Kohlbrügge, Hermann Friedrich - Die Hochzeit zu Cana

Kohlbrügge, Hermann Friedrich - Die Hochzeit zu Cana

Gesang vor der Predigt.

Psalm 119, Vers 1 und 2.

O selig sind, die in Aufrichtigkeit
Vor ihrem Gott zu wandeln sich bestreben,
Die sein Gesetz bewahren allezeit,
Die immer Acht auf Gottes Zeugnis geben.
Heil, wer ihn sucht, von Herzen ihm sich weiht!
Er findet Gott, und seine Seel wird leben.

Heil denen, die in seinen Wegen geh'n
Und folgen Gott, wie er sie führt, im Stillen,
Kein Unrecht tun und immer auf ihn seh'n,
Und merken stets auf seinen heil'gen Willen.
Herr! Du gedenkst; o lass es uns versteh'n,
Dein Reichsgesetz mit Eifer zu erfüllen!

Gesang nach der Predigt.

Psalm 111, Vers 5 und 6.

Ja, ewig steht, was Gott gebeut,
Es ist nach Recht und Billigkeit
Das sieht und rühmet Jakobs Same.
Erlösung sendet uns der Herr,
Was er verheißt, erfüllet er;
O, hoch und heilig ist sein Name.

Drum soll die Furcht des Herrn allein
Bei uns der Weisheit Anfang sein,
Sie wird uns zum Verstande führen;
Sie macht uns edel und beglückt,
Für Welt und Himmel uns geschickt,
Und wird mit ew'gem Schmucke zieren.

Liebe Freunde! Weil ihr jetzt hier erschienen seid, teils um durch die Predigt des göttlichen Wortes euch zu erbauen zum geistlichen Hause, teils um eure Teilnahme zu bekunden an eines Predigers, der des Zeugnisses unsers Herrn sich nicht schämt, ehelicher Verbindung mit einer Jungfrau, welche, geziert mit dem Kranz der Liebe, des Dankes und der innigsten Heilswünsche der Gemeine, dem Mann folgt, zu welchem Gott sie mit seiner Hand und nach seiner Weisheit geführt, so haben wir es für gut angesehen, bevor wir zur Verrichtung der Trauung schreiten, auf einen Zug aus dem Walten und den Taten unseres Herrn Jesu in den Tagen seines Fleisches aufmerksam zu machen, welcher uns Allen zur Belehrung, den Eheleuten zum Trost, dem jungen Ehepaare zur Stärkung in der Freude am Herrn dienen möge.

Es ist Johannes, der Evangelist, der uns diesen Zug in seinem Bericht von der Hochzeit zu Cana in Galiläa im zweiten Kapitel seines Evangeliums mitteilt. Diesen Bericht wollen wir zuvor lesen, um sodann die denkwürdigen und aller Annahme werten Worte des elften Verses, in welchem dieser Zug vorkommt, mit einander zu erwägen.

Der Bericht lautet also: V. 1. Und am dritten Tage ward eine Hochzeit zu Cana in Galiläa; und die Mutter Jesu war da. 2. Jesus aber und seine Jünger wurden auch auf die Hochzeit geladen. 3. Und da es an Wein gebrach, spricht die Mutter Jesu zu ihm: Sie haben nicht Wein. 4. Jesus spricht zu ihr: Weib, was habe ich mit dir zu schaffen! Meine Stunde ist noch nicht kommen. 5. Seine Mutter spricht zu den Dienern: Was er euch sagt, das tut. 6. Es waren ober allda sechs steinerne Wasserkrüge gesetzt, nach der Weise der jüdischen Reinigung; und gingen je in einen zwei oder drei Maß. 7. Jesus spricht zu ihnen: Füllt die Wasserkrüge mit Wasser. Und sie füllten sie bis oben an. 8. Und er spricht zu ihnen: Schöpft nun und bringts dem Speisemeister. Und sie brachtens. 9. Als aber der Speisemeister kostete den Wein, der Wasser gewesen war (und wusste nicht, von wannen er kam, die Diener aber wusstens, die das Wasser geschöpft hatten), ruft der Speisemeister dem Bräutigam, 10. Und spricht zu ihm: Jedermann gibt zum ersten guten Wein, und wenn sie trunken worden sind, alsdann den geringern; du hast den guten Wein bisher behalten.

Diesen Bericht schließt nun der Apostel in dem elften Verse mit den Worten: Das ist das erste Zeichen, das Jesus tat, geschehen zu Cana in Galiläa, und offenbarte seine Herrlichkeit. Und seine Jünger glaubten an ihn.

Wir nannten diese Worte denkwürdig und aller Annahme wert. Anfechtung lehrt aufs Wort merken; und so finden wir immer bald hehre Belehrung, Trost und Stärkung eben da, wo wir beim ersten Anhören meinen möchten, es sei etwas nur so nebenbei erzählt. So könnte es uns unerheblich dünken, ob es das erste, das dritte oder das fünfte Zeichen gewesen, das Jesus tat. Deshalb wollen wir nach Anleitung dieser evangelischen Worte folgende fünf Fragen aufwerfen, um aus ihrer Beantwortung Licht, Trost und Kraft zu schöpfen.

Die erste Frage: Warum macht Jesus den Anfang1) seiner Zeichen bei den Eheleuten?
Die zweite: Bei welchen Eheleuten tut er das, und wo wohnen sie?
Die dritte: Wie sind seine Zeichen beschaffen?
Die vierte: Was tut Jesus noch außer denselben?
Die fünfte: Welche Frucht schaffte er damit?

1. Warum macht Jesus den Anfang seiner Zeichen bei den Eheleuten?

Tat das Jesus nicht? Lesen wir nicht Vers 1 und 2: Und am dritten Tage ward eine Hochzeit zu Cana in Galiläa; Jesus aber und seine jünger wurden auch auf die „Hochzeit geladen“?

Jesus, am dritten Tag, nachdem er in Galiläa angekommen, auf einer Hochzeit mit seinen Jüngern! Wer hätte das erwartet? Sagt doch sein Name, dass er kommt, sein Volk selig zu machen von ihren Sünden? Ist er doch nach Galiläa gekommen, auf dass erfüllt würde die Schrift: „Die heidnische Galiläa, das Volk, das im Finstern saß, hat ein großes Licht gesehen, und die da saßen am Ort und Schatten des Todes, denen ist ein Licht aufgegangen.“2) Und: „Der Geist des Herrn ist bei mir, derhalben er mich gesalbt hat und gesandt, zu verkündigen das Evangelium den Armen, zu heilen die zerstoßenen Herzen.“3) Jesus kam in Galiläa an am dritten Tag, nachdem Johannes der Täufer gesprochen: „Siehe, das ist Gottes Lamm!“4) Es ist ein Tag der Entscheidung, dieser dritte Tag, ein Tag des Entweder - Oder! Der dritte Tag ist allerwärts als solcher in der Schrift bezeichnet; als Tag des Umkommene oder der Errettung, des Anfangs der Verwesung oder der Auferstehung. Aber wenn das so ist, wenn vierzig Tage unser Herr fastete in der Wüste und diese ganze Zeit hindurch versucht ward von dem Teufel, und er ihn mit dem Worte von sich trieb; wenn es nun vier Tage her sind, dass er diese Versuchung überwand - warum lesen wir denn nicht, dass er am dritten Tag, nachdem er in Galiläa angekommen, Tausende und Zehntausende um sich versammelt, ihnen gewaltiglich das Evangelium gepredigt, und also dieser dritte Tag ein Tag der Auferstehung Vieler in Galiläa geworden sei? Statt dessen lesen wir, dass er der Ladung folgt, sich mit seinen Jüngern gleichsam in eine Ecke unter ein Dach begibt, wo man nicht den Leib kasteit, um von seiner Sünde loszukommen, wo nicht göttliche Traurigkeit waltet, sondern Hochzeitsfreude, Sang und Klang, Auftischen und Einschenken, Brautschmuck und Lieder irdischer Liebe? Ist denn da der entscheidende Tag nicht verloren, der Anfang einer so großen Zeit nicht verabsäumt? Oder, nochmals, warum treibt Gott Vater ihm an diesem Tage nicht Tausende und Abertausende entgegen, das Evangelium zu hören? Warum richtet er es so ein, dass gerade an diesem Tag eine Hochzeit ist? Warum schickt er seinen Sohn an diesem Tag zuallererst dahin, wo der eheliche Stand seinen Anfang nimmt?

Wir wollen darauf antworten, damit wir nicht was fleischlich ist, für hochgeistlich, und was allein geistlich, was göttlich, was auch allein praktisch ist, für gemein, fleischlich und unbrauchbar halten.

„Gott schuf den Menschen ihm zum Bilde, zum Bilde Gottes schuf er ihn; und er schuf sie ein Männlein und ein Fräulein.“5) „und sie werden sein Ein Fleisch,6)“ spricht der Herr. „Und Gott segnete sie und sprach zu ihnen: Seid fruchtbar und mehrt euch, und füllt die Erde und macht sie euch untertan und herrscht.“7) Da haben wir der Erde König und Königin, der Erde Priester und Prophetin in einem Bund von mehr als gegenseitiger Treue, in einem Bunde der Einheit, wie nur Gott sie schaffen kann, in einem Stand, welcher göttlicher Stiftung und Ordnung, und so der älteste und ehrwürdigste ist.

Aber was ist aus diesem Stand geworden, seit der Teufel dem Menschen die Kenntnis des Guten und Bösen beigebracht hat? Adam fiel nicht allein, mit ihm fiel das Weib; und nachdem Gott ihn aus dem Garten Eden entlassen, befand er sich mit seinem Weib auf einem um seinetwillen verfluchten Acker, sich mit Kummer darauf zu nähren sein leben lang8).

Es ist also dieser Stand ein Stand voll Kummer geworden; ein Stand vieler Schmerzen und der oft härtesten Unterwerfung9) für das Weib, und ein Stand, worin der Mann sein Brot isst im Schweiße seines Angesichts.

Sein Wort: „Seid fruchtbar und mehret euch“ - den Reiz sich zu mehren, den Stand an sich und den Segen hebt Gott nicht auf, - aber wie stehen wir zu diesem Stand? Verstehen wir es, dass Gott ihn gestiftet, nachdem er Himmel und Erde geschaffen? dass er ihn gestiftet zur Mehrung, und ihn erhalten nach dem Fall, auch um Hurerei, Unzucht und Unreinigkeit zu vermeiden?

Ach, wie wird die Wohltat Gottes von uns Menschen verkannt, indem man diesen Stand als eine Sache eigenen Willens und eigener Wahl, als etwas Fleischliches betrachtet; dass man über den Leib meint eigenwillig verfügen zu können, und den Reiz zur Mehrung Gott ins Angesicht wirft durch Hurerei allerlei Art, durch Unmäßigkeit und Berechnungen, wonach man nicht will, wie Gott es will; oder dass man den Ehestand sich zur Hölle macht durch Eigenliebe und allerlei Verkehrtheit!

Und doch gehen aus diesem Stande hervor Vater und Mutter und die Obrigkeit, Kinder und Nachkommen, Familien, Fürsten und Völker, bewohnte Länder, Städte und Dörfer, wie die einzelnen Wohnungen: ist es etwa einerlei, wie diese alle aus dem von Gott gestifteten Stande hervorgehen?

Wie der gerechte Gott die Geringschätzung dieses Standes, wie er die Sünden gegen denselben, als wäre er ein rein weltlicher, von menschlicher Willkür abhängiger und konventioneller, von jeher gestraft hat und noch straft, ist hell am Tage, wie geschrieben steht: „sie nahmen zu Weibern, welche sie wollten“10); es ist hell erwiesen in der Unlust und dem Unfrieden, worin manche Eheleute leben; in den schrecklichen Sünden der Unzucht, wobei man gar nicht mehr weiß, noch wissen will, dass unsere Leiber Glieder Christi sind, dagegen den Leib und die Kräfte, für den Ehestand geschaffen, anderweitig schwächt, wie geschrieben steht: „Darum hat sie auch Gott dahingegeben in ihrer Herzen Gelüste, in Unreinigkeit, zu schänden ihre eigenen Leiber an ihnen selbst“11); es ist klar zu sehen an dem überhand und immer zunehmenden Ungehorsam der Kinder, dass die Klage laut wird: die kleinen Kinder treten den Schoß, die großen treten aufs Herz; es ist wie mit Händen zu greifen endlich an dem Hang, so wenig als möglich zu arbeiten und so viel als möglich Geld zu gewinnen, um es zu vergeuden; sowie an den Revolutions-Gelüsten der Völker. Das ist die Strafe überall da, wo der Ehestand nicht als ein von Gott geschaffener und verordneter erkannt wird: dass jedes Band des Gesetzes, der Ordnung und der Zucht sich löst, und der Mensch unter das Vieh sinkt.

Aber wie Gott gerecht ist und straft, so ist er auch barmherzig und gnädig; und wie von seiner Liebe allein die Stiftung des Ehestandes als des vorzüglichsten Standes ausging, so geht es von ihm allein aus, ihn von der Zerrüttung der Sünde wieder herzustellen. Es war also Gottes väterliche Regierung, dass am dritten Tage in Cana (auf deutsch: Eiferstadt) eine Hochzeit war. Es war Gott Vater, der durch die Eheleute seinen Sohn zu dieser Hochzeit laden ließ, und Jesus, der den Willen des Vaters in Allem und vor Allen erkannte, will bei Eheleuten den Anfang seiner Zeichen machen, uns zur Unterweisung und zum Trost, dass es nach seiner Versuchung in der Wüste sein erstes Anliegen ist, sich zu offenbaren als den Wiederhersteller des Standes, woraus auch seine Kirche hervorgeht; wie geschrieben steht: „Anstatt deiner Väter wirst du Kinder kriegen, die wirst du zu Fürsten setzen in aller Welt“12).

o haben wir die Antwort auf die erste Frage. Wir gehen über zu der zweiten, und können uns mit der Beantwortung dieser, wie auch der übrigen, nach dem, was schon gesagt ist, kurz fassen.

2. Bei welchen Eheleuten macht Jesus den Anfang seiner Zeichen, und wo wohnen sie?

Auch Nathanael, dieser rechte Israeliter, in welchem kein Falsch war, war aus Cana; so war auch er geladen, und die Mutter Jesu war da. Wir haben es also mit Eheleuten zu tun, die nicht leichtsinnig in den Ehestand gegangen sind, die nicht gedacht haben: ich nehme dich, du mich zur Abhilfe meiner Gelüste - als wäre der Mensch ein Vieh; mit Eheleuten, die nicht den göttlichen Segen für eine Formel und Bestätigung eignen Willens und Laufens gehalten haben. Hier sind Eheleute, welche erkannt haben das göttliche Werk Seiner Schöpfung, die göttliche Stiftung und Anordnung ihres Standes, so dass es nicht hieß: ich nehme dich, du mich, sondern: der Gott, des ich bin, schuf dich für mich und mich für dich, dass wir Ein Fleisch seien, und der Gott Himmels und der Erde, der es angefangen in seiner Barmherzigkeit, wolle es bestätigen in seiner Gnade, auch vollenden nach seiner Treue. Es sind demnach Eheleute gewesen, die den Herrn fürchteten und große Lust zu seinen Geboten hatten; wie der Trauungspsalm, wie des Geistes Hochzeitslied und die göttliche Verheißung für den Ehestand lautet (in den Worten des hundert acht und zwanzigsten Psalms): „Wohl dem, der den Herrn fürchtet und auf seinen Wegen geht.“

Eheleute, bei denen Jesus den Anfang seiner Zeichen macht, haben demnach erkannt den Willen Gottes; sich auf Gottes Wegen und nicht auf den Wegen, wie das Fleisch sie macht, gegenseitig gefunden; sie haben auch ihr Verderben zuvor recht erkannt, ihre Verlorenheit und Machtlosigkeit, sich selbst zu regieren und zu helfen; sind auf Barmherzigkeit bei Gott aus gewesen, haben gesucht und suchen Gnade zu finden in den Augen Gottes, und haben im Anfang oder Fortgang Erfahrung gemacht von Seiner gewissen Zusage: „Ich will mich mit dir verloben in Ewigkeit, ich will mich mit dir vertrauen in Gerechtigkeit und Gericht, in Gnade und Barmherzigkeit; ja, im Glauben will ich mich mit dir verloben, und du wirst den Herrn erkennen“13). Der eine wie der andere Teil, oder doch Einer von ihnen, hat sich demnach zuvor dem Herrn ergeben, sich mit ihm verbunden, zieht hin zu seiner Ruhe; und es ist sein ernstes Anliegen und Bestreben, den andern Teil oder sich gegenseitig nicht für dieses Leben nur, sondern auch für die Ewigkeit, nicht nur dem Äußeren und Leiblichen nach, sondern auch der köstlichen Seele nach glücklich zu machen! Seht, bei solchen Eheleuten macht Jesus, der Herr, allemal den Anfang seiner Zeichen. Solche laden auch den obschon nunmehr unsichtbaren Jesum, den Wiederhersteller des Ehestandes, zur Hochzeit, das heißt, sie beginnen den Stand mit ihm und rufen Gott an in seinem Namen: er wolle der Sünden ihrer Jugend und ihrer vielen Übertretungen nicht gedenken. Da ist ein Herz und ein Mut, den Herrn mehr zu lieben denn die Frau, den Herrn mehr zu lieben denn den Mann. Die oberste Schwelle und die Türpfosten des Hauses, da solche Eheleute wohnen, sind bestrichen mit dem Blut des Lammes, - und sie „lassen Christi Wort reichlich bei sich wohnen“ Tag und Nacht, dass man gewiss sei: man liebe und baue für Christum und seine Gemeine, und also für die selige Ewigkeit!

Solche Eheleute schlagen noch heutzutage allemal ihre Wohnung auf oder wohnen zu „Cana“ in Galiläa - zu Cana nicht in Wirklichkeit, sondern im geistlichen Sinn - in der „Eiferstadt“, dass sie gegenseitig und für einander eifrig sind, abzulegen und aus Haus und Herz zu tun, was diesem Stand nicht frommt, dagegen des Herrn Hilfe, Macht und Gnade herbeizurufen; ihren Stand also hoch zu halten, dass er Gott angenehm und den Menschen wohlgefällig sei; dass ihr Haus stehe auf den Saphiren göttlichen Wortes und seiner Gnade, und sei ein gläsernes Haus, dass Freunde und Nachbarn, die aus- und ein- und vorübergehen, ja auch die Feinde, das Licht göttlicher Ordnung und Gnadenherrschaft und der guten Werke dieses Standes sehen mögen. - Dieses Cana liegt aber „in Galiläa“, das ist: in dem Lande, wo man ohne Jesum in Finsternis steckt und in Schatten des Todes. Ich meine, solche Eheleute bekennen sich als Sünder und verlorengehende Schafe, als verwaiste und hilflose Kinder, die aus sich nichts vermögen, als Verkehrtheit auf Verkehrtheit häufen, - die also bekennen, dass sie ohne Jesum nichts tun können, indem nur Er den Ehestand aufrecht erhalten kann, der ihn verordnet und wiederhergestellt. Es bedürfen aber solche Eheleute fortwährend der „Zeichen“ seiner Gnade und seiner Hilfe.

So kommen wir zu der dritten und vierten Frage:

3. Wie sind des Herrn Jesu Zeichen beschaffen bei den Eheleuten? und was tut Jesus noch außer denselben?

In dem Evangelio lesen wir, dass es den Eheleuten an Wein gebrach, und dass dieser Mangel dem Herrn nur brauchte angezeigt zu werden, um durch ihn, als seine Stunde gekommen war, ganz verborgen eine Abhülfe zu erhalten, wovon die Eheleute samt den Gästen einen Genuss im Überfluss hatten, bevor sie wussten, woher sie kam.

So aber war sein Zeichen beschaffen: Wasser machte er zu Wein; so viel Wasserkrüge da waren, ließ er füllen mit Wasser, und sprach sodann: „Schöpft“. Wasser war hineingegossen, Wein wurde geschöpft, und zwar guter Wein.

Macht der Herr Jesus auch jetzt noch Wasser zu Wein? Aus der Erde kommt der Wein nicht in den Weinstock; Er, der den Weinstock aus der Erde hervorgehen ließ und lässt, und diesen Stock zum Weinstock geschaffen, Er kanns wohl auch jetzt noch. Dennoch tut er oft mehr denn das, wenn nicht so unmittelbar, so doch noch unmittelbar genug; aber wie in seiner Schöpfung das eine Kraut nicht dem andern, das eine grüne Blatt nicht dem andern gleicht: so verschiedenartig sind auch seine Zeichen! Genug sei es uns, dass er seinen Schafen das Leben und die Fülle gibt; dass er den Eheleuten allezeit seine Hilfe beweist, wenn man sichs am wenigsten versieht. Eben den Ehestand, den Er wiederhergestellt, wird Er auch aufrecht zu erhalten wissen. Er kennt den Urteilsspruch: „Mit Schmerzen sollst du Kinder gebären; verflucht sei der Acker um deinetwillen; mit Kummer sollst du dich darauf nähren dein Leben lang; Dornen und Disteln soll er dir tragen“14) Das Wort, dieser Spruch aus Gottes gerechtem Mund, lässt sich nicht aufheben; aber so sind des Herrn Jesu Zeichen beschaffen, dass Er bei denen, die ihn lieben, allemal aus Wasser Wein macht. Oder woher sonst denn wohl die Wonne gegenseitiger Liebe und Treue mitten in Schmerzen und Sorgen? Woher sonst die Mutterfreude bei allen Nöten und Ängsten um das Kind? Woher sonst die Vaterehre, höher denn königliche Ehre mitten im Kummer? Schafft es der Mann etwa, dass das Haus unter Segen gebaut wird? Schafft es etwa die Frau, dass das Haus sich dehnt, wenn es zuvor (und oft nachher auch!) an Allem gebricht, ja alles des Wassers der Not und der Sorge voll wird; oder schafft es der Herr, dass das Ehehaus Stand hält bis ins tausendste Geschlecht?15)

Ich will aber nicht nur reden von äußerlichem Mangel und innerem Kummer, der aus ihm stammt. Es ist nicht allen Eheleuten auferlegt, diesen Mangel und Kummer wirklich zu empfinden, kanns auch nicht bestimmen, welchen Segen die fünfhundert bis siebenhundert Flaschen Weins, womit der Herr die Eheleute zu Cana so königlich begnadet hat, ihren Kindern und Nachkommen gebracht. Ich will von einer andern Weise reden, wie der Herr den Eheleuten, die ihn lieben, das Wasser zu Wein macht. Es lässt sich die Sünde nicht aufheben, obschon vom Herrn vergeben und bei ihm vergessen; sie ist wohl da. Weislich beschließt er auch hier Alles unter Sünde; der Mann hat seine, die Frau ihre Sünde: - und aus dieser Sünde, was entsteht daraus nicht Alles in dem Gott heiligen Stand der Ehe? Wo nun aber Gottes Wort im Haus herrscht, wie muss sich da immerdar das Blatt wenden, dass die Gnade Jesu königliche Herrschaft ausübe! Da scheint Er des Wassers noch mehr einzugießen bis oben an, dass der Mensch aufs tiefste gedemütigt werde, und er so im Hausstand mit Kindern und Gesinde die Gnade um so mehr preise. Da macht der Herr Jesus wahrlich in aller Hinsicht Wasser zu Wein, dass Unlust zur Lust wird, und das Haus, das alle Teufel stets umlagern und gerne abbrächen, dennoch zur kleinen Kirche wird, und viele solcher Häuser zu Kirchen, und dass man des Herrn Zeichen und Wunder in dem Keller und auf dem Speicher wohl mit Augen sehen, mit Händen greifen kann.

Und da tut Jesus dieses obendrein: dass er seine Herrlichkeit offenbart, so dass nicht der Menschen, nicht der Eheleute Herrlichkeit, sondern eine Herrlichkeit im Herzen empfunden wird und von den Eltern, den Kindern, dem ganzen Gesinde, vom Boden und Hausrat Andern entgegenleuchtet. Da ist der Glaube der Speisemeister und muss bekennen: „Das Gute hast du bisher behalten“.

Und dieses führt uns zur Beantwortung der letzten Frage:

4. Welche Frucht schafft Jesus mit seinen Zeichen?

Das Evangelium hebt die Frucht hervor: „Seine Jünger glaubten an ihn“. Es glaubten demnach auch der Bräutigam und die Braut an ihn. Hatten sie zuvor nicht an ihn geglaubt, wie waren sie dann seine Jünger geworden? Der Glaube bleibt wohl und hört nicht auf, wo er einmal in Wahrheit ist; aber der Unglaube ist nirgendwo, obschon vergeben, gänzlich ausgerottet. Oder sehen und erkennen wir ihn denn, den Heiland, in seiner Macht und Treue, wenn es am Wein gebricht, wenn es nicht nach Wunsch, nicht nach unsrer Vorstellung, die wir uns von den Dingen gemacht, hergeht, vielmehr das Gegenteil sich aus allen Ecken und Enden aufmacht? Ist es da nicht, als müsse der Herr von dannen? Ja, stellt er sich da nicht hart und als wolle er nicht? Ist es nicht wie ein rollender Donner, vernehmen zu müssen: „Weib, was habe ich mit dir zu tun“? O, welche höllische Stöße oft auch, ja grade im Ehestande! Es gibt da allerlei, wobei Gott uns fremd wird, und wir sein Schalten und Walten nicht verstehen, und als triebe der hundert acht und zwanzigste Psalm mit uns seinen Spott. Da ist denn der Teufel geschäftig, der Glaube sieht nirgend Hilfe, und weil er nichts aufzuweisen hat, weicht er dem Unglauben. Der Unglaube erhebt sich, will auf Zorn deuten, auf Sünden, und als bekenne der Herr sich nicht zum Ehestande. Hinwiederum kann doch der Glaube nicht auf Zorn deuten, noch auf ein völliges Verlassensein; so demütigt er sich dann, sieht aber Fleisch nicht mehr an, sondern des Herrn Wort. Es wird das Haus, das Gesinde, das Herz, der Wandel, die Lust, der Tisch, Keller und Söller dem Wort unterworfen: „Was Er sagt, was Er befiehlt, das tut“. Er will Gehorsam, und so ist Er mit seinen Zeichen und Wundern bald da, wo man sich selbst verleugnet. Das sollen die Eheleute, die ihn lieben und fürchten und auf seinen Wegen gehen, am allerersten erfahren; und da glauben sie denn an den Herrn so, als hätten sie zuvor gar nicht an ihn geglaubt. Unsrerseits haben wir stets mit neuem Unglauben allen vorigen Glauben verdorben; von Seiten Gottes wird der Glaube erhalten, dass er stets wieder neu durchbricht.

Ach, der armen Eheleute, die in ihrem Stande Gottes Werk (wie fleischlich es auch aussieht), Gottes Geschöpf und Anordnung, Gottes Wohltat, Geduld und Güte nicht erkennen!

Ach, der jungen Leute, auch der Eheleute, die ihr „Ich“, die die Lustseuche der Erkenntnis des Herrn Jesu vorziehen.

Aber dreimal Heil den Eheleuten, die zuvor dem Herrn Hand und Herz gaben, die sich gegenseitig erkannten als Gottesgabe, die sich gegenseitig als solche mit Ehre, Liebe und Treue vorgehen; die es begreifen und zu Herzen nehmen, dass der Mann, dass die Frau eine Seele hat, also entweder ewig verloren geht oder ewig errettet wird! - Sie werden ihre Ehe ansehen als von Gott gegründet für Christum und seine Gemeinde - und nicht ihr Fleisch mehr lieben denn den Herrn und sein Gebot. Ihr Haus steht in dem Evangelio; des Hauses Grund in Christi Blut; ihre Hausordnung ist Gottes Gesetz; ihre beste Schüssel ist sein Wort; der Hausgiebel zeigt den Glauben; durch die Haustüre geht die reiche Ware aller guten Werte, dem Nächsten zu Nutz und Erbauung - sie haben ein für allemal Jesum, den Wiederhersteller ihres Standes, zu Gast geladen, und Sein Volk ist ihr Volk; und möge es da an Wein gebrechen bald so, bald so: Er geht darum nicht von dannen; „Schöpfet“, spricht er immer; ja aus seiner Fülle schöpfet und siehe, was eben noch Wasser war, ist Wein! Amen.

Schluss-Gesang nach der Trauung.

Psalm 145, Vers 7.

Wohl dem der ganz sich seinem Gott ergibt!
Der Herr schützt den mit Allmacht, der ihn liebt;
Doch wehe dem, der seine Huld verschmäht!
Der Herr vertilgt den, der ihm widersteht.
Mein Mund soll Lob dem ew'gen König singen!
Anbetend will ich ihm mein Opfer bringen.
Ja, alles Fleisch lob' seinen heil'gen Namen
An jedem Ort und ewig! Amen! Amen!

H. F. Kohlbrügge,
Doctor der Theologie - Pastor der niederländisch-reformirten Gemeinde in Elberfeld,
gehalten
am 4. Mai 1862 Abends.

Im Verlag der niederländisch-reformirten Gemeinde. Der Erlös zum Besten des Strick- und Nähvereins der Gemeinde.

Basel.
Bahnmaier's Buchhandlung (C. Detloff)
1862

1)
nach dem Griechischen: Diesen Anfang der Zeichen machte Jesus
2)
Mat. 4,15.16. Vergl. Jesaja 9,1
3)
Luk. 4,18. Vergl. Jesaja 61,1
4)
Joh. 1,36
5)
1. Mos. 1,27
6)
1. Mos. 2,24
7)
1. Mos. 1,28
8)
1. Mos. 3,17
9)
1. Mos. 3,16
10)
1. Mos. 6,2
11)
Röm. 1,24
12)
Ps. 45,17
13)
Hosea 2,19.20
14)
1. Mos. 3,17.18
15)
1. Mos. 24,60
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