Luger, Friedrich - Der Brief des Jakobus - Erste Betrachtung.

Luger, Friedrich - Der Brief des Jakobus - Erste Betrachtung.

Freude zuvor und in mancherlei Anfechtungen

Freude!

Über Jak. 1,1-4.

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesu Christo! Amen.

Jak. 1, 1-4:
Jakobus, ein Knecht Gottes und des Herrn Jesu Christi, den zwölf Geschlechtern, die da sind hin und her, Freude zuvor! Meine lieben Brüder! Achtet es eitel Freude, wenn ihr in mancherlei Anfechtungen fallt, und wisst, dass euer Glaube, so er rechtschaffen ist, Geduld wirkt. Die Geduld aber soll fest bleiben bis ans Ende, auf dass ihr seid vollkommen und ganz, und keinen Mangel habt.

In dem Herrn Geliebte! Das sind die Eingangsworte eines Briefes, dessen Verfasser sich als einen „Knecht Gottes und des Herrn Jesu Christi“ bezeichnet. Er nennt sich Jakobus, und wir dürfen nicht zweifeln, dass er derselbe Jakobus sei, welchen wir in der Apostelgeschichte als das Haupt der Gemeinde zu Jerusalem kennen lernen, und den Paulus im Brief an die Galater als den Bruder des Herrn bezeichnet, und zu den Säulen der Gemeinde rechnet. Ob er, wie manche Schriftforscher meinen, zugleich mit dem Apostel Jakobus, dem Sohne des Alphäus, welcher zum Unterschied von dem älteren Jakobus, dem Sohn des Zebedäus und Bruder des Johannes, gewöhnlich der Jüngere genannt wird, eine und dieselbe Person sei, müssen wir als eine menschliche Meinung auf sich beruhen lassen. Jedenfalls aber war er ein Mann von hervorragender Stellung in der Gemeinde und von apostolischem Ansehen. Um so weniger werden wir daher von vorne herein geneigt sein, bei aller Verehrung und dankbaren Liebe, welche wir dem teuren Reformator zollen, unserem Luther beizupflichten, wenn er in diesem Brief des Jakobus keine rechte evangelische Art erkennen konnte, ja ihn eine stroherne Epistel genannt hat. Eine unbefangene Betrachtung wird uns denn auch zeigen, dass ein wahrhaft apostolischer Geist in diesem Briefe wehe, und dass der Herr wohl gewusst hat, weshalb er seinen Knecht Jakobus zur Abfassung desselben erweckte, und die Herzen der Gemeinde also leitete, dass man ihn in die Sammlung der heiligen Schriften aufnahm. Er enthält eine reiche Fülle christlicher Wahrheit und Weisheit, und widerstreitet recht verstanden durchaus nicht der Lehre des Apostels Paulus von der Gerechtigkeit durch den Glauben, wenn er auch mit großem Ernste gegen eine tote Rechtgläubigkeit kämpft, und fordert, dass der rechte Glaube sich auch in der ganzen Richtung des Herzens und des Lebens offenbare, und sich durch die Werke als einen lebendigen erweise.

Mit einem Gruße: „Freude zuvor!“ wendet sich Jakobus an seine Leser, und fährt alsobald fort: „Meine lieben Brüder! Achtet es eitel Freude, wenn ihr in mancherlei Anfechtungen fallt!“ Also:

Freude zuvor, und in mancherlei Anfechtungen Freude!

Das ist der Inhalt dieser Eingangsworte unseres Briefes, und darum auch der Gegenstand unserer Betrachtung.

1.

„Freude zuvor!“ Das war der gewöhnliche Gruß, mit welchem sich die alten Griechen unter einander begrüßten, etwa wie wir uns einen guten Morgen oder guten Tag wünschen. Sie wünschten einander mit diesem Gruße, was ihnen als das höchste Glück jedes Lebenstages erschien, den heiteren, ungetrübten, fröhlichen Genuss des Lebens. Diesen Gruß nimmt der Knecht Gottes und des Herrn Jesu Christi auf, und stellt ihn, wie es die Alten zu tun pflegten, an den Eingang seines Briefes. Aber eine wie viel tiefere und reichere Bedeutung gewinnt der Gruß in seinem Munde! Es ist damit eben so, wie mit dem schönen Gruße, mit welchem sich die Bewohner des Morgenlandes, auch die Juden, unter einander begrüßten: „Friede zuvor!“

„Friede sei mit euch!“ „Friede sei in diesem Hause!“ Wie schön und ausdrucksvoll auch dieser Gruß ist, und von wie hohem Werte das Gut, welches Menschen sich mit demselben einander wünschen, seine rechte Bedeutung und seinen vollen Inhalt gewann doch derselbe erst im Munde der Jünger Jesu Christi, seit er selbst, der Herr Jesus Christus, als der rechte Friedefürst und Friedebringer auf Erden erschienen, und den Bund unseres Friedens mit Gott gemacht hatte, und nun als der Auferstandene und Lebendige unter die Seinen trat mit seinem: „Friede sei mit euch!“ Nun verstanden seine Jünger es, wie es gemeint war mit seinem Worte: „Den Frieden lasse ich euch; meinen Frieden gebe ich euch; nicht gebe ich euch, wie die Welt gibt; euer Herz erschrecke nicht und fürchte sich nicht!“ (Joh. 14,27.) Sie empfingen nun als seine Gabe, was er mit seinem Gruße ihnen wünschte, und durch den Tröster, den heiligen Geist, an ihren Herzen versiegelte. Wie lieblich sind nun auf den Bergen die Füße der Boten, welche den Frieden verkündigen! Nun mögen die Knechte Gottes und des Herrn Jesu Christi in Wahrheit als Friedensboten in ein Haus treten, und er spricht sein Ja und Amen zu ihrem Gruße, wenn sie nach seinem Worte tun: „Wo ihr in ein Haus kommt, da sprecht zuerst: Friede sei in diesem Hause!“ „Gnade und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesu Christo!“ (Luk. 10,5. Röm. 1,7.)

Und nun, wie Friede, so „Freude zuvor!“ Ist doch das Wort, welches unser Luther durch Gnade verdeutscht hat, in der Sprache des neuen Testamentes, der griechischen Sprache, stammverwandt mit dem Worte, welches wir durch Freude übersehen. Freude allem Volke, seit allem Volke die heilsame Gnade Gottes in Christo erschienen, und durch ihn Friede auf Erden geworden ist! Und nun die Knechte Gottes und des Herrn Jesu Christi wie Friedensboten, so Boten der großen Freude, welche allem Volk widerfahren ist, Nachfolger jener Engel Gottes und der seligen Freudenbotschaft, welche sie brachten.

Darum nennt auch Jakobus sich nicht, wiewohl er es doch war, und auch in der Schrift so genannt wird, einen Bruder des Herrn, sondern einen „Knecht Gottes und des Herrn Jesu Christi“. Jenes war er nach dem Fleische; dieses ist er nach dem Geiste, und in Kraft seines Berufs und Amtes in der Gemeinde Jesu Christi. Ein Knecht Gottes und des Herrn Jesu Christi zu sein, ist das Höchste und Seligste, was ein Mensch von sich sagen kann. Es ist das der Ehrentitel derer, die als Erlöste Jesu Christi Kinder Gottes geworden sind, wiedergeboren aus seinem Geiste, der ihnen Zeugnis gibt, dass sie Gottes Kinder, und als Erlöste Jesu Christi berufen sind, in seinem Reiche unter ihm zu leben, und ihm zu dienen in ewiger Gerechtigkeit, Unschuld und Seligkeit. Dass Jakobus Solches an seinem Herzen erfahren hatte, und nun nichts Höheres und Seligeres kannte, als ein Knecht Gottes und des Herrn Jesu Christi zu sein, und in diesem Dienste sein Leben zum Opfer zu bringen, das war ihm selbst die rechte Freudenquelle geworden, und ist immerdar aller rechten Christenfreude Quelle; darum er eben seine Leser zu solcher Freude auffordert mit seinem Gruße: „Freude zuvor!“

Denn christliche Leser meint er mit diesen „zwölf Geschlechtern, die da sind hin und her“, die an den Herrn Jesum gläubig gewordenen Juden in der Zerstreuung, an welche Jakobus als das Haupt der Muttergemeinde zu Jerusalem seinen Brief richtet. Sie sind das rechte Israel, das Volk des Herrn, diese an den Herrn Jesum gläubig gewordenen Juden, seitdem die große Menge des Volks ihn verworfen hat. Nicht, dass er damit die Christen, welche vordem Heiden gewesen waren, oder uns von dieser Freude ausschlösse! Nein, wie Viele mit jenen ersten Lesern seines Briefes an den Namen des Herrn Jesu gläubig geworden sind, aufgenommen in das Israel des neuen Testamentes, das wahrhaftige Volk Gottes, die mögen auch mit ihnen den Gruß dieses Knechtes Gottes und des Herrn Jesu Christi sich zueignen: „Freude zuvor!“ Die Anderen freilich nicht, die Alle nicht, die noch in der Welt und dem vergänglichen Wesen der Welt ihre Freude suchen, oder deren Herzen noch zwischen Gott und der Welt geteilt, die noch nicht zum Glauben an den Herrn Jesum Christum erweckt sind. Für die Alle hat er kein: „Freude zuvor!“ Ihnen gilt, was er im Verlauf dieses Briefes schreibt: „Seid elend, und tragt Leid, und weint! Euer Lachen verkehre sich in Weinen, und eure Freude in Traurigkeit!“ (Kap. 4,9.) Wie mag auch ein Mensch, dem Herz und Auge noch nicht aufging für den einigen Quell und Grund aller Freude, der Christum und sein Wort nicht kennt, und nicht wiedergeboren ist aus dem unvergänglichen Samen des Wortes Gottes zu einem neuen Leben in Gott, auch nur einen einzigen Tag froh werden in Mitten dieser Welt der Vergänglichkeit und des Todes? „Denn alles Fleisch ist wie Gras, und alle Herrlichkeit der Menschen wie des Grases Blume; das Gras ist verdorrt, und die Blume abgefallen; aber des Herrn Wort bleibt in Ewigkeit!“ (1 Petri 1,24.25.)

„Das ist aber das Wort, welches unter euch verkündigt ist“, fügt der Apostel Jesu Christi zu diesem Wort des alttestamentlichen Propheten hinzu. Das ist das Wort, welches auch uns verkündigt ist. Selig, wenn du es im Glauben angenommen hast, und nun weißt, an wen du glaubst, und dich dessen getrösten darfst: „Ich habe nun den Grund gefunden, der ewig meinen Anker hält!“, dann bleibt auch fest und unbeweglich auf solchem einigen, wahren Freudengrunde! Dann nehmt den Freudengruß des Knechtes Gottes und des Herrn Jesu Christi immer wieder mit offenem Herzen in euch auf: Freude zuvor!“ Freude zuvor, und immerdar und in allen Wegen Freude! „Freut euch in dem Herrn allewege, und abermals sage ich: Freut euch!“ (Phil. 4,4.)

2.

Indem Jakobus also an seine Leser schreibt: „Freut euch!“ „Freude zuvor!“ da ist es ihm, als sähe er ihrer Etliche mit dem Kopfe schütteln, wie wenn sie sagen wollten: „Freude zuvor?“ Ist auch jetzt eine Zeit, und sind die Verhältnisse danach, sich freuen zu können? - In der Tat hatten es diese an den Herrn gläubig gewordenen Juden, an welche zunächst Jakobus seinen Brief richtet, damals nicht leicht. Von ihren ungläubig gebliebenen Volksgenossen als Abtrünnige ausgestoßen, wurden sie von den Heiden dennoch als Juden verachtet. Und schon drohte unter ihnen selbst die erste Liebe zu erkalten. Sie waren an den Herrn Jesum gläubig geworden; aber es fehlte Vielen der rechte Ernst der Herzensbekehrung und eines dem Herrn geheiligten Lebens. Der Unterschied des Standes und des Besitzes, der in der ersten Gemeinde zu Jerusalem so verschwindend gewesen war, trat wieder hervor; die Reichen nahmen auch im Reiche Gottes einen Vorrang in Anspruch, und behandelten die Ärmeren in der Gemeinde mit Übermut. Das ungläubig gebliebene Volk war von einem Geist des Aufruhrs gegen die verhasste Herrschaft der Römer erfüllt, und in wildem Hader der Parteien zerrissen. Wie nahe lag da für die an den Herrn Jesum Gläubiggewordenen die Gefahr und die Versuchung, in das drohende Verderben mit hineingezogen und verwickelt zu werden? - Das Alles steht vor den Augen des Jakobus, wenn er alsbald nach seinem Gruß: „Freude zuvor!“ in die Worte ausbricht: „Meine lieben Brüder! Achtet es eitel Freude, wenn ihr in mancherlei Anfechtungen fallt!“ Meint doch darum nicht, dass mein Gruß kein Gruß für euch sei: „Freude zuvor!“ Nein, gerade an euch habe ich bei demselben gedacht, und ihn um euretwillen gewählt. Nicht, als wäre es an sich Freude, aus einer Anfechtung in die andere zu fallen; aber um der Frucht willen. Ihr versteht euch ja sonst auf euren Vorteil; so nehmt ihn denn auch hier wahr, „und wisst, dass euer Glaube, so er rechtschaffen ist“, sich in der Prüfung als recht beschaffen ausweist, „Geduld wirkt. Die Geduld aber soll fest bleiben bis ans Ende, auf dass ihr seid vollkommen und ganz, und keinen Mangel habt!“ Je mehr Anfechtung, meint Jakobus, desto mehr Prüfung und Bewährung des Glaubens, und damit auch der rechten Geduld und Standhaftigkeit, und desto mehr Gelegenheit, diese christliche Geduld und Standhaftigkeit in jeder christlichen Tugend und Vollkommenheit zu bewähren, und immer völliger von allen anklebenden Sünden und Mängeln gereinigt, und zu einem priesterlichen Volk Gottes vollendet zu werden.

Meine lieben Brüder! An mancherlei Anfechtungen fehlt es den Christen zu keiner Zeit, am wenigsten in einer so ernsten, schweren, versuchungsreichen, wie die unsrige, in welcher es für die Gläubigen gilt, statt sich im Hader der Parteien wider einander zu entrüsten, fest zu stehen im einmütigen Kampfe wider eine christusfeindliche, gottesleugnerische Welt. So ist das Wort des Jakobus denn auch für uns gesagt, für uns Alle, wie denn nicht insonderheit für Solche unter uns, die vor Anderen es in dunklen Führungen ihres Lebens, unter Kümmernissen und Sorgen, auf den Trümmern ihrer Habe, im Misslingen ihrer Lebensarbeit, an Krankenlagern und an den Gräbern ihrer Lieben erfahren, dass wir durch viel Trübsale müssen in das Reich Gottes gehen. Oder meint ihr, es wäre euch nicht gut, wenn euer Glaube wieder und wieder durch Trübsal und Anfechtung geprüft wird? Wir täuschen uns in den guten, glücklichen Tagen unseres Lebens so leicht über uns selbst, und halten uns für gläubiger und besser, als wir es in Wirklichkeit sind. Wie gut ist es da, dass Stunden über uns kommen, in denen wir es merken, wie viel uns noch mangelt, und uns nun um so mehr vor dem Herrn demütigen, und ihn um so inbrünstiger bitten, dass er nach dem Reichtum seiner Barmherzigkeit unseren Mangel erstatte! Und wenn er das tut, und wir es nun lernen, Glauben zu halten und der Versuchung zu widerstehen, und in der Geduld zu beharren, und wir es nun erfahren: „Alle Züchtigung, wenn sie da ist, dünkt sie uns nicht Freude, sondern Traurigkeit zu sein, aber danach wird sie geben eine friedsame Frucht der Gerechtigkeit denen, die dadurch geübt sind!“ (Hebr. 12,11), wenn so der Mensch Gottes in uns vollkommen wird, zu allem guten Werke geschickt, und unser ganzes Leben immer mehr ein heiliges Opfer des Danks und der Liebe zum Lobe dessen, der uns solche Gnade erzeiget hat, wollen wir da murren und die Köpfe schütteln zu diesem Worte des Jakobus: „Meine lieben Brüder! Achtet es eitel Freude, wenn ihr in mancherlei Anfechtungen fallt!“ Wie fröhlich gingen Petrus und Johannes von des Rates Angesicht, darum dass sie würdig gewesen waren, um des Namens Jesu willen Schmach zu leiden. „Siehe, wir preisen selig, die erduldet haben!“ (Jak. 5,11.) Darum stärkt eure Herzen, und seht an das Ende eurer Geduld und eurer Trübsal, da ihr, die ihr hier eine kleine Zeit, so es sein soll, leidet unter mancherlei Anfechtungen, wenn ihr nun seht, an den ihr geglaubt, euch freuen werdet mit unaussprechlicher und herrlicher Freude, und das Ende eures Glaubens davonbringen, nämlich der Seelen Seligkeit!“ (1 Petri 1,8.9.)

Das walte Gott und der Vater unseres Herrn Jesu Christi, und dazu segne er an uns das Wort seines Knechtes! Er lasse sein Antlitz über uns leuchten, und mache es licht in unseren Herzen, dass wir in allem Trübsalsdunkel unentwegt im Glauben unsere Straße ziehen, und fröhlich singen können:

„Mein Herze geht in Sprüngen,
Und kann nicht traurig sein,
Ist lauter Freud und Singen,
Sieht lauter Sonnenschein.
Die Sonne, die mir lachet,
Ist mein Herr Jesus Christ;
Das, was mich singen machet,
Ist, was im Himmel ist!“ Amen.

Cookies helfen bei der Bereitstellung von Inhalten. Diese Website verwendet Cookies. Mit der Nutzung der Website erklären Sie sich damit einverstanden, dass Cookies auf Ihrem Computer gespeichert werden. Außerdem bestätigen Sie, dass Sie unsere Datenschutzerklärung gelesen und verstanden haben. Wenn Sie nicht einverstanden sind, verlassen Sie die Website.Weitere Information
autoren/l/luger/luger_der_brief_des_jakobus_1._betrachtung.txt · Zuletzt geändert: von aj
Public Domain Falls nicht anders bezeichnet, ist der Inhalt dieses Wikis unter der folgenden Lizenz veröffentlicht: Public Domain