Luthardt, Christoph Ernst - Am Sonntag Reminiscere.
1 Thess. 4,1-7.
Weiter, lieben Brüder, bitten wir euch, und ermahnen in dem Herrn Jesu (nachdem ihr von uns empfangen habt, wie ihr sollt wandeln und Gott gefallen), dass ihr immer völliger werdet. Denn ihr wisst, welche Gebote wir euch gegeben haben, durch den Herrn Jesum. Denn das ist der Wille Gottes, eure Heiligung, dass ihr meidet die Hurerei, und ein Jeglicher unter euch wisse sein Fass zu behalten in Heiligung und Ehren, nicht in der Lustseuche, wie die Heiden, die von Gott nichts wissen; und, dass Niemand zu weit greife, noch vervorteile seinen Bruder im Handel; denn der Herr ist der Rächer über das Alles, wie wir euch zuvor gesagt und bezeuget haben. Denn Gott hat uns nicht berufen zur Unreinigkeit, sondern zur Heiligung.
Geliebte in dem Herrn! Die allgemeine Losung ist Vorwärts; und Alles treibt und drängt an uns, und drängt uns vorwärts. Soll es mit dem Christentum in uns nicht auch vorwärts gehen? Es wächst die Pflanze, von kleinem Keime aus, treibt Blätter und Blüten und trägt Frucht bis ihre Zeit voll ist. Es streckt sich das schwache Reis zum mächtigen Baume und breitet seine Zweige weit in die Runde. Es wächst das Kind und wird reif, und aus den kindischen Gedanken und Anschlägen werden die Pläne und Werke des Mannes, die Tugenden des Weibes. Soll nicht der Christ auch wachsen und zunehmen, um hinanzureifen zur Vollkommenheit? So ermahnt uns Paulus in unserem Texte, dass wir immer völliger werden sollen.
Welches ist aber die rechte Vollkommenheit und welches ihr Maß? Geliebte! wir halten uns nicht dafür, dass wir eine größere Heiligkeit und höhere Tugenden kennen, als in den zehn Geboten uns gelehrt und vorgehalten sind. Denn Ruhm, noch größere und heiligere Werke aufzuweisen, als hier von Gott gefordert werden, mit überflüssigen guten Werken geschmückt zu sein, welche nicht gerade nötig gewesen wären, diesen Ruhm lassen wir gerne Anderen, die also heilig sind, dass sie mehr tun als sie schuldig sind; wir wollen demütig uns bescheiden, dass wir all unsere Lebtage des Katechismus und seiner zehn Gebote Schüler bleiben müssen. Sie sind so schlicht und lauten so gewöhnlich und doch: wer unter allen Tugendlehrern der Menschheit hat je etwas ersonnen, was mit der Reihe dieser zehn kurzen Sätze sich messen dürfte? Wo ist eine Handlung, ein Fall, der nicht darunter befasst werden könnte und müsste? Allezeit soll unser Herz hören auf die Rede unseres Herrn und Heilands, da er auf dem Berge am Genezareth das Gesetz unseres Gottes uns evangelisch deutete.
Zwei Gebote sind es, von denen Paulus in unserem Texte redet, das sechste und das siebente: Du sollst nicht ehebrechen. Du sollst nicht stehlen. Es will mich bedünken, Geliebte, als denke man auch unter Christen nicht so viel, wie man wohl sollte, an diese Gebote. Vom ersten Gebote redet man wohl oft, dass man nämlich Gott von ganzem Herzen lieben und ihn allein seinen Gott sein lassen soll. Mit Recht. Denn dieses ist die Summa des Gesetzes und offenbart uns alles Guten Wurzel. Auch an das letzte Gebot erinnert man sich und Andre, und zeigt in der Lust des Bösen Quelle. Aber doch soll man auch der anderen Gebote fleißig gedenken. Sagt selbst: wer bei diesen beiden, hält sich, wenn er die Gebote etwa liest, dem sechsten und siebten, wohl lange auf, oder hört gerne davon reden? Zwar das siebente: „Du sollst nicht stehlen“ - das verträgt man noch eher, weil doch am Tage und unleugbar ist, dass solche Sünde in keiner Weise gar sehr im Schwange ist unter den Menschen. Aber vom sechsten viel zu hören, haben wir Scheu, und möchte ich fast sagen, tragen wir selber auch Scheu viel zu reden. Und ist doch ein Gebot wie das andere, gleich heilig und gleich nötig; und ist Ein Geber beider Gebote. - Warum das?“ Freilich auch: Es ist schwer davon vor Allen zu reden, so, dass es Allen frommt, und was zu sagen ist, auch recht zu sagen. Gott gebe seinen Segen, dass kein unrechtes Wort heut über meine Lippen komme und das Gesprochene in unser aller Herzen guten Boden finde.
Von der Reinheit redet unser Text und haben wir zu sprechen. Denn diese verlangen beide Gebote. So solls sein: rein der Leib und seine Glieder, rein das Herz und seine Gedanken, rein die Hand und ihr Gut.
Ihr vergönnt mir aber, dass ich das Letzte heute ruhen lasse und nur von den ersten beiden Stücken rede, von der Reinheit des Leibes und Herzens, da der Sachen zu viele sonst werden möchten. Von dem Anderen aber mögt ihr euch selbst ermahnen während des Tages, den ihr doch heilsamen Gedanken und gottwohlgefälligem Nachdenken weihen sollt, dass nämlich rein die Hand sein soll von jeglichem Betrug, und Hab und Gut rein vom unrechtmäßigen Erwerbe, dabei gedenkend des Wortes: Was hilft es dem Menschen, so er die ganze Welt gewönne und nähme Schaden an seiner Seele?
1. Was fordert uns auf zur Reinheit? Das lasst uns zuerst betrachten.
Fürs Erste unsere Unreinigkeit. Denn wird man auch den zur Reinheit ermahnen, der dessen nicht bedarf? Es ermahnt uns aber der Apostel dazu. Und ist doch der Mensch in Reinheit geschaffen und zur Reinheit berufen! Da sie dort zusammenlebten im Paradies, wie alte heilige Geschichten uns erzählen, da war Unschuld ihr Gewand und Herzensreinheit ihre Hülle. Und jetzt? wo kein Gewand und keine Hülle mehr, diese teure Gottesgabe und diese Schutzwehr von Zucht und Sitte, die böse Lust zurück zu halten vermag -? Und der Christ, von dem es heißt, dass Christi Gerechtigkeit sein Kleid und Christi Tugend sein Schmuck sind? Berufen nicht zur Unreinigkeit, sondern zur Heiligung, gereinigt im Blute des Lammes, bergen wir den Schmutz der Sünde und ihrer Lust unter dem reinen Gewand der Gerechtigkeit Christi. Und Alle!
Wer zählt die sinnlichen Regungen, die lüsternen Gedanken, die sündlichen Bilder, welche unwillkürlich, welche gerne gehegt für einen Augenblick, in uns aufsteigen? Ja, das ist die Klage, die schwere, welche wir klagen; das ists, was uns so viel seufzen macht, dass aus der Tiefe unserer Natur die verführerischen Gedanken sich erheben, wie aus dem Sumpfe die Irrlichter steigen, und auch in unsere besten, frömmsten Stunden, selbst in unser Gebet sich drängen. So sind wir - das sei Gott geklagt - so Alle. Der ritterliche Jüngling, der voll freudigen Mutes, in edlem Stolze ins Weite strebt auch er! Die edle Jungfrau, in deren Augen Sittsamkeit wohnt, und deren Leibes Schöne von Zucht gegürtet ist, auch sie! Das ist unsere Klage zu tiefer Schande, dass Niemand ist, der rein sei, auch unter den Reinsten nicht auf Erden. Lasst uns gehen zum Quell der Reinigung; denn Gott hat uns berufen.
Unsere Berufung: das ist das Andre, was uns auffordert. Zu den Alten ward gesagt: du sollst! Zu uns redet man: „weiter, liebe Brüder, bitten wir euch.“ Soll die Bitte weniger vermögen als das Gebot? Ist's doch in aller Welt so, dass das Herz gegen die Bitte sich nicht zu sträuben vermag, nachdem es dem Befehl widerstanden. Mit ernstlicher Wohlmeinung bittet und ermahnt uns der Apostel. Wenn ein alter Mann, welchem reiche Erfahrung das Antlitz ernst gemacht und viele Kämpfe des äußeren und inneren Lebens die Stirne gefurcht haben, vor dem in Achtung und Verehrung unwillkürlich das Herz sich neigt, mit ermahnendem Wort und bittender Rede uns nahe tritt; wenn ein greiser Vater, der wohl zu gebieten das Recht hätte, mit freundlicher Miene und bittendem Auge an unser Herz sich wendet: wer will sich weigern zu gehorchen? wer möchte widerstehen? Nun kommt da Paulus, der alte Lehrer der Kirche Christi, Paulus, der Vielgeprüfte, unser Vater, der uns Christen aus den Heiden durch sein Wort der Verkündigung zu Kindern Gottes geboren hat, mit Bitte und Ermahnung!
Wir sind gebeten und ermahnt; wir sind gelehrt und unterwiesen; es ist uns gesagt, was, recht ist und was der Herr unser Gott von uns fordert; wir sind gewarnt vor Gottes Zorn: denn der Herr ist ein Rächer über das Alles, wie wir euch zuvor gesagt und bezeugt haben“, erinnert uns der Apostel.
Und unser Vorbild: das ist noch die stärkste Aufforderung. Wir ermahnen euch in dem Herrn Jesu, sagt der Apostel. Warum? Weil Jesus der Reinheit Blume und Krone, aller Zucht und Ehre Schmuck ist.
Jesu du Zierde engelschön,
Im Ohr ein holdes Lobgetön,
wie der heilige Bernhard von ihm singt,
Der reinen Jungfrau zarte Blum',
Und aller Reinen schönster Ruhm.
Siehe da eine Menschengestalt im heiligen Schmuck, eines Menschen Wandel im reinsten Licht, ein reines, keusches, heiliges Menschenherz, von jeglicher Lust der Sünde unbefleckt! Siehe da ein Vorbild aller Liebe und Nacheiferung wert! Lasst uns folgen seinen Fußtapfen.
2. Was ists für eine Reinheit, die von uns gefordert wird?
Des Leibes und seiner Glieder. „Denn das ist der Wille Gottes: eure Heiligung, dass ihr meidet die Hurerei und ein jeglicher unter euch wisse seinen Leib zu behalten in Heiligung und Ehren, nicht in der Lustseuche, wie die Heiden, die von Gott nichts wissen.“
Es rühmen die Menschen die Schönheit und den Adel des Menschenleibes; alle Welt rühmt ihn. Ist sie doch von ihm von jeher zu sündlicher Lust gereizt worden; und alte Geschichten sagen in dunklen, rätselhaften Worten, dass auch Engel von ihm gelockt zur Lust entzündet worden seien und ihre Behausung nicht bewahrt hätten und seien darum gebunden mit ewigen Banden der Finsternis (1 B. Mos. 6,1 ff. Br. Judä 6). Nun wohl; wir rühmen ihn auch, ja meinen ihn höher zu rühmen als alle Andren. Denn das glauben wir wohl behaupten zu können, dass nichts den Menschenleib so ehre als das Christentum. Umso minder geziemt es dem Christen, ihn zum Werkzeug der Sünde und schnöder Lust zu machen. Lasst uns sein Lob singen und seine Ehre verkündigen.
Berühmter Meister Werke hält man hoch und als ein Heiligtum, und unser Geist wird erbittert über den rohen, gemeinen Sinn derer, welche sie beschimpfen und verderben. Aller Meister Meister aber ist Gott der Herr, und aller Werk Werke der Leib des Menschen, den seine Hand gebildet. Und Adams nicht allein und Evas; unser Aller. Denn so sagen wir im Katechismus: „Ich glaube, dass Gott mich geschaffen hat samt allen Kreaturen, mir Augen Ohren und alle. Gliedern, Vernunft und alle Sinne gegeben hat.“ Und so sagt Hiob, der Mann von Uz: „Deine Hände haben mich gearbeitet und gemacht Alles, was ich um und um bin. Du hast mir Haut und Fleisch angezogen, mit Beinen und Adern hast du mich zusammengefügt.“. Wer da schauen könnte in die heimliche Werkstatt Gottes und ergründen seine verborgene Weisheit! Wie viel göttliche Liebe ist in dies kunstreiche Gewebe hineingewoben, und wie reiche Weisheit hält es zusammen! Gottes Freundlichkeit aber leuchtet aus seinen Augen und schmückt es als ein lieblicher Schmuck. Da kommt des Menschen Sinn und schändet und verderbt mit der blinden Hand der Lustgier Gottes edles Werk, dass Gott mit Schmerz blicken muss auf solche Verstörung und seine Engel weinen.
Wo ein lieber Fuß gewandelt, die Stätte ehren wir; und wo eine große, verehrte Gestalt gewohnt hat, der Ort gilt uns heilig. Von allen aber der Größte und Verehrteste ist Christus der Herr, und rauschten am lieblichsten die Füße des Friedensfürsten. Der Ort aber, da er wohnte, und seine Behausung: das ist der Menschenleib. Der ist seitdem geheiligt auf immerdar. Und wir schänden Christi Heiligtum, wir schänden uns selber an dem, woran er uns gleich und unser Bruder worden ist! Was, meint ihr, würde dem widerfahren sein in Israel, der wider das Allerheiligste im Tempel sich versündigt hätte, die heilige Wohnung Jehovas? Was ist das Allerheiligste im Neuen Testament? Ist es nicht der Menschenleib, die ewige Behausung Gottes, seitdem er Mensch geworden ist? Und Gott soll nicht strafen den Schänder und Verstörer seines Heiligtums? soll nicht im Zorn entbrennen wider den Frevler an seiner geliebten Menschheit?
Was soll ich aber davon sagen, dass unser Leib ist und genannt wird ein Tempel des Heiligen Geistes? Wird der nicht wider den Geist selber sündigen, der an seinem Tempel sich vergreift? Was soll ich davon sagen, dass unser Leib berufen ist zur Ewigkeit? Wie nun? Wenn er einst auferstehen wird, wenn wir einst in demselben vor Gottes Richterstuhle stehen werden, und er wird, ein stummer Zeuge, reden von allen Sünden wider ihn, er wird als unser Schuldbrief beschrieben sein mit allen Vergehungen, durch welche wir ihn, Gottes reines Werk, Christi geliebtes Heiligtum, des Heiligen Geistes Tempel, den Gast der Ewigkeit, geschändet haben! Ja wohl, er wird nicht schweigen, noch nimmt er die heimlichen Sünden für immer mit ins verschwiegene Grab. Er wird einst deutlich reden von allen Heimlichkeiten und sie offenbaren!
Und doch ist die Welt der Sünde und Schande so voll. Und wir selber, Geliebte, die wir zagend reden von den Erstlingen des Geistes, die wir empfangen haben, wir selber müssen klagen, wie wir beherrscht sind von der Lust des Leibes. Der Geist streitet wider das Fleisch in einem Kampfe, dessen Zwiespalt bis in die tiefste Seele reicht und schneidet und uns tagtäglich seufzen macht. Ach, wohl mit Recht klagt Paulus: ich unseliger Mensch, wer wird mich erlösen von diesem Leibe des Todes!
„Der Leib und seine Glieder.“ Da ist kein Glied des Leibes, das nicht missbraucht würde zum Dienst der Lust und ist zum Dienste Gottes doch geschaffen! Der Mund soll sein ein süßer Brunnen, daraus Gottes Lob stets quelle -: und man könnte das Gift mit Scheffeln messen, welches schlüpfrige Witze und geistreiche Zweideutigkeiten über unschuldige Seelen gegossen und gießen. Die Mienen sollen sein ein Spiegel, darauf Gottes Güte und Freundlichkeit wiederleuchte, und wie oft lauert hinter den lüsternen Zügen die Begierde des Fleisches. Die Augen sollen das Licht der göttlichen Weisheit und Güte trinken und die reine Seele des Herzens wiederspiegeln und (wer kann das genug beklagen und genug beweinen) wie gerne suchen sie unreine Bilder auf, welche die Lust reizen, und saugen so das Verderben in die Seele ein. Die Ohren sind geschaffen, dass sie am Worte Gottes sich freuen, welches Schrift und Schöpfung predigen, und am Lobe Gottes sich erquicken, welches Tag und Nacht und alle Welten jauchzend verkündigen - und nichts geht leichter ein als ein zweideutiges Wort und eine giftgetränkte Rede. - Es ist genug!
Es redet die Schrift von einem Seufzen der Kreatur. Es sind Mund und Antlitz, Augen und Ohren und alle Glieder auch Kreaturen Gottes. Ja wohl, mögen diese seufzen im Stillen, und Gott vernimmt ihr Seufzen wohl über all' den schnöden Missbrauch, den sie sich gefallen lassen müssen.
Ihr Jünglinge, ihr wisst wohl, was ich sage und klage, und auch euch, ihr Jungfrauen, sagt es wohl euer Gewissen. Schämet euch nicht zu erröten in Erkenntnis der Sünde. Gut ist es, Scham und Reue im Herzen zu fühlen; aber besser ist es rein zu sein und des Errötens nicht zu bedürfen. Schön ist die Rose und von den Menschen gerühmt; aber eine Blume ist der Blumen Preis und der reinen Magd Maria Schmuck der Ehren, das ist die reine Lilie.
3. Rein der Leib und seine Glieder; rein die Seele und ihre Gedanken: das ist das Dritte.
Selig sind die reines Herzens sind, denn sie werden Gott schauen von allen Seligkeiten, welche Christus bietet, wohl die lieblichste, die wonnigste. Wer möchte nicht Gott schauen, den er liebt ohne ihn zu sehen? Wie wird das Auge einst trunken sein von Wonne des Anschauens, wenn es sich versenken wird in die Tiefen der Liebe, welche wir hier nur ahnen; wenn wir ihn einst sehen, wie er ist, nach der Verheißung, die uns gegeben ist. Was ist das aber für ein Auge, mit dem wir Gottes Liebesgestalt einst schauen werden? Eine reine Seele ist es: die wird einst seliges Anschauen genießen. Und soll es jetzt schon haben. Sie werden Gott schauen im Geist auch jetzt schon in der Zeit, Gott in seinem Worte, Gott in seinen Werken, Gott in der Tiefe unseres Innern. welche Lust der Seelen, in allen Dingen und in uns selber Gott zu erkennen! Dass unseres Geistes Auge doch recht licht und helle sein möchte und nicht so trüb! Denn wie soll das Seelenauge Gott erkennen, welches aus der Welt der Kreaturen mit sinnlichen Bildern erfüllt und überfüllt ist? Ja, das ist die Klage aller ernsten Christen, dass ihre Seele von der Kreaturliebe gefangen und mit den Bildern der kreatürlichen Welt so bedeckt ist, dass Gottes Liebe, des Liebsten, Schönsten, so wenig Raum mehr findet. Ach, reinige du uns selber, Gott und Heiland, dass wir mit klaren Blicken dich stets suchen, finden, schauen, dein liebes teures Bild in unserem Herzen stets tragen mögen, gleichwie die Braut des Geliebten Bild im Herzen trägt!
Es ist die Seele des Menschen Auge zum Schauen, Gottes; es ist die Seele Jesu Braut. „Ich will mich mit dir vertrauen in Gerechtigkeit und Gericht, in Gnade und Barmherzigkeit. Ja, im Glauben will ich mich mit dir verloben und du wirst den Herrn erkennen.“ Siehe, die Seele ist des Herren Braut, Wie nun? Soll sie geschändet sein, oder eine reine Jungfrau? Hat er nicht im Taufbund sich mit uns verlobt, und vereinigt liebend sich mit uns im heiligen Abendmahl? Und in allem Wachstum des geistlichen Lebens will er immer mehr eins mit uns werden.
Wie ist seine Liebe so groß, stärker als der Tod und feuriger als die Hölle! Es singt der Sänger im Hohenlied von der Glut der Liebe des Freundes, Christi, und seiner Freundin „Küsse mich mit dem Kuss Deines Mundes. Erquicke mich mit deinen Blumen und labe mich mit den Äpfeln Deiner Lieblichkeit. Ach, komm mein Freund in Deinen Garten und iss Deiner edlen Früchte!“ Wer sind wir, dass wir Christum so begrüßen? Darf auch das unheilige Feuer fremder Liebe in unseren Herzen brennen, wenn wir doch Christo vertraut sind in Ewigkeit und unsere Seele ihm vermählt ist in himmlischer Liebe? Vergisst Er doch aller Dinge und steigt bis zur Erde, ja bis zum Grab und zur Hölle hinab, um seine liebe Braut, die Menschenseele, zu gewinnen! Sie ist ihm lieber als aller Himmel Himmel und alle ihre Seligkeit. Und wir hängen an eitler Weltlust und tragen die vergänglichen Dinge der Erde in unserem Herzen? O schreibe unsere Namen in dein Herz, o Jesu, und fege uns als Siegel auf deine Hand; entzünde das Feuer deines heiliges Geistes in uns, o Jesu, und reinige uns von aller Befleckung der sündigen Lust, auf, dass wir rein werden mögen und würdig Deiner, unseres Bräutigams und unserer Liebe! Denn Du bist es doch, o Jesu, den wir lieben, Du Schönster und Liebster unter den Menschenkindern. So lass Dir denn gefallen unser armes Herz, das Dir sich opfert; lass Dir gefallen unsere streitmüde Seele; bis Du aus allem Streite dieser Zeit uns völlig frei einst machen wirst zu Deiner Ewigkeit. Amen.