Luther, Martin - Ehelosigkeit.
Ich läugne nicht, daß Etliche sind, die ohne die Ehe keusch leben können. Weil aber diese eine größere Gabe haben, als andere gemeine Leute, mögen sie ihrer gebrauchen, und wie man spricht, mit ihrem Winde segeln.
Hat jemand die Gabe, daß er sich enthalten und ohne den Ehestand keusch leben kann, der mag solcher Gabe und Bequemlichkeit wohl gebrauchen, und sich des Weibes enthalten. Davor aber hüte er sich, als vor dem allerschädlichsten Gift, daß er sich nicht um solcher Gnade willen, daß er sich enthalten kann, denen vorziehe, die im Ehestand sind, oder sie verachte, oder sie verdamme. Denn der Ehestand ist von Gott geordnet, und wird der Eheleute Leben, so sie im Glauben sind und bleiben, billig vorgezogen.
Jetzt findet man viele Leute, die da wohl wollten, daß sie keine Kinder hätten, und ist solche mehr als barbarische Grausamkeit und Unmenschlichkeit allermeist unter großen Herren, die sich wohl dieser einigen Ursachen halber oftmals des Ehestandes enthalten, damit sie nicht Erben und Kinder bekommen. Noch schändlicher ist das auch, daß man Herren und Fürsten findet, die sich zwingen lassen, daß sie nicht Weiber nehmen, damit ihr Geschlecht nicht zu sehr vermehrt werde. Solche Leute sind werth, daß ihr Gedächtniß von der Erde vertilgt werde. Und wer wollte solche Säue und Unfläther nicht verwünschen? Das ist eben auch ein Zeichen und Frucht der Erbsünde.
Die Keuschheit, welche der Papst mit seinen Mönchen, Nonnen u. a. rühmt, ist mit schrecklichen Sünden befleckt und besudelt, ohne das, daß das ehelose Leben ohne Gottes Wort erdacht und eingesetzt worden ist, ja, wie die Historia zeugt, wider Gottes Wort. Denn wie würden sie triumphiren und jubiliren, wenn sie ihre Unehe dermaßen aus Gottes Wort beweisen könnten, wie wir beweisen können, daß der Ehestand von Gott geordnet ist? Was würden sie sich auch Fleißes und Gewalt unterstehen, damit sie Jedermann zu ihrem ehelosen Stande zwingen möchten? Nun hat aber das ganze ehelose Mönchs- und Nonnenleben diesen einzigen Ruhm und Lob, daß es eine Menschensatzung ist, oder, daß wir mit St. Paulo I. Timoth. 4, 13. reden, eine Teufelslehre.
Daß Etliche sagen von der Unruhe des ehelichen Lebens, und derohalben davon abrathen, die rathen hier schlecht nach der menschlichen Vernunft, und thun als Menschen; aber es ist närrisch und wider Gott gerathen. Denn was für ein Rath ist das, wenn du mich leibliche Unruhe lehrest meiden, und führest mich in Angst und Unruhe meines Gewissens? Wir vermahnen hier nicht also zum ehelichen Stande, und sagen auch nicht, daß er nicht Unruhe habe; sondern wir wollen, er soll unverboten und frei seyn, daß sich ein Jeder enthalte, so lange er kann, und so lange er will. Die Gewissen erlösen wir von der Unruhe, nicht das eheliche Leben. Wie viel besser ist aber (und wenn der eheliche Stand noch tausendmal unruhiger wäre), denselbigen leiden, denn ewige Angst und Noth und ein höllisch Feuer im Gewissen tragen? Die Unruhe und das Kreuz hat Gott dem ehelichen Leben ausgeleget. Es haben sie auch getragen der gläubige Erzvater Abraham und alle Patriarchen. Paulus sagt's auch I. Korinth. 7, 38. den ehelichen Leuten zuvor, daß sie solche Trübsal durchs Fleisch haben werden; aber er widerräths darum nicht und verdammt es auch nicht. Aber solche, sagt er, werden Trübsal durchs Fleisch haben. Er sagt nicht, ihr sollt solche Trübsal des Fleisches nicht tragen; er sagt auch nicht, sie ist böse und verdammlich; denn es ist eitel Gewinnst und Seligkeit, wenn du solche Trübsal im Glauben und Gottesfurcht trägst.
Was hälfe es, daß alle Welt über den Ehestand klagte? Wir sehen ja vor Augen, daß Gott täglich, nicht eitel Männer, sondern auch Weiber, schaffet und im Leben erhält. So ist ja das gewiß, daß er kein Weib schaffet der Hurerei zu Dienst. Weil denn Gottes Wort und Werk da liegen vor Augen, daß Weiber entweder zur Ehe oder zur Hurerei müssen gebraucht werden, so sollen solche heidnische Larven ihre Lästermäuler zuhalten, Gott sein Wort und Werk ungetadelt und ungehindert gehen lassen, es wäre denn, daß sie nach ihrer hockberühmten Weisheit uns lehren wollten, Gott zuwider, alle Weiber erwürgen oder vertreiben. Oft muß Gott unser Narr sein; was er macht, das taugt nicht, was wir thun, das ist wohl gethan. Nun denn Gott das Weib also geschaffen hat, daß es soll und muß um den Mann sein, soll uns gnug sein, daß Gott mit uns ist, und den Ehestand in Ehren halten, als ein göttlich edles Geschäfte; und so die Klüglinge nicht drein wollen, sie lassen in ihrer heidnischen Blindheit huren und buben, so lange es ihnen Gott gestattet. Wir haben Gottes Wort für uns, das wird bleiben, und sich nicht entsetzen vor solchen groben Schmieden, ob ihrer auch mehr wären, denn Sand am Meer. Wiewohl es eine große Sünde und Schande ist, daß wir Christen solche Narren werden, und allererst davon rathschlagen und urtheilen wollen, ob Weiber zu ehelichen seien oder nicht, gleich als wenn Jemand noch fragen wollte, ob er auch essen und trinken müßte in diesem Leben. Das Wort, das Gott spricht: Wachset und mehret euch, ist nicht ein Gebot, sondern mehr denn ein Gebot, nämlich ein göttlich Werk, das nicht bei uns stehet zu verhindern, oder nachzulassen, sondern ist eben also nöthig, als daß ich ein Mannsbild sei, und nöthiger als essen und trinken, schlafen und wachen. Es ist eine eingepflanzte Natur und Art. Und wo man das will wehren, da ists dennoch ungewehrt und gehet doch durch Hurerei und Ehebruch und stumme Sünden seinen Weg.
Du bleibest nicht fromm ohne ehelich Gemahl, das ist unmöglich, sondern das Wort Gottes, das dich geschaffen und gesagt hat: wachse und mehre dich, das bleibt und regiert in dir, und kannst ihm dich mit Nichten nehmen, oder wirst gräuliche Sünde ohne Aufhören thun müssen. Und dawider soll dich nicht irren, ob du zehn Eide, Gelübde, Bund und eitel Eisen- oder Adamantenpflicht gethan hättest.
Die Unchristen sagen: Ja, wir haben Gott gelobet und geschworen, daß wir keusch sein und ohne Weiber leben wollen, das Gelübde bin ich traun schuldig zu halten, darum darf ich nicht ehelich werden. Darauf antworte ich: Recht, thue, das du gelobet hast, sei keusch und rein; warum hältst du es denn nicht? Wer hat dich Etwas heißen geloben und schwören, das wider Gott und seine Ordnung ist? nämlich, daß du schwörest, du seiest kein Mann, noch kein Weibsbild, so es doch gewiß ist, daß du entweder ein Manns- oder Weibsbild von Gott geschaffen seist. Warum verschwörest du denn, du seiest kein Mann, oder kein Weibsbild?
Wer sich für einen Menschen hält, und glaubt, daß er unter dem Wort Mensch begriffen sei, der höre hier, was sein Gott und Schöpfer über ihn schließt und spricht: Er wolle nicht, daß er einsam sei, sondern soll sich mehren; und schafft ihm dazu eine Hülfe, die um ihn sei. Und dies ist das Wort Gottes, durch welches Kraft in des Menschen Leib Samen zur Frucht und die brünstige natürliche Neigung zum Weib geschaffen und erhalten wird; welches weder mit Gelübden, noch mit Gesetzen mag verhindert werden. Denn es ist Gottes Wort und Werk. Wer aber ja einsam sein will, der thue den Namen Mensch weg, und beweise oder schaffe es, daß er ein Engel oder Geist sei. Denn einem Menschen gibts noch gestattets Gott in keinem Weg.
Darum bitte ich euch, daß ihr nach meinem Tode wollet zum allerfleißigsten über den Ehestand halten, daß derselbe frei gelassen werde, beyden, den Layen und Priestern, und Jedermann, der dazu geschickt ist, Lust und Liebe hat, auf daß nicht wieder eine Möncherei werde.
Quelle: Brandt, Ch. Ph. H. - Dr. Martin Luthers Hochzeitsgeschenk