Luther, Martin - Von der Beichte.
(Aus: Sermon vom Sacrament des Leibes und Blutes Christi wider die Schwarmgeister)
Ueber das ist auch von der Beichte zu predigen, die Einfältigen wieder zu unterrichten, weil man weiß, wie wir uns bisher mit dem Beichten haben martern und schänden lassen, mit solcher Mühe, daß kein schwerer Gebot gewesen ist, weil die Welt gestanden ist. Zum ersten halte ich, das Wort, beichten, komme von dem Wörtlein Jahen, davon gemacht wird, beichet, bejehet d. i. bekennet, daher wir es in eine Sylbe gebracht haben, und heißens Beichte, das ist ein Bekenntniß. Als man auch etliche Heiligen genannt hat zu Latein Confessores, auf deutsch Beichtiger, Beichter, das ist Bekenner.
Beichte für Gott.
Es ist aber, wie ich vor mehr gesagt habe, dreierlei Beichte. Eine für Gott. Denn zum ersten ist für allen Dingen noth, daß ich mich für Gott einen Sünder erkenne, wie das Evangelium schließt, Röm. 3, 23. und Joh. 3,5.: Es sey denn, daß jemand von neuem geboren werde, kann er das Reich Gottes nicht sehen. Wer nun bekennet, daß er vom Weib geboren sey, muß Gott die Ehre thun und sagen: ich bin nichts, denn ein Sünder, wie David singet in Psalm 51 V. 7.: Siehe, ich bin aus sündlichem Samen gezeuget und meine Mutter hat mich in Sünden empfangen. Als sollte er sagen: Ich muß wohl ein Sünder seyn, es ist mir angeboren; sobald ich im Mutterleibe gemacht war, war ich ein Sünder, denn Fleisch und Blut, daraus ich gemacht bin, war Sünde; wie man spricht: Wo Haut und Haar böse ist, da wird kein guter Pelz aus. So ist der Thon, davon wir gemacht werden, nicht gut, was Vater und Mutter dazu thut und bringt, ist schon Sünde.
Wer nun das nicht bekennen, noch ein Sünder seyn will, sondern auch einen freien Willen haben, daß noch etwas Gutes an ihm seyn soll, der lästert und lügenstraft Gott, und muß ewig verdammt seyn, wie billig. Denn er will recht haben und Gottes Urtheil nicht leiden. Darum spricht abermal der Prophet Psalm 51, 6.: An dir allein habe ich gesündigt und übel vor dir gethan, auf daß du recht behaltest in deinen Worten, und rein bleibst, wenn du gerichtet wirst. Als wollte er abermal sagen: Ich will nicht mit dir hadern, sondern dein Wort lassen recht seyn, und mich unrecht bekennen, daß du wahrhaftig bist; aber die dich strafen, wollen ein vernünftig Licht haben, und etwas, dadurch sie Gnade überkommen; für denen wirst du wohl rein bleiben.
Nun diese Beichte müssen wir immerdar thun, so lang wir leben, daß wir immer sagen: Herr, für dir bin ich ein Bube in der Haut. Es ist aber ein Unterschied. Denn es kann solches auch wohl ein Bube und Unchrist sagen, lüget aber gewißlich. Es redet es niemand von Herzen, denn ein rechter Christ, wie der 32. Psalm V. 5. sagt: Ich sprach: ich will dem Herrn meine Uebertretungen bekennen, da vergabst du mir die Missethat meiner Sünde. Dafür werden dich alle Heiligen bitten zur rechten Zeit. Alle Heiligen, soviel ihrer ist, haben die Tugend an ihnen, daß sie Gott ihre Sünde bekennen und dafür bitten. Darum thut niemand solch Bekenntniß, denn die Christen und heilig sind.
Nun ists ein wunderlich Ding, daß, der für Gott fromm ist, und den heiligen Geist hat, sagen soll, er sey ein Sünder. Es ist aber recht, er bekennt, was er gewesen ist und das er auch noch ist. Er hat den heiligen Geist, ist aber dennoch noch ein Sünder um des Fleisches willen; darum schreien alle Heiligen über das Fleisch. Auch ist der Teufel nicht weit davon, der schüret zu, daß er das Fleisch in Sünde bringe, darum ist es ein hoch und groß Bekenntniß.
Die andern sagen auch, sie seyen Sünder; aber wenn es andere Leute von ihnen sagen, wollen sie es nicht hören. Die Heiligen aber, wenn mans ihnen sagt, oder wenn sie Gott strafet um der Sünde willen, sagen sie: Ja, es ist recht. Jene Heuchler können sich wohl selbst tucken, hören aber auf, wenn sie wollen; aber von andern Leuten wollen sie ungestraft und geehret seyn; wie jetzt Pfaffen und Mönche thun, sagen auch, sie seyen Sünder; wollen aber nicht hören, daß wirs sagen. Darum fragt Gott nichts nach solcher Beichte. Diese Beichte ist nun geboten und nöthig, und die ganze Welt schuldig zu thun; es thut sie aber niemand, denn die Christen.
Beichte für dem Nächsten. Demuthsbeichte.
Die andere Beichte ist, die man nicht Gott, sondern dem Nächsten thut, davon Christus Matth. 5. u. 6. redet; da schreibet auch Jacobus in der Epistel 5, 6.: Einer bekenne dem andern seine Sünde, das ist, haltet euch also, daß sich ein jeglicher für dem andern demüthige, und bekenne seine Schuld, wo er jemand beleidigt hat. Das Beleidigen aber ist mancherlei, gemein und sonderlich.
Gemeine Schuld der Christen.
In der gemeinen (habe ich Sorge) sind wir alle zumal, da wirft uns das Vater Unser ein. Das ist die, daß wir dem Nächsten nicht helfen, als wir schuldig sind, zu helfen, mit Worten, Predigen, Rathen, Trösten, mit Geld, Gut, Ehre, Leib und Leben, die ist so hoch gespannt, daß keiner so heilig ist, er bleibt in der Schuld; darum müssen wir alle unter einander sagen: Ich bin dir schuldig, du bist mir schuldig, sonderlich aber wem Gott viel gegeben hat, der ist auch viel schuldig. Ich bin auch mehr schuldig, denn sonst vielleicht zwanzig oder wohl hundert; er wirds auch von mir fordern, da wird nicht anders aus, wird es auf den letzten Heller rechnen, wie ichs angelegt und damit geworben habe. Diese Schuld gehet nun in gemein hindurch, daß sie niemand sonderlich trifft; ich bin jedermann schuldig, so ist mir wiederum jedermann schuldig Trost und Beistand, wo ich Noth leide und Hülfe bedarf. Wir sind aber nicht fleißig genug, daß wir die Leute suchen, die unser bedürfen, und Dienst anbieten, wird uns auch zu viel.
Schuldregister.
Wenn wir nun das Register ansehen, wie viel wir schuldig sind, müssen wir zappeln und zagen, und finden keinen Rath, denn daß wir sagen: man ist mir wieder schuldig, habe mit andern auch zu rechnen, das will ich ihnen allzumal schenken; darum bitte ich, Herr, du wollest mir auch vergeben; damit mache ich einen Strich dadurch und lösche es aus. Hätten wir den Rath nicht, so stünden wir übel; darum bleibt es bei dem Vater Unser, ist auch noth, daß wir unsern Schuldigern vergeben, soll uns unsere Schuld vergeben werden, wie Christus im Evang. Matth. 18, 22. u. folg. lehret. Das ist die eine Beichte, daß man öffentlich muß beichten für den Leuten und die Schuld bekennen; für Gott bin ich nicht fromm, für der Welt auch nach der gemeinen Schuld, da hat jeglicher zu dem andern Zuspruch, thut keiner genug. Darum muß einer den andern bitten, daß er ihm vergebe.
Diese Beichte thut nun auch kein anderer Mann, denn ein Christ. Denn das leiden die Unchristen nicht, daß sie solches für Sünde rechnen, führen das geistliche Recht, das da sagt: jedermann gebühret das seine; meinen, daß sie die Güter, so sie haben, um ihretwillen haben, darum brauchen sie auch allerlei Güter nur zu ihrer Ehre und Lust, wie Salomo sagt in Sprüchwörtern. Der Gottlose hat Nahrung allein zur Sünde, der Gerechte aber ist mild. Der Gottlose braucht seines Guts, Klugheit, Kunst, Ehre, daß er will Lust und Nutz davon haben; das ist alles Sünde und so Sünde, daß er noch meinet, es sey keine Sünde, sondern recht.
Gott hat uns darum geschaffen, daß wir sollen des Nächsten Schaffner sein; wir bleiben aber alle wohl daran schuldig. Aber das haben wir zuvor, daß wirs erkennen und ist uns leid, streben darnach, daß wir alle Tage mehr und mehr thun, fürchten uns für Gott, thun so viel, als wir können und der Adam lässet; was wir darüber nicht thun, macht Gott einen Strich dadurch, wie gesagt, trauens nicht zu zahlen, es ist zu viel, darum sagen wir: Vergib mir, ich will wieder vergeben.
privat- oder sonderliche Beleidigung.
Ueber diese gemeine Schuld ist nun auch eine sonderliche, da Christus von redet Matth. 5, 25. Wenn eine sonderliche Person beleidigt, belogen, beschädigt, gescholten oder am Gerücht geschändet wird, das soll man auch beichten und sagen, man habe unrecht gethan, und dem Nächsten abbitten. O, das thut auch wehe, den Adam so brechen, und sich herunter lassen gegen einen armen Menschen, den man verachtet, und demselben Recht und die höchste Ehre geben, und ihm selbst die größte Schande. Das war vor Zeiten in Klöstern auch Gewohnheit, daß man die Mönche dazu zwang; es war aber Büberei.
Ein Gottloser demüthigt sich nicht so tief, daß er sich selbst schändet, stehet nicht, daß ihm eine große Ehre für Gott wäre und für frommen Leuten. Für dieser Schuld können sich die Christen ja etlichermaaß bewahren, beide für sich und andere, daß man sie zudecke und strafe, wo es einer höret und stehet von andern. Die gemeine (Schuld) aber kann niemand wehren. Von den zwei Beichten reden wir aber hie nicht; denn diese gehen das ganze Jahr immerdar, und nicht allein, wenn du zum Sacrament willst gehen.
Heimliche Beichte.
Hie redet man aber von der heimlichen Beichte, welche ich halte, daß sie kommen ist aus der öffentlichen Beichte, daß so zugegangen ist, daß die Christen die vorigen zwei Beichten in gemein gethan haben, also daß ein jeglicher öffentlich bekannt, ehe er zum Sacrament gegangen ist, für Gott und Menschen. Da der Christen wenige geworden, hat es ein jeglicher einem sonderlich gesagt. Darnach hat man's dahin gebracht, daß man die Sünde hat ordnen und zählen wollen, sie wollen aber wohl ungezählet bleiben, du wirst nimmermehr rechnen, wie viel du thun solltest, das du nachlässest.
Dieser Beichte Freiheit und Nutz.
Von dieser sagen wir nun so, wenn jene zwei öffentlich geschehen, ist man nicht schuldig, diese zu thun, Gott weiß doch deine Sünde wohl, wenn du sie nur für ihm und darnach für deinem Nächsten bekennest, sind die Sünden vergeben. Aber doch ist sie mit Nichten zu verwerfen, um derer willen, die sie gern brauchen wollen. Ursache ist, denn in der heimlichen Beichte ist viel Nutz und köstliches Dings. Zum ersten die Absolution, daß dich dein Nächster freispricht cm Gottes Statt, daß gleich also viel ist, als Gott selbst spräche, das uns sollte ja tröstlich seyn. Wenn ich wüßte, daß Gott an einem Ort wäre, und wollte mich selbst frei sprechen, wollte ichs nicht ein Mal, noch an einem Ort, sondern so oft ich immer könnte, daselbst holen. Solches hat er nun in des Menschen Mund gelegt, darum es gar tröstlich ist, sonderlich dem beschwerten Gewissen, solches da zu holen.
Zum andern dienet sie für die einfältigen Kinder. Denn weil der gemeine Pöbel ein unfleißig Ding ist, höret immerdar Predigt und lernet nichts, hält auch in Häusern niemand an, daß mans treibet, darum wenn sie nirgendzu gut wäre, so ist sie je dazu gut, daß man die Leute unterweiset und höret, wie sie glauben, beten, lernen u. s. w., sonst gehts dahin, wie das Vieh. Darum habe ich gesagt, man soll das Sacrament niemandem geben, er wisse denn Bescheid zu geben, was er hole und warum er hingehe. Solches kann nun am füglichsten in der Beichte geschehen.
Zum dritten ist aber ein Trost darin, wer ein bös Gewissen hat, oder sonst ein Anliegen und Noth, daß er da um Rath bitte. Darum können wir die Beichte nicht verachten, denn es ist da Gottes Wort, das uns tröstet und stärket im Glauben, dazu unterrichtet und lehret, was uns fehlet, dazu auch Rath gibt in Nöthen. Darum thut diese Beichte auch niemand recht, denn fromme Christen. Denn es müssen solche Leute seyn, die da fühlen, daß sie gern wollten Rath und Trost haben. Das ist aber der Fehl daran, daß man nicht hat Acht auf die Absolution gehabt, sondern auf unser Werk, wie wohl und rein man beichtet, dazu die Sünd hat wollen zählen, welches man nicht thun kann, wird auch zu viel und große Arbeit mit Zuhören.
Beichtform.
Darum wäre das die beste Weise, daß man kurz davon komme: Lieber Bruder, ich komme und will meine Sünde klagen, daß ich ein Sünder bin für Gott und Menschen, sonderlich liegt mir an das und das Stück u. s. w. Willst du es sagen oder nicht, stehet bei dir. Darnach beschlossen: darum bitte ich, gebet mir guten Trost, und stärkt meine Seele u. s. w. So würde es keine Mühe und Arbeit haben, ohne daß es ein köstlich Werk ist, welches niemand thut, denn ein frommer Christ.
Des Pabstes Zwang.
Aus dem allen stehest du, daß des Pabstes Gebot des Teufels ist, daß er jedermann dringet bei Gehorsam und Todsünde, und die es nicht thun, dem Teufel gibt; so doch solches in unserer Macht nicht steht, weder zu nehmen, noch zu geben, sondern eine Gabe ist vom Himmel herab, Jacob. 1. Weil es nun Gott nicht geboten hat, soll es kein Mensch gebieten. Wenn ich gleich alle dahin triebe, wie viel sind ihrer, die gern beichten, daß sie hingedungen werden ohne alle Noth? Unter zwanzig tausend nicht einer. Mit den andern macht man nicht mehr, denn daß man Gottes spottet und greulich lästert. Denn da spricht der Priester ein Urtheil an Gottes Statt, das fehlet und wird nicht wahr. Denn er beichtet nicht gern und höret die Absolution nicht gern, glaubet auch nicht daran. Die Schuld ist nicht am Priester, sondern an dem, so da beichtet, der da trüget und die Absolution nicht von Herzen begehret.
Nun hat Gott keine Lust dazu, daß man sein Wort vergeblich führe, 2. Mos. 20, 7. Hast du nicht Lust dazu, so laß es anstehen, auch alle drei Beichten. Es gehört nur frommen Leuten zu; sonst ists besser, man lasse es anstehen; es ist doch nicht rechtschaffen, sondern verdammlich. So haben wir bisher nur dem Pabste zu Dienst gebeichtet, nicht unsern Seelen und heißt recht des Pabstes oder Kirchen Gehorsam; er hat Nutz und Ehre davon gehabt, die andern aber Verdammniß ihrer Seelen.
Also hast du einen kurzen und klaren Unterricht von den zweien, Sacrament und Beichte, daß es alles willig und aus Lust geschehe, also daß du von dir selbst her kommest, und deine Sünde fürtragest, habest Trost und Stärke, so ist es nützlich und seliglich. Und wäre noth, daß man die Kinder und einfältige Volk so dazu hielte und das lehrete und unterrichtete, doch nicht mit Zwang, sondern mit guten Worten. Denn es sonderlich, wie gesagt ist, auch dazu dienet und darum im Schwange gehen soll. Amen.
Quelle: Luthers Volksbibliothek, Band 1