Luther, Martin - Jer. 23, 5
Und man wird ihn heißen: Herr unser Gerechter. Jerem. 23, 5.
Ich hab oft gesagt, daß ein christlich Leben in diesen zweyen Stücken stehe: erstlich, daß uns unsere Sünden, die wir gethan haben, ganz und gar vergeben sind und verziehen durch Christum, so wir an ihn glauben; darnach, daß uns nicht allein die Sünden vergeben sind und Gerechtigkeit da sey; sondern es ist auch allhier Heiligung von den übrigen Sünden, daß uns die übrigen Sünden nicht schaden. Denn Christus ist allda die allerwahrhafteste Gerechtigkeit, der ist ganz gerecht und rein und reinigt uns auch von den Sünden, die noch in unserem Fleische stecken. Denn diese Gerechtigkeit Christi ist unser, und wird uns zugerechnet, also daß wir ohne Sünde sind, nicht unserthalben, sondern von wegen der Gerechtigkeit Christi. Wenn ich nun an Christum glaube, so tritt Christus mit seiner Gerechtigkeit vor Gottes Angesicht im Himmel und verantwortet mich; darum sollen und müssen wir uns seiner Gerechtigkeit also annehmen, als sey sie unser eigen, und darauf trotzen, als auf unser ewig Erbtheil. Denn diese Worte hier, daß er heißt: Unser Gerechter, sind nicht Scherz. Da sieh nun, was ein Christ für Reichthümer habe, der da nimmermehr sterben kann; denn er hat Christum selbst. Was will nun der Tod oder die Sünde einem Christen in Todes-Nöthen anhaben? Nichts; der Tod wird ein Gelachter vor ihm, auch fragt er nach der Sünde nicht; denn weder Sunde noch Tod, weder Teufel noch Hölle, kann etwas ausbringen wider Christum, den ein Christ bei sich hat.
Wenn nun der Tod an einen gläubigen Christen kommt, so spricht der Christ: bene veneritis (Willkommen), lieber Tod, was bringet ihr Gutes? Was sucht ihr hier? - Weißt du nicht, wen ich bei mir habe? Christus ist meine Gerechtigkeit: Lieber, gehe her und nimm sie mir! Wenn du mir sie nimmst, so will ich dir folgen; du wirst's aber wohl lassen. Also trotzen die Christen dem Tod und sprechen mit Sct. Paulo 1 Cor. 15, 55: Tod, wo ist dein Stachel? Hölle, wo ist dein Sieg? Und wie er Phil. 1, 21 sagt: Christus ist mein Leben, und Sterben ist mein Gewinn. Sterb ich, so hab ich Gewinn; denn ich komme desto eher zum Leben. Da stehest du, was der Tod bei den Christen ausrichtet. Er ist nur ihr Gewinn, sie verlieren nichts an ihm; er aber beißt sich an ihnen zu Tode.
Also gehets auch mit der Sünde, die noch übrig ist und uns noch anhanget: die kann uns nichts schaden, kann uns auch nicht verdammen: denn Christus ist bei uns, der feget und reiniget uns also, daß wir von Tag zu Tag je länger je heiliger, und den Sünden je länger je feinder werden, begehren also zu sterben und trachten nach der Seligkeit und nach dem ewigen Leben. Das heißt denn unsere Heiligung. Darum, well Christi Gerechtigkeit unser ist, so feiert sie nicht, sondern feget und reiniget uns, so lange wir hier leben, bis daß wir auch rein und heilig werden, wie Christus heilig ist. Aber das Alles kömmt von Ihm her.
Also hat der Prophet mit diesen Worten angezeigte das Amt Christi, nämlich, daß er unser König, unser Bischof oder Priester und unsere Gerechtigkeit sey, dazu auch unser Erlöser von Sünden, Tod, Teufel und Hölle, und errettet uns aus allen Nöthen und sey unser Leben, Heil und Seligkeit. Darum wenn ich den hab durch den Glauben, so kann die ganze Welt nichts wider mich aufbringen, noch mir irgend einen Schaden thun; denn er ist zu groß und sitzet zur Rechten Gottes; da wird er wohl vor Jedermann bleiben: Trotz, der mir ihn hinabstoße. Er hält fest; lasset uns nur fest an ihm und an seiner Gerechtigkeit halten, so wird es keine Noth haben. -