Krause, Cäsar Wilhelm Alexander - Wie sehr sich das heilige Weihnachtsfest zu einem christlichen Familienfeste eignet.

Krause, Cäsar Wilhelm Alexander - Wie sehr sich das heilige Weihnachtsfest zu einem christlichen Familienfeste eignet.

Predigt am ersten Weihnachtstage.

Herr! wir danken dir für deine Gnade, die uns erschienen ist in Jesu Christo. Stärke uns mit deinem Geiste, dass wir uns ihrer stets würdig erweisen mögen. Amen.

Unter allen Festen, welche der Lauf des Jahres uns vorüberführet, ist wohl keins, welches mit gleicher Sehnsucht erwartet, mit gleicher Hoffnung begrüßt und mit gleicher Freude gefeiert wird, wie das heilige Weihnachtsfest. Und das ist schon recht; denn die kirchlichen Feste werden nur dann den rechten Eindruck auf uns machen und den rechten Segen für uns bringen, wenn sie uns auch in festlich erhöhter Stimmung, wenn sie durch diese unser Herz vorbereitet finden, die Mahnung und den Antrieb aufzunehmen, welche aus den Ereignissen, die wir alljährlich wieder feiern, zu uns sprechen. Und diese sind es ja, welche im heiligen Weihnachtsfeste uns zu der reinsten Freude, zu dem kindlichsten Danke gegen Gott auffordern. Das Wort: Siehe, ich verkünde euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird; denn euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist der Herr in der Stadt Davids hat die herrlichste Erfüllung gefunden. Die große Freude, welche damals, in jener heiligen Nacht, nur in einem kleinen Kreise und unter manchen niederbeugenden Gefühlen äußern Mangels empfunden wurde, ist wirklich übergegangen auf alle Völker, ist auch zu uns gedrungen, denn auch wir haben durch Gottes Gnade erkannt, dass Jesus Christus der Herr sei zur Ehre Gottes des Vaters, und in welcher erhabenen Bedeutung er der Messias in der Stadt Davids nicht nur, sondern der geistige König aller Welt ist, das hat uns die ereignisreiche Geschichte von achtzehn Jahrhunderten gelehrt. Denn von allem Edlen, das sie hervorgebracht, von allem Gemeinnützigen, was sie erzeugt, von jedem Fortschritt, den sie das Menschengeschlecht geführt, lässt sie uns den Keim in dem Worte und in dem Vorbilde Jesu Christi erkennen, der wahrlich der Siegesheld ist, welcher dem Menschengeschlecht mit der Fahne der Aufklärung, der Gesittung, der Gottesfurcht und Menschenliebe vorangeht, dem folgend es die Finsternis und alles ungöttliche Wesen überwinden lernt, empordringend zu dem Ziele, welches er, der Gottgesandte, ihm gestellt hat: vollkommen zu werden, wie unser Vater im Himmel es ist. Und jeder Segen, der aus der Kraft des Glaubens unserm Herzen zu Theil wird, die freudige Zuversicht auf unsern Vater im Himmel, die Erkenntnis des rechten Weges zum ewigen Leben, die Hoffnung auf Gottes Gnade und die Vergebung unserer Sünden, auf Unsterblichkeit und ewiges Leben und Weiterstreben, Er, Jesus Christus, der Herr, hat ihn uns vermittelt. Darum kann es auch zu keiner Zeit einen andern Weckruf zu einer rechten Christfeier geben, als den der Apostel Paulus in den Worten ausspricht: Freuet euch in dem Herrn allewege, und abermals sage ich euch: Freuet euch! Eure Lindigkeit lasset kund werden allen Menschen.

Doch auch die andern kirchlichen Feste geben Kunde von der Gnade Gottes, welche in Christo erschienen ist allen Menschen, auch sie fordern den Christen zur Freude und zum Preise Gottes auf. Aber es liegt in dem Wesen des Weihnachtsfestes etwas ganz Eigenes, welches neben der allgemeinen Feier in der Mitte der christlichen Gesamtgemeinde ihm eine besondere Feierstätte an dem häuslichen Herde, in der christlichen Familie zuweiset. Keineswegs liegt dies allein in der Eigentümlichkeit der Jahreszeit, in welche dies Fest in unsern nördlichen Gegenden fällt, wie eine liebliche Wunderblume die Öde des Winters verschönend, wodurch etwa der Festfreude der Raum des Hauses vorzugsweise angewiesen würde; ebenso wenig ist dies aus jener, vielleicht schon der vorchristlichen Zeit entstammenden Sitte allein zu erklären, nach welcher zu dieser Zeit grade Eltern und Freunde sich bemühten, ihre Kinder, Diener und Befreundete durch Liebesgaben zu erfreuen. Ähnliche Sitten, an andere Tage sich knüpfend, sind im Laufe der Zeiten untergegangen und vergessen worden. Dass an diesem Feste aber eine gleiche Sitte sich so dauernd erhalten hat, und zu einer so teuren Gewohnheit geworden ist, dass kaum Jemand, der irgend Einen hat, den er liebt, sie sich versagen mag, das deutet doch wohl darauf hin, dass in ihm selbst etwas liegt, was jene Sitte nährt, was es seiner inneren Natur nach zu einem christlichen Familienfeste bestimmt. – Und so ist es wirklich, meine Geliebten; dies näher nachzuweisen sei heute die Aufgabe dieser Andachtsstunde. Dartun will ich euch:

Wie sehr sich das heilige Weihnachtsfest zu einem christlichen Familienfeste eignet.

(Gesang. Gebet.) Luc. 2, 1 - 14.

I.

In den Kreis einer kleinen Familie führt uns unser heutiges Evangelium ein, geliebte Gemeinde, an die Krippe, die dem Weltheiland das erste Lager darbot, zu den glücklichen Eltern, die, obwohl in Ärmlichkeit und Entbehrung, doch den Himmel im Herzen trugen, als sie auf ihren Erstgebornen hinschauen konnten. Die Geburt eines Kindes, das beglückendste Familienereignis, ist daher der Gegenstand unserer Christfreude, und es wird schon daraus einleuchtend, wie sehr sich das heilige Weihnachtsfest zu einem christlichen Familienfeste eignet, wenn wir bedenken,

1) dass es das Geburtsfest eines Kindes ist, welches der ganzen Welt angehört.

Wie wahr und schön ist es, was Jesus bei Johannes sagt: Ein Weib, wenn sie gebiert, so hat sie Traurigkeit, denn ihre Stunde ist gekommen; wenn sie aber das Kind geboren hat, denkt sie nicht mehr an die Angst, um der Freude willen, dass der Mensch zur Welt geboren ist. - Ich darf mich wohl auf euch berufen, ihr Väter und Mütter, die ihr kennt die bange Besorgnis, die Herzensangst vor und in der Stunde der Entscheidung - ob nicht Alles vergessen ist in dem seligen Augenblicke, da ihr zum ersten Male das teure Kind, das euch Gott gegeben, an das Herz drücken könnt! Und nicht bloß in eurem Herzen, nein, in dem Herzen Aller, die euch lieben, klingt diese Freude wieder; ihr empfanget ihren Glückwunsch und sie vereinigen sich mit euch in dem heißen Dankgebete gegen Gott, den gnädigen Geber aller guten Gaben. - Was ist es aber, dass so die Freude der Eltern über das Kind erweckt? über das Kind, das voraussichtlich ihnen so viele Mühen und Sorgen machen wird, das ihnen so viele neuen und schweren Verpflichtungen auferlegt, dessen Schritte sie werden zu leiten, dessen Geist zu nähren und zu bilden, an dessen Krankenbette sie werden zu wachen, das sie mit allen Erfordernissen des Lebens werden auszurüsten haben? Sollte man nicht meinen, die Eltern müssten trauern und zagen wegen des Zuwachses so großer und heiliger Pflichten, so schwerer Sorgen? Aber nein! Ob auch vorher die bange Sorge sich geltend macht, ist das Kind erst zur Welt geboren, so überwindet die Liebe Alles; sie macht jene Sorgen und Lasten zur Lust, sie sucht in der durch ihre Sorgfalt geleiteten Entwickelung des Kindes ihre Wonne und nährt die Hoffnung, dass die Kinder einst ihres Alters Ehre, Freude und Stütze sein werden. - Ist es nun diese Hoffnung und Freude, welche uns das Gefühl des Glücks gibt schon bei dem Anblicke des neugeborenen Kindes, wahrlich dann haben wir alle Ursache, dieses Glück auch zu empfinden bei dem Hinblicke auf das Kind, dessen Geburt wir in diesem Feste feiern! Es gehört einem Jeden von uns an, denn es ist unsers Lebens Ehre und Freude, Licht und Lust geworden, unsere sichere Stütze, auf welche wir bauen in diesem, wie für jenes Leben. Euch ist heute der Heiland geboren, so lautete die himmlische Verkündigung, und wer das Evangelium in seiner Kraft erkannt hat, fühlt ihre Wahrheit im innersten Herzen. Uns Allen ist das Kind gegeben, das einst zu Bethlehem das Licht der Welt erblickte; in ihm erschien unseres Geschlechtes Ehre, die vollendete göttliche Liebe zu uns, der Menschheit und jedes Einzelnen Licht und Führer zum zeitlich frommen und ewig seligen Loben. Wir haben Alle an ihm Theil, denn er hat uns Alle erwählet und berufen, dass wir erleuchtet und gekräftigt durch das Evangelium trachten möchten nach dem Reiche Gottes und seiner Gerechtigkeit. - So bezieht sich denn das heilige Weihnachtsfest auf ein Familienereignis, dessen segensreiche Folgen auch unserm innersten Wesen zu Theil geworden sind; das Kind, dessen Geburt wir feiern, ist auch uns gegeben, es tritt mit jedem neuen Christfeste gleichsam neu in den Kreis solcher Familien ein, in denen christlicher Glaube, christliche Liebe lebendig sind, und das ist es, was dies Fest vor allen andern so geeignet macht, als ein christliches Familienfest begangen zu werden; aus dieser seiner inneren Bedeutung stammt es gewiss zum Theil, dass seine Feier in engerem Familienkreise sich so allgemein erhalten hat. Nicht weniger aber daraus,

2) dass es der größte Kinderfreund war, dessen Geburt wir in diesen Tagen feiern.

Mit einem bewunderungswürdig feinen und sichern Gefühle begabt, wissen die Kinder es bald zu erkennen, ob ein zu ihnen Herantretender ein abstoßendes Gemüt oder einen kinderfreundlichen Sinn hat, und während sie den Ersteren scheu fliehen, geben sie sich mit liebenswürdiger Unbefangenheit dem hin, den sie als ihren Freund erkennen, umringen ihn mit Jubel, so oft sie ihn erblicken, überhäufen ihn mit lauten Beweisen ihrer Liebe, und der Tag, an welchem er nach längerer Trennung wiederkehrt, wird mit Sehnsucht von ihnen erwartet, und als ein geliebter Festtag begrüßt. Darum ist auch in solchen Häusern, wo die Eltern Jesum lieben und es als Gewissenspflicht erkennen, ihre Kinder zu ihm hinzuführen, sie ihn lieben zu lehren, das heilige Weihnachtsfest stets ein häusliches Freudenfest, denn es ist gleichsam eine immer neue Einkehr des edelsten Freundes der Kinder, der ihren Werth ganz zu schätzen wusste, der ihnen die rührendste Liebe widmete. Wahrlich, ich sage euch, spricht er zu seinen Jüngern, es sei denn, dass ihr umkehret und werdet wie die Kinder, so könnet ihr nicht in das Himmelreich kommen. - Sehet zu, dass ihr nicht Jemand von diesen Kleinen verachtet; denn ich sage euch: ihre Engel im Himmel sehen allezeit das Angesicht meines Vaters im Himmel. Wer ein Kind aufnimmt in meinem Namen, der nimmt mich auf, denn es ist vor eurem Vater im Himmel nicht der Wille, dass Jemand von diesen Kleinen verloren werde. Und da einst Eltern ihre Kindlein zu ihm brachten, dass er sie segnete, die Jünger aber sie zurückhalten wollten, sprach er: Lasset die Kindlein zu mir kommen und wehret ihnen nicht, denn solcher ist das Reich Gottes! Und er herzte sie, legte die Hände auf sie und segnete sie! - Es ist, als wenn der Anblick der unschuldigen und arglosen Kindlein ihm eine Erquickung gewesen wäre, im Gegensatze zu der Welt voll Sünde und Arglist, die sein Auge sonst überall gewahrte, gleich wie dem Auge des Wanderers in der Felsengegend eine grüne Matte liebliche Abwechselung gewährt; er sah in ihnen noch ungetrübt, was er sonst fast überall vermissen musste und was neu hervorzubringen seines heiligen Herzens innigstes Begehren war: reine, unbefangene Liebe.

Das ist der edle Kinderfreund, dessen Ankunft in dem heutigen Feste wir immer wieder feiern, und ich frage euch, ob es nicht auch dadurch sich wieder vorzugsweise zu einer Feier im christlichen Familienkreise eignet? Wahrlich, nicht ohne Grund spricht die Lebensgeschichte des Heilandes die Kinder so herzlich an, dass sie ganz Ohr sind, wenn sie die fromme Erzählung von seiner Kindheit, von seinen Liebestaten, von seinen Lehren und Leiden, von seiner Erniedrigung und Erhöhung vernehmen. Sie fühlen aus dem Allen die heilige Liebe heraus, die ihn antrieb, sich selbst zu entäußern aller Herrlichkeit der Welt und alles sogenannten Lebensgenusses, um die Trauernden zu trösten, den Leidenden zu helfen, den Armen das Evangelium zu predigen, die Sünder wieder zu suchen, sein ganzes Geschlecht aufzurichten, dass es seinen himmlischen Vater durch ihn kennen lerne, und das ewige Leben in ihm finde; die Liebe, welche ihn stark machte, das Leben zu lassen für seine Brüder, gehorsam zu werden bis zum Tode, ja zum Tode am Kreuze. Darum wendet das kindliche Gemüt sich ihm so gern und so freudig zu, und der Tag seiner Geburt wird immerdar ein Freudenfest für dasselbe sein. -

Aber alle, Große und Kleine, werden die Eigentümlichkeit des heiligen Weihnachtsfestes, nach welcher es sich vorzugsweise zu einem christlichen Familienfeste eignet, um so mehr anerkennen müssen, je mehr sie von der Wahrheit überzeugt sind, dass es

3) das Geburtsfest des Gottgesandten Lehrers ist, durch welchen das Familienbündnis erst seine wahre Weihe und Heiligung erhalten hat.

War denn eine solche in der vorchristlichen Zeit vorhanden? Nicht im Norden, nicht im Süden - in keinem Lande der Welt; diese Weihe und Heiligung des Familienlebens ist erst eine Frucht des Christentums. - Jesus stellte zuerst die erhabene sittliche Idee von der Ehe auf, dass in ihr Mann und Weib, beide gleich berechtigt, ein Leib und eine Seele sein sollten. Er erhob das Weib zu der liebenden Gefährtin des Mannes, während sie früher nur seine Magd gewesen war; er sprach den edlen Grundsatz aus, dass die Ehe ein Bündnis für das ganze Leben sein, weil was Gott zusammengefügt, der Mensch nicht scheiden solle, wahrend früher, selbst nach dem Gesetze des Moses, das Weib der Willkür des Mannes unterlag, der sie nach Belieben, um irgend einer Unlust willen, wenn sie nicht mehr Gnade fand vor seinen Augen, aus seinem Hause verweisen konnte, ohne eine andere Verpflichtung gegen sie zu haben, als die, ihr einen Scheidebrief zu geben. Mit dem Rechte der Gattin bekam durch Jesum auch erst das Weib die vollen Mutterrechte, während früher der Mann der unumschränkte Herrscher im Hause war, über seine Kinder nach Launen verfügen, ja sogar in manchen Ländern das Recht über Leben und Tod gegen dieselben üben konnte. Gegenüber dieser Rechtlosigkeit erhob sich nun des Weibes schwere Verpflichtung, denn während der Mann dem öffentlichen Leben angehörte, von dem das Weib gänzlich ausgeschlossen war, während er jede häusliche Beschäftigung für sich als Schande ansah, musste das Weib sich nicht bloß dieser im vollsten Umfange, sondern vielfach sogar den schwersten Arbeiten des Ackerbaues unterziehen, und sah selbst seine Freiheit im Umgange, seine geselligen Freuden durch entehrendes Misstrauen auf eine höchst unwürdige Weise beschränkt. So wars in alter Zeit, so ist es noch jetzt dort, wo das Evangelium keine Stätte hat. - Erst durch den Einfluss des Evangeliums ist dies anders geworden, indem es dem Ehebund die sittliche Grundlage der Liebe gab, und durch Liese sittliche Grundlage des ehelichen Bündnisses, so wie durch die ganz veränderte religiöse Anschauung bekamen auch die Kinder eine ganz andere, eine berechtigte Stellung in der Familie. Sie mussten nun als von Gott den Eltern anvertraut, als Geschenke seiner Gnade betrachtet, es musste die Pflicht der Eltern anerkannt werden, sie zu erziehen zu Bürgern des Himmelreiches, für deren Erben Jesus sie ausdrücklich erklärt hatte. Es ist gewiss, dass in demselben Verhältnisse, als das Ehebündnis heilig und unverbrüchlich gehalten wird, auch die Pflicht der Eltern heiliger und unverbrüchlicher erscheint, auch der Werth der Kinder steigt. Das Verdienst Jesu, hierüber die reinsten und edelsten Grundsätze aufgestellt und in das Leben eingeführt zu haben, kann nur von Solchen verkannt werden, die weder die christliche Idee der Ehe, noch die wirklichen Zustände der vor - und außerchristlichen Welt kennen. Alle aber, die in ihrem Familienkreise ihr Glück und ihren Frieden finden, können sich der Anerkennung nicht entziehen, dass sie dieses Glück und diesen Frieden lediglich der Anwendung der Grundsätze verdanken, welche Jesus in seinem Evangelio aufgestellt. Darum ist auch der Tag, der ihn der Welt gab, vorzugsweise zu einem christlichen Familienfeste geeignet, und wird als ein solches auch da überall gefeiert werden, wo das Wort des Herrn offene Herzen, wo sein Verdienst die gebührende Anerkennung findet. -

Vergesset darum nie, was ihr dem Herrn verdankt, ihr Hausfrauen und Mütter! und seid ihm dankbar dadurch, dass ihr seinen Willen tut und sein Reich bauet in eurem euch anvertrauten, wenn auch kleinen, so doch heiligen Kreise. Während der Mann in das geschäftige Leben der Welt hinaus, während er vorzugsweise des Tages Last und Hitze tragen muss, ist euch das Heiligtum des Hauses vertraut, da ihr walten sollt im Geiste der Ordnung, der Heiligung und der Liebe. Von eurem frommen Gemüt soll es seine religiöse Weihe erhalten; ihr sollt eure Kinder zu Gott und Jesu hinführen, ihr sollt in ihre empfänglichen Herzen den Samen der Gottesfurcht und der Tugend streuen; ihr sollt ihre Liebe, ihre Dankbarkeit gegen Jesum erwecken und auf sein Vorbild sie hinweisen; ihr seid dem Heilande zur Erfüllung dieser Pflichten vorzugsweise verbunden, denn durch ihn ist euch erst die würdige und ehrenvolle Stellung im christlichen Familienkreise geworden, die ihr jetzt einnehmt, und darum ist es auch vorzugsweise eure Pflicht, dem Feste seiner Geburt die schöne Bedeutung zu erhalten, welche demselben einwohnet, dass es nie aufhöre, als ein wahrhaft christliches Familienfest bei euch gefeiert zu werden.

II.

Ist es nun nach dem Obigen nicht zu leugnen, dass es zu einem solchen vorzugsweise geeignet sei, so haben wir nun noch zu fragen:

Ob es als ein solches denn auch wirklich wohl überall oder doch in der Mehrzahl der christlichen Familien begangen wird?

Ein christliches Familienfest haben wir es genannt. Als ein Familienfest sehen wir es bei uns allerdings fast allgemein begehen. Allein nicht auf dieses Wort, sondern auf das Beiwort „christlich“ haben wir den Nachdruck legen wollen. Als ein christliches Familienfest wird es aber nur da gefeiert, wo man sich seines christlichen Ursprungs auch recht lebendig bewusst und wo seine Feier auch wirklich von der Art ist, dass sie sich eignet, das Streben nach dem christlichen Ziele, Frömmigkeit und Heiligung, zu fördern. Richten wir nun den prüfenden Blick darauf, so fürchte ich, dass wir in der gewöhnlichen Festfeier wenig Befriedigung finden, dass wir im Gegenteil Vieles zu wünschen übrig behalten werden. Oder habe ich etwa Unrecht, wenn ich behaupte, dass in vielen Häusern dies Fest vorzugsweise als eine willkommene Gelegenheit benutzt wird, der Begehrlichkeit, der Eitelkeit, der Prunksucht zu genügen? Der heilige Christ, der da gefeiert wird, ist dann nicht der Jesus, der einst in Bethlehem geboren ward, aufwuchs zunehmend an Gnade bei Gott und den Menschen, der sein Leben dem Streben widmete und opferte, uns unsern Vater im Himmel recht kennen, ihn recht verehren, seinen Geboten gehorchen, sein Reich bauen, seiner Gnade vertrauen zu lehren und uns den Blick in das Jenseits zu eröffnen. Nein, es ist etwas ganz Anderes, mit ihm gewöhnlich nur noch durch den Festesnamen in einer Verbindung Stehendes, im Wesen ihm aber Fremdes, ein Gebilde menschlicher Eitelkeit. - Oder habt ihr Alle, ihr Väter und Mütter, indem ihr euren Kindern und Freunden einen heiligen Christ beschertet, sie auch hingewiesen auf den heiligen Christ, den Gott uns Allen einst in Bethlehem schenkte? Ist durch eure Festfeier in euch recht lebendig geworden das Dankgefühl für die heilsame Gnade Gottes, welche erschienen ist allen Menschen in Christo, um sie zu erziehen, dass sie verlassen möchten das ungöttliche Wesen und die weltlichen Lüste, und züchtig, gerecht und gottselig zu leben in dieser Welt? Ist bei der Spende irdischer Liebe wohl auch die Gabe der ewigen Liebe von euch bekannt und gerühmt worden? - Christen! wir leben in einer Zeit, die bei allen unleugbaren Vorzügen doch der Vorwurf nicht mit Unrecht trifft, dass sie die irdischen und zeitlichen Interessen mit einseitiger Vorliebe zu fördern trachtet, dass sie es nicht immer bedenkt, wie es dem Menschen nicht helfe, wenn er die ganze Welt gewönne und nähme Schaden an seiner Seele.

Es ist gewiss ein Irrweg, dies zeitliche Leben und die Pflichten, die es uns auferlegt, zu verachten, und in krankhafter Frömmelei nur im Hinblicke auf das jenseitige Leben zu schwärmen. Dieses zeitliche Dasein hat seine Zwecke, denen wir verpflichtet sind, denen wir uns ohne Sünde nicht entziehen dürfen, da sie alle wiederum als Mittel dem höheren Zwecke dienen, uns vorzubereiten und zu reifen für den Fortschritt zur Vollkommenheit auch nach diesem Leben. Darum ist es aber ein eben so gefährlicher Irrweg, unsere zeitliche Bestimmung als das Endziel unserer Laufbahn zu betrachten. Wir geraten dadurch in Gefahr, durchaus zu verweltlichen, und wie dringend diese Gefahr nahet, das zeigt unter Anderem auch die Verweltlichung unserer Festtage, die sich in so vielen Zeichen ausspricht. Wie Viele gibt es leider, denen z. B. der Sonntag nichts Anderes mehr ist, als ein Tag der Ruhe von der gewöhnlichen Arbeit, oder ein Tag recht ungestörter häuslicher Arbeit, oder gar ein Tag, nur bestimmt zu, leider! vielfach ausschweifenden Vergnügungen? Die gottesdienstliche Feier, die ernste Einkehr in sich selbst, das Rechnung tun von seinem Haushalten, das wird vergessen! Eitle Selbstvergötterer meinen es nicht zu bedürfen; Andere meiden es, weil sein Ernst ihren Lebensgenuss ihnen verkümmern würde! - Wie Viele, frage ich weiter, gibt es, welche sich auf das Weihnachtsfest nur freuen, weil es ihnen die Aussicht bietet, mancherlei Wünsche erfüllt, sich mit allerlei Gaben beschenkt zu sehen, die oft nur ihre Eitelkeit erhöhen, - bei denen aber zu dem religiösen Grunde dieses Festes sich kein Gedanke versteigt, auf welche es also auch für die Hebung des inneren Lebens, der Herzensheiligung gar keine Wirkung haben kann? Wie viele Familienväter mag es wohl geben, die nur mit Kümmernis und Sorge dem Feste entgegen sehen, weil sie wissen, dass ihnen bei seiner Gelegenheit Opfer werden abverlangt, ja abgedrungen werden, welche sie um der herrschenden Sitte, um nicht hinter Andern zurückzubleiben, um nicht hartherzig zu erscheinen, - mit einem Worte: aus gutmütiger Schwachheit sich nicht entschließen können zu verweigern, obwohl sie wissen, dass ihnen später daraus so schwere Verlegenheiten erwachsen werden, dass sie wünschen möchten, das Fest kehre nimmer wieder! - Ist aus dem, was früher Wirkung freier Liebe war, nicht oft ein leidiger Zwang geworden - und wenn dem so ist, frage ich, wo ist denn in diesen Fällen das geblieben, das diesem Feste den christlichen Charakter bewahre, den es doch haben muss, wenn wir seine Feier nicht als eine missbräuchliche bezeichnen sollen?

Geliebte! Ich mag nicht richten. Dazu fehlt mir gleich sehr die Befähigung, als der Beruf und die Neigung. Ich enthalte mich also darum jedes weiteren Urteiles; aber ermahnen muss ich, darf ich, denn dazu bin ich berufen. Ist nur der Nachweis irgend mir gelungen, dass das heilige Weihnachtsfest sich nach seiner ganzen Bedeutung und Eigentümlichkeit vorzugsweise zu einem christlichen Familienfeste eigne, so lasst mich denn bitten, dass wir Alle es auch als ein solches, als ein christliches Fest fort und fort feiern mögen. Dazu gehört denn, dass wir seine christliche Bedeutung stets im Auge behalten, dass unser Geist sich dem Lichte zuwende, welches uns Gott in Christo gegeben, und das durch das Evangelium vermittelte Heil sich zu nutze mache; dass an diesem Tage unser Haus ein Tempel des Herrn werde, da wir ihm dienen mit den Unsrigen, indem wir es lebendig erkennen, dass wir in ihm und durch ihn liebend vereinigt sind, dass wir den Beruf haben, vor Allem in unserm häuslichen Leben das Bild des Gottesreiches im Kleinen darzustellen; dass daher in ihm das Bestreben allgemein werde, zu verleugnen das ungöttliche Wesen und die weltlichen Lüste, und täglich eine Erneuerung im heiligen Geiste angestrebt werde. - Dazu gehört ferner, dass wir uns auch bemühen, von unserer Festesfeier alles das abzutun, was ungöttlichen Wesens an ihr ist. Das sind jene Missbräuche, die ich oben gerügt habe, die ihr, Geliebten, gewiss Alle als solche anerkennt, deren Abstellung ihr sehnlich wünscht. Nun, warum bewirkt ihr sie denn nicht in eurem Kreise? Der Eine will doch keine Ausnahme machen, der Andere will nur nicht der Erste sein, der Dritte fürchtet dadurch Anstoß zu erregen, der Vierte meint, man könne seine Absichten missdeuten! Aber, meine Christen, bedenket doch, dass es eine Ehre ist, von herrschenden Missbräuchen eine Ausnahme zu machen, bei ihrer Abstellung der Erste zu sein, dass noch kein Vorurteil besiegt worden ist, das nicht noch Anhänger gehabt hätte, bei denen seine Bekämpfung Anstoß erregt hätte, und die darum geneigt gewesen sind, die Absichten der es Bekämpfenden zu missdeuten und zu verdächtigen. Hätte Jesus darauf rücksichtigen wollen, so hätte er die Missbräuche des Judentums, die Heuchelei und die Werkheiligkeit der Pharisäer auch nicht rügen müssen, und wir hätten dann kein Evangelium; so hätte Luther den Ablasskram auch nicht anfechten dürfen, und die Reformation hätte das in Aberglauben und Menschensatzung vergrabene Evangelium der Welt nicht wiedergegeben. Ich fürchte nicht einen Vorwurf zu verdienen, wenn ich jene oben angedeutete Gesinnung Feigheit und unchristliche Schwäche nenne. Der Christ soll bauen an dem Gottesreiche, soll darin streiten gegen alles ungöttliche Wesen; das ist sein Beruf, lind wahrlich, Missbräuche, die ein so herzerhebendes Fest wie das unsrige verunstalten und ihm einen großen Theil seiner segensreichen und heiligenden Kraft rauben, sind wohl schwer genug, um zu bewirken, dass der Kampf sich gegen sie richte. Ist dann einmal das Unkraut ausgerottet, so wird auch der gute Same wieder fruchtbaren Boden finden, und der Dank für Gottes Gnade, die Liebe zu Jesu Christo, die Frömmigkeit der christlichen Gemüter wird genährt werden zur Ehre Gottes, der Welt zum Segen.

Hilf uns dazu, o Gott, dass wir in allen Dingen dein Wort hören, bewahren und ihm folgen mögen. Segne auch unsere heutige Festesfeier, dass wir erkennen, wie du so gnädig und barmherzig bist, dass wir deinen Namen loben jetzt und ewiglich. Amen.

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