Krummacher, Gottfried Daniel - Die Wanderungen Israels durch die Wüste nach Kanaan (Moseroth)

Krummacher, Gottfried Daniel - Die Wanderungen Israels durch die Wüste nach Kanaan (Moseroth)

Zwei und vierzigste Predigt. Sechs und zwanzigste Lagerstätte: Moseroth.

4. Buch Mosis 33, 30.

Dies ist die 26ste Lagerstätte der Kinder Israel auf ihrem Zuge durch die Wüste nach Kanaan. Die Wolken- und Feuersäule erhub sich, ein Zeichen, dass sie von Hasmona aufbrechen sollten. In ihrer Richtung entfernten sie sich von dem verheißenen Lande, längs der Wüste Paran und Sinai hin, auf den arabischen Meerbusen oder das rote Meer zu. Zu Moseroth machte sie Halt, ein Zeichen, dass dies der Ort sei, wo sie die Stiftshütte, und um diese her in vorgeschriebener Ordnung ihr Lager so aufschlagen sollten, dass nach jeder Himmelsgegend hin drei Stämme gelagert waren.

Waren die fünf vorhergehenden Lagerstätten etwa nur eine Meile eine jede von der vorhergehenden entfernt gewesen, so mussten sie nun eine weitere Strecke von acht Meilen zurücklegen, ohne sich lagern zu dürfen, wo sie denn recht müde mögen geworden sein und manche Unbequemlichkeit mögen zu erdulden gehabt haben. Wie mag's mit kleinen Kindern, Wöchnerinnen, alten, kranken und schwachen Leuten gegangen sein? Ob sie bei Tage unter der Leitung der Wolken-, oder bei Nacht unter der Führung der Feuersäule gereist sind, weiß ich nicht. Der Weg war aber so weit, dass sie vermutlich sowohl zur einen als andern Zeit zogen, und für diejenigen, welche nicht gut mit konnten, wurde auch bestmöglichst gesorgt. An Speise mangelte es ihnen nicht, denn das geheimnisvolle Manna senkte sich noch jeden Morgen um das Lager her auf die Erde. An Trank fehlte es ihnen eben so wenig, denn der zu Rhaphidim geschlagene Felsen folgte überall durch die Wüste mit, und gab ihnen Wassers die Menge. An Kleidern fehlte es ihnen eben so wenig, als an Schuhen, wiewohl es noch die alten waren, die sie aus Ägypten mitgebracht hatten, denn sie verschlissen nicht, wobei ihr das Eurige denken mögt.

Nun, für die mühsame und weite Reise mögen ste einen reichen Ersatz gefunden haben in dieser neuen Lagerstätte zu Moseroth. Sie sind es ziemlich gut gewohnt, wo nicht gar ein wenig verwöhnt. Sie lagerten sich, heißt es im vorhergehenden, in Erquickung. Von Erquickung oder Erfrischung zogen sie aus, und lagerten sich in Süßigkeit. Von Süßigkeit zogen sie aus, und lagerten sich in Eilfertigkeit. Von Eilfertigkeit zogen sie aus, und lagerten sich in Moseroth. Das ist nun hebräisch. Die Eilfertigkeit kommt mir doch etwas bedenklich und als nicht ganz in der Ordnung vor. Waren sie denn so eilig, wohlan denn, so konnten sie denn hinter einander acht Meilen fortrücken, ob vor-, ob rückwärts, das mussten sie sehen, wiewohl es in den Wegen des Herrn niemals zurück und immer vorwärts geht. Und wo ward ihnen denn jetzt ihr Lagerplatz angewiesen? Wollen wir's auf deutsch sagen, so heißt Moseroth: Bande, Unterweisung, Züchtigung. Dies sind gute Dinge, aber ob sie auch immer angenehm sind, ist eine andere Frage. Von dem letztgenannten sagt wenigstens der Apostel, Hebr. 12,11: Alle Züchtigung, wenn sie da ist, dünkt uns nicht Freude, sondern Traurigkeit zu sein. Er setzt aber hinzu: Darnach wird sie wirken eine friedsame Frucht der Gerechtigkeit, denen, die das durch geübt sind, - und stellt sie als so unausbleiblich vor, dass der himmlische Vater einen jeden Sohn, den er aufnimmt, züchtigt, und also notwendig, dass er erklärt: seid ihr ohne Züchtigung, deren sie alle teilhaftig geworden sind, so seid ihr Bastarde, und nicht Kinder.

Lasst uns denn diese Lagerstätte in der dreifachen Bedeutung ihres Namens Moseroth, ale Bande, Unterweisung oder Erziehung und Züchtigung etwas näher erwägen.

Erstlich als Bande. Lasst uns zerreißen die Moseroth, die Bande des Herrn, und seines Christus, sagen die Gottlosen, Ps. 2, wir aber wollen uns gern darin binden lassen. Ich will euch wohl unter die Rute bringen und euch in die Moseroth, Bande des Bundes, zwingen, heißt es Hes. 20,37, und die Frucht davon wird darin gesetzt: dass ihr mir werdet angenehm sein, und Ich will in euch geheiligt werden, und ihr werdet erfahren, dass ich der Herr bin. Alsdann werdet ihr gedenken an euer Wesen und all euer Tun, darin ihr verunreinigt seid, und werdet Missfallen haben über alle eure Bosheit, die ihr getan habt, und werdet erfahren, dass ich der Herr bin, wenn ich mit euch tue um meines Namens willen, und nicht nach euerm bösen Wesen und schädlichem Tun. Das Wort, wovon diese Lagerstätte ihren Namen hat, heißt auch binden, wie dort gesagt wird: er wird sein Füllen an den Weinstock binden und seiner Eselin Sohn an den edlen Reben; anspannen, wie Elias dem Ahab sagen ließ: spanne an und fahre hinab, ehe dich der Regen ergreift. Und Christus redet von einem Joch, worein wir uns sollen spannen lassen, versichert aber, es sei sanft und gewähre Ruhe für die Seele, weshalb wir singen: ach spanne mich in deiner Liebe Netz! Die Delila bediente sich auch dieses Worts, als es sich darum handelte, Simson also zu binden, dass er nicht stärker wäre wie ein anderer Mensch, und wenn sie ihn gebunden hatte, schrie sie: Philister über dir, Simson, der aber alle Bande zerriss. Wohl mochte sie, ihm gegenüber, Delila, d. i. die Arme und Geringe, aber auch die Schwächende heißen. Gern bemerken wir noch, dass auch das Wort Gefangene mit dieser Lagerstätte gleiche Abstammung hat, wovon es Ps. 69,34 gar freundlich heißt: der Herr verachtet seine Gefangenen nicht, denen Jes. 61 eine Erledigung durch Christum zugesagt wird. So kommt auch Zach. 9,11 vor: Du lässt aus deine Gefangene, durch das Blut deines Bundes, aus der Grube, da kein Wasser innen ist. So kehrt euch nun zur Festung, die ihr auf Hoffnung gefangen liegt. Der König Manasse erfuhr auch auf eine schmerzliche aber gesegnete Weise die Bedeutung unseres Wortes. Denn die Fürsten Assurs nahmen ihn gefangen mit Fesseln und banden ihn mit Ketten, weil er nicht darauf gemerkt hatte, wenn der Herr mit ihm und dem Volke reden ließ. Da er aber in der Angst war, flehte er vor dem Herrn seinem Gott und demütigte sich sehr vor dem Gott seiner Väter, und bat und flehte ihn. Da erhörte der Herr sein Flehen, und Manaffe erkannte, dass der Herr Gott ist. 2. Chron. 33,11.

Nach diesen Erörterungen lasst uns das Lager in Moseroth näher besehen. Es mahnt uns an die Ungebundenheit des natürlichen Menschen, an seine Bande, an sein Bedürfnis, gelöst und gebunden zu werden, und an die Ausführung dieser wichtigen Sache.

In seinem Naturstande lebt der Mensch durchgängig und seiner Neigung nach in Ungebundenheit. Die Schrift vergleicht ihn deswegen den Rossen und Maultieren, die ins Wilde hinein rennen würden, wenn man ihnen nicht Zaum und Gebiss ins Maul legte. Schon im Paradiese fing er an zu glauben, er sei schon durch das einzige leichte Gebot, von einem einzigen Baum nicht zu essen, zu eng gebunden und zerriss dies Band. Die Natur des Menschen strebt nach einer unbedingten Freiheit, und statt sie in der Übereinstimmung mit dem Willen Gottes zu suchen, setzt er sie in das Gegenteil. Diese Ungebundenheit zeigt sich zwar vorzugsweise im jugendlichen Alter und besonders wenn die äußern Verhältnisse sie begünstigen, aber sie verliert sich auch mit dem Alter nicht. Tritt uns diese Ungebundenheit nicht überall und häufig auf die plumpste Weise entgegen? Wodurch unterscheiden sehr Viele den Sonntag von den Werktagen? Nur durch eine größere Ungebundenheit, und wenn Viele ihre Arbeiten einstellen, tun sie's nur, um ihren Lüsten desto mehr zu frönen. Auf was für Lage werden deshalb die meisten Lustbarkeiten veranstaltet? Auf Sonn- und Feiertage, weil man dann sonst nichts versäumt. Nichts? Nein. Denn die Anhörung und Betrachtung des göttlichen Worts zu unterlassen, gilt bei ihnen für keine Versäumnis, vielmehr halten sie das für etwas Ungereimtes. Wann aber würden wir fertig werden, wenn wir durch Anführung von Einzelheiten beweisen wollten, dass die Leute nicht bloß zu Hiobs Zeiten lebten, die da sprachen: hebe dich von uns, wir wollen von deinen Wegen nicht wissen. Die Welt wimmelt noch von dem Geschmeiß, das nicht nach Gott und seinen Geboten fragt, sondern tut, was ihm gelüstet. Noch immer gibt's eine Menge, auf welche Stephani Beschreibung volle Anwendung findet, wo er sagte: ihr Halsstarrige und Unbeschnittene an Herzen und Ohren, ihr widerstrebt alles zeit dem heiligen Geist, wie eure Väter, also auch ihr. Diesen Leuten wird's aber am Ende schrecklich gehen, mögen es leichtfüßige Jünglinge oder solche sein, deren vorgerücktes Alter sie auf andere Gedanken bringen sollte; Reiche, die durch ihr Vermögen in den Stand gesetzt werden, viel von der Welt zu genießen, oder Arme, die nicht können, was sie wohl wollen; Fürsten und Vornehme, die schon in ihrem Stande das Recht zu finden glauben, ihren Begierden den Zügel nachzulassen, oder niederer Pöbel, der so keine Achtung zu verlieren hat. Welche Ungebundenheit beweisen die natürlichen Menschen gegen die Aussprüche des göttlichen Worts, dermaßen, dass diese Armseligen wohl sagen dürfen: dies und das rechne ich mir nicht zur Sünde; oder dass sie Meinungen behaupten, verteidigen, festhalten dürfen, welche der Schrift zuwider laufen. Was meinen diese Armseligen wohl, dass sie, wie die Juden dem Jeremias sagen dürfen: nach dem Worte des Herrn, das du uns sagst, wollen wir nicht tun. Sollte Gott sich seine Ehre von solchem frechen Gewurm rauben lassen? Das sei ferne. Da sie ihn nicht durch Gehorsam ehren wollen, werden sie ihn durch ihren Untegang verherrlichen müssen.

Bei dieser Ungebundenheit und Widerspenstigkeit ist der natürliche Mensch doch, wie Petrus redet, ein Knecht des Verderbens. Freilich sind sie, wie Paulus Röm. 6, redet, frei: aber wovon? von der Gerechtigkeit, und also Knechte der Sünde. Christus wird uns von Jesaias und von ihm selbst als derjenige vorgestellt, der den Gebundenen eine Erledigung predige. Soll dies nicht etwas Überflüssiges und Unnötiges sein, so muss es Leute in Moseroth, in Banden geben. Und gewiss tut's das. Da sind die Bande der Sünde überhaupt und einzelner Sünden insbesondere. Diesen fesselt namentlich der Geiz, jenen Trunkenheit, Wollust und dergleichen. Da sind die Bande des Unglaubens, Bande des Gesezes mit seinem Fluch, des Satans sogar. Dies sind schimpfliche Bande, es sind starke, es sind unzerreißbare Bande, mögen sie auch nicht also von denen empfunden werden, die darin verstrickt sind, sondern sie sich wohl und frei darin fühlen.

Der Mensch bedarf's also erstlich gelöst, zweitens gebunden zu werden. Er bedarf's gelöst zu werden. Er bedarf's, dass Christus über ihm, wie über jene angebundene Eselin Befehl tue und sage: bindet sie los und führt sie her. Die Bande der Sünde müssen zerrissen werden, dass sie ihre Herrschaft verliere und man Gott über dem Menschen danken kann, dass er ein Knecht der Sünde gewesen, dass er ehemals unweise, ungehorsam, irrig war, nun aber glaubt, durch die überschwängliche Größe der Kraft Gottes, nach der Wirkung seiner mächtigen Stärke. Man muss Gott über einem Menschen danken können, dass er nüchtern worden ist aus des Teufels Strick, errettet ist von der Obrigkeit der Finsternis und versetzt ist in das Reich des Sohnes Gottes, dass er getötet ist dem Gesetz, nicht mehr unter demselben, sondern unter der Gnade ist, weshalb die Sünde nicht wird über ihn herrschen können, dass er vom Tode zum Leben durchgedrungen. Von aller Schuld und Strafe muss er gelöst und dem Volke zugezählt werden, das Vergebung der Sünden hat, und so muss es nach Hosea 1 geschehen, an dem Ort, da man zu ihnen gesagt hat: ihr seid nicht mein Volk, wird man zu ihnen sagen: o! ihr Kinder des lebendigen Gottes! So muss der Mensch gelöst werden.

Sodann aber bedarf er's zweitens, dass er wieder gebunden, dass er Knecht der Gerechtigkeit, nicht sein, sondern mit Leib und Seele, im Leben und im Sterben, Christi eigen sei, dass er von Herzen gehorsam werde dem Vorbilde der Lehre, der er von Herzen ergeben ist, dass er sich selbst, als einer, der aus den Toten lebendig ist, samt seinen Gliedern Gott ergebe zum Dienste der Gerechtigkeit, dass sie heilig werden. Ich will sie unter die Bande des Bundes zwingen, heißt es dort bei den Propheten. Christus spricht: nehmt mein Joch auf euch, und Paulus nennt sich einen Gebundenen Jesu Christi in dem Maße, dass er Röm. 15,18 sagt: ich dürfte nicht etwas reden, was nicht Christus durch mich wirkte, und anderswo: dass wir tüchtig sind, ist von Gott. Christus bindet die Seinigen so genau an sich, wie die Glieder an das Haupt, und die Reben an den Weinstock gebunden sind, so genau an sich, dass er erklärt: ohne ihn könnten sie nichts tun. Daher sagt auch Hosea von den Kindern des lebendigen Gottes: sie werden sich mit einander an Ein Haupt halten, Kap. 1,11. Gewiss macht der Sohn frei, jedoch so, dass die Freigemachten in ihm und er in ihnen bleibt und sie von keiner andern Freiheit wissen mögen, als die in der vollkommenen Untertänigkeit unter Christum besteht. Solch Binden und Lösen bedarf ein jeglicher, und sein Heil besteht darin.

Dies ist ausschließlich Christi Werk, der es durch sich selbst, durch seinen heiligen Geist vollzieht. Er kommt als der Stärkere über den Starken und plündert ihn. Er zerstört die Werke des Teufels. Er spricht zu den Gefangenen: geht heraus. Er tut dies in seinem ganzen Umfang, doch stufenweis. Er ist Anfang, Mittel und Ende. Dieses beseligende Werk des Lösens und Bindens hat seine Vorbereitung, Ausführung und Vollendung.

Die Vorbereitung geschieht durchs Gesetz, unter welchem der Mensch teils verwahrt und vor solchen Sünden gesichert wird, welche die gänzliche Ausschließung vom Reiche Gottes zur Folge haben. Die ganze alte Kirche wurde nach Gal. 3, unter dem Gesetz verwahrt und verschlossen auf dem Glauben, der da soll offenbart werden; teils ist das Gesetz ein Zuchtmeister auf Christum. Es kommt zu dem Menschen, wie sich Paulus Röm. 7 ausdrückt, und was das für Wirkungen hat, meldet er ebendaselbst. Es erregt allerlei Lust; es macht die Sünde überaus sündig; es macht den Menschen elend; es nötigt ihn zum Verzagen an sich selbst, an aller eigenen Gerechtigkeit und Kraft und tötet ihn auf diese Weise. So wird der bisher mehr oder weniger stolze, leichtfertige aufgeblasene Mensch ein Elender und Trostloser, über den alle Wetter gehn. Jezt wird er gewahr, wie gewaltig er gebunden ist. Er will nun das Gute, und tut's nicht. Er will das Böse nicht, und tut's. Er findet ein schreckliches Gesetz in sich, das ihn gefangen nimmt unter der Sünde, so wie er ein anderes Gesetz in sich findet, das es mit Gott hält - da entstehen denn wunderliche Schmerzen, Kämpfe, Beängstigungen, wie Paulus sie in den Worten ausdrückt: ach! ich elender Mensch, wer wird mich erlösen von dem Leibe dieses Todes! Die nähere Ausführung des Lösens und Bindens geschieht durch die Erleuchtung und Versiegelung. Durch die Erleuchtung, da es Gott gefällt, seinen Sohn voller Gnade und Wahrheit in der Seele zu offenbaren. Sie sieht ein, dass es nicht bloß ein forderndes Gesetz, sondern auch ein verheißendes Evangelium gibt, dass nicht bloß dort durchs Gesetz eine unerreichbare, sondern hier durchs Evangelium eine schon bereitete Gerechtigkeit gibt, die für Gottlose ist, wie jene nur für Heilige. Sie sieht ein, dass das Fordern ein Ende hat und an dessen Stelle das Schenken getreten ist; dass die Missetat versöhnt und eine ewige Gerechtigkeit gebracht ist; sieht ein, dass Jesus Christus das eine gesalbte und salbende Haupt, der andere Adam ist, von welchem die Rechtfertigung des Lebens über alle kommt, die da glauben. Dies ist nun eine wundersame, beseligende, freimachende, ganz neue Einsicht, die heimliche Weisheit, die Gott sie wissen lässt. Der Strick zerreißt und der Vogel ist frei.

Kommt nun vollends die Versiegelung hinzu, so wird die Seele gewissermaßen vollendet, dass sie mit Jakob und Paulus sagt: ich habe alles. Dies ist die Ermächtigung, wodurch die Seele tüchtig gemacht wird, sich das ganze Heil mit Zuversicht zuzueignen, dass es auch ihr ganz und ewig angehöre und zu Teil werden solle. Jedoch bekommt sie diese Güter glücklicherweise nicht selbst in Besitz und Verwahr, wo es aufs Neue gehen würde, wie im Paradiese. Wir liegen mitten im Tod, mitten im Elende, suchen und haben derhalben unser Heil außer uns in Christo, der da sagt: im Glauben will ich mich mit dir vertrauen. Wir sind und bleiben arm und elend, hoffen aber auf ihn. Läglich bedürfen wir Manna. Täglich regnet es. Täglich sammeln wir's. Wer viel sammelt, hat nicht mehr, wer wenig, nicht weniger. Die ganze Vollendung ist der Zukunft im Himmel vorbehalten, und hienieden nicht zu erwarten. Der Gott aller Gnade aber wird euch, die ihr wenn es sein soll eine kleine Weile leidet, ebensowohl vollbereiten, als stärken, kräftigen und gründen. Hier ist und bleibt alles Stückwerk, ja wir fehlen alle mannigfaltig, wenn aber die Vollkommenheit kommen wird, so wird das Stückwerk aufhören. Eines tue ich. Ich vergesse, was dahinten ist und strecke mich zu dem, das da vornen ist und jage nach dem vorgesteckten Ziel, nach dem Kleinod, welches vorhält die himmlische Berufung Gottes in Christo Jesu, ob ich's ergreifen möchte, nachdem ich von Christo Jesu ergriffen bin. O! So zwing' mich in die Bande, bring' mich in den Stande, drin Gott wird gepreis't. Wohl dem, der auf diese Weise in. Moseroth gelagert ist, der gebunden ist in den Seiten der Gnade und Liebe, durch das Gesetz des Geistes frei gemacht ist von dem Gesetze der Sünde und des Todes, der aus einem Knecht des Verderbens ein Knecht Jesu Christi geworden ist.

Moseroth bezeichnet zweitens Unterweisung. Auch dieses Moseroth bedürfen wir sehr. Paulus sagt Tit. 2: die allen heilsame Gnade Gottes unterweist uns, dass wir sollen verleugnen das ungöttliche Wesen und die weltlichen Lüste und züchtig, gerecht und gottselig leben in dieser Welt. Eliphas von Theman rückt seinem geplagten Freunde Hiob Kap, 4,3 vor: siehe, du hast viele unterweist, nun es aber an dich kommt, wirst du weich; was freilich oft geschieht. Die Unterweisung tut uns not, wegen unserer Blindheit in geistlichen Dingen überhaupt, wovon der natürliche Mensch nichts versteht, es auch nicht kann. Ein jeglicher bedarf deshalb des Auftuns seiner Augen, dass er sich bekehre von der Finsternis zum Licht und von der Gewalt des Satans zu Gott, zu empfahen Vergebung der Sünde und das Erbe, samt denen, die geheiligt werden durch den Glauben an Christum. Christus ist gekommen, den Blinden das Gesicht zu verkündigen. Es sind also immer Blinde da. Und wohl dem, der sich dafür hält und damit erweist, dass er nicht ganz den Star auf den Augen hat, sondern zu sehen beginnt. Dagegen bleibt derer Sünde, die da sorechen: wir sehen und deswegen die Augensalbe verschmähen, welche nur bei Jesu anzutreffen ist.

Aber überhaupt ist Christus das Licht, und nur in seinem Licht sehen wir das Licht. Er muss sein Licht über die geistlichen Dinge verbreiten, wenn sie uns nicht wie ein versiegeltes Buch sein sollen, selbst nachdem wir der Erleuchtung teilhaftig worden sind. Was für wichtige Einsichten sind nicht zu erlangen von unserer eigenen Natur, ihrer Bosheit, ihrer Untüchtigkeit zum wahren Guten, ihrer Selbsterhebung, Anmaßung und ihrer erstaunlichen Blindheit selbst, nebst andern Stücken mehr, an deren richtiger Erkenntnis doch so sehr viel gelegen ist. Dazu kommt der richtige Verstand des Gesetzes, wovon der rechte Gebrauch desselben abhängt, und welche Irrungen eben aus dem Missverstehn desselben entspringen können, davon liefert die Gemeine der Galater einen redenden Beweis. Wie viel ist nicht an der rechten Einsicht ins Evangelium, in seine Grundsätze und seinen Inhalt, so wie des Verhältnisses beider zu einander gelegen. Was für ein Verstand ist dazu erforderlich, die richtige Ansicht von seinen Forderungen zu haben; wie groß ist das Geheimnis der Rechtfertigung, wie groß das Geheimnis der Heiligung, wie groß das Geheimnis des geistlichen Kampfes und Sier ges und der eigentlichen Regeln desselben. Wie wahr ist's, dass von diesem allen „nicht Fleisch und Blut kann Lehrer sein.“ Paulus sah sich durch die Schwachheit der römischen Christen, deren Glauben er doch so sehr rühmt, genötigt, menschlich von den Sachen zu reden. Die Korinther, von denen er auch so sehr viel Gutes sagt, tadelt er als solche, die noch fleischlich seien und junge Kinder in Christo und nach menschlicher Weise wandeln. Er will im Ganzen, wir sollen alle Einbildung eigenen Wissens so ganz ablegen, dass wir uns für Narren halten, damit wir weise werden in Christo. Wohl tut's also not, uns in Moseroth zu lagern, Schüler zu sein, die sich unterweisen lassen und von der Zusage profitieren: ich will dich unterweisen; Kinder zu sein, welche alle ihre Weisheit aus der Brust ihrer himmlischen Mutter saugen; Unmündige zu werden, denen die Geheimnisse aufgeschlossen werden. O! welche große Weisheit ist es, keine Weisheit zu haben, als die aus Christo geschöpft wird. Zu Moseroth werden tiefe Blicke in das Geheimnis Gottes und des Vaters und Christi getan, in welchen verborgen liegen alle Schätze der Weisheit und der Erkenntnis. Man versteht daselbst mehr von dem Inhalt der göttlichen Lehre, welche an Hoheit, Heiligkeit und Zweckmäßigkeit alle Menschenlehren weit hinter sich zurücklässt, ja sich als eine solche darstellt, die nie in eines Menschen Herz gekommen ist, die uns aber Gott offenbart hat durch seinen Geist. Wie klar werden da die vorhin genannten einzelnen Bestandteile dieser Gotteslehre, wie süß ist dies Licht anzusehen, wie vergnügt wird das Herz. Man sollte sagen, wie es wieder so dunkel werden könnte.

Nun noch einige Worte über Moseroth, in seiner Bedeutung als Züchtigung. So braucht David dies Wort, wenn er Ps. 38 betet: Züchtige mich nicht in deinem Grimm, und Ps. 39: Wenn du einen züchtigst um der Sünde willen, so vergeht seine Schönheit wie von Motten. Paulus betrachtet Hebr. 12 die Zuchtigung mit Recht als ein Stück der natürlichen und auch der geistlichen Erziehung. Unsere Väter, sagt er, haben uns wenig Lage gezüchtigt nach ihrem Dünken und wir haben sie gescheut; sollten wir denn nicht, setzt er hinzu, vielmehr dem geistlichen Vater untertan sein, dass wir leben, der uns zu nutz uns züchtigt, dass wir seine Heiligung erlangen. Eben dadurch erweist er sich gegen uns als gegen Kinder, Hier wie dort seht die Züchtigung Unarten voraus, welche die Züchtigung herbeiführen, und die dadurch weggeschafft werden sollen. Sie entspringt aus der Liebe und Sorge für das Kind, und je inniger und verständiger sie ist und je wichtiger die Bestimmung des Kindes, desto genauere Zucht. Soll Jemand etwas gründlich erlernen: so wird man ihm auch den geringsten Fehler nicht übersehen und das liebste Kind die genaueste Aufsicht erfahren. Züchtigungen haben allerdings etwas Schmerzhaftes, mehr oder weniger. Bald betreffen sie äußere Verhältnisse, bald sind's innere Leiden, Verbergung des göttlichen Gnadenantlitzes, Mangel an Freudigkeit und Trost, Zurückziehung der Gaben des heiligen Geistes, ja Empfindung des göttlichen Missfallens. Er macht die Seinigen auch auserwählt in einem Ofen des Elends. Er ist auch wie das Feuer eines Goldschmieds, sitzt und schmelzt die Kinder Levi. Er ist auch wie eine beißende Lauge, ie das Fremdartige wegschafft. Sie werden dem Golde verglichen. Anfechtungen sind das Läuterungsfeuer. Je reiner das Gold werden soll, desto heißer die Glut. Die Züchtigung setzt Unarten voraus. Und die haben auch Kinder Gottes noch an sich und es mit einem Vater zu tun, dem es genau hält. Dulden wir den Staub auf unserm kostbaren Hausrat am wenigsten, viel weniger Gott an den Seinen. Es handelt sich hier aber nicht bloß um Handlungen und Worte, sondern auch um Gedanken, Gesinnung, Beweggründe und Absichten. Nichts Unlauteres geht hier auf die Dauer durch und der Apostel setzt es 1. Kor. 3,13 als eine allgemeine Regel fest: eines jeglichen Werk, welcherlei es sei, werde durchs Feuer bewährt. Moseroth, Züchtigung, ist also ganz gewiss eine von den Lagerstätten des Israels Gottes, wo es zum himmlischen Kanaan zubereitet wird. Ihre Absicht und Wirkung ist die Ausmerzung dieser anklebenden Unarten. Sie demütigen; sie läutern; sie witzigen; sie bewahren. Mit einem Wort - sie sind neben dem Wort das Mittel, dass wir Seine Heiligung erlangen. Und sie ist das Höchste, was wir erlangen mögen. Will's denn die heilige Wolken- und Feuersäule: so lasst uns getrost die acht Meilen machen. und uns lagern zu Moseroth. Amen.

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