Lange, Johann Peter - Die Erscheinung Jesu und die Weisen aus dem Morgenlande.

6. Januar

Die Feier des uralten, christlichen Festes der Erscheinung oder des Offenbarwerdens Christi knüpft sich an den biblischen Begriff der Erscheinung Christi, oder der Gnade und Herrlichkeit Gottes in Christo an. Der apostolische Glaube setzte der äußeren Welterscheinung, welche ursprünglich eine Offenbarung Gottes, die alte, allgemeinste Gestalt der Offenbarung Gottes war (Röm. 1,20), die sich aber der Mensch in seinem Abfall in Fleischeslust, Augenlust und Hoffart des Lebens verkehrt hatte (1 Joh. 2,16), insbesondere also auch der griechischen und jüdischen Weltvergötterung, die Offenbarung Gottes in Christo als die neue erlösende Erscheinung entgegen (Joh. 1,14. Tit. 2,11). Die Ankunft Christi bringt mit der vollen Offenbarung seines Wesens die wahre, heilverkündende Erscheinung. So ist im Allgemeinen die Erscheinung Christi die Entfaltung der Herrlichkeit seines Advents. Da aber der Glaube von einem mehrfachen Advent Christi weiß, so weiß er auch von einer mehrfachen Erscheinung desselben. Wir unterscheiden einen dreifachen Advent Christi: seine Zukunft in Fleisch, seine Zukunft in der Kirche, oder in der Gemeine und im Herzen, und seine einstige Zukunft zum Weltgericht und zur Weltverklärung. Jeder Advent hat wieder verschiedene Seiten. Namentlich unters scheiden wir in dem ersten Advent die Offenbarung der Verheißung Christi und des Gotteswortes (Logos) in der Sehnsucht der Heiden und seine historische Offenbarung und Beglaubigung in Israel. Daher hat auch die Erscheinung seines ersten Advents zwei Gestalten. Die erste ist das geistige Kundwerden Christi für die Heidenwelt, welches uns die Geschichte der Weisen aus dem Morgenlande und ihres Sterns veranschaulicht; die andere das historische Rund werden Christi in Israel, welches durch seine Taufe, durch die seine Taufe begleitende Verherrlichung vom Himmel und durch das darauf gegründete Zeugnis Johannes des Täufers vollzogen ist. Bei der ersteren bleiben wir hier stehen als derjenigen Erscheinung Christi, welche nach der, in der evangelischen Kirche geltenden, ursprünglich abendländischen Anschauung am Epiphanientage gefeiert wird.

Als Jesus geboren war zu Bethlehem im jüdischen Lande erzählt Matthäus 2,1: „Siehe, da erschienen Magier vom Orient zu Jerusalem und sprachen: wo ist der neugeborene König der Juden, denn wir haben seinen Stern gesehen im Aufgange, und sind gekommen ihn anzubeten.“ Der Ausdruck Magier bezeichnet ursprünglich den medisch-persischen Priesterstand, dessen Religion im Dienst der Gestirne bestand, und welche zugleich Hof- und Geheimräte des persischen Königs waren. Da aber die babylonisch-chaldäischen Priester ebenfalls dem Dienst der Sterne als Astrologen ergeben waren, so wurde der Name Magier auch auf diese übertragen (Jerem. 39,3.13). Sie waren in Klassen eingeteilt, und einer Klasse war Daniel vorgesetzt (Dan. 2,13); später ward er sogar der Obervorsteher. Zur Zeit Christi aber hatte sich die persische Anschauung weit hinaus durch Syrien und Arabien verbreitet, und Magier diesen damals überhaupt die herumziehenden Astrologen, Gaukler und Wahrsager, die mystischen Philosophen der heidnischen Welt. Es kann uns aber nicht nur gleichgültig sein, es soll uns gleichgültig sein, von welchem Volke diese Magier herkamen, denn sie sollen uns schlechthin als die Erstlinge, die Repräsentanten des Heidentums in seiner Weltweisheit erscheinen. Und ebenso müssen wir es dahingestellt sein lassen, ob sie aus dem naheliegenden Arabien, aus dem weiter gelegenen Chaldäa, oder dem noch entfernteren Persien kamen. Alle diese Länder lagen von Jerusalem ostwärts. Justin der Märtyrer nahm in seinem Dialog mit dem Juden Trypho an, sie seien aus Arabien gekommen. Sie scheinen allerdings eine weite Reise gemacht zu haben; indessen auch das Land Arabien erstreckte sich von der palästinensischen Grenze weit hinaus. Genug, sie kamen aus dem Orient, weil der Stern des Orients ihnen gesagt hatte, heute sei der wahre Stern des Heils aufgegangen im Westen.

Vier Elemente haben wir in ihrer Führung zum Herrn zu beobachten. Diese Tatsache steht obenan, dass sie fromme Männer waren, fromme Heiden, fromme Weise, Philosophen, ja fromme Magier, unter aller Zweideutigkeit eines Namens, den auch der Magier Simon getragen hat, Leute, die nach dem lebendigen Gott fragten. Und so haben wir hier wieder dasselbe Zeugnis, welches sich auch durch das ganze Alte Testament hindurchzieht, dass sich Gott von jeher unter den beiden ein Volk erhalten hat, das ihn gesucht und gemeint hat unter allen Verdunklungen des Geistes durch den Aberglauben der Zeit. So tritt dem theokratischen Abraham ein heidnischer Melchisedek gegenüber, dem Moses ein Jethro mit aufleuchtendem, ein Bileam mit verblassendem Geistesglanz, dem David ein Hiram, dem Salomo eine Königin aus Sabäa, dem Elisa ein Syrer Naeman; und die heidnischen Namen Hiob und Ruth stehen an der Spitze alttestamentlicher Bücher. Das neue Testament vollendet diese Anschauung des stillen Wunderlandes der vorbereitenden Gnade Gottes; und es ist dabei recht merkwürdig, dass uns Matthäus, welcher vorzugsweise der Evangelist der Hebräer war, diese Gläubigen aus der weiten Heidenwelt entgegenführt als die Erstlinge, welche dem neugebornen Heilande huldigen, im Gegensatz gegen den ungläubigen Judenkönig Herodes und die jüdischen Priester und Schriftgelehrten mit der ganzen Stadt Jerusalem, während uns Lukas, der paulinische Evangelist der Heidenchristen, mit der noch früheren Huldigung der Hirten von Bethlehem in Judäa bekannt macht.

Heidnische Frömmigkeit ist das erste Element, oder vielmehr Gottes Geistes- und Gnadenwalten über den auserwählten Seelen; das zweite ist die historische Kunde, das Völkergerücht, der Klang, der Name: ein König der Juden, der geboren werden soll. Dass in jenem Orient, wo der Stamm Juda 70 Jahre in der Verbannung gesessen, wo so viele Juden auch später sesshaft geblieben, zu einer Zeit als die jüdische Messiashoffnung sich schon vollständig entwickelt hatte, wo Ezechiel und Daniel gelebt und gelehrt, die Kunde von der israelitischen Erwartung eines heilbringenden Königs sich verbreitet, kann uns nicht Wunder nehmen; auch abgesehen von den Zeugnissen der römischen Historiker Suetonius und Tacitus, welche gar wohl ihren Ursprung in einer Stelle des jüdischen Josephus haben könnten, womit er in unisraelitischer, verräterischer Weise die Hoffnung Israels auf den Kaiser Vespasian gedeutet hat. Der Tempel zu Jerusalem war im ganzen Morgenlande als ein mysteriöses Heiligtum bekannt; die Religion dieses Tempels war den Völkern ein weltkundiges Rätsel, und für die Gottesfürchtigen unter ihren Weisen gab es keine bedeutungsvollere Frage als die nach dem Grundgedanken dieser Religion. So war das Gerücht von dem kommenden Christus in der Welt still verbreitet. Dass aber der Messias geboren sei, das erfuhren die Weisen durch den Stern. Was nun diesen Stern betrifft, so kann weder von einem Meteor, noch von einem Kometen die Rede sein; das erstere verfliegt ohne Rast, das letztere hat für das Altertum keine heilbringende Bedeutung. Nach Münter wird in den chinesischen Tafeln berichtet, es sei ein neuer Stern erschienen zu einer Zeit, die mit dem vierten Jahre vor der Geburt Christi übereinstimmen würde. Diese Nachricht führt uns zu weit; sowohl was die Zeit der Geburt Christi als was den Ort der Betrachtenden anlangt. „Der berühmte Astronom Kepler hat nachgewiesen, dass im Jahre 747 nach Roms Erbauung sich eine sehr merkwürdige dreifache Konjunktion des Jupiter und Saturn ereignet habe; dass im Frühlinge des nächsten Jahres noch der Mars hinzugekommen sei, und hat es als wahrscheinlich bezeichnet, dass zu jenen drei oberen Planeten noch ein außerordentlicher Stern hinzugekommen sein könne, wie dies im Jahre 1603 der Fall gewesen. Diese merkwürdige Konjunktion hielt Kepler für den Stern der Weisen.“ Ebenso Ideler und Schubert. Dieselbe Stellung der beiden Sterne wiederholt sich alle 800 Jahre, und sie soll zur Zeit Henochs, der Sintflut, des Moses, des Jesaias und nach Christo zur Zeit Karls des Großen ebenfalls Statt gefunden haben. Wurde nun Christus im Jahre 750 nach Erbauung Roms (4 Jahre vor unserer Zeitrechnung) geboren, so war die volle Sternerscheinung zwei Jahre vor seiner Geburt vorhanden, und man kann sich erklären, weshalb Herodes, der die Zeit des Aufgangs des Sternzeichens von den Weisen erforscht hatte, die Kinder zu Bethlehem bis zu den Zweijährigen hinauf töten ließ. Die Weisen hatten sich also wohl erst allmählig das wundersame Sternbild vollkommen gedeutet, und am Ende kam eine langwierige Reise hinzu und ließ sie eben zur rechten Zeit in Bethlehem eintreffen.

Hätte sich aber so das Walten Gottes nicht zu einem astrologischen Aberglauben bekannt? Nicht zu der astrologischen Rechnung in ihrem Glauben hat sich Gott bekannt, wohl aber zu dem Glauben in ihrer astrologischen Rechnung. Die Vorstellungen der heidnischen Welt tragen durchweg das Gewand des Aberglaubens, bei den Frommen aber ist der Kern dieses Aberglaubens ein göttlicher Glaubenstrieb, bei den Irdisch-Gesinnten ist er menschliche und dämonische Selbstsucht. Überall nun, wo der Kern der abergläubisch gefärbten Vorstellung ein Trieb zu dem lebendigen Gott ist, da bekennt sich auch Gott zu ihm; dergestalt, dass er ihm dazu behilflich ist, seine abergläubische Form abzustreifen. So hat sich auch die Weisheit Gottes zu dem Wissenskern in der Astrologie und in der Alchemie der Alten bekannt, und hat ihn zur Astronomie und zur Chemie werden lassen. Er hat sich bekannt zu dem Menschenopferglauben eines Abraham, zu dem Tieropferglauben eines Moses, zu dem Kirchenglauben der Frommen im Mittelalter, zu dem Dämonenglauben eines Luther. „Die Flamme reinigt sich vom Rauch, so reinigt er den Glauben.“

Und so wurde auch der Glaube der Magier gereinigt; obschon selbst im höheren Sinne ihr Aberglaube wieder das Bild einer Wahrheit war, der Wahrheit, dass alle Sterne und Sternzeichen des Himmels den Logos, den Bildner des Vaterhauses, Christus, den Sohn und Erben des Vaterhauses verherrlichen. Nach Jerusalem wurden die Magier gewiesen durch ihre messianische Kunde. Wie aber musste es sie hier stutzig machen, als sie fanden, dass der König, die Priester, die Schriftgelehrten noch nicht wussten von einem neugebornen König der Juden, dass er am wenigsten im Königshause zu finden war, und dass ihre Nachfrage Alles sofort verlegen machte und mit Schrecken erfüllte. Endlich erhalten sie die Weisung nach Bethlehem. Und wenn sie nun wieder die Weisung nach dem armen Bethlehem, von Jerusalem der Königsstadt fort, befremden muss, so noch mehr die Hütte, die ganze Armut der Umgebung des Kindes; ja höchst wahrscheinlich auch der Umstand, dass das Kind erst jüngst geboren war, während ihr Sternbild schon längere Zeit geleuchtet. Gleichwohl glaubten sie sich durch alle Anstöße und Zweifel kühn hindurch, ja so kühn, dass sie in dem Stern mit großer Freude ihren Wegweiser erblickten, und den deutlichen Fingerzeig, vom hohen Zenit des Himmels herab auf das niedere Haus, in welches sie eintraten bei nächtlicher Weile. Die göttliche Weihe in der Erscheinung des Kindes mit der Mutter besiegelte ihren Glauben und sie fielen nieder und beteten es an (nicht bloß im morgenländischen politischen Sinne, wie sie etwa auch vor dem Herodes sich hingeworfen), und taten ihre Schätze auf, und opferten ihm Geschenke, Gold und Weihrauch und Myrrhen.

Indessen hätten sie doch mit ihrer Frömmigkeit, mit ihrem Messiasgerücht und mit ihrem Stern den Heiland schwerlich gefunden, wenn ihnen nicht das Wort Gottes als das vierte Element in ihrer Führung die Weisung nach Bethlehem gegeben hätte. Die von dem Könige Herodes versammelten Hohenpriester und Schriftgelehrten erteilten auf die Frage, wo Christus solle geboren werden, die Antwort: zu Bethlehem, im jüdischen Lande, denn also steht geschrieben von dem Propheten: Und du Bethlehem, Land Judas, mitnichten bist Du die geringste unter den Fürstlichen Judas, denn aus Dir wird hervorgehen der Fürst, welcher weiden wird mein Volk Israel. Es ist keinem Zweifel unterworfen, dass sie die Stelle Michas (5,1) richtig gedeutet haben.

Das Wort Gottes machte also die Glaubensahnung und den Glaubensdrang der Weisen zum vollendeten Glauben. Besiegelt aber wurde ihr Glaube durch die Erscheinung des heiligen Kindes, das ganze göttliche Lebensbild des Neugebornen. Und nun kam auch ihr Glaube zur vollen Erscheinung in einer unbegrenzten Anbetung, und in den edelsten Opfergaben.

Gold, Weihrauch und Myrrhen: fürstliche Gaben, einer morgenländischen Huldigung am Königshofe gemäß, hier von höherer Bedeutung. Die Gaben Weihrauch und Myrrhen deuten auf Arabien hin; wären aber freilich auch von Durchreisenden dort zu finden gewesen. Wären sie miteinander Symbole der Sonne gewesen, wie man gesagt hat, so würden sie auf persische Anschauung schließen lassen. Nach der israelitischen Symbolik konnte jedenfalls der Weihrauch das Gebet bezeichnen oder auch die Huldigung, Gold den majestätischen Glanz, die Myrrhe mit ihrem Wohlgeruch Gottgefälligkeit oder Heiligkeit. Nach der katholischen Deutung huldigten die Weisen mit dem Rauchwerk dem Gott, mit dem Golde dem Könige, mit der Myrrhe dem Menschen, weil er sterben wollte als Mensch, auferstehen als Gott, herrschen als König. Das mönchische Mittelalter fand in diesen Gaben die drei sogenannten guten Werke abgebildet: im Golde das Almosen, im Weihrauch das Gebet, in der Myrrhe das Fasten. Näher lag die Beziehung des Goldes auf die Glaubenstreue, welche mit dem wahren Lebensglanz Eins ist (1 Pet. 1,7); des Weihrauchs auf das Gebet (Psalm 141,2), der Myrrhen auf den heiligen Schmerz der Weltentsagung und Abtötung des Fleisches (Joh. 19,39; Ephes. 5,2). Allein diese Gaben hatten hier sofort nach der Vorsehung Gottes auch eine reale Bedeutung: sie sollten die Flucht nach Ägypten erleichtern, welche der Mordanschlag des Herodes notwendig machte.

Diese Bemerkung führt uns auf den erschütternden Kontrast, in welchem die heidnischen Weisen zu den Vätern in Israel und der Hauptstadt des Landes auftreten. Jerusalem, die Stadt Gottes, erschrickt über die Kunde der Geburt Christi; die Fernen der Heidenwelt dagegen schließen sich auf für ihn. Die Hohenpriester und Schriftgelehrten finden in der heiligen Schrift die Weisung nach Bethlehem, weisen die Fremden dahin und bleiben selber im Unglauben daheim; die heidnischen Magier lassen sich durch ihren Stern und jene Weisung leiten und kommen zum Ziel. Herodes der Große als zeitlicher König der Juden zum Sachwalter und Bahnmacher des ewigen Königs der Juden berufen, macht einen tückischen Mordanschlag auf sein Leben und hüllt ihn in das dichteste Gewand der Heuchelei; die fremden Weisen legen den Stolz ihrer Heimat, ihres Standes, ihre Weisheit und sich selbst mit ihrer edelsten Habe hingebend zu den Füßen des heiligen Kindes nieder, in dessen Gegenwart sie ihren Seelenfrieden finden, von dessen Zukunft sie das Heil der Völker erwarten.

Esau, der Stammvater der Idumäer, zeichnete sich bei allem Stumpfsinn gegen die Verheißungen Gottes, um dessentwillen er als Erstgeborner verworfen wurde, doch noch durch seine Gradheit und Biederkeit aus, und der Mordgedanke, den er gegen seinen Bruder Jakob einmal in seinem Herzen trug, schien in seiner Gutmütigkeit zu ersticken. Später und oftmals aber trat der alte Groll des Edom gegen Jakob in seinem Samen wieder hervor (s. Obadja), und weil Esaus Mordgedanke nie durch gründliche Buße ertötet worden, so kommt er spät in diesem Idumäer Herodes, dessen Leben uns Josephus gezeichnet hat, zur Reife. Der Stumpfsinn des Ahnherrn hat sich in diesem eigentlichen Erben seiner irdischen Verheißung (1 Mos. 27,40) zur Verstocktheit vollendet, darum erscheint aber auch die Biederkeit des Ahnherrn bei Herodes bis zur toten Larve ausgehöhlt und ist zur Maske geworden für seine teuflische List. Er hat sorgfältig nach dem Kinde Jesu geforscht, zuerst nach dem Wo? dann nach dem mutmaßlichen Wann? seiner Geburt. Das wirkliche Individuum aber sollen ihm die Weisen ausmitteln und angeben. Sie haben vorläufig seinem Worte getraut, dass er nach ihrem Bericht kommen wolle, das Kind ebenfalls anzubeten. Allein die Weisen bleiben nach ihrer Abreise aus und der blutbefleckte Tyrann lässt den Bethlehemitischen Kindermord vollziehen. Man hat gefragt, weshalb weiß Josephus nichts davon? Allein unser Text lässt schon die Ansicht durchblicken, dass Herodes jene Kinder auf dem Wege tückischen Überfalls und Meuchelmords zu beseitigen wusste; nicht durch eine Staatsaktion, wie sie Etwa für den Josephus gewesen wäre.

Der schlaue Politiker hat die Weisen zu überlisten gesucht. Allein unter der Leitung des Herrn überflügeln sie ihn, und zwar nicht durch heimliche Nachtwachen und astrologische Weisheit, sondern durch den Ahnungsblick ihrer frommen Einfalt im Schlaf. Ein Gottesspruch in ihrem Traumleben verbietet ihnen die Rückkehr zu Herodes, der ihnen von Anfang an einen unheimlichen Eindruck machen musste, und auf einem anderen Wege entweichen sie in ihr Land. So scheinen sie in der Ferne zu verschwinden mit ihrem Glauben, aber der Ruhm ihres Glaubens hat sie zu Heiligen der Kirche gemacht, die kirchliche Sage hat sie mit Wunderglanz umgeben.

Die kirchliche Sage hat die Magier erstlich in Beziehung gebracht zu dem Apostel Thomas und seiner Wirksamkeit im Orient. Thomas soll sie in Persien getauft haben, worauf sie selbst dann als Verbreiter des Evangeliums noch wirksam gewesen seien. Im Zuge ihrer Verherrlichung aber hat die Sage sie in Bezug gesetzt zu dem Stern aus Jakob, dessen Aufgang Bileam verkündigt (4 Mose 24,17). Man verwechselte jenen symbolischen Stern des Bileam, den Herrn mit seinem Himmels-Zeichen. Die Vorsteher der Mysterien, hieß es, hätten zwölf Männer aus ihrer Mitte ausgewählt, welche jährlich drei Tage lang auf dem Berge des Sieges in heiligen Übungen zugebracht, um den Stern, den Bileam geweissagt, zu erblicken, und sie hätten endlich am Tage der Geburt Christi wirklich einen Stern gesehen, in der Gestalt eines Knaben, auf seinem Haupte ein Kreuz. Ebenso machte die Sage sie zu Königen, nachdem noch Cyprian sie für Astrologen, Hilarius und Hieronymus für Zauberer gehalten hatten. Man schloss auf ihre königliche Würde aus ihren königlichen Gaben und führte den Beweis mit Hinweisung auf die Verheißungen Psalm 68,30.32; Psalm 72,10; welche von Königen reden, die Jerusalem Geschenke bringen; namentlich auf die Epiphanias-Epistel Jes. 60,6: sie werden aus Saba aber kommen, Gold und Weihrauch bringen usw. und V. 10: Fremde werden deine Mauern bauen, und ihre Könige dir dienen; wozu noch Jes. 49,7 zu ziehen ist. Chrysostomus nahm an, es seien der Magier zwölf gewesen (wahrscheinlich nach der Zahl der Jünger, oder nach den Stämmen Israels), Epiphanius vermehrte die Zahl auf 15, Leo der Große entschied sich für die Dreizahl nach den dreifachen Gaben. Bei Beda Venerabilis werden sie zuerst mit Namen genannt, Caspar, Melchior und Balthasar. Petrus Comestor erlebte die Auffindung ihrer Leichname im Jahre 1162; er nannte sie Apellius, Amerus und Damasius. Nach Andern sollten sie noch anders heißen. Doch siegten die Namen des Beda, und diese sind gemeint, wenn der katholische Priester noch heute am heiligen Dreikönigstage zu seinen Gemeindegliedern ins Haus kommt und drei Kreuze mit den drei Buchstaben C. M. B. und der Jahreszahl mit Kreide an die Tür schreibt, was in Verbindung mit dem ausgesprengten Weihwasser vom Volke als ein unfehlbares Schutzmittel gegen alle Gefahren angesehen wird. Die Namen der Weisen scheinen vielfache Beziehungen auf den Lichtglanz des Himmels zu haben; am deutlichsten ist dies bei Melchior, Lichtkönig. Sie sind eben Kinder und Propheten der himmlischen Erscheinung, kein Wunder daher, dass man sie auch unter die Sterne des Himmels, in den Gürtel des Orion versetzt hat, und dass über ihrem sagenhaften Gebein, welches unter den ersten christlichen Kaisern nach Konstantinopel gebracht sein soll, dann nach Mailand in die Eustorgiuskirche gekommen war und welches Kaiser Friedrich I. nach der Eroberung der Stadt dem Erzbischof Raynold von Köln schenkte, auch wohnt der Glanz der mittelalterlichen Erscheinungskirche in ihrem prachtvollsten Symbol, dem Kölner Dom, sich noch einmal von Neuem entfaltet.

Die kirchliche Gemeine hat für diesen Tag die erhabene Stelle Jes. 60,1-6: Mache Dich auf, werde Licht! - zu ihrer Festepistel gewählt, fast der einzigen Epistel unsres evangelischen Kirchenjahrs, die aus dem alten Testament genommen ist. Das Evangelium des Tages ist natürlich die Festgeschichte, Matth. 2,1-12.

Die Sitte der römischen Kirche, den Epiphanientag als Missionsfest oder als Fest der Heidenbekehrung zu feiern, hat auch die Brüdergemeine festgehalten, und in der neuesten Zeit hat man ebenfalls in der evangelischen Kirche, welche früher den Epiphaniastag meist nur feierte, wenn er auf einen Sonntag fiel, vielfach den Gedanken ausgesprochen, der Epiphanientag müsse zu unserem allgemeinen Missionsfeste werden. Bis heute hat dieser Gedanke nicht recht durchdringen wollen; vielleicht weil unser Blick auf die Heidenwelt und unsere Missionsarbeit selber noch nicht ahnungsfroh und festlich genug geworden ist. Die große welthistorische, biblische und altkirchliche Wahrheit von der Erscheinung unseres Herrn Jesu Christi muss diesen Festkeim beleben und zur Reife bringen. Wir wollen einer Heidenwelt gedenken lernen, welche nicht ein sternloses Nachtgebiet des Hades ist, sondern eine Nacht von dem Sternlicht der vorbereitenden Gnade über auserwählten Geistern und Herzen gehoben, von der Ahnung und Hoffnung des Heils in geheimen Seufzern, Gebeten und Forscherblicken und Kämpfen belebt. Wir wollen eine Erscheinung des Herrn feiern, welche mit ihrem Gottesglanz die Tiefen der Gottheit in ihrem dreifaltigen Licht und die Tiefen der Heidennacht mit den dreifaltigen Opfergaben ihres Glaubenssehnens offenbar macht; eine Erscheinung, welche aus der Todesweihe des Lebens Christi, seiner Taufe als der Glanz seiner inneren Herrlichkeit hervorbricht und die sich selbst im Siege des Lichtes in der äußeren Natur abschattet, während sie eine Weissagung ist von der einstigen Erscheinung des Lichtglanzes des großen Gottes. Wenn wir also die Zuversicht gewinnen, die schöne göttliche Erscheinung, die aus dem Leben und Tode Christi quillt, fröhlich zu verkündigen, die wahre Erscheinung der Braut Christi in der vollen Kommunion seiner priesterlichen Gemeine entgegen zu setzen dem falschen, verlockenden Schein veräußerlichter Gottesdienste, das Aufleuchten des irdischen Sonnenlichtes zum Sinnbild der Siege des Lichtes aus der Höhe zu machen, und an diesem Tage auch einmal die Heidenwelt von der Lichtseite anzusehen, und das Missionswerk nicht als Menschenarbeit, sondern als Gottesfeier und Gottesfreude, dann wird wohl noch die Epiphanie zu einem schönen Jahresfest unserer Kirche werden.

Cookies helfen bei der Bereitstellung von Inhalten. Diese Website verwendet Cookies. Mit der Nutzung der Website erklären Sie sich damit einverstanden, dass Cookies auf Ihrem Computer gespeichert werden. Außerdem bestätigen Sie, dass Sie unsere Datenschutzerklärung gelesen und verstanden haben. Wenn Sie nicht einverstanden sind, verlassen Sie die Website.Weitere Information
autoren/l/lange/lange_weise_aus_dem_morgenland.txt · Zuletzt geändert: von aj
Public Domain Falls nicht anders bezeichnet, ist der Inhalt dieses Wikis unter der folgenden Lizenz veröffentlicht: Public Domain