Krummacher, Gottfried Daniel - Die Wanderungen Israels durch die Wüste nach Kanaan (Moab)

Krummacher, Gottfried Daniel - Die Wanderungen Israels durch die Wüste nach Kanaan (Moab)

Achtundfünfzigste Predigt.

Text: 4. Buch Mosis 22, 1-13.

Die Menschen sind ungemein geneigt, sich wenigstens eines aufrichtigen Herzens zu rühmen. Wenn sie auch auf manchen andern Ruhm Verzieht tun: so halten sie daran desto fester, dass sie's doch aufrichtig meinen. Es ist aber um die Aufrichtigkeit vor Gott eine große Sache. Hat jemand dieselbe, so steht er wohl, denn sie gehört zu den Lineamenten1) des göttlichen Ebenbildes, Gott hat den Menschen aufrichtig gemacht. Aber dies göttliche Ebenbild ist verloren, also mit demselben auch die Aufrichtigkeit. Und so suchen sie viele Kunstgriffe. Besser wäre es, man betete mit David Psalm 119, 29: wende von mir den falschen Weg, und gönne mir dein Gesetz. Er redet von einem falschen Weg. Er erkennt, dass er wenigstens bei ihm sein könne, so dass sein Glaube, seine Liebe, seine Hoffnung unrecht seien. Er betrachtet dies als etwas Schlimmes. Aber was nun weiter? Er wendet sich auch damit zu dem Gott aller Gnaden. Er bittet ihn: wende ihn von mir, oder mindere ihn. Er erfleht sich das entgegengesetzte Gut. Gönne mir dein Gesetz. Begnadige mich mit der rechten Anleitung. Freilich hat David in seinem Straucheln hässliche Beweise von Hinterlist gegeben, sonderlich in dem Handel mit Urias, wo er eine schwerere Sünde mit einer andern nicht weniger schweren bedecken wollte, so dass der Uriasbrief zum Sprichwort worden ist. Und wirklich offenbarte sich in diesem Handel die ganze Schande seiner Blöße. Sogar kam Petrus, nach Gal. 2, nachdem er schon eine Zeit lang das apostolische Amt in großem Segen geführt, in Antiochien in den kläglichen Fall, dass er, durch Menschenfurcht befangen, sich verstellte, und andere mit verleitete sich zu verstellen, so dass Paulus ihn öffentlich schalt.

Wir haben also eine missliche Natur, die sich sogar auch wohl bei wirklich Wiedergeborenen äußert. Es ist das Herz, nach Jer. 17, 9, ein trotziges und verzagtes Ding, oder buchstäblich: arglistig und betrüglich, mehr als sonst etwas. Wer kann es ergründen. Und wie höchst nötig ist es, mit dem Propheten Vers 14 zu beten: Heile du mich, Herr, so werde ich heil, hilf du mir, so ist mir geholfen. Wir haben heute ein finsteres Beispiel heilloser Falschheit zu betrachten. Der Herr lasse diese Betrachtung zu unserm Segen gereichen.

Moab ist die letzte Wüste, welche Israel zu durchwandern hat, um nach Kanaan zu gelangen. Darauf folgen noch etliche Lager, nämlich Dibon-Gad, Almon-Diblathaim, Beth-Isimoth und sodann der Jordan und Kanaan. In dieser Wüste nun trägt sich die merkwürdige, bedenkliche, geheimnisvolle und gefährliche Geschichte mit dem falschen Propheten Bileam zu, in welcher sogar eine Eselin redet. Sie ist an sich merkwürdig genug. Sie ist es noch mehr in ihrer vorbildlichen Beziehung. Ich stimme dem erleuchteten Friedrich Adolph Lampe bei, wenn er in seinem bekannten Buche, das den Titel führt: Geheimnis des Gnadenbundes, in den Haushaltungen der Seligkeit im 3. Teil, in dieser Geschichte ein Vorbild höchst betrübender Erscheinungen in der ersten Zeit der Kirche entdeckt, indem er sagt: „den meisten Schaden empfing Israel von den Moabitern, welche dem Rat Bileams folgten, und dasselbe zum Götzendienst und zur Hurerei verleiteten.“ Dies deutet er also: „in der ersten Kirche waren schon gräuliche Menschen, welche alle Bande menschlicher Ordnung auflösten, und unter dem Namen der Freiheit des neuen Testaments, allerlei Unreinigkeiten des Fleisches frei gaben, wodurch viele verführt wurden.“ Sodann setzte er hinzu: „es wird die Lehre Bileams Offenb. 2, 24. 25. auf Irrgeister im Neuen Testament gedeutet: ich habe ein kleines wider dich, dass du daselbst hast, die an der Lehre Balaam halten, welcher lehrte durch den Balak ein Ärgernis aufzurichten, vor den Kindern Israel zu essen der Götzen Opfer und Hurerei zu treiben. Also hast du auch, die an der Lehre der Nikolaiten halten. Das hasse ich. Nikolaiten sind nach der Bedeutung der Worte nichts anders als Bileamiten, das ist, wie Petrus redet, die übers Volk herrschen, 1. Petr. 5, 3.“ So wahr dieses nun ist, so glauben wir, dass dies gleichsam nur ein Vorspiel dessen war, was sich in der letzten Zeit, die uns also gräulich beschrieben wird, vollständig entwickeln wird, wo Lehren im Schwange gehen werden, welche der Apostel Lehren des Teufels nennt, und wovon wir schon jetzt bekümmernde Vorspiele gewahr werden müssen. -

Was nun die verderbliche Irrlehre des apostolischen Zeitalters betrifft, welche einen schändlichen Lebenswandel einführte und begründete, so dass ihr Anhänger, nicht etwa von Fehlern übereilt wurden, sondern schrecklicher Weise, aus Grundsatz sündigten - so wissen wir den Inhalt dieser Irrlehre nicht genauer, als uns die eben angeführten Worte dessen, der das zweischneidige Schwert hat, davon andeuten, nämlich zu essen von dem Götzenopfer und Hurerei zu treiben, denn Beides war und ist beim alten und heutigen Götzendienst verknüpft. Dies waren also Leute, welche Heidentum und Christentum durcheinander mengten, wobei das Christentum Not litt, wovon diese unreinen Seelen nur so viel beibehielten, als sich mit ihrer unreinen fleischlichen Gesinnung vertragen konnte, oder gar die Grundsätze desselben dazu missbrauchten, ihre Gottlosigkeit zu entschuldigen, oder gar zu rechtfertigen. Besonders war dies bei einer Sekte der Fall, welche lehrte, sie sündigten nicht, möchten sie auch tun, was sie wollten, und einen solchen schändlichen Lebenswandel führten, dass sie den Heiden Anlass genug gaben, von den Christen überhaupt, als von Übeltätern zu lästern, welches sie auch in hohem Maße wirklich waren. Sie waren es, welche die Versammlungen verließen, welche die Gnade auf Mutwillen zogen, die in der Sünde beharren wollten, weil sie nicht unter der Gnade waren, die in erschrecklichen Sinne sagten: den Reinen sei alles rein, da sie doch unrein waren, befleckt an Herz und Gewissen, so dass ihnen alles unrein wurde, Gesetz und Evangelium. Schon die Apostel und die ersten Lehrer der Kirche, hatten ihre saure Mühe mit diesen Leuten, und fanden sich genötigt, den Gemeinen einzuschärfen, nach Möglichkeit von sich selbst hinauszutun, wer da böse sei. Besonders eifert Petrus wider sie, wenn er 2. Petr. 2, 9-22 sagt: „Der Herr weiß die Gottseligen aus der Versuchung zu erlösen, die Ungerechten aber zu behalten zum Tage des Gerichts, zu peinigen. Allermeist aber die, so da wandeln nach dem Fleisch in der unreinen Lust, und die Herrschaft verachten, thürstig (frech), eigensinnig, nicht erzittern die Majestät zu lästern. So doch die Engel, die größere Stärke und Macht haben, nicht ertragen das lästerliche Gericht wider sich vom Herrn. Aber sie sind, wie die unvernünftigen Tiere, die von Natur dazu geboren sind, dass sie gefangen und geschlachtet werden, lästern, davon sie nichts wissen, und werden in ihrem verderblichen Wesen umkommen, und den Lohn der Ungerechtigkeit davon bringen. Sie achten für Wollust das zeitliche Wohlleben, sie sind Schande und Laster, prangen von euern Almosen, prassen mit dem Euern, haben Augen voll Ehebruchs, lassen ihnen die Sünde nicht wehren, locken an sich die leichtfertigen Seelen, haben ein Herz durchtrieben mit Geiz, verfluchte Leute, verlassen den richtigen Weg und gehen irre, und folgen nach dem Wege Balaams des Sohnes Bosors, welcher liebte den Lohn der Ungerechtigkeit. Hatte aber eine Strafe seiner Übertretung, nämlich das stumme, lastbare Tier redete mit Menschenstimme, und wehrte des Propheten Torheit. Das sind Brunnen ohne Wasser, und Wolken vom Wirbelwinde umgetrieben; welchen behalten ist eine dunkle Finsternis in Ewigkeit. Denn sie reden stolze Worte, da nichts hinter ist; und reizen durch Unzucht zur fleischlichen Lust diejenigen, die recht entronnen waren, und nun im Irrtum wandeln; und verheißen ihnen Freiheit, so sie selbst Knechte des Verderbens sind. Denn von welchem jemand überwunden ist, des Knecht ist er geworden. Denn so sie entflohen sind dem Unflat der Welt, durch die Erkenntnis des Herrn und Heilandes Jesu Christi; werden aber wiederum in denselbigen geflochten und überwunden; ist mit ihnen das Letzte ärger geworden, denn das Erste. Denn es wäre ihnen besser, dass sie den Weg der Gerechtigkeit nicht erkannt hätten, denn dass sie ihn erkennen, und sich kehren von dem heiligen Gebot, das ihnen gegeben ist. Es ist ihnen widerfahren das wahre Sprichwort: Der Hund frisst wieder, was er gespien hat, und die Sau wälzt sich nach der Schwemme wieder im Kot.“ Im folgenden Kapitel aber schließt er mit den Worten Vers 17 und 18: „Ihr aber, meine Lieben, weil ihr das zuvor wisst, so verwahrt euch, dass ihr nicht durch Irrtum der ruchlosen Leute, samt ihnen verführt werdet, und entfallt aus eurer eigenen Festung. Wachst aber in der Gnade und Erkenntnis unseres Herrn und Heilandes Jesu Christi. Demselbigen sei Ehre, nun und zu ewigen Zeiten! Amen.“

Sah es schon so erschrecklich in dem ersten und zweiten Jahrhundert nach Christo, in einer Zeit, wo die Apostel selbst und die apostolischen Männer noch lebten und wirkten, predigten, warnten, baten, aus was ließ sich für die Zukunft, und was lässt sich für die Zeiten erwarten, wo über der Erde das Wehe ausgerufen wird, weil der Satan zu ihr hinab kommen ist und einen großen Zorn hat. Die Geschichte Bileams ist also auch in ihrer vorbildlichen Beziehung eine höchst merkwürdige.

Lasst uns aber zu der Betrachtung der Geschichte selbst übergehen und zuerst auf die Hauptperson, den Bileam, sehen, dessen in den Schriften des neuen Testaments etlichemal, im Alten Testament aber nach Mose, nur von dem Propheten Micha erwähnt wird. Er wird von Petro ein Prophet genannt, und wirklich hat er die merkwürdigsten Weissagungen ausgesprochen, welche bis in die fernste Zukunft reichen. Von Christo hat er so herrlich geredet, dass er keinen andern Propheten nachsteht und die meisten übertrifft. Auch Christi Volk steht nach seiner Beschreibung ungemein herrlich da, als gesegnet siegreich, unüberwindlich und als ein Eigentum Gottes. Des allen ungeachtet, war sein eigenes Herz nicht aufrichtig vor Gott, sondern eine Verknüpfung von Ungerechtigkeit, und voll bittrer Galle und Tücke, er war nicht wiedergeboren und also kein Kind Gottes. Dann wäre er ein guter Baum gewesen, der keine argen Früchte trägt, wie wir sie an ihm finden, und danach den Baum beurteilen müssen, wie Christus uns anweist. Er hatte sehr erhabene Einsichten, wie seine Reden beweisen, die daher auch Sprüche genannt werden, wie die Sprüche Salomos. Er redet selber von sich als einem solchen, der die Erkenntnis des Höchsten und die Offenbarung des Allmächtigen hat. Sogar ist ihn der Name Jehovah bekannt. Er rühmt, seine Augen seien geöffnet, wenn er niederknie. So übersetzt Luther. Dies Wort heißt aber buchstäblich nicht niederknien, sondern niederfallen, und ein sorgfältiger Bibelübersetzer, Piscator, gibt dies Wort so: wenn er verzückt wird. Die holländische Bibel ebenfalls, die französische: wenn er zur Erde fällt. Auffallend ist es auch, dass, wenn Bileam sagt: dem die Augen geöffnet sind, er ein Wort braucht, dass auch verschlossen gegeben werden kann, wie es Klagel. 3, 8 heißt: er stopft die Ohren zu vor meinem Gebet. Befand sich also etwa dieser Prophet in demjenigen seltsamen Zustand des sogenannten Hellsehens, in welchen auch in der neuesten Zeit etliche Personen versetzt worden sind, wo sie Dinge sagten und sahen, wovon sie in ihrem natürlichen Zustande nichts wissen und nichts können? Ist also der Ausdruck: der Geist Gottes kam über ihn, danach zu deuten, dass damit nur angezeigt wird, dass Bileam in diesen rätselhaften Zustand des sogenannten Hellsehens versetzt worden sei, wo er bei verschlossenen Augen doch sah und bei erstarrtem Körper fühlte? Die Leute, von denen ich rede, haben auch sehr außerordentliche Dinge gesagt, die niemand aus natürlichen Kräften sagen konnte, sie haben sogar geweissagt, sie haben sich dabei sehr heilig gehabt, einen großen Abscheu an gewissen Sünden und an Personen geäußert, die damit behaftet waren, und doch erwiesen, dass dieses in ihrer Gesinnung keine Wurzel habe. Mit diesen Leuten ist sogar in religiöser Beziehung gräulicher Unfug getrieben worden, so dass man ihre Aussagen sogar dem christlichen Publikum als höhere Wahrheiten der christlichen Religion angepriesen hat, ohne dass dabei eine eigentliche böse Absicht vorwaltete. Man hat sich ihrer als Orakel bedient, und von diesen Hellsehern Dinge zu erfahren gesucht, die man entweder gar nicht soll wissen wollen, oder doch nicht auf diesem bedenklichen, unheimlichen Wege. Bileam gab sich auch mit Zauberei ab, da er doch zuletzt das Volk Israels als ein solches pries, unter welchem kein Zauberer noch Wahrsager sei, wie es denn nichts seltenes ist, dass Menschen über die Laster am meisten herfahren, denen sie selbst am meisten ergeben sind. Und die alten Schriftsteller, welche uns von der gottlosen Sekte aus dem ersten und zweiten Jahrhundert, deren wir vorhin erwähnten, berichten, sagen auch, dass sich dieselben ebenfalls mit allerlei Zaubereien abgegeben. Es gibt aber auch eine subtile Zauberei, wovon Paulus Gal. 3 fragt: wer hat euch bezaubert, dass ihr der Wahrheit nicht gehorcht? und ohne Zweifel ist die alte Schlange, wovon auch die Wahrsagerei und Zauberei den Namen und den Ursprung hat, wie überhaupt die Sünde, zur Förderung des Irrtums, des Bösen, des Missbrauchs der Wahrheit sehr geschäftig, wie Offenb. 12 von ihr gesagt wird: sie verführe die ganze Welt. Wir lassen das Ganze auf sich beruhen. Jene Versuche, Menschen in einen übernatürlichen Zustand zu versetzen, haben, wie es scheint, aufgehört, oder sind bis auf geeignete Zeit erspart. Man sieht daraus, was nicht alles möglich ist.

Was ist endlich alles Wissen
Ohne Jesu Gnadenlicht?
Nichts, als schnöder Eigendünk,
Welchem Kraft und Trost gebricht;
Das nichts gibt, noch hilft und nützet,
Wenn der Geist in Ängsten sitzet.

Der sich so weise dünkende Prophet wird am Ende noch durch seine Eselin heruntergemacht, welcher Gott vor diesem her die Augen öffnete, dass sie sieht, was ihm verborgen war, so dass er ohne sie, trotz seiner vermeintlich geöffneten Augen, unwissend dem gewissen Tode in den Rachen gerannt sein würde. Bei diesem merkwürdigen Manne ist auch ein sehr gemeinsamer Verkehr mit Gott auffallend. Gott redet auf eine ausnehmende Weise mit ihm, und Bileam redet mit Gott. Gewöhnlich geschah dies des Nachts. Aber redete Gott nicht auch mit dem gottlosen Kain? Kam Saul nicht in einen Zustand, wo er weissagte? Bediente sich nicht Gott bei den Propheten Ahabs eines falschen Geistes, der sie ans Weissagen brachte, 1. Kön. 22, wodurch der Untergang dieses Königs bewirkt wurde? Hat nicht Gott beim Hiob mit dem Satan selbst geredet, und sprach nicht Kaiphas eine wichtige und wahrhafte Weissagung aus, die nicht von ihm selbst war wegen des Amtes, das er das Jahr bekleidete? Er hatte auch einige Erkenntnis Gottes, und legt namentlich von seiner Wahrheit und Unveränderlichkeit ein vortreffliches Zeugnis ab. Er verband damit auch eine sklavische Gottesfurcht, so dass er den Gesandten Balaks erklärte, wenn ihm der König sein Haus voll Silber und Gold gäbe, so könne er doch nicht übergehen des Herrn Wort, weder Kleines noch Großes. Aber er sagte nicht, wollte ich nicht, sondern könnte ich nicht. Er wurde gezwungen. Er musste wider Willen, wie hart es auch für ihn war, auf die Gaben Balaks verzichten. Aber solche Dienste wider Willen sind Gott nicht angenehm, vor dem nur die Liebe gilt, wodurch der Glaube tätig ist. Freilich sagt Johannes: wer aus Gott geboren ist, sündigt nicht und kann nicht sündigen. Aber das ist ein seliges Nichtkönnen, mit dem Nichtwollen verpaart, und Bileam besaß davon keinen Funken. Er stand unter göttlichem Zwang, und dient zum Exempel, dass ohne den Willen Gottes sich alle Kreaturen weder regen noch bewegen können. Wie gern er will, kann Bileam doch das nicht sagen, was er will, und muss dasjenige sagen, was er nicht will, oder sogar das wollen, was er doch eigentlich nicht will. Und sagt nicht Paulus ganz allgemein, wir seien nicht einmal tüchtig, etwas zu denken von uns selber? und Salomo: der Mensch nimmt sich etwas vor, aber vom Herrn kommt's, was der Mund reden soll; und wiederum: der Mensch schlägt einen Weg an, aber vom Herrn kommt's, ob er fortgehe vieler ähnlichen Sprüche nicht zu gedenken. Was haben wir also am Ende mit Menschen zu tun, seien sie wer sie wollen, mächtig, boshaft, klug, stark, oder überhaupt mit den Kreaturen, da außer Gott Nichts ist.

Es ist nun sehr merkwürdig, dass sich dieser also ausgerüstete Prophet zuletzt zeigt und kurz vor der Einnahme des verheißenen Landes, ja nachdem drittehalb Stämme schon wirklich vorläufig ihr Erbteil bekommen hatten. Ist nun Balak ein Bild des Antichristen, welcher das Volk Gottes auszurotten sucht: so ist Bileam ein Bild des falschen Propheten, von welchem Offenb. 13 die Rede ist, und den wir noch zu erwarten haben, der aber ausgerottet werden wird. Wir kommen vielleicht später darauf zurück. Für diesmal aber machen wir diese allgemeine Bemerkung: dass sich bei den Menschen wohl etwas zeigen kann, was einen guten, was selbst einen großen, außerordentlichen Schein hat - und das doch nichts Echtes und Rechtes ist, so wie auf der andern Seite wenig Schein, und doch noch Wahres und Echtes vorhanden sein, und es von einer Traube heißen kann: verdirb sie nicht, denn es ist ein Segen darin, Jes. 65, 8. Deswegen wird uns die Selbstprüfung so dringend anempfohlen, ja David bittet - um vor Selbstbetrug gesichert zu sein - Gott selbst, er möge ihn aus Barmherzigkeit prüfen und erforschen, wie er's denn eigentlich meine, ob noch ein falscher Weg bei ihm sei, und ihn leiten auf ewigem Wege. Wie leicht, wie gefährlich muss deshalb der Selbstbetrug sein!

Im Ganzen hält uns die Heilige Schrift merkwürdige Exempel der Art vor, die da beweisen, dass bei gutem Schein doch das Echte fehlen kann! Samuel gibt dem Könige Saul das Zeugnis: du warst klein vor deinen Augen, als er nämlich sagte: mein Geschlecht ist das Kleinste unter allen von Benjamin. Aber als Samuel jenes zu ihm sagte, war er's nicht mehr ein Beweis, dass es auch früher nicht echt gewesen. Von Demas bestellt Paulus zweimal Grüße, einmal an die Kolosser, nachher an Philemon, endlich aber meldet er dem Timotheus, er habe diese Welt wieder liebgewonnen, so wie von etlichen Andern, sie haben Glauben und gut Gewissen von sich gestoßen und Schiffbruch am Glauben gelitten. Ein Mitarbeiter an den Auslegungen der Berleburger Bibel, die doch was Besonderes und ausgesuchtes sein wollen und das gewöhnliche Geleise verachten, wurde später ein Gottesleugner. Zwischen den klugen und törichten Jungfrauen war äußerlich gar kein Unterschied zu entdecken, und es gibt Leute, die zu Jesu, Herr, Herr, sagen, und ihm an jenem Tage vorstellen: haben wir nicht in deinem Namen geweissagt? haben wir nicht in deinem Namen Teufel ausgetrieben? haben wir nicht in deinem Namen viele Taten getan? Denen er aber antworten wird: ich habe euch nie erkannt, weicht alle von mir, ihr Übeltäter. Es gibt viele vortreffliche Gottesgelehrte, welche es bloß von Schein, ohne Wesen, verstehen, wenn der Apostel Hebr. 6 von Leuten redet, die einmal erleuchtet sind und geschmeckt haben die himmlischen Gaben und teilhaftig geworden sind des Heiligen Geistes, und geschmeckt haben das gütige Wort Gottes und die Kräfte der zukünftigen Welt, und hinzufügt: wo sie abfallen. Johannes redet auch von solchen Widerchristen, die von uns ausgegangen sind, die also früher mit uns waren. Jedoch setzt er hinzu: „sie waren nicht von uns, denn wenn sie von uns gewesen wären, so wären sie ja bei uns geblieben, aber auf dass sie offenbart würden, dass sie nicht alle von uns sind. Vieles wird aber erst in der Ewigkeit, vor dem Richterstuhle Christi offenbar werden.“

Lasst uns aber vom Allgemeinen zum Besonderen übergehen, wie auch einzelne Stücke, bei allem richtigen und christlichen Schein - doch unecht sein können. Was nun z. B. Erkenntnis betrifft: so gesteht Petrus dieselbe gewissen Leuten zu, sagt aber, sie seien durch dieselbe so wenig gebessert, dass es ihnen nützlicher wäre, sie kennten den Weg der Gottseligkeit gar nicht, als dass sie ihn kennten und wenden sich von dem heiligen Gebot; denn so sie entflohen sind dem Unflat der Welt, durch die Erkenntnis des Herrn und Heilandes Jesu Christi, werden aber wiederum in denselbigen geflochten und überwunden, ist mit ihnen das Letzte ärger geworden, denn das Erste. Paulus stellt den Fall, dass man weissagen, alle Erkenntnis haben, und alle Geheimnisse wissen, und doch nichts sein könne. Christus selbst setzt einen großen Unterschied zwischen dem Wissen, und der Realität, indem er sagt: so ihr's wisst, selig seid ihr, so ihr's tut. Paulus aber spricht vielen Korinthern, bei ihrem aufblähenden Wissen, doch das rechte Wissen ab und spricht: das sage ich euch zur Schande. -

Auch Sündenerkenntnis kann bei manchen unecht sein, samt der Reue, die sie darüber empfinden und bezeugen. Saul sündigte und David sündigte. Beide bekannten es mit den nämlichen Worten: ich habe gesündigt. David wurde es vergeben, Saul nicht, so verschieden war, bei gleichen Ausdrücken, die Beschaffenheit ihres Sündenbekenntnisses. Petrus sündigt, Judas sündigt auch. Petri Reue offenbart sich durch bittere Tränen, Judas Reue durch öffentlichen Widerruf. Jener wird angenommen, dieser verworfen, so unzulänglich war die Beschaffenheit seiner Reue, wie groß und ernstlich sie auch war.

Der Glaube kann ebenfalls unecht sein. Als jener Zauberer Simon in Samaria bemerkte, wie viele Männer und Weiber durch die Predigten Philippi vom Reiche Gottes und von dem Namen Jesu Christi gläubig wurden, und sich taufen ließen, ward er auch gläubig und ließ sich taufen. Aber Petrus erkannte ihn jedoch als einen solchen, dessen Herz nicht rechtschaffen war vor Gott, sondern noch einen Tück bei sich hatte, voll bittrer Galle und verknüpft mit Ungerechtigkeit. Jesus selbst vergleicht einige Hörer des Wortes einem steinigen Acker, wo der Same zwar bald aufgehe, aber keine Wurzel hat und bei entstehender Dürre verdorrt, und sagt in der Erklärung, dies seien solche, die das Wort alsbald mit Freuden aufnehmen, eine Zeitlang glauben, aber wetterwendisch sind, und wenn sich Trübsal und Verfolgung erhebt um des Wortes willen, sich bald ärgern und abfallen, da doch nur derjenige selig wird, welcher bis ans Ende beharrt, und es deswegen Not tut, in Christo gewurzelt zu sein, wo denn auch alle Anfechtungen überwunden werden. Was ist nötiger und nützlicher als das Gebet? Dennoch ist nicht alles Gebet, was dafür gehalten und ausgegeben wird. Man kann bitten, und zwar übel bitten. Der Mund der Wahrheit nennt manches, was andere beten nennen, Plappern, ja sagt, manche wendeten lange Gebete vor und würden eine desto schwerere Verdammnis haben. Überhaupt belehrt uns die Heilige Schrift, dass, wie unentbehrlich und heilsam auch das Gebet sei, so dass, wer nicht bittet, nichts bekommt, wir doch selbst nicht wissen, was wir beten sollen oder wie es sich geziemet, sondern dass wir Ursache haben, mit den Jüngern zu sprechen: Herr, lehre uns beten, und zur rechten Ausübung des Gebets den Geist der Gnaden und des Gebets nötig haben. Lasst uns nicht meinen, wir könnten es wohl, womit wir uns nur selbst betrügen. Der Pharisäer betete, der Zöllner betete auch. Dieses Gebet war angenehm, jenes nicht, und das lag in der Beschaffenheit ihrer Gebete, nicht in einer blinden Willkür. Was ist an sich lieblicher, was in seinen Wirkungen heilsamer, als die rechte Freude? wenn es nur die rechte Freude im Herrn ist, welche nach vorgängiger Buße und Glauben geschenkt wird, das Herz von Welt und Sünde abzieht, zur gänzlichen, unbedingten Übergabe an den Herrn lockt, zu allen guten Werken willig und tüchtig, und klein und demütig macht. Dass es aber auch eine falsche religiöse Freude gibt, davon belehrt uns ja der Mund der Wahrheit, wenn er sagt: sie nehmen das Wort auf alsbald mit Freuden, und fallen doch ab. Endlich kann jemand einen unsträflichen Lebenswandel führen, rechtgläubig in seinen Meinungen, eifrig in seinem Bekenntnis, lobenswert in seinem Verhalten, ein Freund der Kirche, wohltätig gegen Arme, dienstfertig gegen Bedürftige sein, ohne dass darin ein geltender Beweis für die Echtheit seines Christentums läge. Er kann bei dem allen ein getünchtes Grab, blind, tot in Sünden, ohne Christus und ohne Gnade, ja ein bittrer Feind derselben sein.

Was ist denn aber unter so bedenklichen Umständen, wo die Selbsttäuschung so leicht möglich und so häufig ist, zu raten und zu tun? Grabt tief. Nehmts nicht leicht und oberflächlich, weder was den Blick in euer Herz, noch was das Evangelium und seine Gnade anbetrifft, noch was euern Teil an derselben angeht. Seid demütig und misstraut euch selbst. Mag eure Reue, Buße, Glaube usw. auch wirklich echt sein: so kleben ihnen doch noch viele Schlacken und Unlauterkeiten an, und wer auf das vertraut, was er in sich selbst findet, verlässt sich auf Kreaturen und nicht auf den Schöpfer und Geber, und hält Fleisch für seinen Arm. Scheut euch nicht, mit euch selbst gründlich bekannt zu werden, denn für jede Krankheit ist Rat. Gesetzt, euer ganzes bisheriges Christentum erschiene euch als bodenlos: so ist doch der noch da, der es echt schenken kann. Weist nicht jeden Zweifel, ob's wohl rechter Art bei euch sei, als eine Eingebung des Teufels von euch. Er kann auch vom Heiligen Geiste herrühren und euch sehr heilsam werden. Endlich aber wendet euch, als in euch selbst verlorene und verwirrte Schafe, zu dem, der das Verlorene sucht, und selig macht, und wenn euch alles ungewiss und zweifelhaft wird, so bleibt das doch je gewisslich wahr und ein teuer wertes Wort, dass Jesus Christus kommen ist in die Welt, Sünder selig zu machen. Wendet euch zu ihm und werdet selig aller Welt Ende! Amen.

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