlich will hie groß vonnöthen sein, daß ihr euer Herz und Gewissen wohl verständiget, einen großen Unterschied zu machen zwischen der äußerlichen Empfahung des Sacraments, und zwischen der innerlichen oder geistlichen Empfahung. Die leibliche und äußerliche Empfahung ist die, wenn ich den Leichnam Christi und sein Blut äußerlich mit dem Munde empfahe. Und solche Empfahung kann wohl ohne Glauben und Liebe geschehen von allen Menschen; aber diese Empfahung machet keine Christen. Denn das können böse und gute Menschen thun, und wäre ein schlecht Ding, ein Christ sein, wenn es damit wäre ausgericht.
Aber die innerliche, geistliche und rechte Empfahung des Sacraments ist viel ein ander Ding. Denn sie stehet nicht allein in dem leiblichen Empfahen des Leibs und Bluts Christi, sondern in der Uebung und in den Früchten; welche Empfahung geschieht im Glauben. Wir Christen haben kein äußerlich Zeichen, damit wir von andern Völkern abgesondert sind, denn dieß Sacrament und die Taufe. Aber ohne den Glauben ist die äußerliche Empfahung dieser Sacramente Nichts; der Glaube muß vorhanden sein, und die äußerliche Empfahung geschickt machen, und uns anzeigen vor Gott; sonst ist ein lauter Spiegelfechten und ein äußerlich Wesen, in welchem die Christenheit nicht stehet; sondern im Glauben stehet die Christenheit, die an kein äußerlich Werk gebunden ist noch gebunden sein will. Der Glaube aber ist dahin gericht und stehet darinne, wollen wir anders dieß Sacrament würdig empfahen, daß wir festiglich glauben müssen, daß Christus Jesus Gottes Sohn sei und die einige Genugthuung für unsere Sünde: der da unsere Sünde und Missethat auf seinen Hals genommen hat, und am Kreuze für dieselbigen, durch seinen Tod und Leiden, genug gethan, und sie dem Vater abgedienet, und nun vor Gott ohn Unterlaß stehe und versühne uns vor dem Vater, sei unser Mittler und Fürsprecher, und mache uns einen gnädigen, barmherzigen und gütigen Vater, der uns unsere Sünden vergeben wolle und derselbigen nimmermehr gedenken, durch diesen seinen einigen Sohn, unsern Herrn Jesum Christum; und daß dieser Sohn solches Sakrament, da sein Leib und Blut, eingesetzt habe, unsern Glauben mit zu versichern und zu bekräftigen, und uns befohlen habe, solches zu nehmen und zu genießen.
Wer den Glauben hat, der gehört eben hieher, und ist geschickt genug, zu empfahen dieß Sacrament, den Leib und das Blut Christi. Einem solchen Menschen, der das festiglich glaubet und gewiß dafür hält, dem kann weder Sünde noch Tod, weder Hölle noch Teufel schaden. Denn Gott ist mein Schutz und Rückhalter, Ps. 73, 23. ff. Wenn ich den habe. Trotz aller Sünde, Trotz dem Tode, Trotz der Hölle, Trotz allen Teufeln, daß sie mir schaden, ja irgend ein Härlein krümmen: denn Gott streitet für mich, schützet und schirmet mich, daß sie mir Nichts anhaben können; ja, müssen wider ihren Willen, ihnen zu großem Nachtheil dienen. Das ist der hohe, köstliche und überschwängliche Schatz, der uns in Christo gegeben und geschenkt ist, welchen kein Mensch mit Worten erreichen, noch kein menschlich Herz begreifen kann; allem der Glaube muß es fassen.
Einen solchen Glauben aber haben nicht alle Menschen; darum soll man keine gemeine Ordnung aus diesem Sacrament machen: wie denn der Pabst mit seinen tollen, närrischen Gesetzen gethan hat; da er gebeut, es sollen alle Christenmenschen des Jahrs einmal zu österlichen Festen zum Sacrament gehen, und das sollte ihre Strafe sein, wenn Einer nicht hingehet, daß man ihn nicht auf den Kirchhof begrabe. Ist das nicht ein toll närrisch Gesetz, vom Pabst aufzeucht? Warum? Darum, daß wir nicht alle gleich sind, haben auch nicht alle einen Glauben; denn Einer hat einen stärkern Glauben, denn der Andere: Etliche springen davon, die Andern können kaum hinnach kriechen. Derhalben ists unmöglich, daß es in eine gemeine Ordnung gebracht und gedrungen kann werden.
Hieraus könnt ihr nun leichtlich schließen, daß durchs ganze Jahr nicht größere Sünden geschehen, noch erschrecklichere Gotteslästerung begangen wird, denn an österlichen Zeiten, allein dieses unchristlichen Gebots halben, daß man die Leute zum Sacrament zwingen und dringen will, Gott gebe, sie sind geschickt oder ungeschickt, lustig oder unlustig. Wenn gleich alle Räuberei, Mördern, Ehebrecherei, Hurerei auf einen Haufen gerechnet würden, so übertrifft diese Sünde alle andere Sünden; und eben da, wenn es am allerschönsten und heiligsten scheinet.
Daß aber der Pabst hierinne närrisch und unchristlich gehandelt habe, ist am Tage: denn er hat die Herzen nicht erkannt, ob sie geglaubt haben oder nicht. Es kann ein Mensch des andern Menschen Herz nicht erkennen, ob es glaube oder nicht glaube. Wie kann ich wissen, ob du glaubest, Christus trete vor dich, und setze Alles vor dich, was er hat, auch sein Blut, und spreche zu dir: Tritt frisch hinan, es hat keine Noch, diese Feinde alle sollen dir nicht schaden. Laß Teufel, Tod, Sünde, Hölle und alle Creaturen wider dick stehen; wenn du mich hast, sie sollen dir Nichts angewinnen, traue du nur mir, und hänge dich an mich, ich will dir frei hindurch helfen. Denn der in einem solchen Glauben stehet, der gehört hieher, und nimmst dieß Sacrament würdig, zu einer Sicherung und Wahrzeichen, daß er göttlicher Zusage und Versprechung gewiß sei. Ja, solchen Glauben aber haben wir nicht alle. O wollte Gott, daß ihn der zehente Mensch halte!
Derhalben muß man hie säuberlich fahren, und nicht eine gemeine Ordnung daraus machen, wenn und wie oft, auch daß Jeglicher, ohne Unterschied, zu diesem Sacrament gehe. Denn solche unaussprechliche reiche Schätze, damit uns Gott begnadet hat, können nicht einem jedermann gemein sein, denn allein denen, die in Anfechtungen, Verfolgung und Widerwärtigkeit stehen, es sei leiblich oder geistlich, äußerlich oder innerlich, es komme von Menschen oder vom Teufel. Als, wenn dir der Teufel dein Herz schwach, blöde und verzagt macht, daß du nicht weißt, wie du mit Gott dran bist, hält dir deine Sünde vor, und macht dich zappelnd und zagend: da siehe denn drauf, daß du dieses theuren edlen Schatzes theilhaftig werdest; ja, sei sicher, daß du ihn schon hast. Denn in einem solchen erschrockenen, zitternden Herzen will Gott wohnen und ruhen, wie Jesaias C. 66, V. 2. und auch David im Psalter saget, Ps. 51, 19. Denn wer begehret einen Schirm, Schutz und Rückhalt, denn dem wehe ist und der einen Widerstand fühlet?
Darum, wer sich noch nicht also befindet, daß ihn seine Sünden beißen und der Teufel anfechte, der gehört noch nicht zu dieser Speise: denn diese Speise will einen hungerigen, verlangenden Menschen haben, und gehet gerne in eine solche hungerige Seele, die täglich mit den Sünden streitet und ihrer gerne los wäre. Welcher Mensch sich aber noch nicht also fühlet, der enthalte sich eine Zeit lang von diesem Sacrament. Denn diese Speise will nicht in ein satt und voll Herze: kommet sie aber drein, so ist sie mit Schaden allda. Darum wenn wir solch Gedrängniß des Gewissens und Blödigkeit unsers verzagten Herzens fühleten, würden wir wohl mit aller Demuth und Ehrerbietung hinzutreten, würden nicht also frech sein, und hinzulaufen, wie die Säue zum Troge, ohn alle Furcht und Demuth. Aber wir finden uns nicht allzeit geschickt; heut hab ich die Gnade darzu, morgen nicht; ja zu Zeiten kaum in einem halben Jahr einmal kömmet mich eine Andacht an, daß ich hinzu gehe.
Hieraus sollen wir nun beschließlich merken, daß die am besten geschickt sind zu diesem Sacrament, die ihre Sünde, der Tod und der Teufel anficht, die ohn Unterlaß mit diesen Feinden im Kampf liegen: denen wird es am bequemesten gegeben, und ist ihnen auch am nützlichsten: auf daß derselbige Mensch allda möge stehen, und glaube, daß ihm diese Feinde nichts schaden können; sintemal er den auf seiner Seiten stehend hat, der dieser Feinde aller mächtig ist, und uns aus aller Noth, Angst, Widerwärtigkeit und Trübsal kann erretten.
Also that Christus, da er dieß Sacrament einsetzte. Erstlich erschreckte er seine Jünger über die Maßen sehr, und zerschütterte ihre Herzen fast wohl, in dem, daß er sprach: er wollte von ihnen gehen, und daß Einer unter dem Haufen wäre, der ihn verrathen würde. Das war ihnen ein bitteres Salz, ein erschrecklich Ding, daß der von ihnen gehen sollte, auf den sie allen Trost geworfen hatten; und daß ihrer Einer ihn sollt verrathen. Allda werden ihre Herzen gezappelt haben, und in großen überschwänglichen Fürchten gestanden sein, daß sie nun erst sollten deß Verräther sein, von dem sie so viel Wohlthat empfangen hätten, der mit ihnen so freundlich und väterlich umgegangen war, als irgend ein Vater mit seinen Kindern. Da wird ein jeglicher gedacht haben: Ach Gott, willst du mich in eine solche große Sünde fallen lassen? Sind also da gesessen, die lieben Jünger, als wären sie alle Verräther und Bösewichte über ihrem Herrn und Meister, Darnach erst, da er sie wohl zitternd und bebend gemacht hatte, setzte er dieß Sacrament ein, zu einem Trost und Erquickung, tröstet sie also wiederum.
Daraus ihr wohl abnehmen könnt, welchen dieß Sacrament am bequemsten und nützlichsten ist: nämlich den betrübten, verzagten, bekümmerten, blöden Gewissen. Denn dieß Brod ist ein Trost der Betrübten, eine Arzenei der Kranken, ein Leben der Sterbenden, eine Speise der Hungrigen, und ein reicher Schatz aller Dürftigen und Armen. Das sei genug gesagt auf dießmal vom Gebrauch des Sacraments, wie ihrs brauchen solltet, und wer nützlich hinzugehet. Dabei wollen wirs jetzt lassen bleiben, und Gott um Gnade anrufen.