Lobstein, Johann Friedrich - Die Geheimnisse des Herzens - IV. Die erheuchelte Teilnahme des Satans und die anscheinende Härte des Heilandes

Lobstein, Johann Friedrich - Die Geheimnisse des Herzens - IV. Die erheuchelte Teilnahme des Satans und die anscheinende Härte des Heilandes

Matth. 16,21-26.
Von der Zeit an fing Jesus an, und zeigte seinen Jüngern, wie er müsste hin gen Jerusalem gehen, und viel leiden von den Ältesten und Hohenpriestern, und Schriftgelehrten, und getötet werden, und am dritten Tage auferstehen. Und Petrus nahm ihn zu sich, fuhr ihn an, und sprach: Herr, schone deiner selbst, das wiederfahre dir nur nicht. Aber er wandte sich um, und sprach zu Petro: Hebe dich weg von mir, Satan, du bist mir ärgerlich, denn du meinst nicht, was göttlich, sondern was menschlich ist. Da sprach Jesus zu seinen Jüngern: Will mir Jemand nachfolgen, der verläugne sich selbst und nehme sein Kreuz auf sich, und folge mir! Denn wer sein Leben erhalten will, der wird es verlieren; wer aber sein Leben verliert um meinetwillen, der wird es finden. Was hilft es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewönne, und nähme doch Schaden an seiner Seele? oder was kann der Mensch geben, damit er seine Seele wieder löse?

Ehe Petrus jenen ungeschickten Einfall hatte, in seiner vermeintlichen Weisheit seinem Herrn und Meister Räte zu erteilen, hatte er jenes schöne Zeugnis von der Gottheit Jesu abgelegt; er hatte von seinem Meister die Versicherung erhalten, dass in seinem Innern ein Werk sei, das nicht von Fleisch und Blut herstamme, sondern von seinem Vater im Himmel. Es war ein Anfang der Gnadenarbeit, aber noch nicht die Bekehrung. Die lebendige Gemeinschaft mit Christo ist unzertrennlich von seinem Kreuze; und dieses Kreuz war noch ein Geheimnis für Petrus. Nicht selten begegnet man Personen, welche in gewissen Lagen ihres Lebens gerade so handeln, wie die Apostel gehandelt hätten, und dennoch gehören sie noch nicht dem Herrn an. Das Geheimnis des Kreuzes ist ihnen noch verschlossen; denn um dasselbe zu verstehen, muss man es tragen, und sehr oft ärgert man sich daran, anstatt es willig zu tragen.

Das war bei Petrus der Fall, als er seinen Meister ihnen ankündigen hörte, dass er nach Jerusalem hinaufziehe, um daselbst zu leiden und dem Tode überliefert zu werden, und dass er am dritten Tage wieder auferstehen werde. Dem Petrus wollte es nicht einleuchten, dass dem Christ Gottes ein solches Los zufallen sollte, und in seiner ungestümen Hast rief er aus: Das widerfahre dir nur nicht! Es könnte bei einem oberflächlichen Blick scheinen, als ob dieser Ausruf aus der Tiefe seiner Seele käme; aber Jesus versteht ihn ganz anders. Er weiß, wessen Einflüsterungen Petrus gehorcht, indem er jene Worte ausspricht und in dieser Sprache seines Jüngers erkennt er jene Sprache, die der Versucher einst in der Wüste gegen ihn geführt hatte, und der nur eine Zeitlang von ihm gewichen war. Mit andern Worten, wo wir herzliche Teilnahme zu erblicken meinen, da sieht Jesus oft einen Fallstrick des Satans. Er ermangelt auch nicht, seinen Jünger sogleich zurecht zu weisen: Hebe dich weg von mir, Satan, du bist mir ärgerlich; denn du meinst nicht, was göttlich, sondern was menschlich ist. In der Wüste hatte der Satan persönlich den Herrn versucht; hier versteckt er sich hinter einen Apostel. Es ist nicht ein Besessener, welcher dem Heiland den Weg versperrt, um ihn am Hinaufgehen nach Jerusalem zu hindern; es ist einer von den Zwölfen. Der Teufel hätte keine bessere Wahl treffen können. Wie oft versucht er es nicht jetzt noch, uns durch diejenigen zu Fall zu bringen, die uns am nächsten stehen! Der größte Schaden, welcher der Sache Christi zugefügt wird, kommt sehr oft von denjenigen, die ihre Diener sind, und die ihr dadurch Schmach bereiten, dass sie Ärgernis geben, indem sie Nichts verstehen von dem, was göttlich ist, sondern nur was menschlich ist. Je verborgener der Einfluss und die Macht des Feindes ist, desto gefährlicher sind dieselben, und Satan, wenn er wie ein brüllender Löwe um uns herumgeht, ist gewiss nicht so zu fürchten, wie dann, wenn er sich in Lichtengelsgestalt hüllt. Sein einziger Zweck jetzt, wie damals, ist der, das Kreuz Christi zunichte zu machen, oder wenn ihm das nicht gelingt, es zu schwächen, zu verkleinern und an dessen Stelle etwas Menschliches zu sehen. Jesus hingegen kommt immer wieder auf sein Kreuz zurück. Die erste Bedingung, die er seinen Nachfolgern stellt, heißt: So Jemand mir nachfolgen will, der verleugne sich selbst, und nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach.

Lasst uns nun den lehrreichen Gegensatz näher betrachten, der sich zwischen Petri Worten und der Antwort Jesu findet; wir werden dabei verstehen auf der einen Seite die verstellte Teilnahme des Satans, und auf der andern Seite die scheinbare Härte des Heilandes. Petrus meinte es gut mit seinem Meister; aber gerade solchen wohlwollenden Herzen zeigt sich der Satan in seiner verstellten Teilnahme. Er würde Nichts gewinnen, wenn er sie hart angriffe, darum fasst er sie bei ihren Gefühlen an. Lasst uns die dreierlei Weisen betrachten, wie er eine falsche Teilnahme heuchelt, und dadurch die Seelen von Christo und seinem Kreuze abziehen will, indem er ihnen jenes Wort wiederholt: Das widerfahre dir nur nicht.

Wir wollen ihn zuerst auf der Kanzel suchen, wie er sich in das Gewand eines Apostels der Liebe hüllt, der aber nicht versteht, was göttlich, sondern nur, was menschlich ist.

Es sind gewöhnlich die Gefühle, die der Satan zu seinen Zwecken gebraucht, um seine mächtigen Bollwerke aufzurichten. Er spiegelt uns vor, wie dieses erlaubt und jenes unschuldig sei, und diese Unschuld bringt er selbst in die Mittel hinein, durch die er uns von dem Kreuze Christi abwendig machen möchte. Will er zum Beispiel einen Prediger verführen, so sagt er ihm: Davor bewahre dich Gott, dass du die unschuldigen Seelen durch dein Predigen ärgern solltest; was würdest du dabei gewinnen? Nichts. - Du würdest sie nur abstoßen. Nur die Liebe gewinnt. Denke daran, dass das Reich Gottes nicht mit äußern Gebärden kommt, und dass die Gnade sanft und lieblich ist. Du darfst die Seelen nicht niederdonnern, du würdest sie nicht bekehren. Lasse dich zu dem Schwachen herunter, durch dieses Mittel kannst du wenigstens etliche selig machen. Vermeide die allzu starken und drohenden Ausdrücke; sie sind überdies der Kanzel unwürdig. Ein ruhiges Bächlein durchwässert die Auen viel besser, als ein brausender Strom. Höre auf meinen Rat, bei dem sich so viele andere Prediger wohl befinden. Bewahre dich Gott, dass du schon von vornherein Anstoß gäbest und dein Amt unwirksam machtest!

Und der Petrus leiht dieser Sprache sein Ohr, er bemüht sich, sanft, weichherzig, sachte, salbungsvoll zu sein; aber wenn er von der Kanzel steigt, begegnet ihm Jesus und spricht zu ihm: Hebe dich weg von mir, Satan, du bist mir ärgerlich; denn du meinst nicht, was göttlich, sondern was menschlich ist. Man komme nach zehn Jahren wieder: seine Herde ist immer noch dieselbe; kein Gewissen ist erschreckt worden; nicht Eine Seele hat das Bedürfnis nach etwas Besserem gefühlt; nicht Ein Sünder hat den Frieden gefunden. Warum dies? weil der Herr, der lebendige Gott, dem Menschen, das Evangelium der Gelehrsamkeit, das Kreuz Christi der falschen Zärtlichkeit des Teufels hatte Platz machen müssen. Und aus der Tiefe dieser mit so falscher Liebe gepflegten Seelen entsteigen tausend Klagerufe, Frieden suchend und keinen findend. Diese Klagetöne verhallen und verhallen immer wieder, sich ablösend, sich antwortend, sich gegenseitig tröstend, bis sie am großen Tage der Ewigkeit in das Meer der Traurigkeit versinken.

Dieselbe Sprache des Satans lässt sich ferner am Herde der Familie vernehmen. Da ist ein ehrbares Haus, gottesfürchtig vielleicht, wo man aber doch nicht meint, was göttlich, sondern was menschlich ist. Man will eine Religion der richtigen Mitte; Gott bewahre, dass man übertreiben sollte! Man gibt Gott, was Gottes ist, und der Welt, was ihr gehört. Auf bequeme Weise wird Licht und Finsternis mit einander ausgesöhnt; man ist weitherzig, man ist duldsam; am Morgen geht man in die Kirche, des Abends wird für die Armen getanzt. Diese Familie ist fest überzeugt, dass sie es unmöglich besser, unmöglich anders machen könnte. Sie darf doch ihren Rang in der Gesellschaft nicht aufgeben; man muss doch machen, wie die Andern, muss dieselbe Freiheit genießen. Eine zu strenge Religion geht nicht mit der Stellung, die man einnimmt. Die Engherzigen heißen dies zwar ein weltliches Leben; aber Gott urteilt nicht nach dem Schein. Die Hauptsache ist das Innere, er sieht auf das Herz. Besteht nun in der Freiheit, mit welcher euch Christus befreiet hat und lasst euch nicht wieder unter das knechtische Joch bringen. Manchmal wird ein Glied dieser in religiösen Dingen so mäßigen und klugen Familie erweckt; das Schwert des Geistes ist in seine Seele gedrungen. Nun werden der Herzen Gedanken offenbar; es gibt Trennungen. Der Sohn ist wider den Vater, die Tochter wider die Mutter, die Sohnsfrau wider die Schwieger; das ist ein Zustand, über den sich selbst Satanas entsetzt! Gott bewahre, dass man das Christentum so verstehe. Er verdoppelt seine erheuchelte Teilnahme; er erweckt gegen dieses Glied alle andern Glieder des Hauses, welche nicht meinen, was göttlich, sondern was menschlich ist. In einem zärtlichen und mitleidigen Ton spricht er zu ihnen: Ihr müsst dieses arme Schäflein, das sich verirrt hat, wieder auf den rechten Weg zurückleiten; ihr müsst ihm die trüben Gedanken und Vorstellungen, mit welchen es sich plagt, verscheuchen; ihr müsst ihm zeigen, dass dies nur Hochmut ist, wenn es besser und christlicher werden will als die Andern. Erinnert dasselbe daran, wie so glücklich ihr wart, als ihr noch Einen Gott, Eine Hoffnung, Eine Taufe hattet; bittet dasselbe, es möchte doch die Einigkeit im Geiste durch das Band des Friedens erhalten. Ach! Gott verhüte, dass ihr uneinig werdet; bleibt einig! Einigkeit macht stark.

Aber neben dieser Verführerstimme lässt sich auch noch eine andere Stimme vernehmen: Hebe dich weg von mir, Satan, du bist mir ärgerlich, denn du meinst nicht was göttlich, sondern was menschlich ist. Welcher von beiden Stimmen wird man Gehör schenken? Wenn es die des Satans ist, so betrachte man jene Familie nach zehn Jahren wieder; sie wird noch immer dieselbe sein. Kein Gewissen ist erschreckt worden; nicht Eine Seele hat das Bedürfnis nach etwas Besserem gefühlt; nicht Ein Glied der Familie hat den Frieden gefunden. Warum dies? Weil der Herr, der lebendige Gott, dem Menschen hatte Platz machen müssen, das Evangelium, den Ansichten, den weltlichen Höflichkeiten, dem Anstande in der Gesellschaft; das Kreuz Christi der erheuchelten Teilnahme des Teufels. Und aus der Tiefe dieser mit so falscher Liebe gepflegten Seelen entsteigen tausend Klagerufe, Frieden suchend und keinen findend. Diese Klagetöne verhallen und verhallen immer wieder, sich ablösend, sich antwortend, sich gegenseitig tröstend, bis sie am großen Tage der Ewigkeit in jenes Meer der Traurigkeit versinken!

Aber diese erheuchelte Teilnahme des Satans geht noch weiter. Da ist eine Seele einsam und traurig, niedergebeugt von einem schweren Verluste. Sie sitzt einsam im Kämmerlein und sucht im Gebete den Trost, den sie nötig hat. Hier könnte dem Satan eine Seele entgehen; schnell eilt er herbei, um sie mit seiner heuchlerischen Teilnahme zu trösten und sie nach seiner Weise aufzurichten, das heißt, mit halben Tröstungen diese Seele einzuschläfern, die Jesus trösten wollte, nachdem er ihr erst das Kreuz gezeigt hatte.

Zu diesem Zwecke wählt der Mörder von Anfang einen von seinen Aposteln, rechtgläubig oder nicht, wenn er nur nicht meint, was göttlich, sondern was menschlich ist. Dieser Freund begibt sich in das Kämmerlein, in das sich sein Freund eingeschlossen hat, um die Bekümmernisse seiner Seele in das Herz Jesu auszuschütten. Aber so will's der Satan nicht verstanden wissen. Gott bewahre, dass man sich an den Gekreuzigten wende! Ich habe von dem Kummer gehört, der dich niederbeugt, sagt der als Freund verkleidete Feind, ich komme, um deinen Schmerz mit dir zu teilen. Ich fühle mit dir die ganze Bedeutung deines Verlustes und ich bin weit entfernt, deinen Schmerz als einen ungerechten darzustellen; ich weine mit dir, und will es der Alles heilenden Zeit überlassen, deine Tränen zu trocknen. Aber bei aller Teilnahme, die ich für dich hege, möcht' ich dich doch bitten, deinem Schmerze nicht zu sehr nachzuhängen, dich nicht zu sehr in den Kummer zu vergraben. Man muss ein Mann sein und seinen Mut nicht verlieren; du darfst wieder auf bessere, schönere Zeiten hoffen. Die Quelle deines Glücks ist in dir selber; der Mensch hat nichts verloren, so lange er sich selbst nicht aufgegeben hat.

Wenn der Teufel, anstatt eines von schweren Verlusten niedergebeugten Menschen, einen andern bemerkt, der durch Gewissensbisse gefoltert wird: schnell eilt er hinzu, um eine Reue zu verhindern, die zum Leben führen könnte. Gott bewahre, dass dieser Mensch den Zöllnerseufzer ausspreche!

Er wird ihm nun eines von seinen geschickten Werkzeugen schicken, die nicht meinen, was göttlich, sondern was menschlich ist. Dieser wird ihn überreden, seine Sünden mit Buß- und Reuetränen abzuwaschen, während sie doch allein durch das Blut des Lammes Gottes können abgewaschen werden. Oder was noch gefährlicher ist, dieser grausame Feind wird die menschliche Unvollkommenheit als Entschuldigung zum Vorschein bringen. Er erinnert ihn daran, wie nicht Alles am Menschen sündlich sei; wie bei allen unvermeidlichen Schwachheiten immer noch manches Gute in ihm sei, das man nicht verachten dürfe; wie niemand das Recht habe, den ersten Stein auf ihn zu werfen; wie ja Alle sündigen, selbst der Gerechte, und wie ja Gott wohl wisse, was für Geschöpfe wir seien, dass er nicht ins strenge Gericht mit uns gehen werde, da wir ja Menschen und keine Engel seien.

Aber wenn dieser leidige Tröster, nachdem er seinen falschen Trost angebracht hat, sich zurückzieht, so lässt sich alsdann eine andere Stimme vernehmen. Es ist die Stimme des Herrn Jesu: Hebe dich, Satan, von mir, du bist mir ärgerlich; denn du meinst nicht, was göttlich, sondern was menschlich ist. Welche von diesen beiden Stimmen wird gehört werden? welcher wird man glauben? Wenn's die erstere ist, so sehe man nach zehn Jahren wieder, wie es mit diesem Menschen steht. Er ist noch derselbe. Sein Gewissen ist nicht erschreckt worden; seine Seele hat keine wahre Ruhe, keinen wahren Frieden. Warum dies? Weil der Herr, der lebendige Gott, dem Menschen aufgeopfert wurde, das Evangelium einer falschen weltlichen Moral, das Kreuz Christi der heuchlerischen Teilnahme des Teufels. Und aus der Tiefe dieser mit so falscher Liebe gepflegten Seele entsteigen tausend Klagerufe, Frieden suchend und keinen findend. Diese Klagetöne hallen und verhallen immer wieder, sich ablösend, sich antwortend, sich gegenseitig tröstend, bis sie am großen Tage der Ewigkeit in jenes Meer der Traurigkeit versinken.

Mit dieser mörderischen Teilnahme des Satans lasst uns nun die anscheinende Härte des Herrn Jesu vergleichen. Zu Petrus, wie zu allen seinen Jüngern spricht er: So Jemand mir nachfolgen will, der verleugne sich selbst und nehme sein Kreuz auf sich. Es handelt sich um Leben oder Tod. Entweder gib dem Heiland dein Herz und folge ihm nach oder bleibe, was du bist; aber in diesem Falle behaupte nicht, dass du ein Christ seiest. Wenn Jesus dich selbst zum Opfer verlangt, so musst du entweder Ja, oder Nein sagen. Ist er für dich gestorben oder nicht? Ist er für dich gestorben, so ist er darum gestorben, dass du nicht mehr dir selbst lebest, sondern dem, der für dich gestorben und auferstanden ist. Du wirst zugeben, dass diese Forderung gerecht und billig ist, aber du wirst vor ihr zurückschrecken. Wie, sich selbst soll man nicht mehr leben dürfen? Nicht mehr hingehen dürfen, wohin man will? Findet denn Christus bei solchen Bedingungen noch Jünger und Nachfolger? O! ja, er findet solche, und auch dich möchte er in ihrer Zahl sehen. Frage einmal einen solchen, der dem Satan den Abschied gegeben und nun seinem Heiland angehört; ob reich oder arm, glücklich oder unglücklich in den Augen der Welt, frage ihn, und er wird dir sagen: Komm und siehe, anstatt dass du ferne bleibest und dich beklagst.

Wenn Jesus solche Forderungen an uns stellt, so geschieht es deswegen, weil er uns alles das, was wir für ihn dran geben, tausendfältig wieder erseht und zwar mit viel köstlicheren und herrlicheren Sachen. Hat er nicht seine Apostel in ihrem Kampfe mit der heidnischen Welt mit seiner Kraft unterstützt, mit seinem Frieden sie erquickt? Hat er sie nicht gestärkt und erquickt mitten in den Flammen, jene zahlreichen Märtyrer seiner heiligen Sache, die Reformatoren in einer Zeit der Abgötterei, die Madiai1) in ihrem Gefängnisse in Italien, und alle die, die zu allen Zeiten lieber mit dem Volke Gottes. Schmach leiden wollten, als für eine Zeitlang die Ergötzung der Sünde haben? Wenn Jesus zu einer Seele sagt: Verleugne dich selbst, nimm dein Kreuz auf dich und folge mir nach; so lässt er eine solche Seele nicht darben: sondern er vereinigt sich mit ihr und öffnet ihr die Schätze seiner Herrlichkeit. Aus seiner Fülle strömt ihr Kraft zu, und der Ersaß für das, was sie verlassen hat, ist mehr als tausendfältig. Nicht bloß himmlische Güter, nein, Jesus selbst gibt sich uns in den Kräften der zukünftigen Welt. Ohne ihn ist der Himmel kein Paradies; mit ihm ist die Hölle keine Hölle mehr. Um ein wenig Gold zusammen zu raffen, gehen Leute in das ferne Kalifornien; wieder andere opfern die Stunden ihres Schlafes auf, um eine vergängliche Ehre zu erlangen; und wir sollten uns besinnen, sollten zögern, wenn wir Alles haben können, in dem, in welchem nach Gottes Wohlgefallen alle Fülle wohnt? O! Jesus ist kein grausamer Herr; wir sind vielmehr grausam gegen uns selbst, indem wir dem Satan die Waffen gegen uns in die Hände geben. Das Werk Jesu ist ein Werk der Befreiung. Man verlässt das Vergängliche und erhält dafür von ihm das Unvergängliche; man wirft das von sich, was uns Tod und Verderben bringt und erhält dafür das Leben, jenes reine und heilige Leben, welches in Gott ist. Was hilft es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewönne und nähme doch Schaden an seiner Seele; und was könnte der Mensch geben, damit er seine Seele wieder löse? Wenn du darauf beharren willst, nicht zu meinen, was göttlich ist, und nur darin Weisheit haben willst, was menschlich ist, und du meinst damit einen Gewinn zu machen: so wird dich einst die schreckliche Erfahrung lehren, dass du dir selbst einen unersetzlichen Verlust zugezogen hast.

Dahin führt dich aber jene heuchlerische Teilnahme des Satans an deinem Ergehen. Gib dich Jesu hin! er wird dir Alles reichlich ersehen, wird deine Wüste in einen Lustgarten und deine Einsamkeit zu Auen des Paradieses umwandeln. Versuche es und siehe, ob er dir nicht des Himmels Fenster aufmachen wird und Segen herabschütten die Fülle? Petrus machte davon die Erfahrung. Das Kreuz seines Herrn und Meisters lehrte ihn, Alles für ihn dran zu geben und er fand dafür reichlichen Ersatz. Nachdem er sein Haus auf den Felsen gebaut hatte, wurde er nun selbst eine Grundsäule des Gebäudes. Im Schatten des Kreuzes kann man getrost ausrufen: „Hinter mich, Satan, denn ich habe überwunden durch des Lammes Blut, und das Blut des Zeugnisses.“ O! dann erscheint nichts mehr hart, nichts mehr mühsam; das Herz ist für Jesum gewonnen, kein Zwang herrscht mehr in demselben, denn die Liebe treibt. Dann erscheint die Entsagung in einem ganz andern Lichte, und das Leben hat einen andern Charakter. Man geht in Seilen der Liebe und die Gebote Jesu sind nicht mehr schwer. Friede und Freude, herrliche, Güter sind das Teil der kleinen Herde, welcher der Heiland sein Siegel aufgedrückt hat. Also mutig vorwärts, ihr, die ihr den Bösewicht überwunden habt; derjenige, der in euch ist, ist stärker, denn der in der Welt ist. Ob Tausend fallen zu deiner Seiten und zehntausend zu deiner Rechten, so wird sich dir kein Übel nahen; um Jerusalem her sind Berge, und der Herr ist um sein Volk her immer und ewig.

1)
protestantisches Ehepaar in der Toskana, das wegen seines Übertritts zum Protestantismus 1852 zur Galeerenstrafe verurteilt werden sollte
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