Krummacher, Friedrich Adolph - Der Hauptmann Cornelius - VI.
„Ich will euch Mund und Weisheit geben.“ So lautet die einfache Verheißung, welche der Herr seinen Jüngern gab.1) Was Er ihnen zugesagt, hat er treulich, ja überschwänglich gehalten. Wie hätte auch der Mund dieser von Natur so schüchternen, ungelehrten Galiläer und eines widerstrebenden Paulus der Mund Gottes für die ganze Menschheit werden, und die Weisheit Gottes zu unserer Herrlichkeit aller Welt verkündigen können, wenn nicht der Herr ihnen beides, Mund und Weisheit, gegeben hätte. An ihnen allen, sowie an allen, die späterhin der Herr zu Herolden seiner Gnade und Wahrheit ersah, ward auch in dieser Hinsicht erfüllt, was Paulus von sich sagt: „Wenn ich schwach bin, dann bin ich stark. Ich vermag alles durch den, der mich mächtig macht, Christus.“
Ja fürwahr, in der Demut liegt der wahre Mut und in der Einfalt die echte Weisheit und Stärke. Die Hungrigen füllt der Herr mit seinen Gütern und die Reichen lässt er leer! sang Maria, die Gebenedeite; und Paulus schreibt: Wir haben solchen Schatz in irdischen Gefäßen, auf dass die überschwängliche Kraft sei Gottes und nicht von uns. Ein solches Gefäß göttlicher Kraft und Weisheit kann der Mensch nur dann werden, wenn er rein ist von allem Sauerteig der Eigenweisheit und Selbstgerechtigkeit. Petrus, der Apostel, musste erst von jener, und Cornelius von dieser völlig gereinigt und befreit werden, ehe der Eine zur Verkündigung des Evangeliums, und der Andere zum Lob und Preis des Herrn den Mund auftun konnte. So können auch wir die Wahrheit und die Kraft des Evangeliums nur in dem Maß erkennen und in uns erfahren, als wir in wahrhaftiger Demut uns aller eigenen Weisheit und Gerechtigkeit begeben, und die Gerechtigkeit suchen, die vor Gott gilt. Dann aber auch wird der Herr uns Mund und Weisheit geben, Seine Gnade und Wahrheit je mehr und mehr zu erkennen, seine Tugenden zu verkündigen und ihn zu loben und zu preisen. Er wird unsern Mund fröhlich machen, dass wir jung werden und auffahren, wie die Adler.
Apostelgesch. X,34.35.
Petrus aber tat seinen Mund auf und sprach: Nun erfahre ich mit der Wahrheit, dass Gott die Person nicht ansieht; sondern in allerlei Volk, wer ihn fürchtet und recht tut, der ist ihm angenehm.
Petrus tat seinen Mund auf. Eben so heißt es von dem Herrn als er auf dem Berg im Kreis seiner Jünger, und von einer Menge Volks umgeben, zu beten und zu lehren begann; desgleichen von Philippus, da er dem Kämmerer aus Mohrenland die Schrift auslegte und ihm das Evangelium von Jesu predigte. Die Heilige Schrift bedient sich oftmals dieser einfachen Redeweise, teils um die redende Person selbst, und die Wichtigkeit ihrer Rede, teils den Anfang eines großen Werks, durch das Wort der Wahrheit, lebendiger damit zu bezeichnen; gleichwie der. Herr Jesus selbst mehrmals diejenigen, zu welchen er redete, gegenseitig aufzufordern pflegte: Wer Ohren hat zu hören, der höre! Wie das Ohr gleichsam die Pforte ist, die zum inneren Glaubensleben führt, also der Mund der Schlüssel, der sie aufschließt.
Unser Apostel hatte schon vorher mit dem Hauptmann geredet, und ihm gesagt, wie er, nachdem ihm Gott gezeigt, keinen Menschen gemein und unrein zu achten, gern gen Cäsarien gekommen sei, und dann gefragt, warum Cornelius ihn zu sich habe fordern lassen. Als er nun die demütige Antwort des Cornelius vernommen hatte und die Versammlung der heilsbegierigen Heiden vor sich sah, da ward ihm das Herz voll und der Mund ging ihm über. Wir haben hier die Einleitung der Predigt des Apostels vor uns, und vernehmen das freudige Auftun seines Mundes.
1) Nun erfahre ich mit der Wahrheit, ruft er aus mit froher Verwunderung. Diese Verwunderung werden wir nur dann begreifen und mitempfinden, wenn wir uns in die Zeit des alten Bundes und in die Lage und Gesinnung des damaligen Israels versetzen. Seit Abraham, also seit zwei Jahrtausenden, war Israel das einzige Volk, welches der alleinweise Gott auserwählt, von allen anderen Völkern abgesondert, auf eine eigentümliche Weise erzogen, und demselben seine Rechte und Gerechtigkeit offenbart hatte, damit von ihm zu seiner Zeit das Heil der ganzen Menschheit ausginge. Ihm wurde vertraut, was Gott geredet hat2), und ein König und Königreich der Gnade und Wahrheit verheißen. Von Zion sollte das Gesetz ausgehen und des Herrn Wort von Jerusalem. Ist es zu verwundern, wenn Israel glaubte, dass es - wie es ja auch nach seiner Bestimmung war - das Adelvolk des Menschengeschlechts sei, und sich von dem Gedanken nicht trennen konnte, dass das zukünftige himmlische Königreich ein israelitisches, ein jüdisches, und die Heiden nur glückliche Knechte, nicht aber Kinder dieses Reichs sein würden? Darum wurde es selbst dem Apostel des Herrn so schwer, sich über diese allgemeine Ansicht seines Volks zu erheben, und es bedurfte dazu einer besonderen Belehrung in einer Tatsache von oben, und, als Petrus auch da noch nicht erkannte und wollte, eines speziellen bestimmten Befehls, zu der heidnischen Familie sich zu begeben, die nach ihm verlangte. Erst durch Gehorsam und Befolgung des göttlichen Befehls, und durch den Anblick des Cornelius und seiner Hausgenossen und Freunde, erfuhr er den Rat Gottes mit freudiger Verwunderung. Also bedurfte auch der Apostel der Erfahrung - einer Wahrheit, die er wusste; die er oft aus dem Munde seines Herrn gehört, ja die Er selbst am Pfingstfeste laut gepredigt hatte, nämlich: dass der Herr herbeirufen würde alle, die noch ferne waren. So ist's mit dem gesamten Rat Gottes von unserer Seligkeit; der Tag der eigenen Erfahrung kann ihn nur klar machen, und wir haben nur dann die volle Wahrheit, wenn wir sie in und an uns erfahren, und die Freundlichkeit des Herrn gesehen, gefühlt und geschmeckt haben.
2) Was erfuhr nun der Apostel? Dass Gott die Person nicht ansieht. Das heißt: Gott, der Herzenskündiger, lässt sich nicht, wie Menschen pflegen, durch den Schein und äußere Vorzüge bestimmen, seine Segnungen den Menschen zu erteilen oder vorzuenthalten; seine Liebe ist unparteiisch. Als Samuel gen Bethlehem gesandt war, um Einen der sieben Söhne Isais zum König von Israel zu salben, und Samuel Eliab, den erstgeborenen und ansehnlichsten, wählen wollte, kam des Herrn Wort zu ihm und sprach: „Sieh nicht an seine Gestalt und große Person; Ich habe ihn verworfen. Denn es geht nicht, wie ein Mensch sieht. Ein Mensch sieht, was vor Augen ist, der Herr aber sieht das Herz an.“ Eben so gebeut der Herr im Gesetz: „Keine Person sollt ihr ansehen im Gericht;, sondern den Kleinen sollt ihr hören, wie den Großen, und Niemands Person scheuen. Denn das Richtamt ist Gottes.“ So gilt vor Gott kein Ansehen der Person, weder in seinen Segnungen, noch in seinen Gerichten. „Er kennet, spricht Hiob, den Herrlichen nicht mehr als den Armen; denn sie sind alle seiner Hände Werk.“ Vor Ihm ist das Scherflein der armen Witwe ebenso ansehnlich und angesehen, als die mit Gold gefüllte Hand des Reichen. Beide geben Ihm von dem Seinigen, und Er sieht das Herz an.
Besonders hat Gott in seinem Gnadenreich von jeher bewiesen, dass er die Person nicht ansieht. Da gilts: „Nicht viel Weise nach dem Fleisch, nicht viel Gewaltige, nicht viel Edle sind berufen. Sondern was töricht ist vor der Welt, das hat Gott erwählt, dass er die Weisen zu Schanden mache: und was schwach ist vor der Welt, das hat Gott erwählt, dass er zu Schanden mache, was stark ist. Und das unedle vor der Welt und das Verachtete hat Gott erwählt, und das da nichts ist, dass er zunichte mache, was etwas ist; auf dass vor ihm kein Fleisch sich rühme.“3)
Er erwählte das Volk Israel, das geringste unter allen (sagt Moses), zu seinem Bundesvolk und zum Träger seines wunderbaren Lichts. Einen Moses zog er aus dem Wasser, und machte ihn, den schwerzüngigen, zu seinem Mund und Heerführer und Vertrauten, mit welchem er redete, „wie ein Freund mit dem anderen.“ Einen Hirtenknaben, den Abkömmling einer Moabitin, nahm er von den Schafen, und salbte ihn zum König und Propheten in Israel. Und Er, der Sohn Gottes selbst; in den Tagen seines Erdenwandels, berief seine Apostel nicht aus Jerusalem, nicht aus den Hochschulen der Pharisäer und Schriftgelehrten, sondern von den Fischernetzen und aus dem dunklen und verachteten Galiläa. Aber das Höchste, was selbst einen Apostel Petrus in Verwunderung setzte, war, dass er nun auch seine Gnade und Wahrheit den Heiden zuwendete, und hiermit zugleich alle Menschen, ohne Unterschied des Geschlechtes und der Abstammung, zu seinem Reich und seiner Gemeinschaft berief. Es ist eine köstliche Wahrheit, dass Gott die Person nicht ansieht. Hätte er die Person ansehen wollen, so würde Er, selig in dem Kreis der Myriaden Engel und vollendeten Gerechten, uns Menschen, uns arme Erdlinge, gar nicht angesehen haben. Aber wohl uns! „Er kennt uns, welch' Gemächte wir sind, und weiß, dass wir Staub sind“ - und darum eben hat er uns besonders angesehen, sein Angesicht zu uns geneigt, und ist selbst zu uns in den Staub gekommen.
O wunderbare Demut unsers Gottes und Heilandes, und seines Evangeliums. Unaussprechlich groß ist das gottselige Geheimnis: Gott ist offenbart im Fleisch! Gott war in Christo und versöhnte die Welt mit ihm selber!
3). In allerlei Volk, wer ihn fürchtet und recht tut, ist ihm angenehm. - Heißt das etwa: Es kommt nicht darauf an, welches Glaubens und Bekenntnisses du bist, ob Jude, Heide, Türke; wenn du nur deinen Gott, oder was du dafür hältst, auf deine Weise ehrst und fürchtest, und deinem Nebenmenschen kein Unrecht zufügst, und vor der Wett einen unbescholtenen Wandel führst; so bedarfst du nichts weiter zu deiner Seligkeit? So hat man zur Schmach des Evangeliums oftmals diesen Ausspruch deuten wollen. Aber wie töricht! Dann würde der Apostel Petrus sich selbst und seinen eigenen Worten widersprochen haben, wenn er sagt: es sei keinem anderen das Heil, und kein anderer Name unter dem Himmel den Menschen gegeben worden, darin sie konnten selig werden, als der hochgelobte Name Jesu Christi4).
Dann hätte auch Cornelius, der gottesfürchtige und gottselige, nicht nötig gehabt, den Apostel rufen zu lassen, um von ihm zu hören, wie er möge selig werden; er hätte im Heidentum bleiben können. Jedoch der Verfolg unserer Geschichte und die richtige Erklärung der Worte des Apostels werden diese Wahrheit noch deutlicher erweisen und den Irrtum vernichten.
Freilich aus allerlei Volk wollte und will der Herr sich eine Herde und Gemeine sammeln, und „die Heiden zum Erbe haben und der Welt Ende zu seinem Eigentum.“ 5) „Gott will, dass allen Menschen geholfen werde und zur Erkenntnis der Wahrheit kommen.“ Die Gnade Gottes ist erschienen allen Menschen, und er hat sich sein Volk erkauft mit seinem Blut aus allerlei Geschlecht und Zungen und Volk und Heiden.6) Aber alles dieses nach Gottes heiliger und gnädiger Ordnung. Erst muss der Mensch sich hilfsbedürftig erkennen und fühlen, ehe er der Hilfe von oben teilhaftig werden kann; erst schaffen und verlangen, dass er selig werde; dann wird ihm das Wollen und Vollbringen gegeben werden. Der Apostel Paulus nennet jenes vor diesem, und unser Apostel sagt dasselbige, wenn er spricht: Wer Gott fürchtet und recht tut, der ist ihm angenehm.
4) Wer Gott fürchtet. Die Furcht des Herrn ist der Weisheit, „der Weisheit von oben her“ also der Buße, des Glaubens und der Heiligung, mit einem Wort, des göttlichen neuen Lebens, Wurzel und Anfang. Es ist nicht die knechtliche Furcht, die den Gottlosen ergreift, wenn ihm, wie dem König Belsalzer (Dan. 9) mitten in seinem ruchlosen Wesen die Hand und das Gericht des Ewigen vor die Augen tritt, dass ihm die Lenden schüttern7), und die Gebeine erzittern. Solche Furcht treibt nur zur Flucht vor Gottes Angesicht. Noch auch ist es die heidnische Furcht, die auf eine falsche Erkenntnis von Gott gegründet, nur Scheu vor einer höheren Gewalt, und ohne Trost und Hoffnung ist. Nein, die Furcht, welche die Heilige Schrift und unser Apostel meint, ist eine ganz andere. Sie beruht sowohl auf richtiger wahrer Erkenntnis des lebendigen Gottes als des heiligen und allgegenwärtigen, als auf Erkenntnis unser selbst und unseres Verhältnisses zu diesem Gott. Sie ist also eigentlich und nach ihrem innersten Wesen nichts anders als Demut, demütiges Gefühl unserer Abhängigkeit und unseres Abstandes von ihm, dem Urquell alles Lichts und Lebens, unserer Unheiligkeit vor ihm dem Heiligen, unserer Unwürdigkeit im Hinblick auf seine Liebe und Barmherzigkeit, verbunden mit dem Verlangen nach Ihm und der Sehnsucht, reines Herzens zu werden. Also ist die rechte Furcht Gottes schon eine Annäherung zu ihm dem Alleinseligen. So ging jener Zöllner, der in der Furcht Gottes in den Tempel kam, die Augen nicht wollte aufheben und an seine Brust schlug, gerechtfertigt in sein Haus; nicht also der Pharisäer, in welchem keine Spur von Gottesfurcht sich offenbarte.
Cornelius fürchtete Gott; er hatte ihn durch seine Offenbarung kennen gelernt, aber auch in dem Licht dieser Gotteserkenntnis erkannte er sich selbst und seine Unwürdigkeit; er war geistlich arm und leidtragend. So war die Gestalt seines Gemüts; Demut war die Wurzel, und der Grund seines inwendigen Lebens; er fürchtete Gott. Wo es also mit dem Menschen steht, da ist auch, es kann nicht fehlen, das Verlangen nach der Gnade und Gemeinschaft Gottes.
5) Petrus fügt noch einen anderen Zug hinzu: Wer recht tut. Buchstäblich nach den Worten müsste es heißen: Wer Gerechtigkeit wirkt, d. h., sie die Vollendung seines inneren Lebens sucht und verlangt. Denn also, sagt unser Herr Joh. 6,27: Wirkt Speise, die da bleibt in das ewige Leben, d. h. sucht, verlangt und erwerbt euch solche unvergängliche Speise. Dasselbe sagt der Ausspruch: Trachtet am ersten nach dem Reich Gottes und nach Seiner, nämlich Gottes, Gerechtigkeit, d. i., die vor Gott gilt und die er darbietet. - Danach trachtete auch Cornelius; aber natürlicher Weise, nach Maßgabe seiner, durch das Licht der Vernunft und aus der ihm bisher kund gewordenen göttlichen Offenbarung geschöpften Erkenntnis. Er war in allen Stücken beflissen, das Rechte zu tun, das heißt, das Gesetz, sofern er es kannte, und alle Gebote Gottes zu erfüllen. Er war wohltätig gegen Arme, freundlich und gütig gegen seine Hausgenossen und Untergebenen, fastete oft, betete immer zu Gott, und hatte bei dem Volke den Ruf eines rechtschaffenen Mannes.
Aber je mehr er das Gesetz zu erfüllen, und ein göttliches Leben in sich selbst durch Gesinnung und Handlung zu schaffen und darzustellen, und sich des Beifalls Gottes zu versichern strebte; um so mehr offenbarten sich ihm die Mängel seiner Gerechtigkeit und Tugend, die Armut seiner Werke, die Sündhaftigkeit und Unseligkeit seines Wesens. Denn es ist ja auch unmöglich, durch äußeres Tun den entzweiten inneren Zustand des Herzens umzuwandeln, so lange diesem der innere Grund alles Guten, die beseelende und beseligende Liebe zu Gott fehlt. Durch gesetzliche Werke kann man wohl ein Knecht, nicht aber ein Kind Gottes werden. Ersteres war Cornelius, und zwar mit aufopfernder Treue und Gehorsam, nach dem anderen verlangte seine Seele. Aber je größer dieses Verlangen in ihm wurde, und je mehr er Gott den Herrn von ganzer Seele und von ganzem Herzen zu lieben und ihm zu dienen suchte, um desto mehr erkannte er sein Unvermögen und seinen Abstand von der Gerechtigkeit, die vor Gott gilt, und wonach er trachtete, und welche allein aus der Gnadenfülle Gottes durch seinen Geist und Evangelium ihm zufließen könnte. Darnach hungerte und durstete seine Seele voll herzlicher Demut, gleich dem aufkeimenden Hälmlein, welches nach dem Tau und Sonnenschein von oben sich sehnt.
6) Und wer also demütiglich Gott fürchtend und rechttuend nach seiner Gemeinschaft verlangt, der ist ihm angenehm; er wird gnädiglich von Gott angesehen, an- und aufgenommen. „Denn der Herr hat Gefallen an denen, die ihn fürchten, die auf seine Güte hoffen; und die Werke, welche sie tun, sind Opfer der Gerechtigkeit, die ihm wohlgefallen.“8) Und so waren ja auch das Gebet, und die Almosen des Cornelius vor Gott und in sein Gedächtnis gekommen, er war einer Offenbarung aus der unsichtbaren Welt gewürdigt worden, und ein Apostel des Herrn musste sich aufmachen, um ihm und seinem Haus das Evangelium zu verkündigen, und sie einzuführen in das Reich Gottes, welches ist Gerechtigkeit und Friede und Freude in dem heiligen Geist. Der in ihm durch sein Wort und sein Zeugnis das Wollen geweckt hatte, wollte auch nun durch seinen Geist ihm das Vollbringen geben.
So sehen wir also in den Worten des Apostels den Weg, auf welchem Cornelius zur Gerechtigkeit und Seligkeit gelangte und Gott angenehm wurde. Nur auf demselben Weg und keinem anderen können auch wir dieses Kleinodes teilhaftig werden. Soll das Heil Gottes sich uns nahen, so müssen wir zuvor uns dieses Heils bedürftig fühlen. Die Gesunden bedürfen des Arztes nicht, sondern die Kranken. In unserm Innern muss das Werk der Erneuerung und Wiedergeburt beginnen, und zwar mit der Furcht des Herrn, also in Erkenntnis Gottes und unser selbst, seines Gesetzes und unseres Verhältnisses zu demselben, verbunden mit dem lebendigen Gefühl unseres von dem Leben in Gott entfremdeten Wesens, d. h. in Buße und Demut.
Schon das Gewissen, wenn wir ernstlich darauf merken wollen, bezeugt uns, dass wir von der lebendigen Quelle abgewichen sind, und das Paradies der göttlichen Gemeinschaft verloren haben. „Du hast uns zu Dir gemacht, o Herr - betet ein alter Kirchenvater - darum ist das Herz in stetiger Unruhe, bis es ruht in dir!“ Das Gewissen denn es gibt eigentlich nur ein böses Gewissen, und was wir ein gutes Gewissen nennen, ist bloß Abwesenheit des bösen - ist in seinem innersten Grunde nichts anders, als das dunkle Gefühl und Bewusstsein der verlorenen ursprünglichen Unschuld, oder der durch die Sünde verwirkten göttlichen Ebenbildlichkeit. Daher denn auch, wie aus verlorenem Gleichgewicht und Standpunkt entsprungen, die angeborene Unruhe des natürlichen Menschen, welcher er durch Leichtsinn, Zerstreuung, oft auch durch Untaten zu entfliehen sucht, wie Adam und Eva, da sie sich vor dem Herrn verbargen, und wie Kain, der im neidischen Gefühl seines ungöttlichen Wesens seinen Bruder erschlug. Das Gesetz Gottes wird der Wecker des Gewissens, und scheidet Seele und Leib, Mark und Gebein, und richtet die innersten Gedanken des Herzens. Da erschrickt der Mensch schon vor sich selbst, und fragt: was muss ich tun, damit ich selig werde? Diese innere Unruhe, die Folge unseres Abfalls von Gott, soll aber den Sünder zu der lebendigen Quelle, die er verlassen hat, zurückführen. Und wohl dem, der diese innere Unruhe und ihre Quelle in sich selbst erkennt und fühlt, und sie nicht zu beschwichtigen sucht, sondern sich durch sein inneres Gefühl vor das Angesicht Gottes führen lässt. Da wird er freilich vor der Furcht des heiligen und allwissenden Gottes ergriffen, seine eigene Armut und Nichtigkeit lebendiger erkennen, und um desto kleiner und demütiger werden.
Aber wohl uns! Gott ist großer als unser Herz. „Der Himmel ist mein Stuhl, spricht der Herr, und die Erde meine Fußbank; aber ich sehe an den Elenden und der zerbrochenes Geistes ist, und sich fürchtet vor meinem Wort.“9) Ist Gott für uns, wer oder was kann wider uns sein? Der auch seines eigenen Sohnes nicht verschont, sondern ihn für uns dahin gegeben hat, sollte er uns mit ihm nicht alles schenken! Darum nur hinzu zu seinem Gnadenstuhl! Aus welcherlei Volk der Zöllner und der Sünder wir auch sein mögen! Mögen auch unsere Sünden blutrot sein, sie können vor ihm schneeweiß werden.
Wenn wir, wie Cornelius, hungern und dürsten nach der Gerechtigkeit, ein herzliches Verlangen in uns tragen, des ungöttlichen Wesens und des Unfriedens in uns los zu werden, und wie er, mit Fasten und Beten den Herrn suchen, ob er sich wolle finden lassen, und mit Geduld in guten Werken trachten nach dem ewigen Leben; dann wird der Herr sich uns nahen, wir werden seine Gnade und Liebe je mehr und mehr erfahren, er wird uns reinigen von aller Untugend, und uns, wie dem heidnischen Hauptmann, durch sein Wort und seinen Geist den Frieden geben, der höher ist, denn alle Vernunft, den die Welt nicht geben und auch nicht nehmen kann, der da bleibt in Ewigkeit. Denn er ist getreu, und kann sich selbst nicht leugnen.