Lobstein, Johann Friedrich - Die Geheimnisse des Herzens - X. Wem lebst du?
Römer 14, 7. 8.
“Unser keiner lebt ihm selber, und keiner stirbt ihm selber. Leben wir, so leben wir dem Herrn; sterben wir, so sterben wir dem Herrn. Darum, wir leben oder sterben, so sind wir des Herrn.“
Die Briefe des Apostels Paulus haben gewöhnlich zwei Teile: der erste enthält die Darstellung der christlichen Lehre, der zweite aber Ermahnungen. Der Apostel legt immer zuerst den Grund des Glaubens, und dann erst zeigt er, welche Wirkungen dieser Glaube für das Leben habe. Das Leben muss einen Grund, eine Unterlage haben, die von Gott kommt, denn in uns selbst ist sie nicht vorhanden. Das Gleichgewicht der Seele ruht im Glauben, in dieser gewissen Zuversicht des, dass man hofft und nicht zweifelt an dem, das man nicht sieht. Eine auf dem Grunde des Glaubens ruhende Seele besitzt eine Kraft, durch die sie tätig ist; diese Kraft ist der Antrieb zu guten Werken. Man lese die acht ersten Kapitel des Briefes an die Römer, und höre von Paulus, welches unsere einzige Hoffnung sei im Leben und im Tode: Ich bin gerecht worden durch den Glauben und habe Frieden mit Gott durch unsern Herrn Jesum Christum. Sobald dieses Werk der Gnade in einer Seele geschehen ist, so treten seine Wirkungen sogleich in das Leben über. Der Sauerteig des Glaubens wird zum Sauerteig der Heiligung. Wenn wir das zwölfte Kapitel des Briefes an die Römer und die folgenden bis zum Schlusse des Briefes lesen, so werden wir sehen, welche Erneuerung des Lebens jenes Werk der Gnade zur Folge hat. Das weltliche Leben und das eigene Leben haben einem Leben der Selbstverleugnung Platz gemacht. Man gehört nicht mehr sich selber an, denn man ist erkauft um hohen Preis. Alle diejenigen, welche den unschätzbaren Wert des Lösegeldes erkannt haben, tragen die Inschrift: Unser keiner lebt ihm selber und keiner stirbt ihm selber. Leben wir, so leben wir dem Herrn; sterben wir, so sterben wir dem Herrn. Darum, wir leben oder sterben, so sind wir des Herrn. Leben und Sterben sind die zwei Faktoren unsers Bestehens. Um recht zu sterben, muss man recht leben; man muss wissen, für wen man lebt und für wen man stirbt. Alle Briefe des Apostels Paulus lassen sich in zwei Fragen zusammenfassen: Was glaubst du? und für wen lebst du? Die erste bestimmt die zweite. Die Überzeugungen sind die Wurzeln des Baumes; aber an den Früchten erkennt man, ob die Wurzel gut ist. Das Leben ist in gewisser Beziehung ein vielfach zusammengesetztes Ding; aber es wird ganz einfach, sobald man die verschiedenen Faktoren, aus denen es zusammengesetzt ist, auf der Seite lässt und sich die Frage vorlegt: Für wen lebe ich und für wen sterbe ich?
Die Menschheit gleicht einem großen Ameisenhaufen. Die Menschen kommen und gehen, sie arbeiten, sie reisen, sie wandern hin und her, sind tätig; aber kaum haben sie sich gezeigt und in Bewegung gesetzt, verschwinden sie wieder, einer nach dem andern. Derselbe Abgrund verschlingt Familien, Nationen, Jahrhunderte. Der Glockenschlag, der die Tagesstunden anzeigt, verkündigt mit derselben Gleichgültigkeit die letzte Stunde eines Menschenlebens. Diese vorübereilende Bewegung, welche wir Leben nennen, ist jedoch keine bloß eitle Erscheinung, sondern sie hat ein Ziel, eine Bestimmung, eine Verantwortlichkeit. Fassen wir dies aber auch immer recht ins Auge? Wenn wir uns des Morgens erheben, fragen wir uns alle Mal: Für wen lebe ich? und wenn wir uns des Abends zur Ruhe begeben, legen wir uns da stets die Frage vor: Wenn ich diese Nacht sterben sollte, wem würde ich sterben? Sind wir darüber im Klaren? Können wir darauf eine bestimmte Antwort geben? Haben wir Gewissheit über diesen Punkt? Wichtige und notwendige Fragen, wovon das ganze Leben abhängt, und wenn schon die Ungewissheit etwas Schlimmes ist, wie viel mehr denn die Täuschung? Die Gewissheit liegt aber nur in der Wahrheit. Suchen wir daher zur Gewissheit zu gelangen, ob wir die Wahrheit besitzen. Wenn du dein Leben im Ganzen überschaust, kannst du wirklich sagen, dass du ein Ziel hast, einen Mittelpunkt, ein Interesse, um das sich dein ganzes Leben bewegt? Zerstückle deine Jahre nicht, sie sind ohne dies schon zerteilt genug! Fasse sie vielmehr zusammen und siehe nach, ob sie von einem Bande zusammengehalten werden, ob sie nur Eine, von deinem Herzen bestimmte und dasselbe bestimmende Richtung innehalten, ob dein Leben sich nach einem Punkte richtet, so wie der Kompass nach dem Pole. Alle Werke Gottes tragen den Charakter der Einheit: sie sind nach ewig gleichmäßigen Gesetzen geordnet, und dennoch ist eine unendliche Mannigfaltigkeit unter ihnen. Die Tage und Jahreszeiten folgen sich regelmäßig; die Pflanzen und Tiere teilen sich in Klassen; die Schöpfung Gottes ist ein Ganzes: so soll auch das menschliche Leben ein Ganzes sein, gut geordnet und wohl angewendet.
In dem unendlichen Wirrwarr, der uns umgibt, muss unser Herz nur unter einem Einflusse stehen, nur nach einer Richtung sich bewegen, muss unsere Tätigkeit nur einen Kreislauf haben, gleich dem Lauf der Planeten um ihre Sonnen. Unter den tausend und tausend Dingen, die uns umgeben, ist nur eines notwendig.
Um zu wissen, auf welche Weise unser Leben zu einer Einheit gelangt, brauchen wir nur darauf zu sehen, welcher Neigung wir gewöhnlich folgen. Wir haben ein Herz und eine Anzahl Jahre. Wem gehören sie? Wem geben wir das Herz und für wen verbringen wir die Jahre? Eine Menge von Leuten wäre in nicht geringer Verlegenheit, wenn sie diese Frage beantworten sollte, denn das Leben der Meisten ist ein Leben der Unordnung, eine Verschwendung der Lebenskräfte, eine Reihe von leeren Dingen, deren Gesamtsumme eine Null ist. O, was für ein trauriges Dasein ist das Dasein so vieler Menschen, welche nie über ihr Lebensziel nachdenken, ein Dasein, das sich in völlig wert- und gehaltlose Bestandteile auflöst, das in der Leere herumschwimmt, wie jene Dünste in der Luft, die sich zerstreuen, ohne Regen oder Tau erzeugt zu haben. Ein armes Leben, ohne Inhalt, ohne Zusammenhang, ohne Ziel und Zweck, ohne Nachdenken, zusammengesetzt aus einer Menge von Dingen und Ereignissen, die sich an einander reiben, einander weiter drängen, gleich der Woge, die ein ödes Ufer bespült, ohne dasselbe fruchtbar zu machen! Es gibt jedoch auch Menschen, die da wissen, warum und für was sie leben. Die Eitelkeit hat für sie einen Namen, einen Körper, eine besondere Form; es ist der weltliche Sinn. Für den Einen ist der Lebenszweck das Geld, und das, was man mit Geld erreichen kann; ob Bankier oder Bettler, einerlei, sein Gott ist das Geld. Für einen Andern liegt der Zweck seines Daseins in seinen Ideen, seinen Plänen, seinen Hoffnungen, seinen Gewohnheiten. In diesem Kreise bewegt er sich, tritt nie aus demselben heraus, und Alles, was um ihn vorgeht, bekümmert ihn nicht. Noch Andere finden ihren Lebenszweck in ihrer Familie. Ein ruhiges, vergnügtes Leben am friedlichen Herde und im Schoße einer Familie wird sehr oft als das glücklichste, als ein Ideal dargestellt. Alles geht seinen schönen, geordneten Gang; Alles ist Anstand. Da ist keine Rede von Bällen, noch von unnützen Ausgaben; Arbeit und Ruhe lösen sich ab. Es ist wir lassen es gelten ein Muster, aber kein evangelisches Muster. Für einen Vierten hat das Leben wieder eine andere Gestalt und Bedeutung. Er spielt die Rolle eines Philosophen. Ohne Verwandte, ohne Familie, ohne Freunde ist er endlich dahin gekommen, sich selbst zu genügen und mit sich selbst zufrieden zu sein. Eine größere Gesellschaft als die seiner eigenen Person wünscht er nicht. Unverehelicht, bewohnt er für sich allein ein ganzes Haus, in welchem sonst zwanzig Personen hinreichenden Raum fänden. In solchen Häusern weiß und glaubt man nicht, dass unser keiner sich selber lebt, dass unser keiner sich selber stirbt. Da lebt man für sich, und wird alt für sich. Die Philosophie ist nur ein Vorwand; man betet das Ich an. Manche Menschen endlich suchen den Zweck ihres Lebens in Andachtsübungen, von denen man nie eine Wirkung in ihrem Leben wahrnimmt, und wobei ihr Gewissen immer dasselbe bleibt. Sie bekennen sich zur rechtgläubigen Lehre; aber diese Rechtgläubigkeit verhilft ihnen nie zum Glauben. Die Religion wird ausgeübt, ohne dass man je ein Bedürfnis danach hat, ohne dass die Seele je nach Leben schreit, ohne dass das Herz die Wahrheit ergreift. Es sind Pflanzen, aber nicht solche, die der himmlische Vater gepflanzt hat; sie werden daher auch ausgerottet werden an jenem großen Tage.
Es gibt jedoch, Gott sei Dank! auch sehr viele liebenswürdige Herzen, aufopfernde Seelen, die aber, trotz ihrer schönen und liebenswürdigen Eigenschaften der Frage nicht ausweichen können: Wem lebst du, und für wen willst du sterben? Es gibt eine natürliche Gutmütigkeit, die wirklich Großes ausrichtet, bei welcher aber die Täuschungen nichts Seltenes sind. Eine Mutter gibt sich ihren Kindern. hin; ein Gatte bemüht sich, das Glück des Hauses zu gründen; ein Lehrer widmet sein Leben der Errichtung von Musterschulen; ein Philanthrop will das Elend mildern: Alle arbeiten mit aufrichtiger Ergebenheit und löblichem Eifer und - Keinem gelingt's. Die Kraft ist ihnen auf halbem Wege ausgegangen, und sie sind nie ans Ziel gekommen. Aber ihr armen Opfer euerer Tugenden, wann werdet ihr einmal euere Blicke etwas höher richten, euch auf einen andern Standpunkt stellen, einen andern Ausgangspunkt nehmen für euere Unternehmungen? Euere Gutmütigkeit, euere Aufopferung werden euch nie ans Ziel bringen. Euere Tugenden gleichen jenen Dünsten, welche sich über die Erde lagern und aus derselben den Pesthauch einsaugen.
Wir haben von gutmütigen Herzen gesprochen; sollten wir nicht auch ein Wort sagen von den Genies, von Menschen, die mit großen Talenten ausgestattet sind? Es hat edle Männer gegeben, die ihr ganzes Leben einer Idee, der Entdeckung eines Systems oder der Ausführung desselben aufgeopfert haben. Den Lebensgehalt, welchen Andere in der Tugend suchen, suchen diese in der Wissenschaft und im Denken. Haben sie ihr Ziel erreicht? Haben sie das Leben gefunden? Gesetzt auch, sie haben's dahin gebracht, einen Platz im Pantheon zu erlangen, ihren Namen in einem Heldengesang verherrlicht, oder auf dem Fußgestell einer Marmorsäule eingehauen zu hinterlassen: haben sie wirklich gelebt, gelebt für den, der allein Leben geben kann? Nur die letzte Stunde gibt den Maßstab für das Leben. Die Erde bleibt Erde: das Genie ist kein Feuer, das vom Himmel fällt und das Opfer verzehrt. Endlich ist noch eine Klasse von Menschen zu erwähnen, deren innere Verfassung so zu sagen die Mitte hält zwischen dem natürlichen Zustande und dem Zustande einer Seele, die im Suchen begriffen ist. Wenn die Gnade ihre Arbeit im Herzen beginnt, so fühlt dasselbe, dass es ein Opfer bringen soll, und dieses Opfer ist das Herz selbst. Eine innere Stimme lässt sich hören: Gib mir, mein Sohn, dein Herz. Aber vor diesem Opfer schreckt man zurück. Man fühlt wohl, wie diesem Opfer auch die Aufopferung des Lebens folgen muss; wie man dadurch, dass man dem Herrn sein Herz gibt, auch die Verpflichtung zur Selbstverleugnung übernimmt. Und man denkt ganz richtig; denn unser Text sagt: Unser keiner lebt ihm selber, unser keiner stirbt ihm selber. Und wenn man auf der einen Seite geneigt ist, zu gehorchen, so ist man auf der andern Seite geneigt, zu widerstehen. Man will und will nicht; man tut einen Schritt vorwärts und einen zurück; man entscheidet sich und man zögert. Denn das natürliche Herz ist ein Abgrund voll Widersprüche, und wenn es geteilt ist, so ist es am unbeständigsten in allen seinen Wegen. Ihr unbeständigen Seelen, ihr unentschiedenen Herzen, ihr seid zu beklagen. Alle euere Kämpfe kommen von euern halben Entschlüssen. Ihr wollt weder Gott noch die Welt ganz besitzen, und die Folge davon ist, dass beide euch verschmähen. So hat es Jesus nicht gemacht, indem er euere Seele geliebt hat. Er hat sich entschlossen und hat den Kelch des Todes für euch geleert. Er hat sich für euch in den Kampf geworfen und nicht geruht, bis er für euch gesiegt hatte. Macht es so für ihn! O! glückliche Seele! die sich ihrem Heiland hingegeben. Versucht nur das Band, welches euch an die Erde bindet, zu zerreißen, und ihr werdet wahrhaft frei werden.
Vielleicht werdet ihr fragen, was denn jene, die nicht mehr sich selber leben, eigentlich gewonnen hätten?
Vor allen Dingen haben sie das gewonnen, dass sie aus der Unruhe herausgekommen sind, in der ihr euch noch befindet. Sie sind nicht mehr wie die Meereswogen, die der Wind hin- und herwirft. Wer sich Jesu hingegeben und sich durch ihn regieren lässt, der ist dadurch der Mühe enthoben, sich selbst zu regieren, der Gefahr entrissen, in die man sich begibt, wenn man der eigenen Kraft vertraut; er ist der Sorgen ledig, welche durch jene Verantwortlichkeit erzeugt wird. Sie haben nun einen Führer, einen treuen Freund. Der Fürst des Lebens, der König des Friedens ist an ihrer Seite; er leitet sie auf sichern Wegen, und ihre Kraft wird sie nicht verlassen. Die schwersten Prüfungen des Lebens werden ihnen zu grünen Weiden und zu lebendigen Wassern. Alles gehört ihnen, denn sie gehören Christo. Ihr Schatz ist geborgen, denn er liegt in der Hand dessen, dem alle Gewalt gegeben ist im Himmel und auf Erden. Das Glück ihres Herzens und der Besitz dieses Schatzes machen sie zufrieden mit jeder Lage, in der sie sich befinden; sie haben gelernt, in der Armut und im Überfluss vergnügt zu sein. In allen Stürmen des Lebens ist ihre Seele ruhig, sie vermögen Alles durch den, der sie mächtig macht, Christus.
Das ist die eigentliche und wahre Selbstständigkeit. So lange man noch an sein eigenes Ich gebunden ist, und wäre es auch nur vermittelst eines Härleins, so ist man unsicher und in der Abhängigkeit. Man ist nicht frei, bis man Christo angehört. Die Gemeinschaft mit dem Herrn befreit unsere Seele von allen andern Banden. Das Geheimnis unserer Befreiung von der Sünde ist auch das Geheimnis unserer Freiheit. Wir leben in Ketten, wenn wir für uns selber leben; wir regieren mit dem Herrn, wenn wir uns durch ihn regieren lassen. Der Wille ist dann keine Widerstandskraft mehr und die Unterwerfung wird uns nicht mehr sauer. Wenn wir Christi Leben teilen, so triumphieren wir auch mit ihm. Alles erscheint uns in einem andern Lichte; die Schöpfung wird schöner, die Beziehungen zu den Menschen werden anders, und Verlust wird zu Gewinn. Unsere Gemeinschaft mit dem Herrn wird immer inniger und sie findet Ihresgleichen nicht auf Erden. Wer eins ist mit dem Herrn, ist ein Geist mit ihm geworden und seine Individualität erhält in ihm erst ihren wahren Charakter. Ein Knecht des Herrn ist der freiste und selbstständigste Mensch. Wenn Jesus uns durchdringt, so durchdringt uns die Freiheit, denn wo der Geist des Herrn ist, da ist Freiheit.
In diesem Geiste der Freiheit liegt uns die Welt zu Füßen, und die Seele ist auch in dem rechten Elemente, um zu beten. So lange die Seele gebunden ist, ist auch das Gebet gebunden; nur ein Befreiter des Herrn kann im rechten Geiste beten. Warum sind so viele Gebete mit Traurigkeit und Zweifeln begleitet? Weil man noch sich selbst angehört. Wer sein Leben erhalten will, der wird es verlieren, und wer es verliert um Christi willen, der wird es finden. Es ist Christus, der in uns lebt, und nicht wir selbst; also kann man auch nur beten, wenn man in Christo ist. Er allein gibt die Versicherung von der Erhörung, aber nur für die, die ihm angehören. Wer den Herrn hat, der hat alles Andere; alle Schätze Gottes stehen ihm zu jeder Stunde und in jedem Augenblicke offen; aber er darf nicht mehr zwei Herren dienen. Wir wissen, sagt Johannes, dass er uns erhört und uns die Bitte gibt, die wir von ihm gebeten haben. Wer die Wahrheit erfahren hat, glaubt an die Wahrheit. Unser Gebet wird uns lehren, was beten heißt, wenn wir in Christo leben.
Eine Seele, die dem Herrn angehört, besitzt allein das Geheimnis der Kraft, der Sünde zu widerstehen. Was war es, das den Apostel Paulus zu einem Überwinder, ja zu mehr noch machte? Es war seine Gemeinschaft mit Christo. Ziehe an den Herrn Jesum Christum, und was dir unmöglich ist, wird dir möglich werden. Vertiefe dich in den Gedanken, dass du nicht dir selbst angehörst, dass du erkauft bist mit einem teuren Lösegeld; und derjenige, der dich erkauft hat, wird dich auch streiten lehren. Die Seele, in der Jesus wohnt, ist stark in der Schwachheit, reich in der Armut, hat Überfluss mitten im Hunger. In den Wohnungen der Gerechten offenbart der Herr seine Wunder. Im glühenden Feuerofen, in welchen die drei mutigen Zeugen des lebendigen Gottes geworfen wurden, erblickt man einen Vierten, der die Feuerflammen abwehrt, und bei Daniel einen solchen, der den Rachen der Löwen zuhält. Wer dem Herrn angehört, dem gehört der Sieg, denn seine Sache ist Gottes Sache.
Wenn wir von der Frage ausgegangen sind: Wem lebst du? so ist es deswegen geschehen, weil alle andern Fragen in diese eine sich auflösen. Diese Frage umfasst dein Glück oder dein Unglück, deine Freiheit oder deine Knechtschaft, den Himmel oder die Hölle. Kennst du deinen wahren Meister, und wenn du ihn kennst, bist du in seinen Dienst getreten? Wenn du darüber ins Klare kommen willst, so untersuche die Richtung, die dein Leben eingeschlagen, untersuche deine Gewohnheiten, deine Kämpfe, deine einsamen Stunden. Ziehe dieses Alles ans Licht hervor, und die Wahrheit wird reden. Dein Leben entflieht, und dein letzter Tag rückt heran. Wenn du deine vergangenen Tage verloren hast, verliere doch wenigstens diejenigen nicht, die dir noch bleiben, und vor allen Dingen verliere nicht die Ewigkeit! Was dir not tut, was du brauchst, ist etwas Wesentliches, etwas Göttliches. Jage nicht aufs Neue nach Dunst und Schatten. Jesus wartet auf dich, er liebt dich, das hat er bewiesen am Kreuze. Gib ihm den Rest deines Lebens und du wirst wieder jung werden, wie ein Adler. Unerschöpfliche Schätze werden dir in den Schoß fallen, wenn du alles Andere fahren lassest. Deine müde Seele findet keine Labung hienieden, denn die Eitelkeit macht dich nur kränker, und die Eigenliebe nur unglücklicher. Jesus allein hat, was dir fehlt, und er will dir's mit vollen Händen geben. Sei barmherzig gegen dich selber, und der Aufgang aus der Höhe wird dich besuchen. Was du dran gegeben hast, ist in gar keinem Vergleich mit dem, was dir Jesus gibt und was dir nie mehr entrissen werden kann; denn er ist derselbe gestern, heute und in Ewigkeit.