Lamparter, Helmut - Nebo - Der Berg der Sehnsucht

Lamparter, Helmut - Nebo - Der Berg der Sehnsucht

Und Mose ging von dem Gefilde der Moabiter auf den Berg Nebo, auf die Spitze des Gebirges Pisga, gegenüber Jericho. Und der Herr zeigte ihm das ganze Land Gilead bis gen Dan und das ganze Land Naphtali und das Land Ephraim und Manasse und das ganze Land Juda bis an das Meer gegen Abend und das Mittagsland und die Gegen der Ebene Jerichos, der Palmenstadt, bis gen Zoar.
Und der Herr sprach zu ihm: Dies ist das Land, das ich Abraham, Isaak und Jakob geschworen habe und gesagt: Ich will es deinem Samen geben. Du hast es mit deinen Augen gesehen; aber du sollst nicht hinübergehen.
Also starb Mose, der Knecht des Herrn, daselbst im Lande der Moabiter nach dem Wort des Herrn. Und Er begrub ihn im Tal im Lande der Moabiter gegenüber Beth-Peor. Und niemand hat sein Grab erfahren bis auf den heutigen Tag. Und Mose war 120 Jahre alt, da er starb. Seine Augen waren nicht dunkel geworden und seine Kraft war nicht verfallen. Und die Kinder Israels beweinten Mose im Gefilde der Moabiter dreißig Tage; und es wurden vollendet die Tage des Weinens und des Klagens über Mose. Und es stand hinfort kein Prophet in Israel auf wie Mose, den der Herr erkannt hätte von Angesicht zu Angesicht.\\5. Mose 34,1 ff.

Wer die Berge kennt und liebt, den mag zuweilen in den dumpfen Stuben und engen Gelassen die Sehnsucht überfallen – die Sehnsucht, alles abzustreifen und hinter sich zu werfen, was hier Tag für Tag an den Nerven zerrt, und hinaufsteigen auf einen hohen Gipfel, wo der Blick frei und ungehindert über die Lande schweift. Nur einmal wieder da oben stehen, weg von den Menschen mit ihrem oft so kleinlichen Zank und Streit, und dann auf dem stillen, einsamen Gipfel ganz ins Schauen versinken! Wir brauchen uns dieser Sehnsucht nicht zu schämen. Es ist des Menschen bestes Teil, daß er sich sehnt nach einem Ort der Freiheit, nach einem Leben, das besser und höher ist. Wer keine Sehnsucht mehr im Herzen trägt, der ist lebendig tot! „Solange wir in der Hütte sind (gemeint ist in der Hütte dieses Leibes) sehnen wir uns und sind beschwert“ – so schreibt der Apostel Paulus im 2. Korintherbrief. Offenbar sollen und dürfen gerade wir Christen in besonderer Weise Menschen einer großen, heiligen Sehnsucht sein. Ob wir sie kennen, ist ein Gradmesser dafür, ob und wie weit unser Christenstand wirklich lebendig ist. Es mag wohl sein, daß diese Sehnsucht zuweilen verschüttet wird, daß sie nur wie ein Fünklein unter der Asche glimmt. Aber Gottes Wort kann und will sie aufwecken. Eben deshalb geschieht’s, da wir auf unserer Wanderung entlang den Bergen der Bibel an diesen Berg Nebo geführt werden, den man mit Fug und Recht als den Berg der Sehnsucht bezeichnen kann. Denn was geschieht auf diesem Berge? Da steht ein Mensch, Mose, der Mann Gottes, ganz ins Schauen versunken, die Augen sehnsüchtig auf das Land der Verheißung geheftet, das ihm Gott selbst zeigt mit ausgestrecktem Arm. Noch einmal schaut er weit, weit ins Land, wohl eine lange Zeit, ein Mensch voller Sehnsucht, dem Gott eine letzte Gnade gönnt, eh’ er sich zum Sterben fertig macht und dort oben auf dieser einsamen Höhe endgültig die Augen schließt.

Was für ein Anblick, dieser zum Sterben gerüstete Knecht Gottes dort auf des Berges Spitze! Das Alte Testament enthält gewiß eine Fülle von gewaltigen Stoffen, Bildern, Geschichten und Gestalten. Es schreibt einen lapidaren Stil. Aber der Anblick und die Gestalt dieses Mannes, das letzte sehnsüchtige Schauen, das stille, einsame Sterben dieses Propheten, von dem erzählt wird, daß Gott seinen Leib mit eigner Hand begrub – das gehört doch wohl zum Ergreifendsten, was uns in der ganzen Bibel berichtet wird. Wer ist dieser Mose? Nun wir kennen seine Geschichte, zumindest in groben Zügen. Wir sind ihm schon einmal begegnet, dort auf dem wolkenumhüllten Sinai, dem Berg der Gebote, wo er die steinernen Tafeln empfing, in welche der Finger Gottes die Gebote grub. Vierzig Jahre trug er die Last einer Aufgabe, unter deren Schwere er manchmal schier zusammenbrach. Vierzig Jahre lang ist er durch Sonnenbrand und Wüstensand dem verheißenen Land entgegengezogen. Sein Haar ist längst gebleicht, aber seine Augen sind nicht dunkel geworden, seine Kraft ist nicht zerfallen. Und nun sehen und begleiten wir ihn auf seinem letzten Gang. Auf Gottes Befehl steigt er hinauf die Höhe des Berges. Er weiß: Ich kehre nicht zurück. Feierlich hat er Abschied genommen, seinen Nachfolger, Josua, den Sohn Nuns, bestimmt und auf die Gebote Gottes verpflichtet, ganz Israel noch einmal gesegnet. Dann reißt er sich los. „Stirb auf dem Berge!“ so hat Gott zu ihm gesagt (5. Mose 32,50). Er läßt ihn nicht im Ungewissen darüber, daß es sein letzter Gang sein wird. Noch einmal: Was für ein ergreifendes Bild, wie dieser Mann Gottes im Wissen um seinen Tod da hinaufsteigt auf diesen einsamen Berggipfel! Wir wissen aus unsrer Bibel, daß Gott mit ihm geredet hat „wie mit einem Freunde“, und daß hernach in Israel kein Prophet mehr aufstand wie dieser Mose, den der Herr erkannt hätte „von Angesicht zu Angesicht“. Wundern wir uns nicht, daß Gott etwas Besondres mit ihm vorhat! Unmöglich, daß dieser Mann auf einem Strohbündel sterben sollte, so wenig wie Elia, der im Wetter gen Himmel fuhr.

Freilich, es ist kein leichter Gang! Hart an der Grenze des verheißenen Landes muß Mose sterben. Gott erlaubt ihm nicht, selbst seinen Fuß in dieses Land zu setzen. Dicht vor dem Ziel ruft Er seinen Knecht ab, unwiderruflich. Warum eigentlich? Nun, Mose weiß genau warum: Einmal hat er Gott erzürnt, damals, als der Herr sein Volk mitten in der Wüste mit Wasser aus dem Felsen tränkte (4. Mose 20,1 ff.). Vom Durst gepeinigt, fing der ganze Haufe an zu murren und Mose mit Anklagen zu überschütten: „Ach, daß wir umgekommen wären, als unsre Brüder umkamen! Warum nur habt ihr uns an diesen bösen Ort geführt?“ Mose erwiderte kein Wort auf diese bittren, ungerechten Vorwürfe. Er fällt zusammen mit seinem Bruder Aaron nieder auf sein Angesicht vor dem Herrn, damit Er selbst rede und eingreife. Und wirklich, Gott ist bereit, Rat und Hilfe zu schaffen und das Murren Israels wieder einmal wie so oft durch schenkende Güte zu beschämen. „Nimm deinen Stab und rede mit dem Fels vor ihren Augen, der wird euch Wasser geben.“ Mose gehorcht. Aber als er die mißtrauischen, vorwurfsvollen Gesichter vor sich sieht, voll Bitterkeit und Anklage, da faßt ihn der Zorn: „Höret, ihr Ungehorsamen, werden wir euch auch Wasser aus dem Felsen bringen?!“ Er glaubt selbst nicht mehr daran, daß dies unter solch bitterbösen Umständen geschehen möchte. Und anstatt mit dem Fels zu reden, wie Gott befahl, nimmt er seinen Stab und schlägt zu, gleich zweimal! Wir spüren, wie ihn selbst in diesem Augenblick die Erbitterung überwältigt hat. Das ist durchaus menschlich, durchaus begreiflich. Aber was menschlich und begreiflich ist, ist darum noch lange nicht recht vor Gott. Keine Rede davon, daß ihm der Herr diese „Entgleisung“ zugute hielt. „Der Herr aber sprach zu Mose und Aaron: Darum, daß ihr nicht an Mich geglaubt habt, mich zu heiligen vor den Kindern Israels, sollt ihr diese Gemeinde nicht hineinbringen in das Land, das ich ihnen geben werde.“ So streng nimmt es Gott mit seinen Knechten! Er kennt keine Günstlinge wie die Herren dieser Welt, bei denen man notfalls durch die Finger sieht. Er handelt vielmehr nach der Regel. Welchem viel gegeben ist, bei dem wird man viel fordern. Je höher Gott einen Menschen zu sich emporhebt, um so genauer nimmt Er es mit dem Gehorsam. Das gibt zu denken!

Mose beugt sich, so hart ihn auch das Urteil Gottes treffen mochte. Er hat sich unter fremde Schuld gebeugt nach dem Bundesbruch, wie sollte er sich nicht unter sein eigenes Versagen beugen? Aber sieh, so streng Gott mit ihm abrechnet, so wenig läßt er ihn ohne Trost und Hoffnung sterben. “Und der Herr zeigte ihm das Land“, das Er seinem Volk als Wohnstätte ersehen hat. Ein herrliches Land! Nicht nur in den Augen dessen, der aus der Wüste kommt und sich mit trunkenem Entzücken am Anblick des Kulturlandes weidet, nicht nur, weil es ein Land ist, darin „Milch und Honig fließt“. Es ist das Land, über dem die Verheißung Gottes leuchtet, das Land, mit dem fortan die Gesichte seiner Offenbarung verbunden ist, in dem die Krippe und das Kreuz des Erlösers stehen sollte, von dem die Botschaft des Heils ausgehen sollte in alle Lande, bis an die Enden der Erde. Es ist das Land, das Gott dem Abraham, Isaak und Jakob geschworen hat, daß Er’s ihren Nachkommen geben wolle, und in das Er sein Israel in unsren Tagen nach langer Irrfahrt wieder zurückholt, zum Zeichen für alle Völker, mit welcher Treue Er zu seinen Verheißungen steht – das Land, von dem Gott in besondrer Weise Besitz ergreift zum Zeichen dafür, daß Er wahrhaftig von der ganzen Erde wieder Besitz ergreift. Dieser Streifen Land ist gleichsam der Garant, das Faustpfand dafür, daß Gott alle seine Verheißungen pünktlich erfüllt und allen Widerständen zum Trotz an das Ziel seiner Pläne eilt. Ahnen wir, was in der Seele Moses vorgeht, als er dieses Land zu seinen Füßen sieht? Er ist ganz und gar ins Schauen versunken. Kein Wort wird uns erzählt aus seinem Munde. Aber diesen Schweigen sagt mehr als alle Worte. Es bringt zum Ausdruck, daß in dieser Stunde nur noch ein Verlangen in ihm mächtig ist: Schauen, schauen und sich nicht satt sehen können! „Also starb Mose“ – sehnsüchtig die Augen auf das Land geheftet, das ihm Gott zeigt mit ausgerecktem Arm, hart an der Grenze, noch nicht daheim, aber doch seines Anblicks von ferne gewürdigt. Ein Geheimnis ist über seinem Sterben. Wir werden ihm noch einmal begegnen, diesem „Manne Gottes“, zusammen mit Elia, der auf dem mit feurigen Rossen bespannten Wagen gen Himmel fuhr, auf einem ganz andren Berge, dem Berg der Verklärung (Matth. 17,3). Hier aber bricht jede Spur ab. „Und der Herr begrub ihn“, so daß niemand sein Grab hat finden können. Es ist nicht nur eine letzte Ehre, die Gott damit seinem Knecht erweist. Er unterbindet dadurch zugleich jede Menschenverherrlichung, jeden „Heroenkult“. Dafür ist kein Platz in Israel. „Und die Kinder Israel beweinten Mose im Gefilde der Moabiter dreißig Tage“ – das ist das einzige, was hier noch möglich ist – und es ergeht ihnen bei dieser Beweinung wohl nicht anders, wie es uns allen zu gehen pflegt: Erst wenn uns ein Mensch genommen ist, erkennen wir so recht, was wir an ihm gehabt haben. „Und es stand hinfort kein Prophet auf in Israel wie Mose, den der Herr erkannt hätte von Angesicht zu Angesicht“ – wenn einer, dann war dieser der Tränen wert.

Es ist das Ende eines Propheten, das uns in dieser packenden Erzählung geschildert wird, und wir alle werden wahrscheinlich wesentlich prosaischer sterben. Dennoch müßte es seltsam zugehen, wenn wir im Laufe unsres Lebens diesen “Berg der Sehnsucht“ nicht auch zu Gesicht bekämen. Es ist viel Sehnsucht, offene und geheime Sehnsucht in der Menschen Herzen! Da ist die Sehnsucht des jungen Menschen, der sich hinaussehnt aus der drückenden Enge seiner gewohnten Umgebung in weite lockende, unbekannte Ferne und daneben die Sehnsucht des Gefangenen, der, in ein fremdes Land verschlagen, sich Tag und Nacht nach der Heimat, nach seinem Zuhause sehnt. Da ist die Sehnsucht, das unstillbare Heimweh nach einem geliebten Menschen, den uns der Tod entriß, ohne daß ihn unsre Liebe halten konnte, oder auch die Sehnsucht nach einer großen Lebensaufgabe, welche die Anspannung aller Kräfte lohnt. Und über all diesen Sehnsüchten, von denen wohl jeder etwas zu erwählen wüßte, ist die eine große, heilige Sehnsucht, die Matthias Claudius, der Wandsbecker Bote, in die Worte faßte: „O, du Land des Wesens und der Wahrheit, unvergänglich für und für, mich verlangt nach deiner Klarheit, mich verlangt nach dir!“ Ob wir sie nicht auch kennen, diese heilige Sehnsucht, die uns überfallen kann mit Macht mitten in dieser oft so erbärmlichen, durch und durch verlogenen Welt? Sie kann uns überkommen auf einer leuchtenden Paßhöhe unsres Lebens genau so wie in einer dunklen Sorgenschlucht oder einer traurigen Sterbekammer. Und – das ist sicher – je mehr wir mit unsrer Bibel umgehen und in ihr heimisch werden, um so mehr wacht diese Sehnsucht auf mit wachsender Macht. Warum?

1. Wir haben die allergrößten Verheißungen

Immer wieder stoßen wir auf Stellen, an denen uns Gott gleichsam mit ausgerecktem Arm das Land der Verheißung zeigt. Das ist nicht nur im Alten Testament so, bei den Propheten und Patriarchen. Auch das Neue Testament ist voller Verheißungen, und es gibt keine „Erfüllung“, die nicht sofort wieder vor unsren Augen und Ohren zur Verheißung würde. Dabei ist es besonders wunderbar, zu beobachten, wie die Verheißungen im Zug der mit der Berufung Abrahams beginnenden Gottesgeschichte mit wachsender Herrlichkeit entfaltet werden. Es beginnt damit, daß Gott diesem Abraham einen Sohn verspricht. Was ist das schon, möchte man denken, ein Kind? Aber zu dem Kind kommt das Volk, zu dem Volk kommt das Land, zu dem Land kommt der König, der Tempel, Priester und Propheten, und als die Zeit erfüllt ist, schickt Gott diesem „heiligen Volk“, das Er sich erwählt und zubereitet hat, seinen Sohn, voller Gnade und Wahrheit, König, Priester und Prophet zugleich. Er sammelt sich ein Volk aus allen Völkern der Erde, und zu diesem Volk kommt das Reich, das letzte, ewige, unbewegliche, und am Ende steht’s da, groß und wunderbar: Ein neuer Himmel und eine neue Erde, in denen Gerechtigkeit wohnt, und in dieser neuen Welt die Hütte Gottes bei den Menschen! So wächst und entfaltet sich immer größer und herrlicher, was Gott verheißt. Wir haben denselben Vorgang vor uns wie bei einer photographischen Linse, bei welcher immer mehr aufgeblendet wird. Gott selber blendet auf! Eine wachsende Fülle der herrlichsten Verheißungen hat Er wie aus einem unerschöpflichen Füllhorn vor uns ausgeschüttet: „Fürchte dich nicht, du kleine Herde, denn es ist eures Vaters Wille, euch das Reich zu bescheiden! Es ist noch eine Ruhe vorhanden dem Volke Gottes! Was kein Auge gesehen und kein Ohr gehört hat und in keines Menschen Herz gekommen ist, das hat Gott bereitet denen, die ihn lieben! In meines Vaters Hause sind viele Wohnungen, Ich gehe hin, euch die Stätte zu bereiten; Ich will wiederkommen und euch zu mir nehmen, auf daß ihr seid, wo Ich bin!“ Wir könnten lange fortfahren und in dieser Weise eine Verheißung an die andere reihen, wie man Perlen aufreiht an einer Schnur. Wer’s glaubt, des Herz wird freudenvoll! Denn diese Verheißungen sind ja nicht Gegenstand einer ungewissen Sehnsucht, einer vagen Hoffnung, von der man nicht sagen kann, ob sie sich auch jemals erfüllt. Sie haben nichts zu tun mit dem berühmten „Silberstreif am Horizont!, von dem keiner recht glaubt, daß er den Horizont auch wirklich einmal ganz erhellt. Wir sind, wenn wir diesen Verheißungen Glauben schenken, durchaus keine Leute, die in utopischen Träumen schwelgen. Hinter jeder Verheißung steht der lebendige Gott mit seiner ganzen Majestät und Treue. Jede steht unter dem Vorzeichen: Was Gott verspricht, das bricht Er nicht! Wie sollten wir darüber nicht von Herzen fröhlich sein? Sind wir „Erben der Verheißung“, so haben wir es nicht mehr nötig, mißmutig und verdrossen in den Tag hinein zu leben.

2. Wir dürfen uns den weiten Horizont der Bibel schenken lassen

Immer wieder über die Grenzen schauen und sich von Gottes ausgerecktem Arm das Land der Verheißung zeigen lassen, das ist Christenart. Also nicht nur seinem eigenen kleinen Behagen leben, satt und träge, stumpf und gelangweilt durchs Leben stolpern! Sobald wir uns die Frage vorlegen, wem denn all diese Verheißungen gegeben sind, können wir bei dieser Art, sein Leben zu leben, nicht stehenbleiben. Wem sind sie gegeben? Zuerst und zuvörderst dem Volke Gottes, d.h. denen, die sich rufen lassen, die sich nach den leuchten Zielen Gottes ausstrecken, die aufbrechen, wie einst Abraham aufgebrochen ist, und dem Land der Verheißung entgegeneilen. Nicht in schwärmerischer Ungeduld, die nicht warten kann und will, bis Gott seine Versprechungen einlöst zu seiner Zeit, aber doch mit einer heiligen Unruhe im Herzen, mit einer heiligen Ungeduld, die sich an dem, was vor Augen ist, nicht genügen läßt, geschweige sich in dieser „Wüste“, in der Gott so ferne ist, heimisch und behaglich fühlt. Je mehr wir mit der Bibel umgehen, um so mehr weitet sich unser Horizont, um so mehr wächst unsre Sehnsucht, um so mehr gewinnt die Bitte in unsren Herzen Raum: Es vergehe die Welt, es komme Dein Reich! Gott sucht Menschen, die sich seine Pläne zu eigen machen und seine Ziele in ihr Gebet aufnehmen. Er stellt uns, wenn anders wir aus seinem Wort leben, gleichsam auf einen Horchposten. Wer auf Posten steht, sieht in der dunkelsten Nacht die Sterne Gottes am Himmel leuchten. Er sieht, wie die Nacht im Schwinden ist und der helle Morgen naht. Wir verstehen, was das Bild besagen will: Wir dürfen unsre Augen aufheben zu Gottes Verheißungen. Was für ein Geschenk! Wir müssen unsren geistigen Horizont nicht mehr aus der Tageszeitung bestreiten, nicht aus der „tönenden Wochenschau“ mit ihren Sensationen und Neuigkeiten, die schon nach wenigen Tagen wieder veraltet und vergessen sind. Wer es dennoch tut, ist nicht wert, daß er eine Bibel in seinem Schrank besitzt.

3. Wir dürfen uns der Treue Gottes trösten

Wohl ist es wahr, daß auch wir, nicht anders wie Mose auf dem Berg Nebo, das Land der Verheißung erst von ferne schauen. Noch sind wir diesseits der Grenze, noch ist es nicht so weit, daß wir es mit eigenen Füßen betreten dürften. Wir sind wohl Gottes Kinder und Erben der Verheißung, aber es ist noch nicht erschienen, was wir sein werden (1. Joh. 3,1). Noch ist unser Leben verborgen unter dem Tod, unsre Gerechtigkeit verborgen unter viel Schwachheit und Sünde, unsere Herrlichkeit verborgen unter all den Kämpfen und Sorgen, Leiden und Schmerzen, die Gott auch und gerade seinen Kindern nicht erspart. Aber das soll uns die Freude über Gottes Heil nicht rauben. Hat sich etwa Mose diese Freude rauben lassen? Er stirbt auf dem Berge, diesseits der Grenze, aber es liegt ein großer Friede über diesem Sterben. Ihm ist’s genug, daß er das Land der Verheißung mit seinen Augen sehen durfte. Das heißt doch: Gott hat seinen Schwur nicht vergessen, den Er Jahrhunderte zuvor dem Abraham, Isaak und Jakob geleistet hat. Er steht zu seinem Wort mit unbedingter Treue. Niemand hat Ihn daran hindern können, Sein Volk bis an die Grenze des Landes heranzuführen – weder die Macht der Ägypter noch die Pfeile Amaleks noch die tausend Gefahren der wasserlosen Wüste. Also wird Ihn auch niemand daran hindern, sein Volk in dieses Land hineinzubringen. Er setzt sein Vorhaben durch. Das zu wissen genügt. Gott hält sein Wort mit Freuden, und was Er spricht geschieht! Nicht anders ist es mit dem Reich, das Er uns und allen, die Ihn liebhaben, bereitet hat. Niemand, weder Tod noch Teufel, wird Ihn daran hindern, uns hineinzubringen. Des sind wir fröhlich! Das Ende seiner Wege ist Herrlichkeit!

So war Gott Gott ist und sein Wort,
muß Teufel, Welt und Höllenpfort
und was dem tut anhangen,
endlich werden zu Schand und Spott,
Gott ist mit uns und wir mit Gott,
den Sieg woll'n wir erlangen!

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