Lobstein, Johann Friedrich - Die Geheimnisse des Herzens - VIII. Die Inbrunst
Römer 12,11
„Seid inbrünstig im Geiste“
Dieses Kapitel enthält eine Menge Lebensregeln für die Gläubigen. Wenn man solche Kapitel liest, so schreitet man gewöhnlich etwas zu schnell über die einzelnen Verse hinweg, ohne sich ihren Inhalt recht zu vergegenwärtigen. Will man aus ihnen den rechten Nutzen ziehen, so muss ihr Inhalt durch das Gebet in Saft und Kraft für uns verwandelt werden; wir müssen uns bei jeder einzelnen Vorschrift fragen: Hast du dieses Wort des Herrn schon zur Tat und Wahrheit werden lassen in deinem Herzen und in deinem Leben? oder hast du wenigstens das Verlangen danach? Der Herr sagt irgendwo: Seht zu, wie ihr hört. Wenn unser geistliches Leben so wenig Gründlichkeit und Tiefe hat, so rührt dies größtenteils von der innern Schlaffheit her. Wir hören gern schöne Lehren, aber wir bezeigen sehr wenig Lust, dieselben in unserm Wandel und in unsern Beziehungen zum Herrn zu verwirklichen. Dies geschieht erst dann, wenn der Geist Gottes unserm Herzen keine Ruhe mehr lässt und unsere Aufmerksamkeit dergestalt auf jene Vorschriften lenkt, dass wir sie unmöglich mehr umgehen können. Er zeigt uns dann unser bisheriges Leben, unsern eitlen Wandel nach väterlicher Weise, und offenbart uns die Tiefen unsers geistlichen Elendes. Unser Herz fühlt sich beklemmt, wir können nicht mehr entweichen und unsern vorigen Wandel nicht mehr fortsetzen; unsere Kraft ist gebrochen und wir verzagen. Aber da öffnet sich eine andere Quelle, aus der wir Kraft schöpfen können; der Herr, der Wohlgefallen hat an den Elenden, vollbringt selber in uns, was ihm wohlgefällig ist durch Jesum Christum.
Unter der großen Anzahl von Vorschriften, welche das zwölfte Kapitel an die Römer enthält, wollen wir heute nur eine einzige zum Gegenstande unserer Betrachtung wählen, das Wort: Seid inbrünstig im Geiste. Paulus redet hier von jener Seelenstimmung, die uns Allen notwendig ist, wenn wir mit dem Herrn in der rechten Verbindung stehen wollen; denn die Erhörung unserer Gebete und das Wachstum des inwendigen Menschen hängt ab von der Inbrunst im Geiste. Aber eben diese Seelenstimmung ist es, die uns leider sehr oft fehlt. Sollen wir uns daher verwundern, wenn wir oft so träge, so tot sind, wenn unser inneres Leben einen Stillstand erleidet? Wir setzen unsere geistlichen Übungen fort; aber was uns fehlt, ist der Geist, der sie belebt, und der Herr muss zu uns sagen wie zu seinem Volke Israel: Dieses Volk naht sich zu mir mit seinem Munde und ehrt mich mit seinen Lippen, aber ihr Herz ist ferne von mir. Diejenigen, die Gott anbeten, müssen ihn im Geist und in der Wahrheit anbeten. Diejenigen, welche inbrünstig sind im Geiste, sind auch diejenigen, die am meisten Leben empfangen. Aber was heißt das, inbrünstig sein im Geist? Lasst uns diese Frage zuerst beantworten und dann sehen, wodurch solche Inbrunst geweckt wird, und endlich drittens, was sie in uns wirkt.
I.
Was ist die Inbrunst im Geist?
Sie ist das Verlangen der Seele, ihr Dürsten nach dem lebendigen Gott. Wir sind inbrünstig im Geist, wenn unsere Seele verlangt und sich sehnt nach den Vorhöfen des Herrn; wenn wir fühlen, wie ein Tag in seinen Vorhöfen besser ist, denn sonst tausend, und wenn wir in diesem dürren Lande, in dem kein Wasser ist, nur dann uns gesättigt fühlen, wofern wir bis ins Heiligtum treten können vor unserm Gott, der unsere Freude und unsere Wonne ist. Die Inbrunst ist jenes heilige Feuer, welches in uns die Erkenntnis des Herrn und den Geschmack an himmlischen Dingen erhält. Sie ist für die Seele das, was die Lebenswärme für den Körper ist; so wie es in diesem eine Zirkulation des Blutes gibt, so gibt es auch eine Zirkulation des innern Lebens. Wenn dieses innere Leben in uns herrscht, wenn es uns unsere geistlichen Bedürfnisse kund tut und uns mit der Gnadenfülle Gottes in Berührung bringt: so nennen wir diesen Zustand die Inbrunst im Geist. So wie das Wasser über dem Feuer nach und nach ins Sieden gerät, indem es von der Feuerhitze durchdrungen wird: so wird die Seele, die von Natur kalt und unempfindlich ist, von dem Lebensfeuer des Geistes Gottes durchglüht. Angezogen von einem himmlischen Magnet, tritt die Seele in Berührung mit dem, was kein Auge gesehen, kein Ohr gehört und in keines Menschen Herz je gekommen ist, das Gott aber bereitet hat denen, die ihn lieben.
Die Inbrunst ist nicht eine Neigung unseres natürlichen Gefühls, noch eine Begeisterung; unser Herz kann sich nicht selbst in den Zustand der Inbrunst versetzen. Zwischen der religiösen Inbrunst und jenem Feuer der Beredsamkeit, jener Begeisterung des Dichters, jener Lebendigkeit des freien Vortrages ist derselbe Unterschied, wie zwischen dieser Welt und der himmlischen. Die Inbrunst ist keine Übertreibung der Gefühle, und sie führt auch zu keiner Übertreibung. Eine inbrünstige Seele befindet sich nicht außerhalb ihres normalen Zustandes; sie ist nicht in einem Zustande der Betäubung, ähnlich jenem Zustande, in welchen die Priesterin der alten Griechen fiel, wenn sie, auf dem Dreifuß sitzend, ihre Göttersprüche aufsagte. Es gibt für eine gläubige Seele keinen natürlicheren und gesunderen Zustand, als die Inbrunst. Nie werden wir einen klareren Blick in uns selbst, in unser Wesen, unsere Bestimmung, unsere Zukunft und unsere Verbindungen mit Gott gewinnen, als eben wenn wir inbrünstig sind im Gebet. Es ist vielmehr zu befürchten, dass man zu wenig inbrünstig sei, als dass man darin zu weit gehe. Die geistliche Betäubung kommt von dem weltlichen Sinn, von Fleisch und Blut. Der Geist Gottes, der ein Geist der Wahrheit ist, bewahrt uns vor geistlichen Abirrungen, so lange wir seinen Antrieben folgen. Die Inbrunst gehört so sehr zum Wesen des neuen Menschen, dass ein wahres Kind Gottes nie unglücklicher ist, als wenn es sich über einer von jenen Stimmungen ertappt, die nicht vom Geiste Gottes gewirkt und der Inbrunst entgegen sind. Wer einmal einen Zustand geistlicher Erstarrung durchlebt hat; wer seine geistlichen Übungen mit kaltem, zerstreutem Gemüt verrichtet und unfähig ist, den Herrn zu ergreifen; wer da weiß, was das heißt, die geistliche Auszehrung zu haben, wo alle Bedürfnisse des Herzens erstickt sind, wo man seine Sünden sieht, ohne durch sie beunruhigt zu werden, das Kreuz Jesu anschaut, ohne etwas zu empfinden, der wird auch wissen, dass dies ein unglücklicher Zustand, ja eine wahre Pein ist. Und was fehlt eigentlich einer solchen Seele? Eben die Inbrunst im Geiste, die geistliche Lebenswärme. Sie fühlt, dass bei ihr etwas nicht in Ordnung ist, dass sie ihrem gefallenen Zustande überliefert ist, und allen den Folgen, die derselbe nach sich zieht.
Vielleicht wird man einwenden, dass man nicht immer inbrünstig im Geist sein könne, ebenso wenig als man immer beten oder die Bibel lesen kann. Wer diese Einwendung macht, der beweist damit, dass er von der Inbrunst nicht den rechten Begriff hat, sondern dass er sie mit der Überreizung des Gefühls oder mit einem jener Zustände verwechselt, wo durch eine übermäßige Anstrengung der Geist in eine unnatürliche Spannung versetzt wurde und dann infolge dessen samt dem Körper in eine Art Kraftlosigkeit versinkt. Um inbrünstig im Geiste zu sein, muss der Mensch seine Seele den Einflüssen Gottes offen erhalten, seine Erinnerungen sorgfältig in Acht nehmen, und sich nicht ins Unbestimmte, noch in die Wünsche des Fleisches oder des Eigenwillens verlieren. Der Herr hat Wächter auf unsere Mauern gestellt. Wenn wir auf ihren Ruf merken und uns ihren Räten unterziehen, so wird es uns nicht schwer, inbrünstig im Geiste zu werden. Wir bleiben beim Herrn und der Herr bleibt bei uns. Dieser Zustand hat nichts Ermüdendes; er unterhält die Stille, die Seelenruhe, die Wachsamkeit und die Treue. Die Seele ist in ihrem Elemente, und wenn sie beten will oder in einer besonderen Angelegenheit zu handeln hat, so braucht sie nicht weit zu gehen, gleichsam wie in ein fremdes Land, um die Inbrunst zu suchen. Dieselbe stellt sich von selbst ein, und lässt die Seele wachsen in der Erkenntnis Gottes und in Allem, was zum Leben und zur Gottseligkeit dient.
II.
Wie kann man inbrünstig werden im Geiste?
Wenn wir auf uns selbst und auf unsere eigenen Hilfsquellen angewiesen wären, so wäre es uns freilich unmöglich, inbrünstig im Geiste zu sein, ebenso unmöglich, als uns selbst zu bekehren und selbst selig zu machen. Die Inbrunst ist eben sowohl, wie alle andern geistlichen Gnadengaben, ein Geschenk Gottes, das nicht von uns kommt, auf dass sich niemand rühme. Unser Zustand ist ein Zustand der Verderbtheit, und mag er sich auch veredeln, so ist es doch immer der Geist der Welt, der ihn durchzieht. Fleisch ist nicht Geist und wird es auch nie werden. Der Herr selbst muss Hand ans Werk legen und den Grund unseres ganzen Wesens und Lebens umändern. Es hilft uns Alles nichts, weder die günstigsten Umstände, in die wir gestellt sind, noch die reichlichsten Mittel zur Erbauung, weder christliche Freunde, noch geistliche Väter können diese Veränderung zu Stande bringen: sollen wir inbrünstig werden im Geiste, so muss ein Wunder der Gnade Gottes in uns geschehen.
Sehr oft fühlen wir uns, umgeben von den reichsten Gnadenmitteln, nicht nur träge und kalt, sondern auch ganz unfähig, uns zu ermannen. Dagegen gibt es wieder andere Augenblicke, da man es am wenigsten erwartet, am wenigsten verdient, wo der Herr uns seine Fülle ausschließt und uns mit Segen überschüttet, dass unsere Seele vor gutem Mute jauchzt. Die Gnade des Herrn ist eine freie Gnade. Diese Wahrheit will er uns zeigen, uns davon überzeugen, damit wir bis zum letzten unserer Tage in dem Gefühl unserer Abhängigkeit von ihm dahingehen und bewahrt bleiben vor stolzer Überhebung.
Aber so wahr es ist, dass die Inbrunst ein Geschenk Gottes ist, eben so wahr ist auf der andern Seite, dass dieses Geschenk an Bedingungen geknüpft ist, die wir zu erfüllen haben, um der Gnade Gottes den Weg zu unserm Herzen zu bereiten. Wenn wir diese Bedingungen nicht eingehen, sie nicht erfüllen, so verhindern wir den Herrn, auf unser Herz zu wirken. Die erste Bedingung, welche er uns stellt, ist die, dass wir das Fleisch mit seinen Lüsten und Begierden bekämpfen. Wie ist es möglich, zur Inbrunst im Geiste zu gelangen, wenn man sich von den Begierden des alten Menschen beherrschen lässt, von jenen Neigungen, welche den Geist töten? Die Inbrunst ist die Herrschaft der göttlichen Natur im Herzen; aber zu diesem Siege gelangt dieselbe erst dann, wenn der fleischliche Sinn auf den Tod verwundet ist und man von der Herrschaft der Sünde befreit wird. Es gibt eine Herrschaft der Sünde und gibt Sünden, von denen wir übereilt werden; beides ist nicht das Gleiche. Ein Kind Gottes kann inbrünstig im Geiste sein und doch noch Sünden, ja Rückfälle zu beweinen haben; aber die Sünde herrscht nicht mehr in seinem sterblichen Leibe.
Man hat schon sehr viel gewonnen für sein inneres Leben, wenn man durch Gebet und Kampf mit den hartnäckigsten Neigungen des alten Menschen gebrochen hat, und fortfährt, einen rechtmäßigen Krieg zu führen gegen Alles, was zu einem Banne im Herzen werden könnte. Aber es reicht nicht hin, grobe Sünden überwunden zu haben, sondern man muss immer mehr wachsen in der Selbsterkenntnis. Die Inbrunst wohnt nur in solchen Herzen, die gereinigt sind nicht bloß von Allem dem, was offenbare Ungerechtigkeit ist, sondern auch von Allem dem, was man subtil nennen könnte in den zarten und aufmerksamen Herzen, die sogleich die geringste Regung der Eigenliebe, die versteckteste Berechnung der Selbstsucht, die kleinste Unredlichkeit, mit einem Wort, alle die unbedeutend scheinenden Fäden entdecken, die unser Herz an die Welt binden und von Gott abziehen. Ohne eine gründliche Selbsterkenntnis ist es unmöglich, zu der Inbrunst im Geiste zu gelangen und uns darin zu erhalten. Und dies ist die zweite Bedingung, wenn das Werk Gottes in uns Fortgang haben und zur Vollendung geführt werden soll.
Wer in diesen beiden Punkten treu ist, wird dadurch eine Erfahrung machen, die ihm mehr als alles Andere es leicht machen wird, zur Inbrunst des Geistes zu gelangen. Er wird in seiner Seele eine Menge von Bedürfnissen entdecken, die nur durch den Herrn und die ewigen Güter gestillt werden können. Je tiefer er in das Wesen seiner Natur eindringt, desto dringender werden auch diese Bedürfnisse.
In dem gefallenen Herzen ist eine Leere, die ausgefüllt werden muss; aus dieser Leere entsteigen Seufzer, so wie ein Hirsch schreit nach frischem Wasser. Wie oft sehnt man sich nach einem irdischen Gut und strengt alle seine Kräfte an, um es zu erreichen? Man hat einen Wunsch, von dessen Erfüllung man sein Glück erwartet; und wenn es nun gelingt, dass diese so heiß ersehnten Güter erlangt werden, wenn neben tausend getäuschten Hoffnungen endlich eine sich verwirklicht und man in den Besitz des geträumten Ideals gelangt was geschieht da gewöhnlich? Ist eine augenblickliche Lust genossen, so fühlen wir uns nur um so ärmer und leerer; unsere Seele hat nichts gewonnen, als eine neue und noch größere Täuschung, und wir haben nur wieder einen Beweis mehr dafür, dass die Ewigkeit allein das Brod des Lebens hat, das unserm Herzen not tut. Die Erfahrung von solcher Leere und Armut treibt zur Inbrunst im Geiste. Wenn unsere Bedürfnisse aufgedeckt vor uns liegen, wie ein Abgrund, so nimmt unser Herz seine Zuflucht zu einer andern Liebe, als zu derjenigen der Welt oder der Kreaturen dieser Erde. Herr! seufzt man dann, wer ist dir gleich! Du allein kannst meine Seele sättigen. Wann werde ich dahin kommen, dass ich dein Angesicht schauen kann im Lande der Lebendigen?
III.
Wir haben nun gesehen, was die Inbrunst im Geiste sei und wie wir sie erlangen können; nun bleibt uns noch der dritte Punkt übrig: Was bewirkt die Inbrunst, wenn unsere Seele von ihr erfüllt ist?
Vor allen Dingen lehrt sie uns recht beten, und das ist schon ein unermesslicher Gewinn. Unsere Weise zu handeln hängt immer von der Weise ab, wie wir beten. Vom Gebet kommen die guten Antriebe, die verborgenen Kräfte und die Siege; aber wir beten nur dann im rechten Geiste, wenn wir die Inbrunst des Geistes haben. Nur dann liegt die Welt zu unsern Füßen und wir können den Herrn erfassen und unser Vertrauen hat einen festen Halt.
Die Inbrunst verleiht uns heilige Kräfte, zieht unser Herz empor zu den Dingen jener Welt, und versetzt uns in einen Zustand, in welchem wir alles Irdische beherrschen können. Wenn man euch fragen würde, welches euere glücklichsten Augenblicke seien: so würdet ihr auf der Stelle antworten, es seien diejenigen, wo die Welt überwunden zu euern Füßen liege, wo ihr frei seid von jenem Geiste der Zerstreuung, und wo der Herr seine Gegenwart in euern Seelen fühlen lasse, wo Er allein euer Verlangen sei. Wir sind von einer reichen Fülle von Gnaden umgeben, aber die herrlichste und köstlichste von allen, die wir genießen, ist die Erkenntnis Gottes und die Gemeinschaft mit ihm im Geiste und in der Wahrheit.
Wenn die Inbrunst für unser inneres Leben das ist, was der Tau einer dürstenden Pflanze: so ist sie auch die Bedingung unserer Handlungen. Sie gibt uns die Kraft sowohl zum Leben als zum Handeln. Es ist ein himmelweiter Unterschied zwischen den Taten, welche der Geist Gottes wirkt und denen die bloß aus Neigung oder Bedürfnis hervorgehen. Man fühlt sich nicht selten sehr unbehaglich in jenen Arbeits-Vereinen, in jenen Komitee-Sitzungen der Wohltätigkeit, selbst wenn man in der Bibel liest, und die Sache ihren regelmäßigen Gang geht. Warum? Weil das Element fehlt, das zuerst und vor allen Dingen nötig ist - der Antrieb des Geistes Gottes. Es gibt Christen, die sehr bald bereit sind, sich als Glieder irgend einer Wohltätigkeitsgesellschaft einschreiben zu lassen; aber es währt nicht sehr lange, so ist der Eifer erkaltet und man langweilt sich. Warum? Es fehlt die Inbrunst, das heißt, der Antrieb des Geistes Gottes. Ehe Taten geschehen können, muss das Werkzeug geschaffen werden; und Gott will uns dazu bereiten. Er entkleidet uns unserer eigenen Kraft, unseres eigenen Geistes, und dann erst erfüllt er uns mit seiner Gnade; und was von Ihm kommt, von dem kann man sicher sein, dass es Stand hält.
Die Inbrunst ist endlich noch mit jener heiligen Freude begleitet, mit welcher man nach dem Ziele läuft, der Zukunft des Herrn entgegen, mit gegürteten Lenden und brennenden Lampen. Man weiß, dass Alles, was uns begegnet, uns der Erlösung näher bringt, und bei diesem Gedanken ist man glücklich. Die Zeit enteilt und die Jahre fliehen; aber das bringt uns nur dem entgegen, der da kommt auf den Wolken und sein Lohn mit ihm. Die Kinder dieser Welt nehmen sich große Dinge vor und machen allerlei Pläne; aber die gläubige Seele hat etwas Anderes vor; ihr steht ein anderes Ziel vor Augen. Emporgehoben über das Irdische und Sichtbare, findet sie ihre Freude und ihre Krone in der Vereinigung mit ihrem Haupte, Christo. Die Welt vergeht, die Menschen kommen und gehen; der Leib dieses Todes zerfällt in Staub: für die inbrünstige Seele sind dies feurige Wagen, auf welchen sie ins ewige Vaterland aufwärts fährt. Seid inbrünstig im Geist, und die Ewigkeit wird euer Vaterland und der Thron des Allmächtigen eure Festung sein! Was ist die Erde mit allen ihren Reizen und Schätzen, sobald die zukünftige Herrlichkeit sich vor uns auftut und wir in dieselbe eingehen? Selig sind, die da hungert und dürftet; denn sie sollen satt werden. Mag der äußere Mensch immerhin verwesen, wenn nur der innerliche erneuert wird von Tag zu Tag. Die Anziehungskraft der himmlischen Welt zieht uns ab vom Irdischen und öffnet uns das Herz und Heiligtum Gottes. Noch seufzt zwar unsere Seele in ihrer irdischen Hütte, aber die Befreiung rückt heran; noch sieht sie nur wie in einem dunklen Spiegel die Dinge jener Welt; aber sie eilt vorwärts, der Vollendung entgegen. Welch' eine glückliche Zukunft! Ist dies nicht genug, uns anzutreiben, inbrünstig im Geiste zu werden, treu zu bleiben bis in Tod, und die Schmach Christi der zeitlichen Ergötzung der Sünde vorzuziehen!