Krummacher, Gottfried Daniel - Die hohepriesterliche Segensformel - 1. Predigt.
Redet mit Jerusalem freundlich! So lautet der angenehme Auftrag für Jerusalem nach Jesaias 40,2; dasselbe, war im vorhergehenden Verse mein Volk genannt und wovon gesagt wird, in lieblicher Verdoppelung gesagt wird: Tröstet, tröstet es! Demgemäß nennt sich Paulus einen Gehülfen eurer Freude.
Und wirklich ist der Endzweck des Evangeliums, zu trösten, deswegen redet es freundlich, und ehe unser Katechismus noch von etwas anderm redet, fragt er zuerst nach dem einigen Trost im Leben und im Sterben und bezeichnet denselben in wenigen, aber unübertrefflichen Worten. Lesen wir im angeführten Texte etwas weiter, so finden wir, daß dies Freundlich-Reden hauptsächlich darin gesetzt wird, Jerusalem zu verkündigen, daß ihre Sünde vergeben ist, daß ihre Ungerechtigkeit versöhnt ist, daß ihre Schuld für bezahlt geachtet wird.
In der That, das ist auch die Grundlage des Trostes, darum heißt es nicht so sehr: Predigt ihr's, als: Rufet, schreit ihr's, bis sie es festiglich glaube. Sollten wir glückliche Fortschritte in der Gottseligkeit machen und auf dem allerdings manchmal mühseligen Wege nicht ermatten, so ist der Trost uns unentbehrlich, und welches Stück desselben bedürfen wir täglich sonderlicher, als das, daß die Sünde vergeben, daß demnach Gott unser Freund und Vater ist, und zwar aus lauter Gnade, allein um Christi willen. Dies ist so leicht nicht anzunehmen, wie es sich wohl ansehen möchte, daher die öftere Wiederholung: Tröstet, tröstet, redet, prediget!
Ist dieser Auftrag besonders an diejenigen gerichtet, welche in der Kirche das Wort haben, so ist auch mir dies Glück zu Teil geworden.
Laßt denn auch mich an diesem ersten sonntäglichen Gottesdienste im neuen Jahre freundlich zu euch reden und euch Gutes wünschen. Was könnte aber zu dem Ende zweckmäßiger sein als eine Betrachtung der Segensformel, womit Gott sein Volk segnet.
Machen wir denn heute im Aufsehen auf ihn damit den Anfang.
4. Mose 6,24-27
Der Herr segne dich und behüte dich, der Herr lasse sein Angesicht leuchten über dir und sei dir gnädig; der Herr hebe sein Angesicht über dich und gebe dir Frieden!
Dies ist das vollkommenste Formular, zu segnen. Die neutestamentliche Kirche hat es mit Recht beibehalten, die Gemeine des Herrn auf diese Weise zu entlassen und im Namen Christi zu segnen. Ich beginne denn heute damit und das um so billiger, da dies der erste Sonntag in diesem Jahre ist, das rätselhaft und verhängnisvoll vor uns liegt. Je dunkler und zweifelhafter es denn nach unten sich gestaltet, desto mehr dringt sich's uns auf und desto ratsamer ist es, nach oben zu schauen.
Die vorgelesenen Worte sind ungemein inhaltreich. Sie umfassen alles, was köstlich und wünschenswert ist. Sie verdienen unsere ganze Aufmerksamkeit. Sehen wir denn
- auf den Ursprung aller gewünschten Güter des ganzes Segens;
- auf das Werkzeug desselben;
- auf die Personen als Gegenstände des Segens und
- auf die Güter, die segnend ihnen zugesprochen werden.
I.
Wer anders ist der Brunnen alles Heils, als der dreieinige Jehovah, der sich im Alten Testament als der Jehovah, als der Engel, d.i. der Gesandte Jehovahs und als der Heilige Geist des Jehovah, wie im neuen Testament als Vater, Sohn und Geist geoffenbaret hat. Alles Gute muß und kann nur von Gott kommen, denn woher sollte es in seinen geringsten und höchsten Abstufungen anders kommen? mag es auch durch Mittel geschehen, so ist er doch der Erste wie der Letzte, und sind ohne ihn alle Mittel kraftlos. Das alles ist von Gott, sagt der Apostel, selbst daß wir tüchtig sind, etwas zu denken. Alle gute und alle vollkommene Gabe kommt von oben herab, von dem Vater des Lichts. Er ist das einige höchst vollkommene Wesen, und das würde er nicht sein, wenn außer ihm noch etwas wirklich Gutes anzutreffen wäre. Außer mir, sagt er, ist nichts. Er allein ist das höchste Gut vernünftiger Geschöpfe, und außer ihm alles löcherichte Brunnen, die kein Wasser geben. Seine Allgenugsamkeit gewährt den weiten Begierden des Herzens volle Sättigung, was alle Kreaturen nicht können. Seine Güte macht ihn willig, unser höchstes Gut zu sein und uns schmecken zu lassen, daß er freundlich ist. Seine Allmacht und Weisheit stellen die kräftigen Mittel dar, uns in seine Gemeinschaft einzuführen, und seine Unveränderlichkeit, uns darin zu bewahren, trotz allem, was uns aus seiner Hand reißen will. Daher heißt es auch in der heiligen Schrift: Der Herr segnet uns, der Herr segnet das Haus Israel, er segnet das Haus Aaron, die ihn fürchten, beide, klein und groß. Der Herr segne euch und eure Kinder je mehr und mehr! (Ps. 115,12). Und am Ende heißt es noch zu ihnen: Kommet her, ihr Gesegneten meines Vaters! Es ist hier aber von einem solchen Segen die Rede, welcher auf das Haupt sündiger Menschen triefen soll. Und also steht sein teurer Gedenk-Name Jehovah hier sonderlich an seiner rechten Stelle. Sünder sind an sich kein Gegenstand des Segens, sondern des Fluchs. Und es mag ungemein leicht, ein solcher Sünder zu sein und unter den erschrecklichen Fluch zu geraten. Man braucht nur an einem zu fehlen, so ist man alsbald des ganzen Gesetzes schuldig. wer nicht alles hält, was geschrieben steht in dem Buche des Gesetzes, ist verflucht. Verflucht ist sogar derjenige, der mit des Gesetzes Werken umgeht, es also zu halten strebt. Aber der Name Jehovah, den sich Gott selbst in dem Gnadenbunde beigelegt hat, bezeichnet ihn als einen solchen, der Sündern mit seiner Gnade entgegenkommt, ja der sich gegen sie durch Verheißung der Gerechtigkeit und des Lebens eidlich verpflichtet und sie dadurch ermächtigt, von seiner Treue und Wahrheit alles getrost zu erwarten, was ihnen zur Erlangung der höchsten Glückseligkeit nötig war. O, wie lieblich ist demnach der Name Jehovah, der auch in dem Namen Jesus eingeschlossen ist, außer welchem kein Name unter dem Himmel den Menschen gegeben, darinnen sie können selig werden! O, wie herrlich muß derselbe einem gedemütigten Herzen klingen! Welche Aufmunterung zum Vertrauen liegt darin, welche Lockung zum Kommen, sich an ihn zu wenden! Und dieser Name ertönt dreimal nach einander. Ja, dies war die herrlichste Tempelmusik, die das höchste Wesen als segnend darstellt, daß er freundlich ist und seine Güte währet ewiglich. Gnade sei mit euch und Friede von dem, der da ist und der da war und der da kommt, das ist eben der Name Jehovah.
Die dreimalige Wiederholung des nämlichen teuren Namens deutet auf die erwünschte Dreiheit der Personen in dem einigen göttlichen Wesen. So ist's ja auch mit dem Wunsche, womit wir jedesmal bei unserm öffentlichen Auftreten vor der Gemeine dieselbe betend begrüßen, worin des Vaters Liebe, des Sohnes Gnade und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes angewünscht wird, daß sie mit allen sein möge. Wir wissen ja auch, daß die Lehre der Dreieinigkeit in den Schriften des Alten Testaments geoffenbaret ist, was wir aber jetzt als bekannt voraussetzen.
Ohne mit diesem wichtigen Geheimnisse bekannt zu sein, könnten wir nicht verstehen, wie Gott der Freund und Vater der strafbaren und unwürdigen Sünder sein könne. Aber nun sehen wir den Weg zum Vater, denn der Vater ist das herrliche Ziel, der lebendige Weg dazu ist der Sohn, der treue Führer auf demselben ist der Heilige Geist. Ohne den Vater gäbe es kein Ziel, ohne den Sohn keinen Weg, ohne den heiligen Geist keine Möglichkeit, auf diesem Wege zu wandeln. Diese drei aber sind eins. Der Sohn hat das Lösegeld für die Schuldigen entrichtet, der Vater als Richter hat es entgegengenommen, der Heilige Geist eignet es zu, indem er den Glauben wirkt. Und so wird hier insbesondere Jehovah dem Vater das Segnen und Behüten, Jehova dem Sohn die Gnade und das Erleuchten des Angesichts, Jehovah dem heiligen Geiste die Schenkung des Friedens und das Erheben seines Angesichts über uns zugeschrieben.
II.
Das Werkzeug des Segens war der Hohepriester, der diesen Segen nach vollendeter vorbildlicher Versöhnung in sein goldenes Prachtgewand gekleidet über der auf dem Angesicht liegenden Gemeine mit lauter Stimme aussprach, welches alsbald durch angezündete Feuer und auf sonstige Art in kurzer Zeit im ganzen Lande bekannt gemacht wurde und große Freude brachte, denn an diesem Tage geschah ihre Versöhnung, daß sie gereinigt wurden, von allen ihren Sünden wurden sie gereinigt vor dem Herrn (3. Mos. 16,30). Ist das nicht merkwürdig? Offenbar erlangten sie den Segen nicht infolge treuer Pflichterfüllung, sondern infolge eines Opfers, das nicht sie, sondern der von Gott verordnete Priester in vorgeschriebener Weise für sie dargebracht hatte.
Noch immerdar kann und soll sich niemand den Segen durch eigene Werke erwerben. Mag auch die nur den Werkbund ahnende Natur keinen andern Weg kennen und wollen, so bleiben doch diejenigen, die ihn einschlagen, unter dem Fluche, denn durch des Gesetzes Werk wird niemand gerecht vor Gott. Der wahrhaftige Hohepriester Jesus Christus ist allein das Werkzeug des Segens in Kraft seines einmaligen, vollgültigen Opfers. Gott segnet uns durch Christum und auf keinem andern Wege, als insofern jemand in Christo ist. Alsdann ist auch keine Verdammung mehr an ihm, der nicht nach dem Fleisch, sondern nach dem Geiste wandelt.
Unser Hohepriester opferte sich selbst und ward sogar an unserer Statt ein Fluch, damit er uns den Segen erwürbe. Er ist nun der Weg. Nie, nie müssen wir den Grund der Hoffnung, des Segens teilhaftig zu werden, in uns selbst, sei es in unserm Wohlverhalten, sei es selbst in unserm Glauben oder in unserer Liebe, suchen und darein setzen, oder wir bauen neben dem Fundament. Wir müssen uns wohl und tief einprägen, daß unsere ganze Seligkeit stehe in dem einigen Opfer Jesu Christi, einmal am Kreuz geschehen. Verklärt uns dies der Heilige Geist, so werden wir auch durch denselben stets einen Zugang zu diesem Segen haben können, von welchem uns sonst das Gefühl unserer stets währenden Unwürdigkeit zurückschreckt. an jenem großen Tage, da der Sohn Gottes unter dem Triumphgeschrei: „Es ist vollbracht“ verschied, da geschah unsere Versöhnung. Da wurden wir, so wir's im Glauben annehmen können, gereinigt von allen unseren Sünden. Das ist Grundes genug und überflüssig, allen Segen mit völliger Zuversicht zu erwarten, und wir werden es thun, so wir es verstehen. Er hat uns versöhnet, daß uns Gott seine Huld gönnet.
Wurde unter dem Alten Testament die glücklich vollendete, vorbildliche Versöhnung alsbald im ganzen Lande kund gemacht, so geschieht das nämliche, oder soll wenigstens überall geschehen mit der wirklichen, durch Christum gestifteten Versöhnung durch sein Blut, denn Gott hat unter uns aufgerichtet das Wort von der Versöhnung. So bitten wir nun an Christi Statt: Lasset euch versöhnen mit Gott! Haltet ihn um Christi willen für euren Freund und werdet seine Freunde! Verursachte jene Botschaft in Jerusalem und im ganzen Lande große Freude, da es doch nur etwas Bildliches, der Schatten war, wie viel inniger soll die Freude aller gebeugten Sünder jetzt sein, da wir in Christo den Körper, das Wesen selbst haben, und wie innig und wohlbegründet ist sie bei denen wirklich, die daran glauben und dem Amt gehorsam sind, das die Gerechtigkeit predigt. Dort ward der Segen mit lauter Stimme ausgerufen, und die Juden erzählen unglaubliche Dinge, wie viel Stunden Wegs man ihn und sonderlich den Namen Jehovah habe vernehmen können. Freilich, die Welt mag nur ungern von Christo, dem Gekreuzigten, hören. Er ist ihr Thorheit, er ist ihr Ärgernis. Aber es geht sie auch nichts an. Ich bitte nicht für die Welt, sondern für die, die du mir gegeben hast. Ihr Ekel an diesem Worte des Lebens macht ihnen dasselbe zu einem Geruche des Todes zum Tode und ist, wenn er fortdauert, ein Zeichen ihrer Verwerfung. Sie glauben nicht, denn sie sind seine Schafe nicht. Gedemütigten Seelen ist aber das Wort des Friedens desto erquicklicher, mit je lauterer Stimme ihnen das Wort vom Kreuze tönt und je weniger man etwas wissen, etwas rühmen, etwas gelten lassen will, als das Kreuz Christi. Wie erweiset sich diese Predigt: So hat man Ruhe, so wird man stille, so erquicket man die Müden, auch so kräftig an viel tausend Seelen, an allen, die dran glauben. Sie hat Wirkungen, die man in der That für unglaublich halten sollte, die aber doch sehr wahr und wesentlich sind. Sind sie's nicht? Redet ihr, o Seelen, die ihr's aus Erfahrung kennt, und preiset den Herrn. Gewiß, ihr wollt nichts anderes, als Christum, das A und O.
Der Hohepriester sprach den Segen nicht in seinem gewöhnlichen, sondern in seinem Prachtgewande. Sein Opfer brachte er barfuß in einem schneeweißen Bußgewande ohne Zier, ein Schattenriß Christi im Stande seiner Erniedrigung, wo er sich selbst äußerte und gehorsam ward bis zum Tode, ja zum Tode am Kreuze. Darauf aber legte jener vorbildliche Hohepriester, wenn sein Opfer vollendet war, seine goldenen Kleider an. Auf sein Haupt setzten andere Priester den schneeweißen Turban mit der goldenen Platte, worauf die Worte geprägt waren: Heiligkeit dem Jehovah. Seine Brust und Schultern schmückten sie mit den 24 kostbaren Edelsteinen, wie sie heutzutage wohl nicht mehr zu finden sein möchten, worauf die Namen der 12 Stämme eingegraben waren. Sie umhingen ihn mit einem himmelblauen Mantel, unten verbrämt mit goldenen Glöcklein und künstlich geflochtenen Granatäpfeln. so geschmückt trat er fröhlich vor den Tempel und sprach über die knieende Gemeine den Segen mit also verschränkten Fingern, daß sie die Zahlen I, II und III andeuteten und so auf die Dreieinigkeit hinwiesen. Dies ist ein Schattenriß Christi in seiner Erhöhung und Herrlichkeit, da Gott ihn erhöhet und ihm einen Namen gegeben hat, der über alle Namen ist.
Die Herrlichkeit unseres Hauptes Christi nützt uns dazu, daß er seine himmlischen Gaben in uns, seine Glieder, ausgießt und uns mit seiner Gewalt wider alle Feinde schützet und erhält. Nachdem er die Reinigung unserer Sünden gemacht hat durch sich selbst, hat er sich gesetzt zur Rechten der Majestät Gottes in der Höhe. Er ist der Pfleger und Austeiler der himmlischen Güter. Nicht wie der alttestamentliche Hohepriester verschloß er hinter sich den Tempel und ließ keinen einzigen hinzutreten, sondern er ging nur als unser Vorläufer, uns die Wohnung zu bereiten, als unser Haupt, so daß wir unser Fleisch zu einem sichern Pfand im Himmel haben, daß er uns, seine Glieder, auch zu sich werde hinaufnehmen. Ja, wir sind sogar mit ihm in das himmlische Wesen versetzt. Von seinen Händen trieft aller Segen auf uns hernieder, denn ich heilige mich selbst für sie, auf daß auch sie geheiligt seien in der Wahrheit. Glückselige, für welche der große Hohepriester erniedrigt ward, ihnen das Heil zu erwerben! Glückselige, um deren willen er erhöhet ward, ihnen das erworbene Heil zuzueignen in Kraft des Heiligen Geistes!
III.
Haben wir denn den Ursprung und das Werkzeug des Segens betrachtet, so laßt uns nun erwägen, welche die Gegenstände desselben sind. Die dreifache in einander greifende Quelle des Segens und aller wahrhaften Güter schüttet sich aus in einen armen, fluchwürdigen, leeren Sünder. Der Hohepriester ruft im Namen des Herrn sechsmal dich: Jehovah segne dich und behüte dich u.s.w. Die sechsmalige Wiederholung des Cha, des „Dich“, macht mir mancherlei Bedenken. Unwillkürlich fallen einem ja die sechs Schöpfungstage ein, und hier erscheinen ja eben so viel Gnadenschöpfungen und Wunder. Noch mehr erinnern wir uns der ewig denkwürdigen sechs Fluch- und Segensstunden, in welchen unser Hohepriester am Kreuz unsere Versöhnung vollendete. Was wird's sein, wenn die siebente Zahl hinzukommt, und das Stückwerk von der Vollkommenheit verschlungen wird! Sechsmal wird das Cha, das Dich wiederholt, zur Beschämung des immer und immer wieder auftauchenden Unglaubens und zur Ermunterung, wo nicht beim ersten und zweiten, doch beim dritten, vierten, fünften, sechsten Dich sein gläubiges Amen entgegen zu rufen und zu antworten: Ja mich, mich, mich! Sechsmal, denn es geht aus Glauben in Glauben. Noch besser, noch zuversichtlicher, noch ununterbrochener geglaubt auf Hoffnung, wo nichts zu hoffen ist! Darum betonte, wie uns die Hebräer berichten, der Hohepriester das Cha auch ganz besonders scharf und dehnte es sehr lang; denn freilich, ohne Glauben nützt der ganze Segen nicht. Ohne Glauben ist's unmöglich, Gott zu gefallen. Wer nicht glaubt, wird verdammt, und der Zorn Gottes bleibet über ihm; denn er glaubt dem Zeugnis Gottes nicht, denn dies Dich enthält zugleich eine Ausschließungsformel. Dich, Dich und keine anderen. Dich, o Israel, und sonst niemand. Ihr sollt die Kinder Israel segnen und zu ihnen sagen: Es sind nicht alle Israeliten, die von Israel abstammen; auch nicht alle, die Abrahams Samen sind, sind darum auch Kinder, sondern in Isaak soll dir der Same genannt werden. Das ist: Nicht sind das Gottes Kinder, die nach dem Fleisch Kinder sind, sondern die Kinder der Verheißung werden für Samen gerechnet. Aber macht dies nicht die ganze Sache sehr zweifelhaft und ungewiß? Keineswegs. Entweder glaubst du nicht, welches du dadurch beweisest, daß du das Ganze als für dich wertlos von dir weisest, und dieser dein Unglaube ist ein Beweis, daß Gott keinen Gefallen an dir hat, ein Beweis deiner Ausschließung von dem Segen, so lange du in dem Unglauben beharrest, oder du glaubst. Und o, selig bist du, die du geglaubt hast, denn es wird erfüllet werden, was der Herr dir geredet hat. Mag es nun ein völliger Glaube sein, der da sagen kann: Ich bin gewiß, oder ein durstiger, der's weniger genießt als begehrt; mag es ein ringender Glaube sein, der mit Thränen schreiet: Ich glaube, lieber Herr, hilf meinem Unglauben, oder ein siegendes Vertrauen, welches rühmt:
Laß Erd' und Himmel fallen hin,
mir ist Gewinn,
wenn ich allein bei Jesu bin.
Dem Glauben sind alle Verheißungen gegeben. Glaube an den Herrn Jesum, so wirst du und dein Haus selig, so gehört dir auch der ganze Segen mit allen seinen Gütern an.
IV.
Der Güter, die Israel zugewünscht werden, sind sechst. Sie stehen in einer so genauen Verknüpfung mit einander, daß, wer eins bekommt, auch die übrigen empfängt, sie sind alle von höchstem und unvergleichlichem Werte, alle Wirkungen der Liebe Gottes und Früchte des Verdienstes Christi. Diese Güter stehen in einer solchen Ordnung, daß jedem, der Jehovah heißt, zwei derselben zugeschrieben und von ihm insbesondere angewünscht werden. Nichts steht uns auch im Wege, daß wir nicht die beiden ersten Güter insbesondere dem Vater, die beiden folgenden dem Sohne und die zwei letzten dem heiligen Geist zuschreiben. Auf den Namen dieses dreieinigen Gottes werden wir getauft und wird uns dadurch die Zusicherung gegeben, daß alle drei hochgelobten Personen das ihrige gnadenvoll zu unserer Seligkeit beitragen wollen.
Das erste Gnadenwerk nun, was insbesondere dem Vater zugeschrieben wird, ist das Segnen. Jehovah segne dich. Dies ist die Quelle und der Anfang alles Wohlergehens, denn es bezeichnet den guten Willen Gottes gegen jemand. Und was köstlicher sein wie der! Wie solle es jemand, über den des Herrn guter Wille waltet, übel, wie sollte es ihm anders, als gut gehen und gehen können! Denn welcher er will, erbarmt er sich. Sein Wille ist die Quelle unserer Heiligung und folglich auch unserer Herrlichkeit. Segnet ein Mensch den andern, so besteht das darin, daß er ihm herzlich Gutes zuwünscht. Wir nennen das Grüßen, jemanden einen guten Tag, einen guten Abend und dergl. wünschen; Das sollte nicht so obenhin und gedankenlos geschehen, wie es gewöhnlich geschieht, und mit gläubigen Aufsehen auf den Herrn, daß er, durch den alle Segnungen von Gott auf uns herabkommen, unsern Grüßen und Wünschen Kraft und Erfolg verleihen möge. Dann wäre es ein christliches, Gott gefälliges Grüßen, es wäre eine Ausübung unsers Priestertums, das wir in Christo besitzen, ein bedeutsames Stück des Gottseligkeit. Daher schließt der Apostel fast alle seine Briefe mit einem eigenhändigen Gruß, bestellt Grüße von andern, trägt welche auf und füllt das 16. Kap. des Römerbriefes fast mit lauter Grüßen von andern und an andere. Isaak, Jakob und Moses erteilten den Segen auf prophetische Weise und im Namen, anstatt Gottes, und so ward er einer Weissagung und Verheißung gleich. Jehovah aber segnet nicht mit bloßen Worten und Wünschen, und wenn er's thäte, so sind doch seine Worte Schöpfungen und seine Wünsche Werke. Sein Segen ist ein bestimmtes Zuerkennen und ein wirkliches Mitteilen des Guten, daher macht sein Segen reich ohne Mühe. Bauet schon des Vaters Segen Kindern Häuser, bauet der Frommen Segen eine Stadt, wie Salomo sagt, was muß dann Gottes Segen selbst thun! Wie herrlich tönt es demnach, wenn es heißt: Jehovah segne dich. Und wenn hinzugefügt wird: Behüte dich, so bezeugt dies die Unwandelbarkeit und die Fortdauer des Guten, verbunden mit der Abkehrung alles Übels. Wie viel liegt dann schon in diesen zwei Worten! So viel, daß diejenigen, welche zum Besitz der ewigen Seligkeit und Herrlichkeit eingeführt werden, Gesegnete des Herrn heißen.
Erlaubet mir, hier abzubrechen, vergönnt's mir aber zugleich, daß ich dieses Wort: Jehovah segne dich, und behüte dich u.s.w. an diesem Sonntage des neuen Jahres als ein Diener des Evangeliums über euch ausspreche und es mit Inbrunst auf euer Haupt niederlege.
Ja, Jehovah segne und behüte dich und lehre dich zugleich, demütig und dankbar allen Segen und allen Schutz von oben herab zu heischen. Sind gleich irdische Segnungen diejenigen, welche der Wirklichkeit nach zwar ihren Wert haben, doch die niedrigste Stelle einnehmen, so lasse der Herr es euch keineswegs im allgemeinen daran mangeln, was den Flor von Handel und Gewerbe betrifft, Gesundheit, Friede und gute Zeit. Er kehre auch mit seinem Segen in eure einzelnen Wohnungen ein und verleihe euch Fleiß, Genügsamkeit und Verstand nebst dem glücklichsten Gedeihen eurer Betriebsamkeit mit einem vergnügten Herzen, Jehovah behüte euch vor jeglichem Übel, wovon die Welt, und namentlich unsere kreisende Zeit überfüllt ist. Seines Schutzes Flügel seien stets und dicht über dir ausgebreitet und seiner Allmacht Schirm sei fortwährend dein Dach, du liebes Elberfeld!
Noch vielmehr segne Jehovah dich im Geistlichen und der Seele nach! Er hat das an nicht wenigen wunderbar und gnädig gethan. Er thue es fort und fort an immer mehrern und lasse seine Segnungen noch stärker gehen, als bisher! Das Wort Christi wohne reichlich unter dir und laufe wie ein Feuer! Er segne dich zum Anfang des neuen gottseligen Lebens und Herzens mit bußfertiger Sündenerkenntnis und mit wahrem Glauben an den Herrn Jesum, so daß auch du bekehrt und selig werdest! Er segne dich zum glücklichen Fortgang und Wachstum und lege dir seine Hände abermal und abermal aufs Haupt, bis du alles recht siehest, verstehest, übest! Er behüte dich vor des Teufels List und Macht und deines eignen Herzens Tücke in dieser gefährlichen, versuchungsvollen Zeit, wo, wenn es möglich wäre, auch die Auserwählten versuchet werden würden in Irrtum! Er behüte dich ohne Fehl und stelle dich unsträflich vor das Angesicht seiner Herrlichkeit mit Freuden! Amen.