Krummacher, Gottfried Daniel - Die Wanderungen Israels durch die Wüste nach Kanaan - 73. Predigt (Bileam)
Eingang.
Es ist ein merkwürdiges Und, welches wir Jesaja 57, 15 antreffen, und welches zwei erstaunenswürdige Gegensätze miteinander verknüpft und das Höchste mit dem Niedrigsten verbindet. Der erste Satz lautet also: Ich bin der Hohe und Erhabene, dessen Wohnung die Ewigkeit, dessen Name heilig ist, der in der Höhe und im Heiligtum wohnt. Diese Beschreibung ist so erhaben und Gottes würdig, dass man ihre Richtigkeit besser empfinden und ahnen, als auslegen kann, wo doch alle Worte weit hinter ihrem Gegenstand zurückbleiben würden. Die Erhabenheit Gottes leuchtet hier mit majestätischem Glanze. Nun folgt das merkwürdige Und. Gott bewohnt die Ewigkeit, wohnt in der Höhe und? Wenn es nun unserm Verstande anheimgestellt wäre, das Weitere hinzuzufügen, wie möchte das wohl herauskommen, zumal da das Wohnen nicht einen längeren oder kürzeren, sondern einen immerwährenden Aufenthalt bezeichnet? Gesetzt, unser König beschlösse, hier zu wohnen, welche Weitläufigkeiten, welche Bauten würde das herbeiführen, wenn man erwägt, wie er in seiner Residenz als König wohnt. Man würde am Ende wohl erklären müssen, es sei gar nicht möglich; er könne hier wohl besuchen, aber nicht wohnen. Was sind aber alle Könige gegen Gott?
Wo will aber Gott heißt es nicht besuchen, sondern wohnen? Und und bei denen, so zerschlagenen und gedemütigten Geistes sind. Wozu? dass ich erquicke den Geist der Gedemütigten und das Herz der Zerschlagenen. Also, wie Gott in der Höhe und im Heiligtum wohnt, also will er auch wohnen bei denen, so zerschlagenen und gedemütigten Geistes sind.
Ist das nicht ein wunderbares „Und“.
Wünscht nun jemand diese glückseligen Gedemütigten und Zerschlagenen näher kennen zu lernen, was das für Leute sind: so lese er mit Andacht das ganze Kapitel, besonders vom 10. Verse an; da heißt es insbesondere: Du zerarbeitest dich in der Menge deiner Wege und sprachst nicht: ich lasse es oder „noasch,“ da wird nichts aus, es ist verloren; sondern weil du findest ein Leben deiner Hand, wirst du nicht müde, und Vers 12: Ich will dir deine Gerechtigkeit anzeigen, und deine Werke, dass sie dir keine Nütze sein sollen. Auch Vers 17: Ich war zornig über ihre Untugend und schlug sie, zürnte und verbarg mich, und zürnte, und sie gingen hin und her im Wege ihres Herzens. Aber, heißt es endlich, da ich ihre Wege ansah, heilte ich sie, und leitete sie, und gab ihnen wieder Trost, und denen, die über jene Leid trugen.
Seht! so gehts durch Demut in die Höhe. Wer herunter steigt, geht aufwärts und fährt fort, aufwärts zu steigen, so lange er am Heruntersteigen bleibt. Wer etwas ist, wird zunichte, damit Gott Alles in Allem sei, in ihm wohne und wandle.
Glückseliges Israel, das selbst ein Bileam segnen muss, weil Gott es segnet!
Text: 4. Buch Mosis 23, 25. 24, 9.
Da sprach Balak zu Bileam: Du sollst ihm weder fluchen, noch segnen. Er hat sich niedergelegt wie ein Löwe, und wie ein junger Löwe; wer will sich wider ihn auflehnen? Gesegnet sei, der dich segnet, und verflucht, der dir flucht!
Balaks Unwille über Bileams Segensspruch der zum dritten Male wiederholte Versuch, Israel zu verfluchen und der ganz entgegengesetzte Erfolg sind die Gegenstände, womit sich unsere diesmalige Betrachtung beschäftigt.
Balak hört den Propheten mit stummem Erstaunen an, hört ihn auf das Herrlichste segnen, da er auf das Ärgste verfluchen soll. Es ist zu verwundern, dass er den Bileam bis zu Ende reden lässt. Endlich schreit er laut auf, unterbricht den Propheten, der vielleicht sonst noch mehr gesagt hätte, und heißt ihn schweigen. Du sollst ihm weder fluchen, noch segnen. Balak ist viel zu grimmig, als dass er das Volk je mit Namen genannt hätte. Er sagt schlechthin „ihm“, sonst „meine Feinde,“ da sie ihm doch nichts wollten, und es ihm zu gönnen gewesen wäre, er hätte mit diesem, ihm so verhassten Volke, nähere Bekanntschaft machen wollen.
Bileam entschuldigte sich. Habe ich dir nicht gesagt, alles, was der Herr reden würde, das würde ich tun? Ich kann nicht dafür. Der König macht einen neuen Vorschlag. Er meint noch immer, es liege nur am Ort. Er wechselt denselben nun zum dritten Male, ob es vielleicht Gott gefalle, dass du sie mir daselbst verfluchest. Der König ist doch wirklich so weit gebracht, dass er anfängt zu glauben, Gott habe seine Hand mit im Werke, wenigstens nennt er ihn, was er bis jetzt nicht getan. Jetzt ist's denn die Höhe des Berges Peor, von wo der Fluch über Israel geschleudert werden soll. Wiederum sucht man Gott zu bestechen und opfert vierzehn Opfer auf sieben Altären. Der eigengerechte Mensch tut nur Gutes, um selbst Gutes zu erwerben, nicht aus Liebe, deswegen gilt auch alles nichts.
Sehen wir denn nun auf den Erfolg.
Der Prophet hatte nun genugsam Gottes festen Willen erfahren, Israel zu segnen, wiewohl diese Überzeugung nicht so viel Einfluss auf seinen Willen hatte, dass er alle Versuche, das Gegenteil zu bewirken, aufgegeben hätte. So haben viele die Überzeugung, sie könnten so nicht selig werden, es müsse anders mit ihnen werden. Und doch wird's nicht anders mit ihnen. Das ist sehr böse. Diese Knechte werden einst doppelte Streiche leiden, da sie des Herrn Willen wissen und sich doch nicht bereitet haben. Diese Einsicht wirkt aber bei Bileam so viel, dass er nicht mehr, wie vormals, zu den Zauberern geht. Im Hebräischen heißt das Wort Zauberer und Schlangen. Die Juden sagen: die beiden Bedienten, welche Bileam mitnahm, seien die beiden Zauberer, Jannes und Jambres gewesen, die Mosis in Ägypten widerstunden und fast alle Wunder nachmachten und so Pharao ganz verstockten. Mit diesen nahm Bileam früher Rat und Tat, dies Mal aber nicht. Er richtete vielmehr ohne weiteres nach vollbrachtem Opfer sein Angesicht der Wüste zu, wo Israel lagerte. Manche, sonst böse Menschen, finden sich auch wohl so kräftig überzeugt, so von dem Nachdruck des Gesetzes, den Ernst seiner Forderungen, dem Schrecken seiner Drohungen, dem Schauern der Hölle und der Freude des Himmels angetan und ergriffen, dass sie Entschließungen fassen, Böses zu meiden und Gutes zu tun, dass sie auch wirklich für eine längere oder kürzere Zeit sich anders verhalten wie bisher, und es ist doch nichts als Gesetzes-Werk und von keinem Bestand. Von Ahab sagt Gott selbst: Siehe, wie er sich vor mir bücket. Von Herodes heißt es: Er tat vieles um des Johannes willen, den er doch am Ende enthauptete. Von den Juden sagt Hosea: Sie bekehren sich, aber nicht recht, sondern sind wie ein falscher Bogen. Simon ward gläubig. Bei manchen ist des äußern Dings, der geputzten Lampen viel, aber kein Öl; Worte, aber keine Kraft, hohe Worte und nichts dahinter, viel Schein, wenig Wesen. Seht deswegen zu, und tut rechtschaffene Früchte der Buße, nicht halb, sondern ganz, bis zu Christo selbst. So war bei Bileam wohl ein wenig aber nicht genug. Sein ganzer Sinn hätte geändert und erneuert werden müssen. Aber das geschah nicht, und so wurde das Letzte ärger, denn das Erste.
Da nun Bileam in die Wüste hineinschaute, hatte er den prachtvollen Anblick des israelitischen Lagers vor sich. Das musste ein unermesslicher Anblick sein. Mehr als zehn Mal hunderttausend Menschen in einem Lager beisammen, bildete es ein gewaltiges Viereck von mehreren Stunden im Umfang. Nach jeder der vier Himmelsgegenden lagen drei Stämme, vor jedem stand das Zelt des Fürsten und Anführers, und auf demselben wehte das Panier des Stammes und seine Zeichen, so dass z. B. Juda das Wappen eines Löwen in seinem Panier führte. Auf seiner Linie allein lagerten 186.400. Die ganze Summe der Männer von 20 Jahren und darüber war 603.550. Mitten in diesem gewaltigen Lager desgleichen nach ihm nie auf Erden wieder gewesen ist stand die Stiftshütte, äußerlich unansehnlich, innerlich herrlich, über ihr gleichsam ein gewaltiger Turm bis in die Wolken, nämlich die Luftsäule, die sich des Tages wie eine schattige Wolke und des Nachts wie eine leuchtende Feuersäule gestaltete, ein Symbol der gegenwärtigen Gottheit. Wer hätte so etwas ohne das höchste Erstaunen ansehen können. Indem nun der Prophet dies Lager anschaute, kam der Geist Gottes über ihn, das heißt nicht bloß: er geriet in eine Ektase, war gleichsam außer sich, sondern es will mehr sagen. Der Geist Gottes kam wirklich über ihn. Jedoch kam er nicht über ihn, um ihn wiederzugebären, ihn zu erleuchten, ihn zu heiligen, den wahren Glauben in ihm zu wirken, ihm den rechten Verstand zu schenken und die Liebe Gottes in ihm auszugießen. Der Geist Gottes ist der Urheber auch aller natürlichen Gaben, die er in verschiedenem Maße austeilt, der Urheber des natürlichen Verstandes in seinen verschiedenen Stufen, des Gedächtnisses und dergleichen. Er verleiht auch manche besondere Gaben, wie z. B. seltene Klugheit und Scharfsinn, Beredsamkeit, Tapferkeit, bildende, architektonische, mechanische und sonstige Anlagen und Talente. Auch ihretwegen dürfen wir die Menschen, die sie besitzen, nur so bewundern, dass wir nicht versäumen, den Geist Gottes als den Schenker anzuerkennen und zu ehren, nicht aber die Menschen zu vergöttern, als hätten sie es von sich selbst. Aber jemand kann bewunderungswerte Gaben vor andern her besitzen und doch gottlos und vor Gott verworfen sein. Tertullus war ein Redner, aber ein Feind Christi. Über den Bileam kam der Geist Gottes, wie er später über den König Saul kam, der in Folge dessen den ganzen Tag auf der Erde lag und weissagte, so dass man fragte: Ist Saul auch unter den Propheten? und wie der gottlose Hohepriester Kaiphas jene Worte, wodurch er beschloss: Jesus solle für das Volk sterben, nicht aus sich selbst redete, sondern vermöge seines Amtes weissagte, weil Gott es auch also beschlossen hatte, dass Jesus sterben sollte für das Volk, damit nicht das ganze Volk verdürbe. Bileam geriet dadurch in einen übernatürlichen Zustand. Er war nur das unwillige und unwürdige Werkzeug, dessen sich Gott bediente. Er verstand selber nicht, was er sagte, begehrte es auch nicht zu verstehen, es machte ihm keine Freude, sondern nur Verdruss. Seine Worte waren herrlich, göttlich, sein Herz gottlos, ja teuflisch.
Wie Wein aus einem hölzernen Fass, so hub er jetzt seinen Spruch an. Maschal, heißt es, wie auch die Sprüche Salomos heißen, so wie die Gleichnisreden Jesu, nach Matthäus 13 und Psalm 78. Die Reden heißen Maschals, die einen tiefen Sinn haben, die wichtig sind, aber deren Verständnis Aufmerksamkeit und Nachdruck erfordert. Von dieser Beschaffenheit ist also der Maschal Bileams, der nun folgt. Bei Betrachtung desselben sehen wir erst auf die Vorrede, dann auf den Spruch selbst. Der Prophet fängt niedrig an, offenbart aber bald seinen Hochmut. Es sagt Bileam, der Sohn Peor, spricht er; geheimdeutend hieße es: es sagt der Volksaufwiegler, Sohn der Aufklärungs-Fackel. Gefährlich genug. Seine Umtriebe offenbaren sich besonders in unsern Tagen. Und was meint ihr wird daraus werden? Die Zeit wird's lehren. Der begeisterte Syrer produziert sich weiter, und stellt sich als etwas sehr Bedeutsames vor, da er doch bar nichts ist. Es sagt der Mann, der mit Recht Mann heißt, weit über andere hervorragend, nicht wie andere Leute, versehen mit seltenen Gaben, Einsichten und Kräften. Zum dritten Male wiederholt er sein: Es sagt. Wer denn? Der Hörer göttlicher Rede. Es ist dies wahr, es ist dies etwas Großes. Aber statt ihn zu demütigen, blähet er sich darüber auf, und dünkt sich was Sonderliches. Wie ganz anders benimmt sich David nach 1. Chron. 18. Gott hatte auch zu ihm geredet und er sagt: Der Geist Gottes hat durch mich geredet. Aber - spricht er wer bin ich, Herr Gott, und was ist mein Haus, dass du mich hierher gebracht hast? Und das hat dich noch zu wenig gedeucht, Gott, sondern du hast angesehen mich, als in der Gestalt eines Menschen, der in der Höhe Gott der Herr ist. Was soll David mehr sagen zu dir, dass du deinen Knecht herrlich gemacht hast. Du erkennst deinen Knecht. Je mehr Demut, desto mehr Gnade, je höhere Meinung von sich selbst, desto weiter von der Gnade. Von jenem liefert David ein Beispiel, von diesem Bileam. Er jetzt hinzu: Der Seher der Gesichte des Allmächtigen, des Schaddai! Er nennt sich einen Seher, wie Samuel auch genannt wurde. Es ist merkwürdig, dass er Gott Schaddai nennt. So nennt sich Gott dem Erzvater Abraham, wenn er zu ihm sagt: Wandle vor mir und sei fromm, denn ich bin der El Schaddai. Woher kam es denn dem Bileam, dass er Gott so nennt? Dieser Name bezeichnet ihn als den Allgenugsamen, der sich selbst und allen allein genug ist. Meine Gnade ist dir genug hieß es zu dem gequälten Paulus, bezeichnet ihn als den Selbstständigen, durch den alles ist, was Dasein hat, das ist, was, und so lange es ist. Schaddai heißt im Hebräischen: die Mutterbrust. Unser deutsches Schatz mag wohl davon abstammen. So verheißt der Herr, Jesaja 66,11: Ihr sollt saugen und satt werden von den Brüsten des Trostes Jerusalem, und euch ergötzen von der Fülle ihrer Herrlichkeit. Auf den Knieen wird man euch freundlich halten. Ich will euch trösten, wie jemand seine Mutter tröstet. Eine herrliche Einsicht, die Bileam hatte. Aber sie war tot. Er sog an diesen Brüsten nicht; Gold und Silber war ihm lieber; und so zog seine Erkenntnis des Bessern ihm doppelte Streiche zu, da er des Herrn Willen nicht tat. Endlich rühmt er sich als ein solcher, dem die Augen geöffnet werden, wenn er niederkniet. Diese Worte haben eine gewisse Dunkelheit. Die Augen sind nicht die körperlichen Augen, diese Fenster der Seele, diese bewunderungswürdigen, geheimnisvollen Werkzeuge, wodurch sie körperliche Gegenstände auf eine ganz unerklärbare Weise sieht; sondern es ist ein prophetisches, uns unbekanntes Wahrnehmungs-Vermögen, welches wohl in die fernste Zukunft schaut, wie namentlich Bileam. Er prahlt mit diesem Vermögen, das ihm doch nichts nützte, da es ihn nicht heiligte. Er sagt: es äußere sich besonders dann bei ihm, wenn er niederknie oder niederfalle. Diesem seinem Verhalten schreibt er große Wirkung zu, wie alle Werkgerechten tun, als ob sein Niederknien etwas Sonderliches und Verdienstliches wäre, wodurch er viel ausrichte. Einige verstehen das Wort von einer Verzückung, wie die holländische Übersetzung, wo er sich in einem übernatürlichen Zustand befände, etwa wie die magnetischen Hellseher, und von einer fremden Kraft angeregt, Worte sagte, die er sonst nicht hätte vorbringen können. Die ganze Vorrede hat keinen andern Zweck, als den, sich groß damit zu machen. Und was groß ist vor den Menschen, das ist ein Gräuel vor Gott.
Lasst uns jetzt den allerdings sehr wichtigen Spruch selbst erwägen. Es werden dabei zu betrachten sein: der Wohnort Israels, seine Schicksale, seine Ausbreitung, sein König, dessen Taten, seine Sicherstellung. Gesegnet sei, der dich segnet, und verflucht, der dir flucht. Wie fein, wie gut sind deine Hütten, Zelte, Jakob, und deine Wohnungen, Israel. Wie die Bäche und Täler sich ausbreiten und senken zwischen den Bergen, wie die Gärten an den Wasserbächen. Der Herr hat sie gepflanzt wie Aloe, wie Zederbüsche an den Flüssen. Herrliche, aber keineswegs übertriebene Schilderung, die noch hinter der Wirklichkeit zurückbleibt. Israel wohnt gewisslich gut. Bileam sieht offenbar weiter, als auf dasjenige, was da sichtbar vor ihm lag. Das konnte man nicht so unbedingt ein gut Wohnen nennen. Es war auch ihr eigentlicher Wohnplatz nicht, der war jenseits des Jordans, in Kanaan. Ja, auch das war es nicht, sondern ein höher gelegenes Jerusalem, das droben ist, das ist unser aller Mutter.
Er redet von Hütten oder Zelten Israels. Es wohnte damals wirklich in Zelten, welche von Leinwand oder Gesträuch oder Teppichen errichtet waren. Gott selbst wohnte unter einem Zelt, und wenn Johannes sagt: Das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns, so braucht er ein Wort, das auf Wohnen unter einem Zelte deutet. Israel wohnt wirklich noch geistlicher Weise wie unter Zelten. Überhaupt hat Christus sein neutestamentliches Reich nicht, wie das alttestamentliche, an ein Land und Stadt gebunden. Er hat es nirgends so stationiert, dass man sagen könnte, hier oder da ist es. Es ist da, wo sein Wort und sein Geist ist, und wandert, wie die Sonne. Aus vielen Gegenden, wo es ehemals blühte, ist es gänzlich weggewichen, wie aus den Morgenlanden; und Mahomed waltet da, wo sonst Christus gepredigt wurde. Dagegen hat es sich unsern Abendländern zugewendet bis zu dem Nordpol hin, und wendet sich jetzt Ländern zu, wo bis jetzt der Name Christi nicht genannt wurde. Auch innerhalb des Bezirks der sogenannten christlichen Kirche geht hier die Sonne des Evangeliums auf, dort unter, scheint hier klarer, dort bewölkt und umnebelt; hier sind häufige Erweckungen zum neuen Leben, dort kommen sie selten oder gar nicht vor oder erlöschen wieder. Wo sich aber der König hinwendet, da gibt die Narde ihren Geruch. Paulus sagt 2. Korinther 5 überhaupt von den Christen: Wir sind in den Hütten, und bezeichnet diesen Zustand nicht als den angenehmsten; denn, sagt er, dieweil wir drinnen sind, sehnen wir uns und sind beschweret. Petrus nennt seinen Leib eine Hütte, die er bald ab legen müsse, und Christus selbst redet von ewigen Hütten.
Der Prophet preist Israel wegen seiner Wohnungen. Dies zeigt etwas Festes an. Das hebräische Wort entspricht ganz unserm deutschen Wort Niederlassung, ein Ort, wo man verbleibt, seine Heimat, seinen Wohnsitz, Residenz hat. Wir bemerken hierbei erstlich, dass Israel selbst eine Wohnung ist, und zwar des dreieinigen Gottes.
Wer mich liebt, sagt Christus (Johannes 14), der wird mein Wort halten, und mein Vater wird ihn lieben und wir werden zu ihm kommen und Wohnung bei ihm machen. Sein Geist wohnt in euch. Erkennt ihr euch selbst nicht, dass Jesus Christus in euch ist? Ihr seid Tempel des Heiligen Geistes, welchen ihr habt von Gott. Freue dich und sei fröhlich, du Tochter Zion, denn siehe, ich komme und will bei dir wohnen, spricht der Herr, Zach. 2. Ich wohne in der Höhe und im Heiligtum und bei denen, so zerschlagenen und gedemütigten Geistes sind, auf dass ich erquicke den Geist der Gedemütigten und das Herz der Zerschlagenen. Und was kann Prächtigeres gesagt werden, als wenn es Jeremias 31 heißt: Der Herr segne dich, du Wohnung der Gerechtigkeit, du heiliger Berg. Was ist wunderbarer als solche Benennungen, was herrlicher als solche Schilderungen! Wer würde so von Israel denken dürfen, redete nicht das Wort Gottes also? Eine Hütte, von außen anzusehen schwach, unansehnlich, leicht umzustoßen, doch innerlich die Residenz des höchsten, ewigen Königs; doch ist es noch nicht erschienen, was wir sein werden.
Israel hat aber auch zweitens eine Wohnung, eine Niederlassung, wo es ruht und rastet, und zwar auf einem Felsen, der selbst nicht wankt, und befestigt, was darauf gegründet ist. Diesen festen Grund bildet die ewige Erwählung, denn er hat uns durch Christum erwählt, ehe der Welt Grund gelegt war, und hat uns verordnet zur Kindschaft gegen ihn selbst, durch Jesum Christ, nach dem Wohlgefallen seines Willens. Ich habe dich je und je geliebt. Du hast mich je und je geliebt, und auch zu dir gezogen. Nicht um der Werke willen der Gerechtigkeit, sondern aus Gnaden seid ihr selig geworden. Weil du so wert bist geachtet vor meinen Augen, musst du auch herrlich sein, und ich habe dich lieb. Das ist aber die Liebe, nicht dass wir Gott geliebt haben, sondern dass er uns geliebt hat und gesandt seinen Sohn zur Versöhnung für unsre Sünden. Denn freiwillig will ich euch lieben. Hosea 14. Bleibt in meiner Liebe. Ferner finden wir den Grund der festen Wohnungen in Israel selbst durchaus nicht, so finden wir ihn desto mehr außer ihm und zwar in der Bürgschaft, welche Einer, der dazu taugte, schon unter dem Alten Testamente auf sich nahm, am Schlusse desselben aber zur völligen Ausführung brachte. Er, der eher ist, denn Abraham, das Lamm, das geschlachtet ist vor Grundlegung der Welt; der Goel, des sich schon Hiob mit festem Glauben tröstete, der, der wusch sein Volk mit nichts Geringerem als seinem Blute, dass es rein, dass es schneeweiß würde. Der erwarb ihm Rechte, die er ihm so übertrug, dass es in seinem Namen sagen und fragen mag und fragt: wer ist, der Recht zu mir hat, wer will mit mir hadern? Kurz der Grund, wo ich mich gründe, ist Christus und sein Blut. In ihm haben wir die Erlösung durch sein Blut, nämlich die Vergebung der Sünden. Das Fundament der Wohnungen Israels ist nicht der Werk, sondern der Gnadenbund, den schon David als einen solchen erkannte, der zwar in seinem Inhalte eine heimliche verborgene Weisheit, in seiner Beschaffenheit aber wohl geordnet sei und gehalten werden. In diesem Friedensgebiet waltet der lebendig machende Odem des Heiligen Geistes, und wenn Gott den auslässt, so wird die Gestalt der Erde und der Herzen erneuert. Wer es recht versteht, findet hier keine, auch die kleinste gesetzliche Bedingung nicht, die alles verderben würde, wie sie es einmal im Paradies getan hat, woran wir noch leiden; findet hier keine an uns, als an uns selbst gerichtete, von uns, als von uns selbst zu leistende Forderung. Auf diesen grünenden Auen, an sanft hinrieselnden Bächen wie der 23. Psalm redet - weht nur die Luft ewiger Erbarmung und freier Gnade. Hier regnet's Gerechtigkeit und Vergebung der Sünden, lauter Gnade und Wahrheit. Hier schimmert das milde, farbige Licht himmlischer Erleuchtung, und wie Blumen vom herrlichsten Geruch öffnet und entfaltet sich ein Geheimnis des Evangeliums nach dem andern. Hier trieft der Honigseim süßer Tröstungen des Heiligen Geistes, und der köstlichste Wein unter der Kelter, in Gethsemane gepresst, labet die Seele und macht sie wohl trunken von den reichen Gütern seines Hauses. Hier wird die Gestalt schön vom Öle, womit der große Gesalbte salbt, und wie herrlich ist dein Gang in deinen Schuhen, du Fürstentochter! Wie tust du so gewisse Tritte mit deinen Füßen und strauchelst nicht mehr wie ein Lahmer, sintemal du deine Hoffnung ganz setztest auf die Gnade, und dir so reichlich dargereicht wird, allerlei was zum Leben und göttlichen Wandel dient. Er bleibt in dir und du in ihm. So bringst du viel Frucht, wodurch der Vater geehrt wird. Ja, Israel wird sicher allein wohnen. Der Brunn Jakobs wird sein auf dem Lande, da Korn und Most ist, dazu sein Himmel wird mit Tau triefen. Das ist die Wohnung Gottes, von Anfang getragen von ewigen Armen. Und er wird vor dir her deine Feinde treiben und sagen: Sei vertilgt! Wohl dir Israel, wer ist dir gleich? O! Volk, das durch den Herrn selig wird, der deiner Hilfe Schild und das Schwert deines Sieges ist. Deinen Feinden wird's fehlen, aber du wirst auf ihrer Höhe einhergehen.
Ja, Geliebte, Bileam hat Recht. Wie herrlich ist deine Wohnung, o Israel. Es gibt unter den Menschenkindern, es gibt auch in dieser Gemeine solche, welche Behausungen Gottes im Geiste sind, wie sich der Apostel dieses erhabenen Ausdrucks bedient; aber es gibt auch solche, die Kinder des Teufels sind, ein Schlangensame, der die Mehrzahl ausmacht, in welchen der Teufel sein Werk hat, die Kinder des Unglaubens und des Zorns sind von Natur, Behausungen aller unreinen Geister. Ihr haltet euch nicht dafür. Aber wehe euch, wenn ihr so fortfahret und euch nicht zu dem Einigen wendet, der gekommen ist, die Werke des Teufels zu zerstören, der allein tüchtig macht zu dem Erbteil der Heiligen im Licht! Versäumt das nicht länger. Lange genug habt ihr unschlüssig gestanden am Markte. Seht, der Abend fällt daher, und bald kommt die Nacht, wo niemand wirken kann. Wirkt denn Speise, nicht, die vergänglich ist, sondern die da bleibt in das ewige Leben, welche euch der Sohn Gottes geben wird, denn denselbigen hat Gott der Vater versiegelt. Das ist aber Gottes Werk, dass ihr an den glaubt, den er gesandt hat. Amen.