Luther, Martin - Bedenken, ob die Ehe mit des verstorbenen Weibes Schwester zulässig sei.
Eisleb. II. 348. Altenb. VI. 467. Leipz. XXII. 4ö6. Walch X. 934. Erlang. I.V. 81.
An Leonhard Beyern, Pfarrern zu Zwickau.
Anno 1535.
Gottes Gnade und Friede durch unsern Herrn Jesum Christum!
Würdiger lieber Herr Pastor, besonderer guter Freund!
Wir haben euer Schreiben empfangen, in dem ihr anzeiget, daß Einer seines verstorbenen Weibes Schwester beschlafen habe und dieselbe ehelich begehre, so es mit Gott geschehen möchte und ihnen zugelassen würde. Darauf fügen wir euch zu wissen, daß wir mit einander gleich zu halten, und schließen, daß im gedachten Falle die Ehe ganz nicht zugelassen sei. Denn erstlich ists wahr, wie ihr wisset, daß Gottes Gebot ist, daß man in den nahen Gradibus1) nicht zusammen heirathen soll, und daß Gott solche unnatürliche Vermischung strafen wolle in aller Welt, zeiget klar der Text 3 Mos. 18.
So darf man hier nicht Jakobs Exempel allegiren2). Denn Gott selber hat hernach in Mose solche Ehe verboten, und ist auch nicht klar in Mose ausgedrückt, daß Einer des verstorbenen Weibes Schwester möge freien. Auch hat man kein Exempel. Und obgleich Behelfe dazu aus Mosi gesucht würden, so sind solche Heirathen dennoch von Natur und durch die Obrigkeit verboten.
Nun ist dieser Fall in primo gradu affinitatis3). Denn so Mann und Weib ein Fleisch sind, wird des Weibes Schwester gleich gehalten als des Mannes Schwester; derhalben auch kaiserl. Rechte in diesem Fall verboten, Codice de incestuosiset inutilibus nuptiis 4) Wir achten auch, so diese Personen zusammenkommen, daß sie doch ihr Lebenlang unfriedliche Gewissen haben würden des Falles halben an ihm selbst, darzu wegen des Aergernisses, und werden ohn Zweifel viel besser zu friedlichem Gewissen kommen, so sie sich von einander thun.
Darum sind sie dem Spruch Matth. 19, 6, zuwider: Quos Deus conjunxit5). Ueber das alles wisset ihr, daß solche Exempel sehr ärgerlich sind und ruchlose Leute Ursache davon nehmen zu Blutschanden. Wie man denn leider in etlichen Fällen befunden, daß solche Leute sich haben wollen mit vorigem ärgerlichen Exempel entschuldigen. Aus diesen Ursachen schließen wir, daß im gemeldeten Fall keine Ehe zuzulassen sei, und wo die Leute an diesem unsern Bedenken nicht zufrieden sind, möget ihr sie gen Hof weisen. Daß aber die Leute große Schmerzen haben von wegen der Sünde und Schande, auch Gefahr vor der Freundschaft, so wollet sie mit dem Evangelio trösten und insonderheit das anzeigen, daß sie doch unfriedliche Gewissen in der Ehe haben würden, ans Ursachen droben gemeldet; und werden leichter zu trösten sein, so sie sich von einander thun; so ist auch die Obrigkeit schuldig, Friede zwischen der Freundschaft zu schaffen. Das wollen wir euch auf eure Schrift freundlicher Meinung nicht bergen, denn euch guten Willen zu erzeigen, sind wir ganz geneigt.
Datum Wittenberg, Montags nach Antonii, Anno 1535.
Justus Jonas, Probst.
Martinus Luther, beide Doctorn.
Philippus Melanchthon.