Luther, Martin - Joh. 1, 29
Siehe, das ist Gottes Lamm, das der Welt Sünde trägt. Joh. 1, 29.
Das ist St. Johannis Predigt, daß er immer auf Christum treibet, daß wir Vergebung der Sünden allein durch ihn hoffen und haben sollen. Fromm sollen wir seyn und uns im heiligen Leben üben, das ist wahr; aber selig werden, solches widerfähret uns allein durch Vergebung der Sünden, daß jeder lerne Gott also erkennen, daß er gnädig sey und die Sünde vergeben wolle, und spreche: Herr, rechne nicht mit mir, ich weiß doch ja nicht mit meinen Werken zu bestehen; ich will mich wohl gern vor Sünden hüten und fromm seyn; aber damit ist mir nicht geholfen. Das allein hilft mir, was du durch den heiligen Johannem hast predigen lassen, daß wir sollen selig werden durch Vergebung der Sünden!
Da merke aber das mit Fleiß: So die Welt durch Vergebung der Sünden soll selig werden, so muß je folgen, daß die Welt eitel Sünde sey. Denn wo keine Sünde ist, da bedarf man der Vergebung der Sünde nicht: wiederum, da man Vergebung der Sünde bedarf, da muß je Sünde seyn. Also schleußt es sich fein, daß alle Menschen Sünder, und so viel an ihnen ist, verdammt sind; sollen sie aber selig werden, so ist das der einige Weg, daß die Sünde ihnen vergeben muß werden. Das geschieht aber, wie Johannes lehret, allein durch den Sohn Gottes; der ist das Lämmlein, da alle unsere Sünden aufliegen; das muß uns helfen. Denn so die Sünden auf uns sollten liegen, daß wir sie tragen müßten, so müßten wir in Ewigkeit verloren seyn, und vermöchte kein Mensch in den Himmel zu kommen. Aber es heißt: Vergebung der Sünde, daß der Sohn Gottes die Sünde für uns hat tragen müssen. Das heißt St. Johannis Predigt, dadurch man lernet, wie man soll selig werden, nämlich allein durch Vergebung der Sünden.