Krummacher, Emil-Wilhelm - Tägliche Herzensweide aus Luther's Werken - Mai

Krummacher, Emil-Wilhelm - Tägliche Herzensweide aus Luther's Werken - Mai

Am 1. Mai.

Kann Gott den Winter so verwandeln und wegthun, und den Sommer, daß man des Winters gar vergessen muß, und thut dasselbige so leichte, daß es nur ein Wort kostet: wie vielmehr sollst du glauben, daß Er dir aus deinem Winter und aller Noth helfen könne, gar leichtlich und mit einem Worte? Er kann wohl Weizen finden, wo du in Hungersnöthen bist. Er weiß wohl Frieden zu schaffen, wo du in Kriegsgefahr bist. Er kann der Stadt wohl Glück geben, wo sie verdorben ist. Er kann die Riegel wohl fest machen, wo sie zerbrochen oder schwach sind: und das Alles leichtlich, mit einem Wort. Ursache, kann Er doch den Sommer aus dem Winter mit einem Worte machen, welches wohl größer und mehr ist, als aus deiner Noth helfen.

Am 2. Mai.

Was ist geistliche Armuth? Wir könnens sehr fein an dem Gegentheil und der Welt Exempel lernen: die lebet also dahin, daß Jedermann muß gedenken, sie sei sehr reich im Geist; denn da ist die größte Sicherheit, als dürfte sie sich vor Niemand besorgen, ob sie gleichwohl in allerlei Sünden und Schanden lebet. Wie man stehet an den Pharisäern im Evangelio, daß Johannes und Christus um keiner andern Ursach willen mehr mit ihnen zu Haaren liegen, denn daß sie sich ließen dünken, sie wären fromm, sie hätten einen gnädigen Gott, dem sie im Schoos säßen u. s. w. Solche Leute sind reich im Geist, das ist, sie lassen sich dünken, sie haben Alles genug und bedürfen der Gnade nicht. Derhalben sind sie guter Dinge, lassen ihnen Nichts zu Herzen gehen, leben nicht anders, denn als hätten sie Siegel und Briefe, sie waren allerdings mit Gott zufrieden, wiederum Gott mit ihnen; lassen sich derhalben dünken, sie sind selige Leute. Aber in der Wahrheit sind sie durchaus unselige Leute, die in das Himmelreich nimmermehr werden kommen, wenn sie sich nicht bekehren. Diese aber, spricht der Herr, gehören in den Himmel, die geistlich arm sind, das ist, die nicht sicher sind, die Gott vor Augen haben, nicht in Wind hinleben, wie die Welt; sondern haben Acht auf all ihr Thun und Lassen, halten es fein gegen das Wort, und sehen, wie die Natur durch die Sünde so verderbt ist, daß es nirgend mit dem rechten Gehorsam hernach will. Ehe wir uns umsehen, liegen wir im Zorn, Haß, Neid, Ungeduld und allerlei geistlichem Jammer. Wenn dann die Strafe dazu kommt, wie sie nicht außen bleibt, da hebt sichs allererst, daß man klaget, sich ängstet und bekümmert, und wollte gern einen gnädigen Gott haben, und beide, der Sünden und Strafe ledig sein. Ein solch Herz, das um seiner Sünden und des künftigen Gerichtes Gottes willen weder Tag, noch Nacht Ruhe hat, das heißt ein armer Geist, oder ein geistlich arm Herz; da ist nicht viel Freude, noch Lachens bei. Darum urtheilt es die Welt für ein böse, unselig Ding. Wiederum halt sie es für ein selig Ding, wo solche Angst und Anfechtung nicht ist, da mens soluta curis ist. Aber Christus spricht: Meine Jünger werden solche Leute sein, die ein blödes, schwach, ängstlich Herz haben. Sie sehen wohl, was sie sollten thun; aber es will nicht hernach, und findet sich alle Tage, ja schier alle Stunden und Augenblick ein neues Unrath, daß der Teufel jetzt da, jetzt dort sie fallet. Solches, spricht der Herr, schadet nicht: Lasset die Welt sicher sein und hingehen, als hätte sie nie kein Wasser trübe gemacht. Ihr aber, meine Christen, gehet in den Gedanken, als wäret ihr die größten Sünder. Wohl euch, ihr seid auf der rechten Bahn zum Himmel. Denn wer seine Sünde erkennet, der begehret Gnade; wer vor dem Tod und Hölle sich fürchtet, der wird des Lebens und Himmels froh. Darum seid ihr selige Leute; jene aber, die so sicher dahin leben, sind unselig. Daß also geistlich arm sein anders Nichts ist, denn ein zerschlagen, geängstet Herz und Geist haben, um der Sünde und angebornen Schwachheit willen. Daselbst will Gott wohnen, wie Jesaias 66, 2 sagt: Das ist, mit seiner Gnade will Er trösten, in solchen Aengsten nicht verzagen lassen; sondern durch sein heilig Evangelium den Herrn Christum lassen in solche Herzen leuchten, daß sie Trost und Freude sollen haben und das Himmelreich ererben.

Am 3. Mai.

Wenn das Gesetz zu deinem angsthaftigen Gewissen sagt: Dieß und das ist dir geboten, das hast du mir gethan, darum mußt du herhalten. In solchem Kampf und Todesnoth ist hohe Zeit und Noth, daß sich der Glaube ermanne, und mit ganzer Macht herfürbreche, und dem Gesetz unter die Augen trete, und ihm getrost zuspreche: Ei liebes Gesetz, bist du allein Gottes Wort? Ist das Evangelium nicht auch Gottes Wort? Hat denn die Verheißung ein Ende? Hat Gottes Barmherzigkeit aufgehört? - Darum, wenn mich das Gesetz beschuldigt, ich sei ein Sünder und in Gottes Schuldregister eingeschrieben, muß ich bekennen, es sei wahr; aber die Folgerede: Darum bist du verdammt, muß ich nicht einräumen, sondern mit starkem Glauben wehren und sagen: Nach dem Gesetz bin ich wohl ein armer verdammter Sünder, aber ich appellire vom Gesetz zum Evangelio. Denn Gott hat über das Gesetz noch ein ander Wort gegeben, das heißet das Evangelium, welches mit seiner Gnade, Vergebung der Sünden, Gerechtigkeit und Leben schenket. -

So hoch der Himmel von der Erde ist, so weit soll auch das Gesetz von der Rechtfertigung geschieden werden. Und in Handel und Rechtfertigung soll Nichts gelehret, geredet, noch gethan werden, denn allein das Wort der Gnade, in Christo bewiesen. Das Gesetz dienet, noch hilft gar Nichts zur Gerechtigkeit, die vor Gott gilt, auch nicht im kleinsten Stück. Wo es recht verstanden wird, so machts verzagt und richtet Verzweiflung an; wirds aber nicht recht verstanden, so macht es Heuchelei. Gleichwie das Evangelium, wo es nicht recht verstanden wird, so macht es sichere, rohe Leute; wiederum, wo es verstanden und geglaubt wird, so macht es fromme, gottselige Leute.

Am 4. Mai.

Die Schrift zeiget an zwei Opfer, die Gott angenehm und gefällig sind: Das erstere nennet sie ein Dank- oder Lobopfer, wenn man Gottes Wort rein lehret, prediget, höret, mit Glauben annimmt, bekennet und Alles thut, was zur Ausbreitung desselben dienet, und für die unaussprechlichen Wohlthaten, so uns dadurch vorgetragen und uns in Christo geschickt werden, Gott von Herzen danket, Ihn preiset und lobet. Davon redet der Ps. 50, 4. Opfere Gott Dankopfer; item V. 23: wer Dank opfert, der preiset mich; und Ps. 118, V. 1: danket dem Herrn, denn Er ist freundlich, und seine Güte währet ewiglich. Und Ps. 103, 1: Lobe den Herrn, meine Seele, und was in mir ist, seinen heiligen Namen: Lobe den Herrn, meine Seele, und vergiß nicht, was ihr dir Gutes gethan hat. Das andere ist, wenn ein geängstet, betrübtes Herz in allerlei Anfechtung und Noth Zuflucht zu Gott hat, in rechtem Glauben ihn anrufet, Hülfe bei ihm suchet und mit Geduld erwartet, Ps. 118, 5.. In der Angst rief ich den Herrn an, und der Herr höret mich und tröstet mich. Ps. 34, 19: Der Herr ist nahe bei denen, die zerbrochenes Herzens sind, und hilft denen, die zerschlagen Gemüthe haben. Ps. 51, 19: Die Opfer, die Gott gefallen, sind ein geängsteter Geist, ein geängstet und zerschlagen Herz, wirst du, Gott nicht verachten. Ps. 50, 15: Rufe mich an in der Noth, so will ich dich erretten, so sollst du mich preisen.

Am 5. Mai.

Fahret auf die Höhe, und werfet eure Netze aus, daß ihr einen Zug thut. (Luk. 5, 4.)

Daß die Leute so Noth leiden, das macht allein der Unglaube. Der Herr spricht: Wirf die Netze ein und thue die Werke, die einem Fischer zugehören, und laß mich sorgen. Die Sorge will ich dir nicht lassen, sondern die Arbeit. - Das wollen wir Ihm aber umkehren; sorgen wollen wir und Ihn arbeiten lassen. Daher kommt es denn, daß ein Jeglicher nach Wucher trachtet und wie er Geld zu sich bringe, auf daß er ja nicht arbeiten dürfe. Darum, willst du recht christlich leben, so laß deinen Gott sorgen, wie die Fische in's Netz kommen, und gehe du hin und arbeite! Denn Gott befiehlt und hat ein Wohlgefallen dran, daß man das Brod im Schweiß esse; wie Er zu Adam sagt: Im Schweiß deines Angesichts sollst du dein Brod essen (1 Buch Mos. 3, 19). Und je tiefer du in dem Gesetz steckest, je besser ist es. Darum 'arbeite du und glaube, und laß es Gott frei walten! - So fragen sie denn, wenn man vom Glauben sagt und wie man auf Gott vertrauen soll und Ihn sorgen lassen: Ja, ich muß lange glauben, daß mir eine gebratene Taube in's Maul fliege, so ich nicht arbeite. Antw. Es ist wahr, du mußt arbeiten, denn arbeiten ist dir geboten; aber laß deinen Gott sorgen. Glaube und arbeite, so wird dir nicht allein eine Taube, sondern auch wohl eine gebratene Gans in's Maul fliegen. - Aber dazu gehört auch das andere Stück, daß man soll hoffen, ob es Gott gleich ein wenig verziehen würde. Denn wenn Er dich gleich ein wenig aufhält und arbeiten laßt im Schweiß, daß du jetzund meinest, deine Arbeit sei verloren, so mußt du klug sein, und deinen Gott lernen erkennen und auf Ihn wissen zu vertrauen und gedenken: Es ist doch St. Petrus auch ein wenig aufgehalten und darnach dennoch reichlich begabet worden.

Nun, dahin müssen wir kommen, daß wir Gott können vertrauen den Bauch. Denn wer Gott nicht den Bauch kann vertrauen, der kann Ihm nimmermehr die Seele vertrauen. Aber das ist allein der Kinder Glaube; da lernen wir an den Bänken gehen und saugen noch an Düten. Doch dadurch müssen wir lernen, daß wir Gott auch die Seele vertrauen.

Am 6. Mai.

Man soll den Herrn nicht zuerst anrufen, sondern zuerst loben. Denn es gibt Leute, die da schreien zum Herrn und werden nicht erhöret, wie Ps. 18, 42 steht: Sie rufen, aber da ist kein Helfer; zum Herrn, aber Er antwortet ihnen nicht. Warum das? Weil sie, wenn sie zum Herrn geschrieen, Ihn nicht gelobt, sondern auf Ihn unwillig gewesen; sie haben sich nicht den Herrn vorgestellt, wie süße Er ist, sondern nur auf ihre Bitterkeit gesehen. Niemand wird vom Bösen befreit dadurch, wenn er nur dieselbe überwindet, und an dem Herrn hangt, und auf dessen Güte siehet, Ps. 16, 8 heißt es: Ich habe den Herrn allwege vor Augen; denn Er ist mir zur Rechten; darum werde ich nicht bewegt werden. O gewiß ein schwerer Rath! und das ist was Seltsames, mitten in dem Unglücke sich Gott süße und lobenswerth einbilden, und Ihn, wenn Er sich von uns entfernt hat und unbegreiflich ist, stärker ansehen, als unser gegenwärtiges Unglück, das uns abhält, Ihn anzurufen.

Am 7. Mai.

Die Kirche hat die beiden Stücke: Sie ist eine Waise, und doch eine Königinn aller Dinge. Eine Waise ist sie. Denn wiewohl sie große und ewige Güter hat, das Wort und Erkenntniß Gottes, Vergebung der Sünden, Gerechtigkeit, ewiges Leben, ja Gott selbst in ihr wohnend, der sie mit dem heiligen Geist regieret: so ist sie doch äußerlich dem Kreuze unterworfen. Denn die Gottlosen haben die Reiche dieser Welt, Reichthum, Wollust, die Herrlichkeit der Welt. Wiederum ist sie doch eine Königinn aller Dinge, im Glauben und Hoffnung. Denn ob sie schon in dieser Welt keine leibliche Hülfe hat, so hoffet sie doch, wie eine Waise, Schutz von Gott, und weiß in festem Glauben, daß sie von der Tyrannei nicht kann verfolget werden, und erlanget in vielen großen Gefährlichkeiten herrliche Errettung. Ueber dieses hat sie Trost aus der Hoffnung der zukünftigen Herrlichkeit, wie St. Paulus sagt, Röm. 5, 2: wir rühmen uns der Hoffnung der zukünftig gen Herrlichkeit, welche wir in ewiger Gemeinschaft Gottes des Vaters, des Herrn Christi, der Väter, der Propheten, der Apostel und aller Auserwählten sehen werden. Die Gottlosen aber sehen diesen Trost des Glaubens und der Hoffnung, noch diese Herrschaft, so unter dem Kreuze verdeckt, nicht. Den Jammer und Trübsal sehen sie wohl, und meinen, Gott achte darum der Kirche nicht, sie sei wahrhaftig ein elendes Waislein und gar verlassen; sie aber suchen ihnen Reichthum und Gewalt, auf daß sie sicher sein oder mit menschlichem Schutz sich trösten können. Welcher dieser mit fleischlichen Augen ansiehet, der muß mit David sagen, Ps. 37, 35: Daß die Gottlosen gleich sind wie ein starker, ausgebreiteter, grüner Lorbeerbaum; item: wie eine schöne lustige Aue, die mit allerlei Blumen gezieret ist. So du nun die Kirche gegen diesen willst halten, wird sie gleich sein einem dürren Baume, daran nicht allein keine Frucht, sondern auch keine Blatter sind. Denn die Kirche selbst, die schier unter der Last der Sünden hernieder fallt, bezeuget genugsam mit ihren eigenen Worten, da sie, V. 3, spricht: vergib uns alle Sünde, und thue uns wohl, in was Stand sie sei, wie betrübt und elend sie sei.

Am 8. Mai.

Also spricht St. Paulus, 1 Cor. 3, V. 6: Ich habe gepflanzet, Apollo hat begossen, Gott hat das Gedeihen gegeben. Er könnte wohl ohne Pflanzen und Begießen das Gedeihen geben und ohne dieß Gedeihen ist Pflanzen und Begießen umsonst; aber Er wills nicht geben, man pflanze denn und begieße. In der Wüsten wills nicht geben, man pflanze denn und begieße. In der Wüsten und in der Noth macht der Herr aus 5 Broden so viel, daß 12 Körbe voll Brocken über blieben den 5000 Mann, die da aßen und satt waren worden, Joh. 6, 13. Aber den Bauern auf dem Felde will Er solch Gedeihen nicht geben, ist auch nicht Noth; sondern er soll pflügen, eggen, säen, das ist, brauchen deß, so vorhanden und Gott dazu geordnet hat, so will Er den Segen und Gedeihen geben. Sonst heißt es Gott versucht. Er könnte auch wohl den heiligen Geist geben, ohne das Wort und Prediger; aber Er wills nicht ohne das Wort thun, oder wird auch hie heißen, Gott versucht, wie die glaublosen Werk, heiligen thun.

Am 9. Mai.

Welch ein tröstend und freudenreich Fest haben wir an der Himmelfahrt unsers lieben Herrn Christi, und wie in mancherlei Wegen genießen wir derselben; daß fortan, weil unser Fleisch und Blut, der Sohn Gottes zur Rechten seines Vaters sitzt, dem Gesetz, der Sünde, dem Teufel alle Macht genommen, und ihnen gewehrt soll sein, daß sie nicht Schaden sollen thun, noch können. Denn, ob sie gleich unsere Todfeinde sind und sich allerlei wider uns unterstehen, so sind es doch nur gefangene und gebundene Feinde. Dazu schenkt uns Christus seinen Geist, daß derselbe uns in alle Wahrheit leiten, wider alle Irrsal erhalten, in Anfechtung trösten, mit uns beten, und uns zum Beten ermahnen soll, und darnach mit allerlei Gaben und Gnaden zieren. Denn um solcher Ursache willen ist Christus gen Himmel gefahren, und sitzet zur Rechten Gottes, daß, wie Paulus, Ephes. 4, V. 10, saget: Er Alles erfülle, das ist, uns Alles gebe und schenke, das wir zur Seligkeit und ewigem Leben bedürfen. Derohalben sollen wir der lieben Apostel Exempel folgen und, wie St. Lukas saget, mit ihnen den Herrn Jesum Christum anbeten, fröhlich und guter Dinge sein, und darneben Gott, unsern, gnädigen Vater im Himmel danken, Ihn loben, preisen und bitten, daß Er uns in solcher Gnade erhalten und endlich, um Jesu Christi, seines Sohnes willen, ein selig Stündlein bescheren wolle, daß wir Ihm seliglich nachfahren, und das ewige Leben und Seligkeit samt Ihm besitzen. Das verleihe Er uns, der liebe Herr!

Am 10. Mai.

Wisse nun, lieber Mensch, wenn du in Sünden liegest, was du thun sollst; nämlich, daß du wissest, du habest einen solchen Gott, der dir helfen wolle. Denn also ist Er gegen dich gesinnet. Du wirst dir selbst nicht helfen können. Daran liegt viel, daß man dieß wisse. Der Seele wird nicht geholfen, wenn man mir gleich hundertmal sagte: Hast du gesündiget, so denke und habe Reue und Leid über deine Sünde; aber es hilft nicht, das Gewissen wird dadurch nicht stille, sicher und zufrieden, sondern je mehr verzagt und blöde, und meinet nicht anders, denn Gott sei zornig und stehe mit der Keule hinter uns, bis der kommt, der also spricht: Willst du in deinem Gewissen sicher sein, so thue also: Laß fallen deine und aller Menschen gute Werke, und lerne Gott erkennen, und zweifle nicht daran, dieß sei Gottes Art und Natur, daß Er denen helfen wolle, die an seinen Sohn Jesum Christum glauben. Das nimm mit festem Vertrauen an. Es gilt also nicht mehr, denn Christum erkennen; und wenn dann das Gewissen recht unterrichtet ist, so folgt auch darauf ein recht gut Werk. Wo der Verstand im Herzen rechtschaffen ist, was Gott anbetrifft, daß ich weiß, wessen ich mich zu Gott versehen solle, so bekenne ich Ihn auch recht mit dem Munde, und diene Ihm auch recht. Sonst, wenn das Herz falsch ist, so sind auch die Werke falsch.

Am 11. Mai.

Es geschieht allen denen, die mit göttlicher Süßigkeit und Geist durchgossen werden, daß sie mehr fühlen, denn sie sagen könnten. Denn es ist kein Menschenwerk, Gott mit Freuden loben. Es ist mehr ein fröhlich Leiden und allein ein Gotteswerk, das sich mit Worten nicht lehren, sondern nur durch eigene Erfahrung kennen laßt; wie David, Ps. 34, 9, sagt: Schmecket und sehet, wie süße ist Gott, der Herr, selig ist der Mensch, der Ihm trauet. Erst setzt er das Schmecken, dann das Sehen; darum, daß sichs nicht erkennen lasset ohne eigene Erfahrung und Fühlen, zu welcher Niemand kommt, er traue denn Gott mit ganzem Herzen, wenn er in der Tiefe und in der Noth ist. Darum setzt er betend darauf: Selig, ist der Mensch, der Gott trauet, denn derselbe wird Gottes Werk in ihm erfahren, und also zu der empfindlichen Süßigkeit, dadurch zu allem Verstand und Erkenntniß kommen.

Am 12. Mai.

Alle Christen haben und fühlen noch viel übriges Unflath und Unreines an ihnen selbst, als daß sie Gottes Wort nicht so gerne hören, und so stark glauben und fröhlich bekennen, nicht so brünstig anrufen, noch Gottes Gebot vollbringen, wie sie sollten, und gehet mit ihnen, je länger sie leben, wie man pflegt zu sagen, je älter, je kärger; je langer, je ärger. Und Summa, ist hie Niemand ohne mancherlei Gebrechen und Schwachheit, welches je Unreinigkeit und Sünde ist, also, daß sie auch verdammlich wäre, wo sie nicht vergeben würde. Solches fühlen wir auch mehr und starker, denn eben das, so gut und rein an uns ist; und ist also unsere große, tägliche Klage, daß wir des sündlichen Leibes nicht können los werden, sondern müssen uns damit schleppen und tragen bis in die Gruben. Wie soll nun hier ein Christ thun, so er seine Unreinigkeit und sündlich Wesen an ihm selbst fühlet? Ablegen kann ers nicht auf einmal, muß es derhalben leiden, ohne daß er täglich daran bessert, so viel er kann; muß aber darum nicht an ihm selbst verzweifeln, oder sich vor Gott verdammt und verworfen halten, noch ablassen seinen Glauben zu üben, sich bessern und immer fortfahren mit hoffen, anrufen, den alten Menschen ausziehen und wider des Fleisches Lust und Begierden streiten, bis so lange, daß einmal solche Aenderung an seinem sündlichen Leibe geschieht, daß die Sünde gar an ihm aufhöre.

Am 13. Mai.

Das Evangelium ist so klar, daß nicht viel Auslegung bedarf, sondern es will nur wohl betrachtet, angesehen und tief zu Herzen genommen sein. Und wird Niemand mehr Nutzen davon bringen, denn die ihre Herzen stille halten, alle Dinge ausschlagen und mit Fleiß drein sehen, gleichwie die Sonne in einem stillen Wasser gar eben sich sehen läßt und kräftig wärmet, die im rauschenden und laufenden Wasser nicht also gesehen werden mag, auch nicht also wärmen kann, darum, willst du auch hier erleuchtet und warm werden, göttliche Gnade und Wunder sehen, daß dein Herze entbrannt, erleuchtet, andächtig und fröhlich werde; so gehe hin, da du stille seiest und das Bild dir tief ins Herze fassest, da wirst du finden Wunder über Wunder.

Am 14. Mai.

Gott muß mir gewiß viel freundlicher sein, denn meine Käthe mit ihrem Martinchen. Nun kann meine Käthe, oder ich meinem Kinde mit Willen ja kein Aug ausstechen, oder den Kopf abreißen, also auch Gott ja viel weniger. Denn Er hat gegen seine Gläubigen viel ein gütiger und freundlicher Herz, denn ein Vater und Mutter gegen ihrem Kinde haben, wie Gott selber sagt im Propheten Jesaia 49, v. 15., da er spricht: Rann auch ein Weib ihres Rindleins vergessen, daß sie sich nicht erbarme über den Sohn ihres Leibes? und ob sie denselbigen vergäße, so will ich doch dein nicht vergessen. Aber Gott muß Patienz und Geduld mit uns haben. Nun Er hatte dahin gesetzt, ja seinen eingeboren Sohn ins Fleisch gesandt, und lassen Mensch werden, daß wir uns ja des Besten zu Ihm versehen sollen. Ich halte, Paulus sei ihm selber feind gewesen, daß er nicht hat können glauben und Christum lieben, wie er gerne gewollt hatte.

Am 15. Mai.

Die Sünde hat uns umleget mit dreierlei starkem, großem Heere. Das erste ist unser eigen Fleisch; das andere die Welt; das dritte der böse Geist; durch welche wir ohne Unterlaß getrieben und angefochten werden, damit uns Gott Ursache gibt, ohne Unterlaß gute Werke zu thun, das ist, mit denselbigen Feinden und Sünden streiten. Das Fleisch suchet Lust und Ruhe; die Welt suchet Gut, Gunst, Gewalt und Ehre; der böse Geist suchet Hoffahrt, Ruhm und eigen Wohlgefallen, und anderer Leute Verachtung. Und sind diese Stücke allesammt so mächtig, daß ein jegliches vor sich selbst genugsam ist, einen Menschen zu bestreiten, und wir sie doch in keinem Wege nicht überwinden mögen, denn allein mit Anrufen des heiligen Gottes Namen, in einem festen Glauben, wie Salomo Sprüchw. 18, 10 saget: Der Name Gottes ist ein fester Thurm; der Gläubige fleucht dahin und wird über Alles erhaben. Also David Ps. 116, 13: Ich will den heilsamen Reich trinken und Gottes Namen anrufen. Item, Ps. 18, 4: Ich will mit Lob Gott anrufen, so werde ich von allen meinen Freunden behalten werden.

Am 16. Mai.

Wenn du deine Schwachheit fühlest, sollst du darum nicht verzagen, ja, sollst dich vielmehr zu gewisser Zuversicht und Hoffnung erwecken, und nicht zweifeln, der Herr werde seine Kraft und Stärke beweisen, weil deine Kraft aufgehöret und gar geschwächt ist. Denn Er ist ein Nothhelfer und des Armen Schutz in der Noth, Ps. 9, 10. Das ist, als der dann erst hilft, wenn es die höchste Noth erfordert und keine menschliche Hülfe mehr da ist. Darum sollst du in Trübsal, und wenn es übel zugehet, nicht verzagen, noch das Ende und Ausgang, wie es gerathen wird, nach deinen Kräften und Vermögen achten und ansehen; sondern siehe auf den Herrn, auf welchem soll alle deine Hoffnung stehen, auf dir aber gar keine; denn gewiß ist es, daß Er sich auch wird groß und herrlich machen.

Am 17. Mai.

Gleichwie die liebe Sonne dadurch nicht verdunkelt, oder verfinstert wird, daß sie vielen leuchten muß, ja die ganze Welt ihres Lichts, Scheines und Glanzes geneußt; sie behält ihr Licht gleichwohl ganz, es gehet ihr Nichts ab, sie ist ein unmäßig Licht, könnte noch wohl 1 Welten erleuchten. Item, es können wohl 100000 Lichter angezündet werden, und gehet doch demselben Lichte (davon viele andere Lichter oder Kerzen angestecket und angezündet werden,) Nichts ab. Also kann ein gelehrter Mann wohl 1000 gelehrter Leute machen, und gehet ihm nichts ab an seiner Kunst, je mehr er Andern giebet, je mehr er hat. Also ist Christus, unser Herr, (zu dem wir Zuflucht haben müssen und von Ihm Alles bitten,) ein unendlicher Vorn, und Hauptquelle aller Gnade, Wahrheit, Gerechtigkeit, Weisheit, Lebens, die ohne Maaß, Ende und Grund ist: also, daß wenn auch die ganze Welt so viel Gnade und Weisheit daraus schöpfete, daß eitel Engel daraus würden, noch ginge ihm nicht ein Tröpflein ab; die Quelle lauft immerdar über voller Gnade. Wer nun (keinen ausgeschlossen) seiner Gnade genießen will, der komme und hole sie bei Ihm. Ihr werdet diese Quelle des lebendigen Wassers nicht austrocknen, sie wird nicht versiegen, ihr krieget Alles überflüssig gnug daraus, und bleibet doch eine unendliche Quelle. Einen solchen Prediger, sagt Johannes der Taufer, werdet ihr haben; versehet Ihn nicht, daß ihr fromm, euch nach dem Gesetz Mosis haltet, viel guter Werke thut. Euer Thun halt den Stich nicht; und wenn es schon köstlich gleißet, so ist doch Alles falsch und ein lediger Schein. Denn ihr wandelt nicht allein in Finsterniß, sondern ihr seid selbst die Finsterniß, der Sünde und dem Tode unterworfen, sowohl als alle Menschen auf Erden. Wollet ihr aber wahrhaftig fromm, rein, gerecht und selig werden, so holets bei dem, den Gott der Vater versiegelt hat, der da ist die reiche, unendliche Quelle und Fülle, aus welchen alle Patriarchen, Propheten, in Summa alle Heiligen, ich Johannes selber, auch geschöpfet haben, und immer für und für schöpfen, genommen haben und noch nehmen. Wir allzumal (keinen ausgenommen, er sei so heilig, als er wolle) kommen ledig und schöpfen unsere Fäßlein voll aus seiner Quelle und Fülle.

Auch soll Niemand kleinmüthig sein, noch gedenken: Wie können wir Alle von Ihm nehmen? so bin ich es auch nicht würdig, gehöre nicht unter die Zahl der Heiligen, ich bin ein Heide! darum sie verzagen wollen. So saget St. Johannes: Höre, was ich, von Gott gesandt, dir sage: Die Heiden haben eben so gut Recht, doch aus lauter Barmherzigkeit, von seiner Fülle zu nehmen, als die Juden, Abrahams Saamen und die das Gesetze hatten, welches nicht dazu fördert und nützet, daß sie Gottes Volk heißen, noch die Heiden auch nicht hindert, daß sie abgöttische Leute sind. Alle, Alle, es sein Juden oder Heiden, wollen sie anders zu Gnaden kommen und wahrhaftig vor Gott erfunden werden sollen und müssen aus dieser Quelle schöpfen, ihr Fläschlein füllen, die immer für und für fließet und übergehet, und sich satt trinken aus dieser Hauptquelle des lebendigen Wassers, das in das ewige Leben quillet. In Summa, seine Fülle hat weder Maaß, noch Ende, darum schenket nur getrost ein und trinkt mit Lust und Freuden. Denn hier ist überflüssig genug bis in das ewige Leben; dafür ihr Gott zu loben und zu danken in Ewigkeit werdet genug haben

Am 18. Mai.

Niemand kommt zum Vater, denn durch mich. Nun sehen wir wohl, daß kein näherer Weg ist zu dem Vater, denn daß wir Christum lieben, in Ihn hoffen und trauen, alles Gute uns kecklich zu Ihm versehen, Ihn lernen kennen und loben. Denn so ist es unmöglich, daß wir sollen ein elendes, blödes, verzagtes Gewissen haben; es wird in Christo geherziget und erquicket. Also sagt die Schrift von den Sündern: Die Sünder sollen untergehen und zerstieben als der Staub. Also fliehen die Sünder, und wissen nirgend zu bleiben; wo das Gewissen nicht in Gott hoffet und trauet, so erschrecket es und erzittert für der Reinigkeit, Gerechtigkeit Gottes, kann keine Zuversicht haben, fleucht und kann doch nirgend hinkommen, bis daß er Christum erwischet, die rechte Pforte und Anker. Ja, der Weise sollten Alle Christum lernen, aber wir fahren zu und heben an in unserm Namen, mit unserm Verstand und Vernunft, und sehen nicht, nehmen auch nimmer zu Herzen, wie gütlich, süßlich und lieblich Christus mit den Leuten gehandelt hat; denn der Vater hat Ihn also empfohlen. Das schmecket der Frommen Seelen herzlich wohl, und gibt dem Vater durch den Sohn, Christum Jesum, alle Gloria, Lob und Preisung. Also hat Gott Nichts, denn das Beste, und das theilet Er uns mit, nähret, trägt uns, wartet unser durch seinen Sohn. Also wird unser Herz umgekehret, Christo nachzufolgen.

Am 19. Mai.

Wir wollen doch sehen ihre Ursache, warum sie die Kinder nicht gläubig halten. Sie sprechen: weil sie noch nicht zur Vernunft sind kommen, mögen sie Gottes Wort nicht hören; wo aber Gottes Wort nicht gehöret wird, da kann kein Glaube sein, Röm. 10, 17: Der Glaube kommt durch das Hören, das Hören aber kommt durch Gottes Wort u. s. w. Sage mir, ist das auch christlich geredet, also von Gottes Werken urtheilen nach unserm Dünken: Die Kinder sind nicht zur Vernunft kommen, darum können sie nicht glauben? Wie, wenn du durch solche Vernunft wärest schon vom Glauben kommen, und die Kinder durch ihre Unvernunft zum Glauben kommen? Lieben, was Gutes thut die Vernunft zum Glauben und Gottes Wort? Ists nicht sie, die dem Glauben und Wort Gottes auf das höheste widerstehet, daß Niemand von ihr zum Glauben kann kommen, noch Gottes Wort leiden will, sie werde denn geblendet und geschändet, daß der Mensch muß ihr absterben, und gleich werden ein Narr, und ja so unvernünftig und unverständig, als kein jung Kind, soll er anders gläubig werden, und Gottes Gnade empfahen, wie Christus spricht, Matth. 18, 3: Wenn ihr nicht umkehren werdet, und werdet wie die jungen Kinder, so werdet ihr nicht in das Himmelreich kommen. Wie oft hält uns Christus für, daß wir zu Kindern und Narren werden müssen, und verdammt die Vernunft? Item, sage mir, was hatten die Kindlein für eine Vernunft, die Christus herzte und segnete und dem Himmel zutheilte? Waren sie nicht auch noch ohne Vernunft? Warum heißt Er sie denn zu Ihm bringen und segnet sie? Wo haben sie solchen Glauben her, der sie zu Kindern des Himmelreiches machet? Ja, eben weil sie ohne Vernunft und närrisch, sind sie besser zum Glauben geschickt, denn die Alten und Vernünftigen, welchen die Vernunft immer im Wege liegt, und will ihren großen Kopf nicht durch die enge Thüre stoßen. Man muß hier nicht Vernunft, noch ihre Werke ansehen, wenn man vom Glauben und Gottes Werken 'redet. Hier wirket Gott allein und die Vernunft ist todt, blind und gegen diesem Werke wie ein unvernünftig Block, auf daß bestehe die Schrift, die da saget: Gott ist wunderlich in seinen Heiligen. Item, Jes. 55, 9: soviel der Himmel höher ist, denn die Erde, so sind auch meine Wege höher, denn eure Wege, und meine Gedanken, denn eure Gedanken.

Am 20. Mai.

Dagegen aber in Christo ist Nichts zu sehen, denn eitel Gnade, Liebe, Friede, Freude und Gunst; damit ist Er gar überschüttet, daß Er das liebe Kind des himmlischen Vaters ist. Darum ist Er gar ein anderer Mann, denn Adam. Sie sind gegen einander zu halten gleichwie ein Engel und der Teufel. Was Christus redet und thut, daran hat Gott ein Wohlgefallen, und das ist nur aufs allerbeste geredt und gethan; wie denn, Jesaias 42, 1, Gott spricht: Siehe, das ist mein Auserwählter, an welchem meine Seele Wohlgefallen hat! und der Vater selber am Jordan in der Taufe Christi und auf dem Berge Thabor vom Himmel herabruft und öffentlich bezeuget, sagend: Dies ist mein geliebter Sohn, an welchem ich Wohlgefallen habe, den sollt ihr hören. Marc. 9, 7. Saget nun Christus, Matth. 9, 3: Dir sind deine Sünden vergeben; item, Joh. 11, 43, zum verstorbenen Lazaro: Komm heraus, das ist beides wohl geredt und gethan. Der Vater spricht Ja darzu, also, daß Alles, was Er redet und thut, eitel Gnade, Liebe und Freude ist; denn Er ist das liebe Kind und der eingeborne Sohn, Er kanns nicht verderben. Darum sollen wir nicht zweifeln, wenn wir Christi, unsers Herrn, Wort hören, nach seinem Befehl unsere Kindlein lassen taufen, das heilige Sacrament empfahen, daß Gott der Vater ein Wohlgefallen habe, um seines geliebten, eingebornen Sohns willen, durch welchen Er uns angenehm gemacht und verordnet hat zur Kindschaft gegen Ihn selber, ehe der Welt Grund gelegt war, zu den Eph. am 1. Cap. 3, 4. Und wie Er hernach, Joh. 1, 16, saget: von seiner Fülle haben wir Alle (schleußt sich auch mit ein) Gnade um Gnade. Also bildet und malet uns der Evangelist Christum für aufs allerlieblichste und freundlichste, daß er von Ihm saget, daß Er sei voller Gnade und Wahrheit.. als wollte er sagen: Er und sonst Niemand führet diesen Reim, Jes. am 58. Cap. V. 9: Es ist kein Betrug in seinem Munde gefunden worden. Er ist voller Gnade und Wahrheit, das ist Summa Summarum, es gefallet Gott an Christo Alles wohl; der Vater hat Ihn lieb und ist Ihm hold und günstig. Der Vater hat keinen Mangel und Fehl an Ihm. Denn es gefallet Gott nicht alleine, was der Sohn redet und thut aus Gnaden, sondern es ist auch an Ihm selbst rechtschaffen gut, was Er redet und thut, Gott hat daran Nichts zu vergeben; wie auch Christus selber spricht, im Johanne: Alles, was der Vater will, das thue ich. Er liebet den Vater von ganzem Herzen.

Am 21. Mai.

Der, der für uns sorget, wohnet ganz sicher ohne alle Furcht, und ob wir wohl unruhig sind und angefochten werden, so bleibet doch der wohl unangefochten, der auf uns Achtung hat: wir weben und schweben hin und her; er aber sitzet feste und machet, daß der Gerechte nicht ewiglich soll in Unruhe bleiben, Ps. 55 23.

Aber dies Alles geht so heimlich und verborgen zu, daß du es nicht wohl erkennen kannst, du seiest denn auch im Himmel. Du mußt dich leiden auf Erden, zu Wasser und in allen Creaturen: du darfst keines Trostes hoffen in deinen Leiden und Trübsalen, bis du durch den Glauben und Hoffnung über Alles springest, und den erlangest, der im Himmel wohnet; alsdann wohnest du auch im Himmel; aber im Glauben und Hoffnung. Derohalben müssen wir unser Herz gründen und heften in allen unsern Nöthen, Anfechtungen, Trübsalen und Widerwärtigkeiten, an den, der im Himmel wohnet; da wird es denn geschehen, daß uns das Unglück, die Angst und Noth dieser Welt, nicht allein leicht, sondern auch zum Gelächter wird.

Am 22. Mai.

Gar wenig sind der Frommen, welche die Werke des Herrn achten oder ansehen, darum sie weder loben, noch danken, auch nicht sagen können: Groß sind die Werke des Herrn, sondern sind derselbigen gewohnt und durchgangen, wie ein altes Haus des Rauchs, brauchen derselbigen und wühlen darinnen, wie eine Saue im Habersack. O, sprechen sie, ist das so groß Ding, daß die Sonne scheinet? Feuer wärmet? Wasser Fische giebet? Erde Getraide giebet? die Kuh Kälber trägt? Weib Kinder gebieret? Huhn Eier legt? geschiehet es doch täglich. Du lieber, grober Tölpelhans, darum muß es geringe sein, daß es täglich geschiehet? Wenn aber die Sonne 10 Tage nicht leuchtete, so sollte sie wohl ein groß Werk werden. Wenn kein Feuer auf Erden wäre, denn an einem Orte, ich meine, es sollte auch köstlicher werden, weder alles Gold und Silber. Wenn allein Ein Brunn in aller Welt wäre, ich achte wohl, Ein Tröpflein Wassers sollte mehr, denn 100,000 Gulden gelten und dagegen Wein und Bier eitel Unflath sein. Wenn Gott sonst alle Weiber und Kinder aus Beinen machte, wie Heram, 1 Mose 2, 22, und gäbe allein Eines, das die Kinder trüge, ich halte, alle Welt, alle Könige und Herren würden es für Gott anbeten. Aber nun ein jegliches Weib fruchtbar ist, so ist es Nichts. Wenn ein Gaukler könnte ein Auge machen, das da lebete, oder eine Elle weit sehen möchte, hilf Gott, wo sollte der ein Herr auf Erden.

Ja, wer ein recht Blatt oder Blüthe auf dem Baume machen könnte, der würde über Gott sein müssen, und Wunders, Lebens und Dankens aller Welt voll haben.

Am 23. Mai.

Damit greifen wir Gott ins Herz, daß wir Ihn fürchten und eine Scheu vor Ihm haben, und Ihn ehren in allen Dingen; fürchten uns, daß er Alles sehe, was wir thun; halten nichts Anders, daß Er seine Augen auf uns habe. Also thue ich Nichts, ich gedenke: Ach Herr, daß es dir nur nicht mißfalle. Ein solch Herz wollte gerne Nichts thun, das Gott mißfallen möchte. Und obschon ein solcher zu Zeiten strauchelt, so gehet er zurück und spricht: Ach, Herr Gott, ich habe übel gethan! Ein solcher Mensch stehet allwege in einer Furcht und Scheu vor Gott. Also ist sein ganz Leben gefasset in die Furcht Gottes. Ein solcher Mensch darf keiner Regel; denn er wollte, daß alle sein Leben nach dem Willen Gottes gerichtet wäre; und ob er zu Zeiten Gottes vergißt aus Schwachheit des Fleisches, und strauchelt ein wenig, so verharret er doch nicht im Schlamm, kehret sich zu Gott und spricht: O Herr, decke zu, bis gnädig; ich sollte es wohl besser gemacht haben, ich habe es aber leider nicht gethan. Wenn wir also Gott fürchten und ehren, so lassen wir den Geiz wohl anstehen, und greifen Nichts an, wir haben denn Urlaub von Gott, und sprechen: O Herr, gefällt es dir, so geschehe es; gefällt es dir nicht, so bleibe es anstehen. Dem fällt denn viel Reichthum, Ehre und Lust zu.

Am 24. Mai.

Was ists doch, daß wir arme, elende Menschen grübeln, so wir doch nicht die Strahlen göttlicher Verheißungen mit dem Glauben fassen, oder ein Fünklein von Geboten und Werken begreifen können? welche beide Er doch selbst mit Worten und Wunderwerken bestätiget hat. Jedoch werden wir Schwache und Unreine gerissen, und wollen erforschen und verstehen die unbegreifliche Majestät des unbegreiflichen Lichts der Wunder Gottes. Wissen wir denn nicht, daß Er wohnet in einem Licht, dazu man nicht kommen kann? Und gleichwohl gehen wir herzu, ja, vermessen uns dazu zu gehen. Wir wissen, daß seine Gerichte unbegreiflich und seine Wege unerforschlich sind, Röm. 11, V. 33, und dennoch unterstehen wir uns, dieselben zu erforschen. Und das thun wir, ehe und zuvor wir mit den Strahlen und Fünklein der Verheißungen und Gebote Gottes berichtet und begossen werden, ehe wir das ABC gelernet haben; sehen mit blinden Augen, wie ein Maulwurf an der Majestät des Lichts, das nicht mit Worten, noch Zeichen angezeiget, sondern heimlich im Verborgenen bedeutet ist. -

Was ists denn Wunder, daß uns die Herrlichkeit überfället und überschüttet, weil wir nach der Majestät forschen? Was ists Wunder, weil wir es umkehren und wollen aus Fürwitz, verkehrter, muthwilliger Weise, das höheste, größte Licht der himmlischen Sonne vor dem Morgenstern sehen? Der Morgenstern (wie St. Petrus 2 Ep. 1, 19, sagt,) gehet zuvor auf in unsern Herzen, alsdenn erst werden wir ihn sehen im Mittage liegen und ruhen. Lehren soll man zwar von Gottes unausforschlichem und unbegreiflichem Willen; aber sich unterstehen, denselben zu begreifen, das ist sehr gefährlich und man stürzt den Hals darüber ab. Ich zwar pflege an mich zu halten, und mir selber zu steuern mit diesem des Herrn Christi Wort, das Er zu Petro sagt, Joh. 21, 22: Folge du mir nach, was gehets dich an? u. s. w., denn Petrus disputirte und bekümmerte sich auch von Gottes Werk, wie Ers mit einem Andern wollte machen, wie es Johanni würde gehen? Und wie Er Philippo antwortet: der da sagte Joh. 14, 8: Zeige uns den Vater; was, sprach Er, V. 9, 10: glaubst du nicht, daß der Vater in mir ist, und ich im Vater? Wer mich stehet, der stehet auch den Vater u. f. w. Denn Philippus hatte auch gerne wollen sehen die Majestät und Gesellschaft des Vaters. Da sagte Salomo, der weise König: Was dir zu hoch ist, darnach frage nicht. Und zu setzen, wenn wir gleich Alle diese heimlichen Gerichte Gottes wüßten, was Nutzens und Frommens brächte es uns mehr über Gottes Gebote und Verheißung!

Am 25. Mai.

Das ist das rechte Erkenntniß, wenn du dafür hältest und weißt, daß Gott und Christus dein Gott und dein Christus sei; welches der Teufel und die falschen Christen nicht glauben können. Also ist das Erkenntniß nichts Anders, denn der rechtschaffene christliche Glaube. Denn wenn du Gott und Christum also erkennest, so wirst du dich auch mit ganzem Herzen auf Ihn verlassen und Ihm vertrauen, im Glück und Unglück, im Leben und Sterben. Solch Vertrauen können die bösen Gewissen nicht haben; denn sie erkennen Gott nicht weiter, denn daß Er ein Gott St. Petri und aller Heiligen im Himmel sei; aber für ihren Gott erkennen sie Ihn nicht, sondern halten Ihn für ihren Stockmeister und zornigen Richter.

Am 26. Mai.

Lasset uns in diesen Dingen fleißig und oft üben und dieselben betrachten, damit wir immerdar in dieser Erkenntniß wachsen und mehr und mehr gestärket werden, bis die Fülle derselben in der wahren und vollkommenen Erkenntniß dort kommen wird. Ohne Betrachtung und Uebung wächst diese Erkenntniß nicht. Du hast Christum nicht sogleich erkannt, wenn du eine und die andere Predigt gehöret hast. Du kannst nicht sagen: Ich habe gehöret, daß der Sohn Gottes für mich geboren ist; deßwegen weiß und erkenne ich Christum. Weit gefehlt. Die Ringmauer der Sinnlichkeit verhindert uns, daß wir den allerlieblichsten Geruch dieser unendlichen Barmherzigkeit nicht empfinden können, daß dein und aller Creaturen Schöpfer dein worden, daß Er um deinetwillen ein Kind worden, daß Er mit dir spielet; und nicht allein dieses Kind, sondern auch der Vater im Himmel und alle Engel. Durch unser Fleisch werden wir verhindert, daß wir in diesem Leben das Vergnügen, so aus dieser höchsten und unaussprechlichen Wohlthat entspringet, in unsern Herzen nicht empfinden.

Am 27. Mai.

Dieß ist der Trost und Hoffnung der Gottseligen, nämlich, daß unsere Seligkeit und Herrlichkeit nicht in diesem Leben gesuchet wird, sondern wir sehnen uns nach einem andern und bessern Leben. Alles aber, was wir in dieser Welt thun, das richten wir mit einander nur zu Gottes Ehre, damit viel Leute mögen bekehret und selig werden. Darum essen wir auch und trinken, thun die Werke, so beide zum Haus- und Weltregiment gehören, deswegen sammeln wir eine Kirche mit Lehren und Predigen, Alles darum, daß wir nur ein ander Leben suchen mögen. Gleichwie Joseph, welcher keine Hoffnung gehabt zur Freiheit oder Erledigung , oder auch zum Regiment in Aegypten, hat aber doch auf die ewige Glorie und Seligkeit im Himmelreich gehoffet und gewartet. Eben darauf wollen wir auch hoffen; wiewohl Gott auch in diesem Leben die Gottseligen mit vielen Gütern überschüttet. Das ist aber ihr fürnehmster Lohn nicht, sondern das ewige Leben und ewige Freude ist endlich der Gottseligen rechter Lohn im Himmel, welchen auch Christus und alle Heiligen empfangen haben. Derohalben mag die Welt immer hinfahren mit ihren räuberischen Geizhälsen, da sie hingehöret; lasset uns aber unser befohlen Amt ausrichten; wie wir ja von Gottes Gnaden noch immer lehren und darbei mit höchster Geduld große Trübsal leiden. Denn wir gönnen ja in allewege denen gottlosen und undankbaren Leuten noch immer gerne Gutes, damit ihnen möchte gerathen und geholfen werden und sind damit zufrieden, daß wir wissen, daß solcher unser Fleiß und Arbeit Gott wohlgefället. Was wir nicht können fortbringen, das mögen wir dahinten lassen, wenn wir nur einen günstigen und gnädigen Gott haben, der da saget: Siehe, liebes Kind, dein Dienst gefallet mir wohl. Ich will dein Lohn sein, ich will es dir reichlich bezahlen, daß du den undankbaren Menschen gedienet hast. Diese Verheißung und Trost ist viel reicher, denn alle Schätze der ganzen Welt sein mögen.

Am 28. Mai.

Der himmlische Vater vergibt uns unsere Sünde, auf daß wir unsern Brüdern auch vergeben sollen und Barmherzigkeit erzeigen, gleichwie Er gegen uns barmherzig ist, und vergibt Sünde, Tod, Schuld und Pein. Wenn wir solches thun, so sind wir im Reich Gottes. Denn Gottes Güte lebt in unsern Herzen und macht uns auch gütig; Christus sitzet zur Rechten des Vaters und regieret nichtsdestoweniger in den Herzen und Gewissen der Gläubigen, also, daß sie Ihn lieben, fürchten, vor Ihm sich züchtiglich scheuen und Ihm gehorsamlich folgen, gleichwie ein gehorsam Volk seinem Könige, und in allem Thun Ihm gleichförmig werden; wie Er denn spricht: Ihr sollt vollkommen sein, gleichwie euer Vater im Himmel vollkommen ist, Matth. 5, 48. In dem ist Gott vollkommen, daß Er unsere Bosheit, Gebrechen, Sünde und Unvollkommenheit duldet und uns verzeihet, auf daß wir auch also thun sollen unsern Brüdern; wenn wir es aber nicht thun, so werden wir von seinem Reiche verstoßen und dem Reich der Sünden, des Todes und des Teufels unterworfen, gleichwie die ungetreuen, ungehorsamen Landsassen des Landes verweiset und aus dem Lande verjaget werden, dafür uns Gott gnädiglich bewahre.

Am 29. Mai.

Von dem Blinden lehret uns der Evangelist eine recht bettlerische Kunst, daß man vor Gott wohl geilen lernen, unverschämt sei und immer anhalten soll; denn wer blöde ist, der laßt sich bald abweisen und taugt nicht zum Betteln. (Gleichwie ich, als ich ein junger Schüler war und einmal zum neuen Jahr bettelte: ich kam mit Gesellen vor ein Haus und sang um eine Bratwurst; da kam der Hauswirth herausgelaufen mit einem Geschrei und sprach: wo seid ihr Buben? und brachte zwo Würste. Ich aber und mein Geselle liefen davon und dachten, er wollte uns schlagen; bis der Wirth uns nachrufte und hieß uns die Bratwürste holen. Solche taugen nicht zum Betteln.) Man muß hier das Schamhütlein abthun und denken: unser Herr Gott wolle es also haben, daß wir geilen und anhalten sollen; denn es ist seine Lust und Ehre, daß Er viel geben will und gefällt Ihm wohl, daß man sich viel zu Ihm versiehet und von Ihm bittet. Darum soll man es ja so unverschämt thun, als gerne ers hat. Denn wer so lange warten will, bis ers würdig werde, daß Ihm Gott Etwas gebe, der wird freilich nimmermehr Nichts bitten. Darum ists am besten, daß man das Schamhütlein abziehe und den Mund flugs aufthue und sage: Herr, ich stecke hier und da in großer Gefahr und Noth, Leibes und der Seelen, darf derhalben deiner Hülfe und Trost; die wollest du mir ja nicht versagen, sondern gewiß widerfahren lassen, nach deiner gnädigen Zusage.

Am 30. Mai.

Was ist süßer und liebreicher, als die Predigt des Evangelii? Es ist eine gewisse Lehre, auf welche sich die Gewissen sicher stützen; es beut einen geneigten und wohlwollenden Gott an, der seinen Sohn, den ewigen Gott, für das Leben der Welt in den Tod gegeben, damit wir Sünder Vergebung der Sünden haben möchten durch das Lösegeld seines Blutes und Gerechtigkeit nebst dem ewigen Leben durch die Kraft seiner Auferstehung, ingleichen den Sieg über die Welt, Sünde, Tod, Satan und die Hölle. Weil nun dieses das Evangelium Allen verheißet und anbeut, deßwegen laufen die Völker, welche das Gewissen wegen ihren Sünden plagt, herbei, sie ergreifen es mit Freuden und nehmen die Schatze der göttlichen Barmherzigkeit an, welche das Wort zeiget und der Glaube an das Wort sich zueignet.

Am 31. Mai.

Also pfleget Gott die Seinen zu führen und zu regieren, wie im 77sten Psalm, V. 20 geschrieben stehet: Dein Weg war im Meer und dein Pfad in großen wassern, und man spürete doch deinen Fuß nicht. Und Jes. 30, 20.21: Deine Augen werden deine Lehrer sehen, und deine Ohren werden hören das Wort hinterher sagen. Und Christus saget zu Petro, Joh. 13, 7: was ich thue, das weissest du jetzt nicht, du wirst es aber hernach erfahren. Du willst mir in das Angesicht (in faciem) sehen, du willst, ich soll thun, was dich bedünket nütze und gut zu sein: aber ich will es also machen, daß du dich sollt bedünken lassen, als habe dieß etwa ein Narr gethan und nicht Gott. Du sollt mir in Rücken sehen, nicht in das Angesicht. Du sollt meine Werke und meinen Rath nicht sehen, damit ich dich nach meinem Wohlgefallen mache und wiederum mache. Es soll dich närrisch dünken, du sollst solche meine Werke nicht anders aufnehmen, denn ob es der Tod und Teufel selbst wäre.

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