Krummacher, Gottfried Daniel - Das Haupt der Gemeine (3)
Der heilige Apostel heißet die gläubigen Korinther Kap. 1, 26. die Gemeine ansehen, wo sie nicht viel weltliche Weise und edle Glieder unter sich gewahr werden würden, und fügt dann im folgenden Verse hinzu, daß Gott das Törichte, Schwache, Unedle, Verachtete, ja was nichts ist, erwählet habe. Dies ist eine alte, fortwährende Regel, die Gott in seiner Haushaltung befolgt, und wovon es im großen und kleinen, im ganzen und einzelnen, vielfache Beweise gibt. Das ganze Volk Israel ist ein Beleg davon. Es gab, wie Gott selbst sagt, andere Völker, welche in aller Absicht dieses Volk übertrafen; er ging aber an ihnen vorbei und nahm diese heraus. Was waren doch die Apostel für Leute, um sie unter die Völker zu senden, wie gar nicht geeignet, daß durch solche der Zweck erreichbar schien, wozu sie gesandt wurden! An Gelehrsamkeit fehlte es ihnen, Paulus ausgenommen, ganz, und sie schien doch sehr nötig, um bestehen zu können, wenn sie mit Gelehrten möchten zu tun haben, wo sie ja Gefahr liefen, in ihrer Unwissenheit und Blöße dargestellt zu werden. An Beredsamkeit fehlte es ihnen nicht weniger, und die galt doch bei den Heiden alles, und offenbar konnten sie weder gegen das Eine noch gegen das Andere an. Wurden sie nach weltlicher Gelehrsamkeit und Beredsamkeit gefragt, so mußten sie sich für überwunden erklären; sie durften sich auch der Vorschrift ihres Herrn gemäß auf nichts vorbereiten, sondern mußten sich auf eine außer ihnen befindliche, fremde Weisheit verlassen, die ihnen zur Stunde gegeben werden sollte. Was ist das aber für ein mißlicher und schmaler Weg für die Vernunft; ja, nehmen wir an, daß in den angeführten Worten auch gleichsam der Reiseplan und der Entwurf der Führung jedes Einzelnen enthalten ist, so möchte man ja auch ausrufen: Das widerfahre dir nur nicht! Soll dasjenige, was weise und stark, ja sogar das, was etwas in uns ist, zu nichts werden, so sieht's seltsam und bedenklich aus. Ob das auf eine liebliche oder schmerzhafte Weise zugehet, davon werden wir wohl nicht eher richtig zu urteilen imstande sein, bis die Reihe an uns kommt, und bis wir die Erfahrung davon machen. Überhaupt mag zwischen dem wirklichen Christentum, das nicht in Worten, sondern in Beweisung des Geistes und der Kraft bestehet, und der Vorstellung, die sich unser Verstand davon macht, wohl ein größerer Unterschied stattfinden, als man meint, und ein Geförderter andere Ansichten davon haben, als ein Anfänger. So viel scheint gewiß oder ist vielmehr gewiß, daß es eine sehr herrliche Sache um ein wahres Christentum sei, daß man aber dabei nicht klimmt, sondern herunter steigt. Die Erfahrung weist es so aus. Es wird uns zugemutet, sehr armselige Gedanken von uns selbst zu haben, wozu uns auch unsere diesmalige Betrachtung manches an die Hand geben kann.
Er wird sein Füllen an den Weinstock binden und seiner Eselin Sohn an den edlen Reden. Er wird sein Kleid in Wein waschen, und seinen Mantel in Weinbeerblut.
Seine Augen sind rötlicher denn Wein, und seine Zähne weißer denn Milch.
1. Mose 49,11.12.
Der fromme Erzvater hat von einer merkwürdigen Person geredet, welche aus Juda entspringen wird, und hier beschreibt er:
- seine Tat, - seine Eigenschaften.
Was seine Tat anbetrifft, heißt's davon: Er wird sein Füllen an den Weinstock binden etc. Dies scheint teils nichts großes oder sonderliches zu sein, teils etwas seltsames und ungereimtes. Überhaupt, so edel und erhaben das vorhin gebrauchte Bild von einem Löwen, so gemein und unedel ist das Bild von einem Esel; und das Binden desselben an den Weinstock und an den edlen Reben scheint eine Handlung zu sein, die man eher lächerlich als bemerkenswert finden möchte, die wenigstens nichts wichtiges ist. Ein Esel ist ein vor andern her verachtetes Geschöpf. Seine Gestalt, seine Stimme, seine Eigenschaften, sind auch gar nicht geeignet, ihm Achtung zu verschaffen. Er scheint dazu geboren, von jedermann unter die Füße getreten zu werden und bekommt nur Spreu und Disteln zum Lohn seiner Arbeit und zur Unterhaltung seines Lebens. Man bürdet ihm die schwersten Lasten auf und schlägt ihn noch dazu. Es ist seltsam, wie er sich in diese Weissagung gleichsam verirrt, und wie Jakob gegen alle Regeln des Geschmacks und der Wohlredenheit von einem Löwen auf einen Esel gerät. Dies Bild ist gar nicht geeignet, um von seinem Schilo und dessen Thun eine hohe Vorstellung zu erregen, und man sollte denken, Jakob hätte wohl etwas vortrefflicheres von demselben angeführt, als seinen Esel und dessen Füllen, welche gar keine Bilder des Reichtums, der Macht und der Ehre sind, sondern eher etwas niedrigeres andeuten. Ist's anders nichts? möchte man sagen. Bist du's, der da kommen soll? Ja Juda, du bist's! das Binden eines Esels an den Weinstock und an den edlen Reben scheint auch eher etwas ungereimtes und zweckwidriges, als etwas von Bedeutung zu sein, und nur auf eine ungewöhnliche, wunderliche Handlungsweise zu deuten, die manchem eher lächerlich als ehrwürdig vorkommen möchte, wo man's nicht gar anstößig und unnatürlich finden möchte. Das ist alles wohl wahr.
Wir müssen aber wissen, daß der Heilige Geist, durch welchen getrieben, die heiligen Männer Gottes geredet haben, zwar Beweise genug in vielen Stücken der heiligen Schrift gegeben hat, daß er seine Werkzeuge, die Propheten, mit einer Beredsamkeit begeistern kann, wogegen alles weit zurück bleibt, was es sonst an Beredsamkeit begeistern kann, wogegen alles weit zurück bleibt, was es sonst an Beredsamkeit gibt, daß er's aber dennoch gar nicht die Mühe wert geachtet, sein Buch, die Heilige Schrift, durch genaue Befolgung der Regeln der Beredsamkeit auch solchen zu empfehlen, denen der Inhalt derselben gleichgültig und unverständlich bleibt; daß er sie weit eher in einer Art hat aufsetzen lassen, die sehr geeignet ist, solche abzuschrecken, die für den Inhalt keinen Sinn haben. wie wenig ladet z.B. das Geschlechtsregister, womit Matthäus die erste Seite des neuen Testaments beginnt, zur Fortsetzung ein! Wie wenig Zusammenhang ist manchmal unter den Sprüchen sichtbar, und wie kommt nirgends das geringste vor, das bloß dazu dastände, den Lesern Vergnügen zu machen. Wie trocken werden die allererhabensten Gegenstände, wie z.B. das Leiden Jesu Christi erzählt, gerade als wäre den Beschreibern selbst nichts, oder doch beinahe nichts daran gelegen gewesen, und als wollten sie ihre Leser auch gar nicht dafür interessieren. Nie wird ein Lehrsatz für sich abgehandelt, daß man etwa ein Kapitel fände, das z.B. von der Dreieinigkeit, ein anderes, das von dem Verderben des menschlichen Herzens, wieder eins, das von der Erlösung durch Christum, eins, das von der Rechtfertigung, und eins, das von der Heiligung handelt, etwa wie der Katechismus verfährt. Wäre unsere Weisheit bei Abfassung der Schrift zu Rate gezogen worden, so möchten wir ihr wohl eine solche systematische Form gegeben und damit dem Meinungsstreit vorgebeugt haben. Aber auch in dieser Hinsicht waren unsere Gedanken nicht die des Herrn. Nach der herrlichen Fülle, womit die Apostel redeten und schrieben, bringen sie überall ein ganzes hervor und reden z.B. von der Rechtfertigung so, daß alsbald ihre Frucht in der Erneuerung zum Vorschein kommt; bald redet die Schrift so, als ob der Mensch das Gute aus sich selbst zustande bringen könne, und gibt ihm die größten Gebote, daß es sogar heißt: Ihr sollt vollkommen sein, wie euer Vater im Himmel vollkommen ist, und indem man im Begriff ist, daher den Schluß zu leiten, als ob jedem Menschen das dazu erforderliche Vermögen inwohne, tritt wieder eine andere Gedankenreihe in den Weg, die ihm alles Vermögen, sogar etwas zu tun, alles Vermögen, etwas zu denken, gänzlich abspricht, oder beides auf die seltsamste Art aneinander knüpft, wenn sie z.B. sagt: Schaffet, daß ihr selig werdet mit Furcht und Zittern; denn Gott ist es, der in euch wirket beides, das wollen und Vollbringen, nach seinem Wohlgefallen.
Auch dies gehört zu der unvergleichlichen Weisheit, womit die Heilige Schrift aufgesetzt ist, so daß es dergleichen Bücher weiter nicht geben kann, wobei es nicht so sehr darauf ankommt, was, als wie man lieset, weswegen auch Jesus ebensowohl sage: Sehet zu, was, als wie ihr höret. Die Jünger hatten ohne Zweifel die Schrift auch gelesen, sie verstanden sie aber erst dann, als Jesus ihnen das Verständnis öffnete, was auch an uns geschehen muß. Ferner gibt die Heilige Schrift selten oder nie bestimmte Erklärung ihrer Lehren und Gebote, etwas den Glauben ausgenommen, wovon Paulus sagt: Es ist aber der Glaube eine gewisse Zuversicht des, das man hoffet, und nicht zweifelt an dem, das man nicht siehet. Sie sagt nirgend, was sie unter Liebe, Fleisch, Geist, alter und neuer Mensch, die Versöhnung, der Gerechtigkeit Gottes u. dergl. versteht, etwa wie im Katechismus Fragen beantwortet werden, was die Wiedergeburt etc. sei; und wenn die Apostel heutzutage predigten, so möchten ihre Predigten schwerlich einen größern Beifall finden als ihre Schriften. Wir haben also noch einen Ausleger der heiligen Schrift nötig und werden an den heiligen Geist, als denjenigen verwiesen, der uns alles lehren werde. Es ist demnach gar nicht zu verwundern, wenn ungeheiligte Gemüter der heiligen Schrift nicht hold sind, und nicht nur ihre Bilder, sondern auch ihre Art und sogar ihren Inhalt seltsam und widerwärtig finden. Mögen sie es auf ihre Gefahr, sie bleibt doch, was sie ist. Sie ist dem Frommen eine Leuchte seines Fußes; sie redet auch da wahre und vernünftige Worte, wenn ein Festus ruft. Du rasest.
Auch die Bilder, die Jakob von seinem Schilo in unserm Text braucht, mögen sie auch dem gebildeten Geschmack nicht einleuchten, enthalten teils lauer Wahrheiten, teils viele Herrlichkeiten. Jakob trägt kein Bedenken, seinen Schilo als einen solchen vorzustellen, der seinen Esel an den Weinstock bindet, der also etwas ungewöhnliches und ungereimtes tut; denn wer bindet wohl einen Esel an einen Weinstock? Aber erschien nicht Christus bei seinem Auftreten in der Welt wirklich so seltsam, daß er selbst den für selig erklärt, der sich nicht an ihm ärgert, und Johannes ihn fragen läßt: Bist du, der da kommen soll? Er findet noch stets wenig Aufnahme, ja man ist feindselig gegen ihn gesinnt, obschon man's nicht Wort haben will. Die eitle Welt macht sich selbst einen Christus, der als Tugendlehrer und Vorbild figuriert, mit dessen Nachfolge sie sich aber gar nicht sonderlich abgibt, der als Märtyrer für die Wahrheit seiner Lehre gestorben sein soll, die sie nicht glaubt und es noch besser wissen will. Gegen einen solchen Christus hat die Welt nichts einzuwenden, denn er ist einer nach ihrer Mode, der keinen Esel an den Weinstock bindet. Ist das eine seltsame Handlungsweise, die sonst nirgends Mode ist, wer kann's leugnen, daß Jesus seltsam in seiner Lehre, seltsam in seinem Verhalten war und ist? Seine Lehre ist wirklich so schnurstracks den Gedanken des natürlichen Menschen entgegen gesetzt und zieht so entschieden, nicht nur gegen alles, was jeder Sünde und Laster nennt, sondern selbst gegen alle eigene Weisheit, Gerechtigkeit und Kraft zu Felde; sie ist für die Eigenliebe so kränkend, daß Jesus wohl Ursache hatte, davor zu warnen, daß man sich seiner Worte nicht schämen solle, und Paulus zu sagen: Er schäme sich des Evangeliums nicht; denn wirklich gehet dasselbe so gegen die vorgebliche ausgemachteste Weisheit an, daß derjenige, der in der Welt für weise und einsichtsvoll gelten will, sich des Evangeliums enthalten, derjenige aber, der dasselbe als Gottes Weisheit und Kraft umarmt, sich gefallen lassen muß, für einen Narren, Schwärmer, ja gar gefährlichen Menschen, gehalten zu werden. Leider schämten die Kirchenlehrer schon in den ersten Jahrhunderten sich der christlichen Lehre vor den heidnischen Weisen und fürchteten sich so sehr, von ihnen ausgelacht zu werden, daß sie die Lehre selbst entstellten und ungern mit der Sprache heraus wollten. Wage es jemand, die menschliche Natur als durchaus verderbt zu schildern, eigene Werke und eigenes Wollen und laufen als vergeblich darzustellen, und die erbarmende Gnade Jesu Christi als die einzige Rettung zu verkündigen, so kommt's zwischen ihm und dem ansehnlichen Teil der Welt zu einem Bruch, den er vielleicht mit dem Leben büßen muß, wofür er wenigstens ihren Zorn erntet.
Seltsam war der Schilo auch in seinem Verhalten, und gar nicht nach der Mode, sondern band sein Füllen an den Weinstock. Hinter seinem Rücken lästerte man ihn wohl als einen Fresser und Weinsäufer; aber wenn er sie ins Angesicht fragte: Wer kann mich einer Sünde zeihen? dann mußten sie schweigen. Sonst möchte man in der Tat wohl sagen, daß er statt stolzer Rosse verächtliche Esel erwählte und sie selbst anband; denn mochte die Verachtung groß sein, welche auf Zöllnern und Sündern ruhte, so verschmähte er sie, so viel ihrer bußfertig waren, so wenig, daß seine Feinde wirklich die Wahrheit von ihm sagten, wenn sie sprachen: Dieser nimmt die Sünder an und isset mit ihnen. Dazu kam noch seine Äußerung: Daß er nicht gekommen sei, die Gerechten zur Buße zu rufen; daß er gekommen sei, die Sünder selig zu machen, das Verlorene zu suchen; und sein Verhalten, wo er die für gerecht gehaltenen Personen angriff, daß man wohl merkte, mit ihm sei nicht zurecht zu kommen, es sei denn, daß man von sich selbst sehr armselige Gedanken hege, wozu sowohl damals als jetzt nur wenig Leute geneigt sind, auch sonderlich keine Ursache dazu zu haben glauben, und lieber die Würde der menschlichen Natur gepriesen haben. Indessen findet der heilige Assaph kein Bedenken, zu sagen: Ich bin wie ein Tier vor dir. Mag ein Esel die verachtetste unter allen Kreaturen sein, so ist doch kein unvernünftigeres Geschöpf höher geehrt worden als gerade er; denn ein Esel war's, der klüger redete, als der aufgeblasene Prophet, der darauf ritt, und ein Esel, nicht ein Roß war's, der gewürdigt wurde, den Herrn des Himmels und der Erde auf seinem Rücken zu tragen. Mag uns ein Esel lächerlich sein, so war es doch dieses Tier, von dem der große Erzvater hier und hernach im prophetischen Geiste weissaget. Und es bleibt gewiß, daß Gott noch stets das erwählt, was verachtet, und liegen läßt, was ansehnlich vor der Welt ist. Wäre es nicht lächerlich anzuhören, so würde man eine ernste und beherzigenswerte Wahrheit aussprechen, wenn man sagte: Es sei besser, in Jesu Reich ein Esel, als im Reich des Teufels ein König zu sein. Mögen die Gläubigen verachtet sein bei der Welt, so sind sie doch groß in den Augen Gottes.
„Er wird sein Füllen an den Weinstock binden!“ Dieses seltsame Bild enthält neben der Wahrheit auch viel Herrliches. Dies Tier erinnert an den Frieden, denn zum Krieg bedient man sich der Rosse, und wenn Offenb. 19 Christus als streitend und siegend vorkommt, so wird er als reitend auf einem Pferde vorgestellt. Der Esel bedient man sich in Zeiten des Friedens. Der Schilo ist der rechte Friedensfürst, er bringt den Frieden zwischen Gott und den Menschen, zwischen Himmel und Erde, er bringt Frieden in die Seele, indem er sowohl das Gewissen beruhigt, als auch die Gemütsbewegungen ordnet, daß das Herz nicht mehr einem ungestümen Meere gleicht, das nicht still sein kann, sondern einem stillen See, auf dessen spiegelglatter Oberfläche sich die Sonne und der ganze Himmel abbildet. Er zieht das Gemüt aus der Mannigfaltigkeit der Sorgen und Mühen in das allgenugsame völlig befriedigende Eins, was not ist, er sammelt die Seele, die sich in der Menge ihrer Wege zerarbeitet, daß sie in ihm Frieden, wenn sie auch in der Welt Angst hat. Und o, wo ist ein Friede, wie derjenige, den er gibt! Er ist höher als alle Vernunft. Wo ist ein Friede, der so begehrenswert wäre? Denn wo er ist, da hat man allenthalben Frieden auf alle Weise, auch mit den Tieren auf dem Lande, wie Eliphas, Hiob 5,23 sagt. Und wenn er stillt, wer will beunruhigen? sagt Elihu Hiob 34,29. Mag nun das Bild etwas grob sein, desto feiner ist die Sache, worauf es deutet. Dies Bild deutet auf eine ungemein glückselige Zeit hin. Sind sonst Disteln und Spreu die Nahrungsmittel, womit ein Esel sich begnügt, so bindet ihn der Schilo an den Weinstock, um das Vortrefflichste zu genießen, was es unter den Gewächsen auf Erden gibt, um ungewöhnlicher Weise Wein zu trinken, von dem Jotham in seiner Fabel Richter 5 sagt, er erfreue das Herz der Götter. Dies ist das höchste Bild glückseliger Zeiten, denn was muß andern zu teil werden, wenn dieses verächtliche Tier so hoch gehalten wird? Die Propheten bedienen sich ähnlicher Bilder der durch den Messias zu bewirkenden Glückseligkeit, wenn z.B. Jesaias sagt: Die Ochsen und Füllen werden geworfeltes, von aller Spreu gereinigtes Futter genießen (Jes. 30). Ein fleischlicher Mensch verstehet alles fleischlich, und so träumten sich die Juden unter dem Reich des Messias ein Leben in lauter sinnlichen Wohltaten, und der natürliche Mensch vernimmt überhaupt nichts von den Dingen, die des Geistes Gottes sind. Die Worte Christi sind Geist und Leben. Werden wir nur innerlich mit den reichen Friedensgaben Christi erfüllt und gelabet, so mag es ungemein leicht, daß uns das äußere gut genug ist, was uns beim Mangel der innerlichen Fülle ohne ihn nicht zufrieden stellen kann, und wäre es noch so glänzend.
Hoffentlich werden unsere Ohren so gar fein und verwöhnt nicht sein, daß sie sich weigern sollten, es zu hören, daß hier das Lasttier, und insbesondere das Füllen, die Gläubigen aus den Heiden, der Eselin Sohn aber die Nachkommen jener Juden abbildete, welche, nachdem sie Christum verworfen haben, auch verworfen sind; deren späte Nachkommen aber den sehen werden, den jene durchstochen haben, und werden darüber weinen, wo sie sich dann zu dem Herrn bekehren werden. Was sollte unter des Schilo's Esel anders verstanden werden können, als seine Gläubigen? Und wer ist der Weinstock anders, als er selbst, der sich Joh. 15 also nennt? Alles aber, was der Begriff eines Esels verächtliches, häßliches und widerliches in sich faßt, das ihn zu nichts weniger berechtigt, als an den Weinstock gebunden zu werden, um sich an demselben nach aller Herzenslust zu laben und zu ergötzen, das alles wird durch das Wörtlein: sein, „Er wird sein Füllen,“ überflüssig erstattet. Mag's eine häßliche, verachtete Kreatur an sich selbst sein, da der Jakob den Schilo auch als einen majestätischen Löwen schildert, sie dessen ungeachtet sein nennt, so wird keinem zu raten sein, diese Kreatur oder ihre Lehre zu verachten oder zu mißhandeln, der Schilo möchte es ungnädig aufnehmen und strafen. Mochten jene sagen: Nur das Volk, das nichts vom Gesetz weiß und verflucht ist, läuft ihm nach, so gebot er doch: Lasset diese gehen, und sagt nicht die Gemeine: Sehet mich nicht an, daß ich so schwarz bin? und wiederum: Wer will verdammen, beschuldigen, scheiden?
Wohl dem, der in seinen Augen so dumm, oder, wie Paulus sagt, ein solcher Narr vor der Welt geworden ist, daß er Christum allein als seine Weisheit annehmen muß, der wird gewiß weise genug sein, obschon er mit dem weisen Agur gestehet: Verstand ist nicht in mir, ich habe Weisheit nicht gelernt, und was heilig ist, weiß ich nicht. Wohl dem, der sich selbst so häßlich vorkommt, daß er sich nirgends darf sehen und sich nur muß in Christo erfinden lassen, der sich so verächtlich in seiner Gestalt, Stimme, Beschaffenheit und Benehmen vorkommt, daß er nur durch Christum zu Ehren zu kommen weiß. Er wird ihn an den Weinstock binden durch das Band des Heiligen Geistes. Sein Elend, sein Glaube, seine Liebe wird ihn daran binden. Er kennt seines Herrn Krippe. Wo soll er hingehen? Nur dieser hat Worte des ewigen Lebens, und er hat geglaubt und erkannt, daß dieser ist Christus, der Sohn des lebendigen Gottes. Und zu welchem Ende werden sie angebunden? Teils, daß es nur eine Gemeine sei. Er selbst wird es zu seiner Zeit bewirken, daß alles ein Hirt und eine Herde werden wird; daß das innigste Band des Friedens sie alle umschlingt, daß eine völlige Einigkeit im Geiste stattfindet, alle einerlei Sprache führen und eines Sinnes sind und sich brünstig untereinander lieb haben, was aber keines andern als sein Werk sein kann. Er wird sie binden, teils zu dem Ende, daß diese nichtswürdigen Tiere das allerbeste essen und das köstlichste trinken, was die Erde hervorbringt, so daß sie trunken werden und rumoren wie vom Wein, wie der Prophet sagt.
Das Gewächs des Weinstocks, der Wein, ist in der heiligen Schrift ein gewöhnliches Bild der vortrefflichsten, auch geistlichen Güter, so daß ja auch Christus den Wein im heiligen Abendmahl als eine Abbildung des neuen Testaments angeordnet hat, so wie von einem Trunkenwerden von den reichen Gütern des Hauses Gottes, vom Vollwerden des Heiligen Geistes die Rede ist. Die Trunkenheit macht aber aus den Menschen gleichsam ganz andere Leute, wie sie sonst sind, daß sie auf eine ganz andere Weise sich benehmen und reden wie sonst. Daher sagt die Schrift, der Wein erfreue des Menschen Herz, und Salomon will, man soll den Trauernden Wein geben, damit sie ihres Leides vergessen, er macht die Blöden voll Mutes, die Verschlossenen offenherzig, und die Wortlosen beredt. Die Trunkenheit ist freilich ein großes Laster, welches schon die Vernunft untersagt, und nach der Schrift werden die Trunkenbolde so wenig wie die Geizigen ins Reich Gottes kommen. Gewiß ist's aber, daß die Mitteilung des Heiligen Geistes durch den Glauben an Jesum Christum ganz andere Leute aus uns macht, als wir ohne denselben sind: Lebendige, da wir sonst tot waren in Sünden, geistliche, da wir sonst natürliche waren; er, der Heilige Geist, macht aus Blinden Sehende, und aus geistlich Lahmen solche, welche laufen den Weg der göttlichen Gebote. Er macht kindlich und offen gegen Gott und Menschen, er erfreut das Herz, daß es sich in muntere Lobpreisungen des Namens Gottes ergießt, er macht es mutig und getrost wie junge Löwen, daß es sich vor nichts fürchtet und durch nichts abschrecken läßt. Erscheinen Trunkene in ihrem Verhalten und Reden leicht lächerlich und töricht, so kam das, was die Welt an den Aposteln sah und hörte, derselben vor, daß sie sie beschuldigten, sie seien voll süßen Weines, da sie doch voll Geistes waren. Zu wünschen wäre es, wir möchten alle voll dieses Geistes werden, aus eigner, reichlicher Erfahrung. Wir können es aber besonders an den Aposteln und anderen Christen sehen. War es nicht eine ungeheure Verwegenheit, daß Petrus und die übrigen sich unterstanden, aufzutreten und öffentlich zu lehren und zu predigen, ohne dazu weder bei der geistlichen noch bürgerlichen rechtmäßigen Obrigkeit die Erlaubnis nachzusuchen, bloß dem innerlichen Trieb und gewaltigen Brausen folgend? So stehen sie da öffentlich, brechen durch alles hindurch und predigen den, dem ganzen Volk verhaßten Namen Jesu, und rücken es ihnen als eine ungeheure Sünde vor, daß sie ihn gottloser Weise gekreuziget und getötet haben, ohne jemand zu fürchten, sei er, wer er wolle. Und da sie vom hohen Rat gegeißelt wurden, schwiegen sie fortan so wenig, daß sie sich vielmehr freueten, würdig gewesen zu sein, um des Namens Jesu willen Schmach zu leiden. Trunken vom heiligen Geiste denken sie: Jesus ist unser König, und so ist alles unser, Himmel und Erde, und gehen hin und verkündigen die Großtaten Gottes. Sodann greifen sie das ganze römische Reich an, ihnen ihren Götzendienst vorrückend, und tun nichts anders, als ob sie Herren wären der ganzen Welt, überall zu gebieten hätten; kein Gefängnis noch Bande scheuend, treten sie vor Könige und Gewalthaber, Gelehrte und Volk, ihnen ewiges Verderben ankündigend, wenn sie nicht hören du gehorchen und die Lehre von einem getöteten und wieder auferstandenen Christus gläubig annehmen, dafür schlägt man sie überall tot, wie Luther hierüber redet.
Aber nicht nur die Apostel und ihre nächsten Schüler, sondern selbst zarte Frauen spotten aller Gewalt, die sich wider sie erhebt; bekümmern sich nichts um den Rachen der Löwen, um Schwert und Scheiterhaufen. Ein Luther wagt's allein, sich gegen die ganze Welt aufzulehnen! Sind diese nicht wie die Trunkenen? Was meinen jene ungelehrten Leute, Fischer, Weiber und ein einzelner Bettelmönch, daß sie, wehrlose Schafe, sich gegen ein Heer von wütenden Wölfen auflehnen und des Sieges gewiß sind, sollten sie auch darüber zu Grunde gehen? Ist Luther nicht ganz toll, daß er sagt: Er wolle nach Worms, und wenn daselbst so viele Teufel wären wie Ziegel auf den Dächern? Das ist die Trunkenheit des Glaubens und der Verheißung des Heiligen Geistes, womit zu des Schilo Zeiten alles erfüllt werden sollte, daß sie den Tod, Teufel und alles Übel für nichts achteten und besiegten. So erstaunt die Welt noch immer und weiß nicht, wie sie sich dabei anstellen soll, wenn durch den heiligen Geist Erweckungen bewirkt werden, die nicht bei einzelnen Personen bleiben, sondern weit um sich greifen, so daß sie ruchbar werden. Sie spottet ihrer, wie man Trunkener zu spotten pflegt, hält sie für närrische und schwärmerische Köpfe, oder gar für gefährliche Leute, über welche man ein wachsames Auge haben muß. Aber ach! Möchte es dem heiligen Geiste gefallen, unserer ganze Scharen an den Weinstock zu binden, damit wir seines Gewächses essen und trinken, und trunken werden! Möchten so des Herren Großtaten unter uns groß werden! Möchte sich dann die Welt blind daran ärgern, sie hätte einen Anlaß dazu, wodurch der Vater im Himmel gepriesen würde! Möchte so die Zahl der an den Weinstock gebundenen sich mehren, und so der Priester Herz voll Freude werden, und des Herrn Volk seiner Gaben die Fülle haben! Amen.