Lehmann, Wilhelm Theodor - Beicht- und Abendmahlsrede in der Osterzeit Luk. 24, 30. 31

Lehmann, Wilhelm Theodor - Beicht- und Abendmahlsrede in der Osterzeit Luk. 24, 30. 31

von P. Lehmann, Pfarrer in Strauch.

Es geschah, da er mit ihnen zu Tische saß, nahm er das Brot, dankte, brach es und gab es ihnen. Da wurden ihre Augen geöffnet und erkannten ihn, und er verschwand vor ihnen.“ Luk. 24, 30. 31.

Der Auferstandene erscheint zwei seiner Jünger, da sie auf dem Weg nach Emmaus waren. Nun ihr, Geliebte, seid auch auf einem Wege, auf eurem Lebenswege in das himmlische Emmaus! Ihr seid heute aus eurem Hause hinausgetreten und habt euch auf den Weg gemacht und seid getreten in dieses Haus mit dem Verlangen, dass euch euer Herr erscheinen möge. Wollt ihr aber den Herrn erkennen, so müsst ihr euch zuvor erkennen.

Sie erkannten ihn. Wir kennen den Herrn von unsrer Kindheit an, aber erkennen wir ihn? Ach, wie muss der Herr auch zu uns sagen: So lange bin ich bei euch und ihr kennt mich nicht. Wie oft kennen wir ihn gar nicht - bei wie vielen Gelegenheiten, wie viel Stunden und Tagen, dass unser Herr muss klagen: Meine Gedanken sind nicht eure Gedanken und eure Gedanken sind nicht meine Gedanken. Wie oft meinen wir, was nicht göttlich, sondern menschlich ist. Eines Tages kennt Jesus seinen Jünger nicht, weil dieser ihn nicht kennt und muss sagen: Weiche Satanas hinter mich. Eines Tages kennt er Pétrus nicht, nur einen Simon Johanna, und muss fragen: Hast du mich lieb? Denn Petrus hat bekannt: Ich kenne den Menschen nicht - den Menschen - ja, wie oft ist uns der Gottessohn, unser Heiland, ein Mensch, der Mensch, den wir nicht kennen. Die Obersten, die Schriftgelehrten und das Volk sind nicht ausgestorben, die ihn trotz seiner Wunder nicht kennen, ihn, der noch heute umherzieht und wohltut, dass selbst ein Blindgeborner sagen muss: Das ist ein wunderlich Ding, dass ihr nicht wisst, von wannen er sei, und er hat meine Augen aufgetan. Er ist noch heute den Juden ein Ärgernis und den Heiden eine Torheit, aber wo sind die Juden und die Heiden? Wer in der Passionszeit in Jerusalem, in seinem Jerusalem gewesen ist, der braucht nicht erst zu fragen: wo wohnen Herodes und Pilatus? Aber das ist es, wir kennen uns nicht, darum kennen wir ihn nicht. Sucht in der Schrift, sie ist's, die von mir zeugt. Geht nach Galiläa, da werdet ihr ihn sehen. Galiläa ist ein stilles Land. Lieben, suchen oder fliehen wir die Stille? Galiläa ist ein armes Land. Treibt uns unsere geistliche Armut zu seinen Füßen? Galiläa ist ein finsteres Land. Sehnen wir uns nach dem Licht, dem wahrhaftigen Licht? Vielleicht merken wir vor Finsternis die Finsternis nicht, gewöhnt sich doch endlich der Blinde an seine Blindheit. Jesus führte seine Jünger, damit sie ihn erkennen, hinein in Moses und die Propheten. Auch wir haben noch dies feste, prophetische Wort; aber wie oft, ob auch scheint das Licht in die Finsternis, die Finsternis ergreift es nicht. Kommt das Wort Gottes mit seinem Licht, dann kommt unser Verstand mit seiner Weisheit. Was wir nicht erkennen, das kann nicht wahr sein. O, wenn wir doch einmal an den Rand unsrer Erkenntnis kämen, auf dass wir hinabschauten in die Tiefe der Erkenntnis. Sie erkannten ihn nicht. Erkennen und lieben ist im Griechischen gleichbedeutend. Lieben wir, was wir erkennen, ist das uns angenehm, stimmen wir dem bei, schenken wir ihm unser Herz? Wir wissen wohl, dass Gott die Liebe ist, aber lieben wir ihn wieder? Es ist schon viel, wenn wir nicht unzufrieden sind mit Gott, aber zufrieden? Zum Sprichwort ist es geworden: der Mensch ist nie zufrieden. Und vollends dankbar? Das meiste nehmen wir hin, als müsse es so sein. Frage dich, mit welchen Gefühlen du jetzt den Samen ausstreust, mit Vertrauen oder Misstrauen? Gewiss, Gott hat uns jetzt einige Jahre auf schwere Proben gestellt; wie haben wir sie bestanden? haben wir erkannt die Hand Gottes von der kommt alles, Samen und Ernte haben wir uns gedemütigt unter die gewaltige Hand Gottes? Die Jünger sind traurig, solange sie ihren Herrn nicht erkennen; ihre Traurigkeit war eine glaubenslose. Wie oft sind wir traurig, wo wir es nicht zu sein brauchten, und wie oft sind wir fröhlich, wo wir es nicht sein sollten! Es kommt das alles davon her, dass wir nicht erkennen, was unsers Herrn Rat und Wille ist. Wie oft ist unsere Traurigkeit Torheit, sonst würden wir ihm danken, weil verstehen: Ich weiß wohl, was ich für Gedanken mit euch habe, nicht des Leides, sondern der Freude. Wenn wir ihn erkennten, würde sich unsere Traurigkeit verwandeln in göttliche Traurigkeit. - Sie erkannten ihn nicht. Wer meine Rede tun wird, der wird inne werden, ob ich von Gott sei oder nicht. Wir erkennen Gott so viel, so viel wir ihm leben. Mit wem du umgehst, von dem brauchst du kein Zeugnis, dass und was er sei. Der Gerechte wird seines Glaubens leben; und der Glaubensgerechte wird leben. Abraham, der vor Gott wandelte, dem hat sich Gott offenbart; wenn wir vor Gott wandeln, wenn wir ihm opfern unsern Isaak, unser Herz, dann werden wir seine Stimme hören: Nun weiß ich, dass du Gott fürchtest. Mancher sagt: „Ich merke nichts von Gott, ich habe noch nie etwas von ihm gesehen.“ Woran liegt das? Die reines Herzens sind, werden Gott schauen und ohne Heiligung wird niemand Gott sehen. Gott offenbart sich nur in seinen Kindern. Der Sohn Gottes kann sagen: Wer mich sieht, der sieht den Vater, ich und der Vater sind eins; aber schon als Zwölfjähriger bekannte er: Muss ich nicht sein in dem, das meines Vaters ist; und sein Leben beschließt er: Vater, in deine Hände befehle ich meinen Geist. Klage dich selbst an, wenn du von Gott nichts merkst, wenn du ihn nicht fühlst und findest, dann lebst und webst du nicht in ihm. Wollen wir den Herrn erkennen, so müssen wir uns erkennen. Wir erkennen uns aber nicht ohne sein Wort. Sein Wort ist seine Offenbarung. Blicke in dieses Angesicht Gottes. Die Sünde erkennt ihr nicht ohne das Gesetz. Blicke in diesen Spiegel, blicke hinein in Moses und die Propheten. Er fing an von Moses und allen Propheten und legte ihnen alle Schriften aus. Lasse sie dir auslegen und in dein Herz legen, so erkennst du deine Sünde und seine Gnade. Du erkennst, er hat der Schlange den Kopf zertreten, auch um meinetwillen. Was da gesündigt ist am Baume der Erkenntnis, das hat der Baum des Lebens wieder gut gemacht. Musste nicht Christus solches leiden und zu seiner Herrlichkeit eingehen? Er macht durch seine Erkenntnis viele gerecht, denn er trägt ihre Sünde. Er ist auch um meiner Missetat willen dahingegeben und durch seine Wunden werde auch ich heil. Gott gebe uns diese Erkenntnis unsers Heils! Durch Jeremiä Mund spricht er zu uns: Kehre wieder, du abtrünniges Israel, so will ich mein Antlitz nicht wider euch verstellen, denn ich bin barmherzig und will nicht ewiglich zürnen; allein erkenne deine Missetat, dass du wider den Herrn, deinen Gott, gesündigt hast. Erkennen wir unsere Sünde, so gibt sich unser Heiland uns zu erkennen. Da die Jünger traurig waren, kommt Jesus zu ihnen. Auch zu euch kommt er, die ihr Leid tragt. Freilich das Herz erkennt ihn eher als die Augen. Erst gibt sich der Herr in seinem Worte zu erkennen und dann in seinem Sakrament; erst das Wort von der Vergebung, dann das Siegel der Vergebung; so noch heute.

„Es geschah, da er mit ihnen zu Tische saß, nahm er das Brot, dankte, brach es und gab es ihnen. Da wurden ihre Augen geöffnet und sie erkannten ihn.“ Sie erkannten ihn, da er das Brot nahm. Das Brot zu nehmen, zu danken und zu geben, das kam jedem israelitischen Hausvater zu, das hatte Jesus bisher getan und es war keinem etwas dabei aufgefallen. Aber seit jener Nacht, in der er verraten ward, hat er das alles getan anders als bisher. Diese besondere Weise hat sich den Jüngern eingeprägt, sie war so merkwürdig, sie ist ihnen unvergessen geblieben. Es war dasselbe und doch ein Etwas dabei, ein unerklärliches Etwas; das sagt ihnen ihr Gefühl. Und so ist es noch heute. Es ist gewöhnliches Brot und doch ein andres; wir tun mit dem Brote nichts, als dass wir es nehmen, dafür danken und es essen. Er nimmt das Brot in seine Hand. Was er aber nimmt in seine Hand, das nimmt an seinem Wesen, an seinem Heile teil. Da das Weib den Saum seines Kleides berührte, ging von ihm Kraft aus, sie ward heil. Da er das Brot nahm in seine Hand, die 7 und 5 Brote, wurden satt 4 und 5000 und es blieben übrig 7 und 12 Körbe. Ja, damals sagte er: „Ich bin das Brot des Lebens. Wer von diesem Brote essen wird, der wird leben in Ewigkeit. Und das Brot, das ich ihm geben werde, ist mein Fleisch, welches ich geben werde für das Leben der Welt.“ Wie das Brot, wenn wir es genießen, übergeht in unser Fleisch und Blut, unser eigen wird, so will Christus unser eigen werden, auf dass wir sein eigen werden. Es soll wahr werden: Das ist Fleisch von meinem Fleisch. Du bist mein und ich bin dein. Eine Person sollen wir mit ihm werden. Durch das Brot leben, wachsen und gedeihen wir. Ohne Brot können wir nicht leben. So will er nähren unsere Seele. Wer dieses Brot isst, der wird leben. Das Brot teilt uns mit seine Kräfte; so will Christus uns mit seinen Kräften erfüllen. Erkennst du ihn als den Heiland, wenn er das Brot nimmt? Sie erkannten ihn, da er das Brot nahm und dankte. So oft Jesus das Brot nimmt, dankt er nun wem denn? wofür denn? Wem anders als Gott, dem himmlischen Vater, von dem alle gute Gabe kommt? Er dankt am Grabe des Lazarus, noch ehe er ihn auferwecket: Ich danke dir, Gott, dass du mich erhört hast. - Wo wir bitten, da dankt er. Den Sohn Gottes erkennt man am Danken, uns Menschenkinder am Bitten. Aber beim heiligen Mahl dankt er noch besonders; er dankt, dass ihm die Macht gegeben ist, im Brot sich selbst zu geben. Erkennst du an dem, dass er dankt, den Sohn Gottes? bricht es. So pflegt man noch heute im Morgenlande das Brot zu genießen. Aber wenn er das Brot bricht, so hat das seine besondere Bedeutung. Wir hierzulande brechen das Brot beim täglichen Gebrauch nicht, so brechen wir es auch nicht beim heiligen Abendmahl. Aber wir bezeichnen es mit seinem Kreuze. Es ist ihm zwar am Kreuze kein Gebein gebrochen worden, aber sein Herz, dieser Tempel Gottes, ist gebrochen am Kreuze, und warum? um unsertwillen. Ist nicht Ephraim mein teurer Sohn, darum bricht mir mein Herz gegen ihn, dass ich mich seiner erbarmen muss. Erkennst du, wenn er das Brot bricht, seine Liebe: Für mich gegeben und für mich gebrochen? - Er gibt es ihnen und mit ihm sich selbst. Wie mag solches zugehen? Nikodemus, das wirst du nie erkennen. Du weißt nichts, wie du hast einst angenommen dein Fleisch und Blut, noch wie du geboren bist aus Wasser und Geist. Du weißt nicht, wie Gott in dem Samenkorn bereitet das Brot, noch wie in dem Brot das Himmelsbrot, ja, was kein Auge gesehen und kein Ohr gehört, das hat Gott bereitet denen, die ihn lieben. Bereitet ihr dem Herrn den Weg; der alles bereitet, ist Gott. Unser ist es, hinzunehmen und zu essen, unser ist es, dass wir würdig essen, denn Gott gibt täglich Brot, auch das Himmelsbrot, bösen Menschen, freilich diesen zum Gerichte; aber wir bitten, dass er es uns erkennen lasse, dass wir ihn erkennen.

Sie erkannten ihn. Sie erkannten ihn und er verschwand vor ihnen. Erkennen werdet ihr jetzt den Herrn, aber er wird auch vor euch wieder verschwinden. Das in diesem Augenblick brennende Herz wird wieder ruhiger schlagen, das Feuer der Begeisterung wird verlöschen. Es wird euch vorkommen, als sei der Herr verschwunden, der Herr in seiner Abendmahlsherrlichkeit. Das Schmecken und Sehen seiner Freundlichkeit ist vorbei. Ihr steht auf vom Mahl, geht an eure Arbeit wieder. Aber das ist's ob das Schmecken und Sehen vorüber ist - seine Kraft will in euch mächtig sein. „Wenn wir gegessen haben, dann sind wir andre Menschen.“ Gilt das von der leiblichen Speise, wie viel mehr von der Himmelsspeise. Das Auge ist heller, die Hand ist kräftiger, die Füße schneller. Wir fühlen neue Kraft und Stärke zu unserm Kampfe und Glaubenswerke. Das zeige sich auch an euch; was ihr erkannt habt, das erkenne man an euch wieder.

„Sie standen auf zu derselben Stunde und gingen nach Jerusalem und erzählten, wie sie den Herrn erkannt hatten.“ Man sah es ihnen an, sie hatten den Herrn gesehen. Ihr Angesicht leuchtete von der Klarheit des Herrn. Als Mose vom Sinai, dem Angesicht Gottes kam, da leuchtete sein Angesicht. Wird auch dein Angesicht nun leuchten von der Gnade deines Gottes? Als Stephanus sah den Himmel offen und Jesum stehen zur Rechten Gottes, da leuchtete sein Angesicht wie eines Engels Angesicht. Auch du siehst jetzt den Himmel offen, wird auch dein Angesicht leuchten deinen Freunden und deinen Feinden? Aus unserm Angesicht blickt der Herr oder sein Feind heraus, je nachdem, wer da drinnen wohnt.

Sie erkannten den Herrn. In den Kreis der Jünger eilen sie nach Jerusalem. Wohin werdet ihr nun gehen? Von den 5000 gingen viele hinter ihn; die Jünger Jesu erkennt man an ihren Wegen Wie wir sind, so sind unsere Wege; wird man an euren Wegen euren Herrn wiedererkennen? Die Jünger des Herrn erkannte man an den Reden, die sie unterwegs handelten. Wird man an euren Worten wiedererkennen ihn, der sein Reich nicht hat von dieser Welt und der da ist ein König der Wahrheit? Die Jünger des Herrn erkannte man an ihrem Wandel. Sie waren ein lebendiges Zeugnis, er ist auferstanden! Wird man auch an euch erkennen, er lebt? Ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende, das erkannte man an den Jüngern, sie waren ein Herz und eine Seele. Wird es auch von euch heißen: Seht, wie sie einander so lieb haben? Wie du bist, so ist dein Haus; wird man an euren Häusern ihn wiedererkennen? An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen. Die Traube aber reifet in der Sonnenglut, in unsern Leiden soll man den Herrn wiedererkennen. Erkannte doch der heidnische Hauptmann, als Jesus litt, den frommen Menschen, ja den Gottessohn. Wenn das Erz geschmolzen wird, zeigt sich das Gold. Da Hiob in den Schmelztiegel geworfen wird, bekennt er: „Ich weiß, dass mein Erlöser lebt und er wird mich hernach aus der Erde auferwecken und werde in meinem Fleisch Gott sehen, meine Augen werden ihn schauen.“ An unsern Früchten wird er uns erkennen. Aber das sind nicht einzelne Taten, nicht große Taten, noch Taten allein; wird er doch einst zu vielen trotz ihrer Taten sagen: Ich habe euch noch nie erkannt. Gott gebe, dass er einst zu uns allen spreche: Ich kenne die Meinen und bin bekannt den Meinen. Amen.

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autoren/l/lehmann_w/lehmann_-_beicht-_und_abendmahlsrede_in_der_osterzeit.txt · Zuletzt geändert: von aj
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