Krummacher, Gottfried Daniel - Die Wanderungen Israels durch die Wüste nach Kanaan (Zalmona)
Dreiundfünfzigste Predigt.
Vierunddreißigste Lagerstätte: Zalmona. Text: 4. Buch Mosis 21, 1-3.
Die Kinder Israel mussten, wie wir wissen, zurück, weil Edom und Moab ihnen den Durchgang verweigerten. Nun sollte es sich aber auch ausweisen, dass ihre Nachgiebigkeit und Rückzug nicht durchaus ein Müssen war, sondern dass sie stark genug, wenn auch nicht in sich selbst, gewesen wären, durchzubrechen und den Edomitern was anders zu lehren; zugleich sollten sie selbst aus einer kleinen Probe lernen, wem sie das Ganze ihrer Siege verdankten.
Lasst uns denn jetzt zuerst den erlittenen Überfall und erlangten Sieg der Kinder Israel und dann die neue Lagerstätte betrachten. Der kanaanitische König, welcher mit Recht wegen seines Ungestüms und Wildheit Arad, d. i. Waldesel, hieß - denn was schnaubt und stürmt nicht alles gegen das Volk Gottes an - vernahm, dass sie auf Kanaan anrückten, weil er ihnen zunächst, d. i. gegen Süden, wohnte, da sie eben von daher, auf Norden zu gezogen kamen, und er, wie es schien, der Erste sein würde, den sie anfallen wollten, was aber nicht der Fall war, weil sie sich so schwenkten, dass sie in der Richtung von Osten gegen Westen durch den Jordan ins verheißene Land einzogen. Arad war die bedenkliche Geschichte mit den Kundschaftern, welche das Land vor 39 Jahren ausspioniert hatten, nicht vergessen, und nahm nun den nämlichen Weg, sie zu überfallen, den jene eingeschlagen hatten, das Land auszukundschaften. Er richtete auch seinen Angriff so wohl ein, dass er etliche gefangen bekam und mit wegführte.
Fragen wir, warum Gott das geschehen ließ, so liegt die Absicht am Tage. Es geschah zu dem nämlichen Zweck, warum Paulus in Asien mit einer so übermäßigen Trübsal heimgesucht wurde, dazu nämlich, dass sie nicht auf sich selbst vertrauen, sondern auf den Gott, welcher die Toten auferweckt. Sie sollten im Voraus und durch die Erfahrung überführt werden, dass sie die Kanaaniter nicht durch ihre eigene Kraft, sondern nur durch Gott zu überwinden vermöchten, und also auf Ihn, nicht auf sich selbst vertrauen. Und dies ist ja eine allgemeine Regel für alle Streiter Jesu Christi, welche in ihrem Kampfe glücklich zu sein wünschen.
Vor 39 Jahren hatten sie's mit den nämlichen Leuten zu tun gehabt. Doch waren sie damals der angreifende Teil und es ging ihnen ebenfalls sehr übel, dass sie zurückgeschlagen wurden bis gen Harma. Damals waren nämlich die abgesandten Kundschafter aus dem Lande Kanaan zurückgekehrt, zwei zwar mit sehr köstlichen Früchten, aber zehn mit sehr böser Beschreibung und mit der Erklärung, es sei gar nicht möglich, das Land einzunehmen. Letztere fanden allgemeinen Beifall. Die Gemeine murrte. Sie wollten Moses steinigen. Sie wollten zurück nach Ägypten. Jetzt trat der Herr ins Mittel. Er sagte: wohlan, ihr wollt nach Ägypten zurück denn von den Grenzen Kanaans, auf das rote Meer zu! Vierzig Tage habt ihr über dem Kundschaften zugebracht. Daraus sollen auch vierzig Jahre werden. So lange sollt ihr in der Wüste umherziehen, ehe ihr ins Land kommt. Ihr sagt, eure Kinder würden umkommen. Das werden sie nicht. Sie sollen nach Kanaan kommen. Ihr alle aber sollt in der Wüste sterben, Josua und Kaleb allein ausgenommen. Und nun zurück. Vierzig Jahre sollt ihr eure Missetat tragen in der Wüste und innewerden, was es sei, wenn ich die Hand abziehe, 4. Mos. 14, und die Männer, welche das böse Geschrei über das Land Kanaan gebracht hatten, starben zuerst durch eine Plage vom Herrn. Da trauerte die Gemeine sehr. Aber die Traurigkeit schlug bald in einen störrigen Trotz um. Waren sie gestern verzagt gewesen, so wurden sie heute frech, trotzig, sich selbst vertrauend. Das eine ist aber Gott so missfällig, wie das andere. Was sie gestern für unmöglich gehalten hatten, hielten sie heute für leicht. Wider das Wort des Herrn wollten sie heute aufs Gebirge ziehen und durch ihre eigene Kraft und auf ihre eigene Faust hin, das verheißene Land einnehmen. Der abratenden Warnung Mosis ungeachtet, ungeachtet weder er noch die Bundeslade noch die Wolkensäule mitzog, machten sie doch voran. Aber wie ging's ihnen? Sie wurden geschlagen und geworfen bis gen Harma. Jetzt weinten sie wohl vor dem Herrn. Aber der Herr wollte ihre Stimme nicht hören und neigte seine Ohren nicht zu ihnen 5. B. M. 1. Hierüber macht ein gewisses Buch, „Fußstapfen des Glaubens Abrahams1)“ betitelt, folgende Anmerkung: „Dies ist einer von den Fällen, woran sich die Vernunft sehr stoßen kann. Was sollen wir tun? konnten sie denken? wollen wir zurück, so ist es Sünde, wollen wir vorwärts, so ist's wieder Sünde. So werden die Juden zu Jesaias Zeiten gedacht haben, opfern wir nicht, so ist's Sünde, opfern wir aber, so macht's uns der Prophet wieder zur Sünde. Und zu Christi Zeiten war das Opfern, Fasten und Beten der Pharisäer Sünde, unterließen sie's aber, so war's wieder Sünde. Als Esau zwei hethitische Weiber nahm, missfiel es Gott und seinen Eltern, und als er hinging und eine Tochter Ismaels, folglich eine Enkelin Abrahams heiratete, blieb er doch ein verworfener Mensch. Wer will's also dem Heiligen Gott recht machen und treffen? Wer mag vor ihm stehen? Jawohl mein lieber Mensch, solange du mit des Gesetzes Werk umgehst, ist es so. Das Gesetz hat alles beschlossen unter die Sünde. Tue, was du willst, so ist es Sünde. Wende dich, wohin du willst, so wird dich der Zorn Gottes treffen und der Fluch des Gesetzes dir begegnen. Was sagt aber die Schrift? Christus ist des Gesetzes Ende, wer an den glaubt, der ist gerecht. Wer zu ihm kommt, den will er nicht hinaus stoßen. Das ist der Wille des, der ihn gesandt hat, dass, wer an ihn glaubt, das ewige Leben habe. Wiederum sagt die Schrift: es ist dir gesagt, Mensch, was gut ist und was der Herr von dir fordert, nämlich Gottes Wort halten, und Liebe üben und demütig sein vor deinem Gott. Siehe, da geht der Weg hinaus zum Frieden. Nicht dies oder jenes äußerliche Werk gilt bei Gott, sondern der Glaube. Und bei diesem Glauben wandelt man in der Liebe und Demut und tut erst Gott gefällige Werke. So hätten die Kinder Israel erstlich im Vertrauen auf ihren Gott, aller Schreckbilder ungeachtet, welche ihnen die Kundschafter vormalten, ins Land Kanaan ziehen, und so in die Fußstapfen des Glaubens Abrahams treten sollen. Nachdem sie aber einmal durch Unglauben gesündigt, ja eine Sünde zum Tode begangen hatten, so hätten sie sich unter Gottes Hand demütigen, seine Züchtigung erdulden und mit Verleugnung des irdischen Kanaans, an seiner Gnade ein Genüge haben sollen, wie Moses selbst hernach tun musste.“
Diesmal war aber ihr Verhalten ganz anders. Sie waren nicht trotzig. Sie vertrauten nicht auf sich selbst, sondern sie wendeten sich zum Gebet. Herr, sprachen sie, wenn du dies Volk unter meine Hand gibst. Nicht von sich selbst, sondern von dem Herrn erwarteten sie den Sieg, auf ihn, nicht auf sich selbst, setzten sie ihr Vertrauen. Sie beabsichtigten dabei auch nicht ihren eigenen Vorteil, sondern gelobten dem Herrn die Städte zu verbannen, die sie gewinnen würden. Dies Verbannen bezeichnet, nicht nur zerstören, sondern auch etwas ganz und gar dem Herrn weihen und widmen, so dass man nichts davon sich selbst zueignet, sich alles Rechts daran begibt, und es nie zurücknimmt. In diesem letzteren Sinne soll sich jeder dem Herrn mit Leib und Seele, im Leben und im Sterben, für Zeit und Ewigkeit mit Absagung alles eigenen Willens und alles Selbstgesuchs ergeben und dabei allezeit beharren. Nicht wir selbst, sondern Christus soll in uns leben. Wir sollen nichts werden, damit er alles in uns sei. War diesmal ihr Verhalten ganz anders als vor 39 Jahren: so war's auch der Erfolg. Die Kanaaniter wurden überwunden, ihre Städte zerstört, und hatte Israel damals erfahren, was es ohne den Herrn ausrichte, so erfuhr es jetzt, was es, ohne eigene Kraft, durch ihn vermöge. Den Ort, wo sie den Sieg erlangten, nannten sie noch einmal Harma, wie sie vor 39 Jahren auch getan. Aber jetzt in einem ganz andern Sinne. Was sie damals gelitten, hatten sie jetzt getan. Damals lagen sie unter, jetzt hatten sie die Oberhand. Freue dich also nicht meine Feindin, dass ich darnieder liege. Ich werde wieder emporkommen; denn obschon ich im Finstern sitze, ist doch der Herr mein Licht. Israel geht dir aus dem Wege! o Edom. Sei darüber nicht aufgeblasen, als könntest du's ihm. Es kann's dir und könnte dich wohl wie ein dürres Reis vor den Knieen zerbrechen, wird es auch tun, sobald seine Stunde kommen ist. Und du, Israel, sei nie stolz, aber sei auch nie verzagt. Das Nämliche, was dich jetzt tief betrübt, kann Dir später noch ein Anlass zu großer Danksagung und Freude werden, wie David in einem Atem zu sich selbst spricht: was betrübest du dich? und du wirst ihm noch danken. Israel kann sowohl in Gnaden eine Niederlage erleiden als einen Sieg erlangen, und Paulus ist sowohl ein Liebling Gottes, wenn er unter den Faustschlägen des Satansengels winselt, als wenn er in den dritten Himmel entzückt ist. Müssen nicht denen, die Gott lieben, alle Dinge zum Besten dienen?
Bemerkt aber, wie im dritten Verse alle Ehre Gott allein so lauter zugeschrieben wird. Der Herr, heißt es, erhörte ihre Stimme und gab die Kanaaniter und verbannte sie, samt ihren Städten und hieß den Ort, Harma, welches eben Verbannung heißt. Wie merkwürdig. Er tat alles, in dem Maße, dass er sogar der Stätte den Namen gab. Wo war also Menschen Ruhm? O! möchten wir auch bald gen Harma kommen, und zwar auf dreifache Weise, erstlich dass wir uns Gott ganz und gar zu einem lebendigen, ja ganz ertöteten Dankopfer darstellten; zweitens, dass alle Arads, dass alle Gewalt, die sich wider den Herrn erhebt, samt allen Werken des Teufels und allen bösen Ratschlägen, die wider sein Wort erdacht werden zerstört, und drittens, dass alles Ungöttliche in uns selbst vernichtet werde. Lasst uns aber warten, beten, glauben, so wird Er zu seiner Zeit alles eilends ausrichten.
Übrigens heißt ein Kanaaniter so viel als ein Krämer oder Kaufmann, und wenn es am Schluss des Propheten Sacharja gesagt wird, zu der Zeit, wo der Herr König sein wird über alle Lande, er nur Einer und sein Name nur Einer und kein Herem, oder Harma, d. i. Bann, nach Vers 11 mehr sein wird, werde im Lande kein Kanaaniter mehr sein, - kann man auch übersetzen: es wird kein Krämer mehr sein, d. i. keine falsche Religion. Denn alle falsche Religionen lehren eine Verdienstlichkeit der Werke zur Seligkeit, wogegen die wahre Religion eine Seligkeit aus lauter Gnaden ohne Verdienst der Werke durch den Glauben, welchen Gott wirkt, lehrt, eine Religion, welche für Sünder allein nur wahr sein und zur Gottesgemeinschaft führen kann. Jene will's aus sich herausspinnen, diese aber schöpft alles aus dem, der voller Gnade und Wahrheit ist. Derselbe wird unter einem seltsamen, aber sehr lehrreichen und passenden Bilde, und zwar als der Gekreuzigte vorgestellt in dieser Wüste, in der
Vierunddreißigsten Lagerstätte zu Zalmona.
Sie lag etwa sieben Meilen von der vorherigen entfernt, und die Kinder Israel gelangten durch eine bogenförmige Bewegung von Kades über Hor an der moabitischen Grenze hierhin, wozu sie 20 Meilen zurücklegen mussten, da sie auf dem graden Wege von Kades hier. her, nicht die Hälfte gehabt haben würden. Die Wege Gottes sind oft krumm und doch gerade, worauf er uns zum Ziele pflegt zu führen. Da pflegt es wunderseltsam auszusehen. Doch triumphiert zuletzt sein hoher Rat.
Die Bedeutung des Namens dieser Lagerstätte, kann uns ziemlich gleichgültig sein, da die wichtige Begebenheit, die sich daselbst zutrug, so ausführlich erzählt wird, eine Begebenheit, die bedeutsam genug ist, dass Jesus selbst sie Joh. 3 anführt und sagt, es müsse an ihm dasselbe geschehen, was Moses mit der Schlange getan. Die Bedeutung des Namens Zalmona ist: bestimmtes Bild, oder Schatten, und die Begebenheit selbst wird uns 4. B. Mos. 21, 4-6 also erzählt: „Da zogen sie von Hor am Gebirge auf dem Wege vom Schilfmeer, dass sie um der Edomiter Land hinzögen. Und das Volk ward verdrossen auf dem Wege. Und redet wider Gott und wider Mosen: warum hast du uns aus Ägypten geführt, dass wir sterben in der Wüste? Denn es ist kein Brot, noch Wasser hie, und unsere Seele ekelt über dieser losen Speise. Da sandte der Herr feurige Schlangen unter das Volk, dass ein groß Volk in Israel starb.“ - Neue Sünde - neue Zucht - neue Rettung durch das seltsamste Mittel.
Eine neue Sünde. Lasst uns zuerst die Veranlassung betrachten. Wir wissen, Israel ist durch die Edomiter genötigt eine rückgängige Bewegung und einen weiten Umgang zu machen. In einer bogenförmigen Richtung ziehen sie an Edoms Grenzen, um das borstige Gebirge Seir herum, zum vierten Mal aufs rote Meer zu. Es war auch grade, als sollen sie nicht weiter kommen. Des Dings wurde nun das Volk müde und überdrüssig. Das Volk ward verdrossen auf dem Wege. Der Weg war lang, das Gemüt des Volks kurz, wie es eigentlich heißt, reimte sich also übel zusammen. Was wollen wir aber dazu sagen? Versetzt euch einmal in ihre Lage. Nun schon fast ein halbes Jahrhundert, auf zehn Jahre nach, in einer so gräulichen Wüste hin und her gezogen zu sein, über eine Reise doppelt so viele Jahre haben zubringen müssen, als Tage nötig gewesen sein würden, wenn sie den ordentlichen und dabei gebahnten Weg durch der Philister Land hätten nehmen dürfen. Warum vergönnte Gott ihnen das denn nicht? warum erfüllte er denn seine Verheißung nicht auf dem gradesten, und am wenigsten beschwerlichen Wege, wenn er denn einmal beschwerlich sein musste? Nun ja freilich, wir wissen es wohl aus 5. B. Mos. 8 und schweigen dazu still. Aber hätte Gott, der doch alles Gute wirken muss, denn diesen Zweck nicht auch, durch ganz andere freundlichere Mittel- wenn er sich deren bedienen wollte erreichen können? Sollte Paulus vor Selbsterhebung bewahrt werden, musste dies nicht von Gott selbst ausgehen und konnte das durch den Satansengel bewirkt werden? konnte dies nicht geschehen, warum bediente sich der Herr auf die flehentliche Bitte seines Dieners denn nicht eines sanfteren Mittels? Weil er's nicht wollte. Unser Eigenwille soll also ganz zu Grunde gehen. Das ist aber doch schmerzhaft. Meine Absicht kann nicht sein, die Kinder Israel in Schutz nehmen zu wollen. Meine Absicht aber ist die, uns darauf aufmerksam zu machen, wie so gar keine Ursache wir haben, uns für besser und einer glimpflicheren Behandlung würdiger als sie, vielmehr gleicher Strafe wert zu achten. Wer im Geringsten nicht treu ist, ist's auch im Größten nicht; wer irgend in einem Falle ein wenig murrt, der kann es auch auf die ärgste Weise tun, wer eines unkeuschen Gedankens fähig ist, ist es auch der abscheulichsten Tat und so in allen Stücken.
Der Umweg und Rückzug war also die Veranlassung, Verdrossenheit die Wirkung. Sie waren des Hin- und Her-Reisens und der ganzen Geschichte satt und überdrüssig. So sah es in ihrem Innern aus, wo die Sünde, die Lust ihren Sitz, ihre Wurzel, ihre Werkstelle hat. Von derselben wird der Mensch gereizt und gelockt. Empfängt sie durch Zustimmung und Einwilligung, so gebiert sie die böse Tat. Das Meer fängt an in seiner Tiefe zu rumoren und bald darauf wandelt sich seine glatte Oberfläche zu Gebirgen um. So auch hier. Das innerliche Murren offenbarte sich auch bald nach außen. Die Sünde, welche im Menschen steckt, weiß sich mit ihrer gefährlichen Zauberkraft, des Verstandes zu bemächtigen und ihn zu umnebeln, des Willens und ihn zu fangen, der Gemütsbewegung und sie in Aufruhr zu sehen und dann ist's vorbei. Die Ausbrüche folgen, wie der Blitz dem Donner und die Flamme dem Rauch. Schaffe deswegen in mir, o Gott, ein reines Herz, damit aus dem guten Schatz desselben nur Gutes hervorgehe.
Ach! welch' ein kläglicher Anblick ist es, den Menschen in die Sünde losbrechen zu sehen. Die murrenden Israeliten brachen ihr dumpfes Schweigen und tun ihren Mund auf, ihre Sünde zu vergrößern. Sie reden, aber nicht schlechthin. Sie reden, um ihre Zungen wider Jemand zu brauchen. Wider wen denn? Ach! wider Gott! O! Israel, was will aus dir werden, da du dir selbst deinen Schöpfer, deinen Wohltäter zum Feinde machst? Macht dich deine Ungeduld, machen euch eure bösen Begierden so ganz unsinnig, dass ihr euch gar nicht besinnet, gegen wen ihr angeht? Was wird, was muss endlich aus euch werden, wenn ihr Gott euch zum Feinde macht? O! lieber alle Kreaturen als ihn. Und das bedenket ihr nicht, weil die Sünde euch des wahren Verstandes beraubt! O! unselige Menschen, was will's werden! Ist es gefährlich gegen einen mächtigen Menschen - wie gefährlich ist es denn, gegen den Allmächtigen selbst zu streiten. Davon stehe doch ein Jeglicher gänzlich ab. Höchst bemerkenswert ist hierbei, was Paulus 1. Kor. 10, 9. sagt: lasst uns auch Christum nicht versuchen, wie ihn etliche von jenen versuchten und wurden von den Schlangen umgebracht. Hier hören wir, dass es eigentlich Christus war, gegen den sie angingen. Er war der Engel, welcher sie leitete, er war's, den alles abbildete, er ist auch unser Alles. Was kann schädlicher sein als das, was uns von ihm ableitet, bestehe dies Ableitende auch, worin es immer möge, denn es leitet ja vom Wege ab, von der Wahrheit und vom Leben ab. Jenes Versuchen Christi aber bestand darin, dass sie voll Ungeduld der rechten Zeit nicht warten und den rechten Weg nicht gehen wollten, den er sie zu führen beliebte. Derjenige aber, welcher ins gelobte Land reisen will, darf sich weder durch die Länge noch durch die Schwierigkeiten des Weges abschrecken und ermüden lassen, „der Lebensweg hat auch sein Ach!“ Der nähere Weg, der etwa nur zwanzig Tage erforderte, hat mehr Gefahr, der andere, der durch eigne Schuld 40 Jahre dauert, mehr Mühe. Einer oder beide müssen überwunden werden, so wir jemals zu Gottes Ruhe einzugehen gedenken.
„Und alle Müh' ist schon bezahlet, Wenn ich das gold'ne Himmelstor Mir stell' im Glaub'n und Hoffnung vor.“
Getrost also und unverdrossen vorwärts, denn der Durchbrecher geht voran.
Moses musste auch wieder herhalten. O! wie gut kam diesem großen Propheten und Diener Gottes seine Sanftmut zu statten, denn dies war nun das achte Mal, dass sie wider ihn murrten, als ob er und nicht sie selbst Schuld an all' ihrem Elend wäre. Wie können sie doch sagen: es ist kein Wasser hier, da der Fels sie reichlich mit dem allerköstlichsten versah. Oder ist ihnen das zuwider, dass sie's nicht auf gewöhnliche Weise bekommen, nämlich aus der Erde. Wie so recht hat der weise Sirach, wenn er sagt: eine böse Stunde macht, dass man alles Gute vergisst. Über einem einzelnen Ungemach vergessen viele nicht nur, wie viel größer es sein könnte und bei Vielen wirklich ist; sie vergessen zugleich alles Gute und alle Vorzüge, die sie besitzen und wohl vor andern her besitzen, welche, wo nicht besser, doch ebenso gut sind wie sie. Wartet mit eurem Klagen und Beschwerdeführen noch ein wenig. Das Rechte und Schlimmere mag wohl im Anzuge sein. Vergesst des Dankes nicht, damit euer Wohltäter eurer nicht überdrüssig werde und des Wohltuns weniger oder gar ein Ende mache.
War ihnen das Wasser nicht recht, das Manna ist's auch nicht. Uns ekelt dieser losen schlechten Speise sagen sie. Nun das gestehe ich. Ob das Buch der Weisheit Recht hat, wenn es vorgibt, es habe so geschmeckt, wie es Jeder gewünscht, weiß und glaube ich nicht; das ist aber gewiss, dass es einen Geschmack hatte, wie Semmel mit Honig und sich überdies kochen und backen ließ, denn das sagt die Schrift. Aber auch dieses Engelbrot war ihnen nicht recht. Sie warfen es Gott, wie vor die Füße. Nun, wenn es dabei geblieben, möchte es noch etwa hingehen. Aber wir wissen, wen das Manna bedeutete und abbildete. Es war das rechte, eigentliche Manna noch nicht. Es erhielt Niemand beim Leben. Als aber das rechte, eigentliche Manna kam, wie nahmen sie das auf? Traten sie's nicht ganz unter die Füße und fahren damit bis auf diese Stunde, verstockter Weise fort? Wie süß und lieblich ist das Evangelium. Nicht nur die Väter des Alten Testaments, sondern auch die heiligen Engel gelüstete, in die Geheimnisse desselben hineinzuschauen. Aber fängt nicht auch den sogenannten Christen an, davor zu ekeln, und wird es auch eine lose, schlechte, ja schädliche Nahrung genannt? Das Kleienbrot menschlicher Vernunft wird immer beliebter und allgemeiner, obschon sich die Menschen den Tod daran essen, und zwar den ewigen Tod.
Das blieb nicht ungestraft. So lange wir mit Gott im Streit leben, können wir uns auch nichts Gutes zu den Kreaturen versehen, sondern jede wird sich freuen, eine Dienerin des göttlichen Zorns wider uns zu sein. Als sie noch in Gosen waren, schonte ihrer der Hagel, die Finsternis, die Läuse, Frösche und Heuschrecken und der Würgengel. Nun sie aber gottlos sind, wissen giftige Schlangen sie zu finden. Auch die Steine im Felde begehren kein Bündnis mit uns zu haben, wenn wir nicht im Bunde mit Gott stehen.
Lasst euch deswegen versöhnen mit Gott. Es trete ab von der Ungerechtigkeit, wer den Namen Christi nennt. Tretet denen bei, von welchen gesagt wird: er wird meine Stärke ergreifen müssen und Friede mit mir machen, ja Friede wieder mit mir machen. Amen.