Luther, Martin - Eine kurze Vermahnung zu der Beicht

Luther, Martin - Eine kurze Vermahnung zu der Beicht

Von der Beicht haben wir allezeit also gelehret, daß sie solle frei sein, und des Pabsts Tyrannei niedergelegt, daß wir alle seines Zwangs los sind und befreiet von der unträglichen Bürden und Last, der Christenheit auferlegt. Denn kein schwerer Ding bisher gewesen ist, wie wir alle versucht haben, denn daß man jedermann zu beichten gezwungen, bei der höchsten Todsünde, dazu dasselbige so hoch beschweret hat, und die Gewissen gemartert mit so mancherlei Sünden zu erzählen, daß niemand hat können rein ganz beichten, und, das das Ärgste ist gewest, niemand gelehret noch gewußt hat, was die Beichte wäre, oder wie nütz und tröstlich, sondern haben eitel Angst und Höllenmarter daraus gemacht, daß mans hat thun müssen und doch keinem Dinge so feind ist gewesen. Diese drei Stück sind uns nun entnommen und geschenkt, daß wirs aus keinem Zwang noch Furcht dürfen thun, auch der Marter entladen sind, so genau alle Sünde zu zählen. Zudem haben wir das Vortheil, daß wir wissen, wie man ihr seliglich brauchen solle zu Trost und Stärke unsers Gewissens.

Aber solches kann jedermann, und habens leider allzuwol gelernet, daß sie thun, was sie wollen, und sich der Freiheit also annehmen, als sollten oder dürften sie nimmermehr beichten. Denn das hat man bald gefasset, was uns sonst wol thut, und gehet aus der Massen leichtlich ein, wo das Evangelium sanft und weich ist. Aber solche Säue (hab ich gesagt) sollten nicht bei dem Evangelio sein, noch etwas davon haben, sondern unter dem Pabst bleiben und sich lassen treiben und plagen, daß sie müssten beichten, fasten etc. mehr denn vor je. Denn wer das Evangelium nicht gläuben, noch darnach leben will und thun, was ein Christ thun soll, der soll sein auch nicht genießen. Was wäre das, daß du nur weltlich Genieß haben, und nichts dazu thun, noch darauf wenden? Darum wollen wir solchen nichts gepredigt haben, auch mit unserm Willen nichts von unser Freiheit einräumen noch genießen lassen, sondern wieder den Pabst oder seinesgleichen über sie lassen, der sie zwinge, wie ein rechter Tyrann; denn es gehört doch unter den Pöbel, so dem Evangelio nicht gehorchen wollen, nichts denn ein solcher Stockmeister, der Gottes Teufel und Henker sei. Den andern aber, so ihnen gerne sagen lassen,, müssten wir immer predigen, anhalten, reizen und locken, daß sie solchen theuren und tröstlichen Schatz, durchs Evangelium fürgetragen, nicht lassen umsonst hingehen. Darum wollen wir auch von der Beicht etwas reden, die Einfältigen zu unterrichten und vermahnen.

Zum ersten habe ich gesagt, daß über diese Beicht, davon wir hie reden, noch zweierlei Beichte ist, die da mehr heißen mögen ein gemein Bekenntnis aller Christen, nämlich, da man Gott selbst allein oder dem Nächsten allein beichtet und um Vergebung bittet, welche auch im Vater unser gefasset sind, da wir sprechen: Vergib uns unser Schuld, als wir vergeben unsern Schuldigern etc. Ja, das ganze Vaterunser ist nichts anders, denn ein solche Beichte. Denn was ist unser Gebet, denn daß wir bekennen, was wir nicht haben noch thun, so wir schuldig sind, und begehren Gnade und ein fröhlich Gewissen? Solche Beicht soll und muß ohn Unterlaß geschehen, so lange wir leben; denn darin stehet eigentlich ein christlich Wesen, daß wir uns für Sünder erkennen, und Gnade bitten.

Desselbigen gleichen die ander Beicht, so ein jeglicher gegen seinen Nähesten thut, ist auch ins Vater unser gebunden, daß wir untereinander unser Schuld beichten und vergeben, ehe wir für Gott kommen und um Vergebung bitten. Nu sind wir ingemein alle untereinander schuldig, darum sollen und mügen wir wol öffentlich für jedermann beichten und keiner den andern scheuen; denn es gehet, wie man spricht: ist einer fromm, so sind sie es alle, und thut keiner Gott oder dem Nähesten, was er soll. Doch ist neben der gemeinen Schuld auch eine sonderliche: wo einer einen andern erzürnet hat, daß er es ihm abbitte. Also haben wir im Vater unser zwo Absolution, daß uns vergeben ist, was wir verschuldet haben, beide wider Gott und den Nähesten, wo wir dem Nähesten vergeben und uns mit ihm versühnen.

Über solche öffentliche, tägliche und nöthige Beicht ist nu diese heimliche Beicht, so zwischen einem Bruder allein geschiehet. Und soll dazu dienen, wo uns etwas sonderlichs anliegt oder anfichtet, damit wir uns beißen und nicht können zufrieden sein, noch uns im Glauben stark genug finden, daß wir solchs einem Bruder klagen, Rath, Trost und Stärke zu holen, wenn und wie oft wir wollen. Denn es ist nicht in Gebot gefasset, wie jene zwo, sondern einem jeglichen, wer sein darf, heimgestellet, daß ers zu seiner Noth brauche. Und ist daher kommen und geordnet, daß Christus selbst die Absolution seiner Christenheit in Mund gelegt und befohlen hat, uns von Sünden aufzulösen. So nun ein Herz ist, das seine Sünde fühlet und Trost begehret, hat es hie eine gewisse Zuflucht, da es Gottes Wort findet und höret, daß ihn Gott durch einen Menschen von Sünden entbindet und losspricht.

So merke nu, wie ich oft gesagt habe, daß die Beicht stehet in zweien Stücken. Das erste ist unser Werk und Thun, daß ich meine Sünde klage und begehre Trost und Erquickung meiner Seele. Das ander ist ein Werk, das Gott thut, der mich durch das Wort (dem Menschen in Mund gelegt) losspricht von meinen Sünden, welchs auch das Fürnehmste und Edelste ist, so sie lieblich und tröstlich macht. Nu hat man bisher allein auf unser Werk getrieben, und nicht weiter gedacht, denn daß wir ja rein gebeicht hätten, und das nöthigst ander Stück nicht geacht noch gepredigt; gerade, als wäre es allein ein gut Werk. Damit man Gott bezahlen solle, und wo die Beichte nicht vollkommen und aufs allergenauest gethan wäre, sollte die Absolution nicht gelten, noch die Sünde vergeben sein.. Damit man die Leute so weit getrieben hat, daß jedermann hat verzweifeln müssen, so reine zu beichten (wie es denn nicht möglich), und kein Gewissen hat mügen zu ruhen stehen, noch sich auf die Absolution verlassen. Also haben sie uns die liebe Beichte nicht allein unnütz, sondern auch schwer und sauer gemacht mit merklichem Schaden und Verderben der Seele.

Darum sollen wirs also ansehen, daß wir die zwei Stück weit von einander scheiden und setzen, und unser Werk gering, aber Gottes Wort hoch und groß achten, und nicht hingehen, als wollten wir ein köstlich Werk thun und ihm geben, sondern nur von ihm nehmen und empfahen. Du darfst nicht kommen und sagen, wie fromm oder böse du bist; bistu ein Christ, so weiß ichs sonst wol, bistu keiner, so weiß ichs noch viel mehr. Aber darum ists zu thun, daß du deine Noth klagest, uns lassest dir helfen und ein fröhlich Herz und Gewissen machen.

Dazu darf dich nun niemand bringen mit Geboten, sondern also sagen wir: Wer ein Christ ist oder gerne sein wollte, der hat hie ein treuen Rath, daß er hingehe und den köstlichen Schatz hole; bistu kein Christe, oder begehrest solchs Trosts nicht, so lassen wir dich ein andern zwingen.

Damit heben wir nun des Pabsts Tyrannei, Gebot und Zwang allzumal auf, als die sein nirgend zu dürfen. Denn wir lehren (wie gesagt) also: wer nicht willig und um der Absolution willen zur Beichte geht, der lasse es nur anstehen. Ja, wer auch auf sein Werk hingehet, wie rein er seine Beichte gethan habe, der bleibe nur davon. Wir vermahnen aber, du sollt beichten und deine Noth anzeigen, nicht darum, daß du es für ein Werk thust, sondern hörest, was dir Gott sagen läßt. Das Wort, sage ich, oder Absolutio solltu ansehen, groß und theuer achten, als ein trefflichen großen Schatz, mit allen Ehren und Dank anzunehmen.

Wenn man solches ausstriche und darneben die Noth anzeigte, so uns dazu bewegen und reizen sollt, dürfte man nicht viel Nöthigens noch Zwingens; sein eigen Gewissen würde ein jeglichen wol treiben und so bange machen, daß er fein froh würde und thäte, wie ein armer elender Bettler, so er höret, daß man an einem Ort eine reiche Spende, Geld oder Kleider austheilet; da dürft man keines Büttels, der ihn triebe und schlüge, er würde wol selbst laufen, was er leids laufen könnte, daß ers nicht versäumete. Wenn man nu ein Gebot darauf schlüge, daß alle Bettler sollten dahin laufen, des und kein anders, und schwiege doch, was man da suchen und holen sollte: was wäre das anders, denn daß man hinginge mit Unlust, und nicht dächte etwas zu holen, sondern sich lassen sehen, wie arm und elend der Bettler wäre. Davon würde man nicht viel Freude und Trost schöpfen, sondern nur dem Gebot desto feinder werden, als wäre es ihnen zu Hohn und Spott aufgelegt, daß sie müßten ihr Armut und Elend sehen lassen.

Eben so haben bisher des Pabsts Prediger dies trefflichen reichen Almosen und unaussprechlichen Schatzes geschwiegen und nur mit Haufen hingetrieben; nicht weiter, denn daß man sehe, wie unrein und unfläthige Leute wir wären. Wer könnte da gerne zur Beicht gehen? Wir aber sagen nicht, daß man sehen solle, wie voll Unflaths du seiest, und sich darin spiegeln, sondern daß man dir möge rathen und sagen: Bistu arm und elende, so komm und brauche der heilsamen Arznei. Wer nu sein Elend und Noth fühlt, wird wol solch Verlangen darnach kriegen, daß er mit Freuden hinzu laufe; welche es aber nicht achten, noch von ihm selbst kommen, die lassen wir auch fahren. Das sollen sie aber wissen, daß wir sie nicht für Christen halten.

So lehren wir nu, wie trefflich, köstlich und tröstlich Ding es ist um die Beichte, und vernehmen dazu, daß man solch theuer Gut nicht verachte, angesehen unsere große Noth. Bistu nu ein Christ, so darfstu weder meines Zwangs, noch Pabsts Gebot nicht überall, sondern wirst dich wol selbst zwingen, und mich darum bitten, daß du solches mögest theilhaftig werden. Willt du es aber verachten und so stolz ungebeichtet hingehen, so schließen wir das Urtheil, daß du kein Christen bist, und auch des Sacraments nicht sollt genießen. Denn du verachtest, das kein Christ verachten soll, und machest damit, daß du keine Vergebung der Sünden haben kannst. Und ist ein gewis Zeichen, daß du auch das Evangelion verachtest.

Summa, wir wollen von keinem Zwang wissen; wer aber unser Predigt und Vermahnung nicht höret noch folget, mit dem haben wir nichts zu schaffen, soll auch nichts von dem Evangelio haben. Wärstu ein Christ, so sollestu froh werden, daß du möchtest über hundert Meilen darnach laufen, und nicht dich lassen nöthigen, sondern kommen und uns zwingen. Denn da muß der Zwang umgekehrt werden, daß wir ins Gebet und du in die Freiheit kommest. Wir dringen niemand, sondern leiden, daß man zu uns dringet, gleichwie man uns zwingt, daß wir predigen und Sacrament reichen müssen.

Darum wenn ich zur Beichte vermahne, so thu ich nichts anders, denn daß ich jedermann vermahne ein Christ zu sein. Wenn ich dich dahin bringe, so habe ich dich auch wol zur Beicht gebracht. Denn welche darnach verlanget, daß sie gerne fromme Christen und ihrer Sünde los wären und fröhlich Gewissen haben wollten, die haben schon den rechten Hunger und Durst, daß sie nach dem Brot schnappen, gleich als ein gejagter Hirsch für Hitz und Durst entbrannt, wie der 42. Psalm sagt: Wie der Hirsch schreiet nach den Wasserbächen, so schreiet meine Seele, Gott, zu dir. Das ist: Wie weh und bange eim solchen ist nach eim frischen Born, so angst und bange ist mir nach Gottes Wort oder Absolution und Sacrament. Siehe, das wäre recht von der Beicht gelehret, so könnte man Lust und Liebe dazu machen, daß die Leut herzu kämen und uns nachliefen, mehr denn wir gerne hätten. Die Papisten lassen wir plagen und martern sich und ander Leute, so solchen Schatz nicht achten und ihnen selbst zuschließen. Uns aber lasset die Hände aufheben, Gott loben und danken, daß wir zu solchem Erkenntnis und Gnade kommen sind. Amen.

Quelle: Müller, J. T. - Die symbolischen Bücher der evangelisch-lutherischen Kirche

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