Kohlbrügge, Hermann Friedrich - Das hochzeitliche Kleid.
Predigt über Evangelium Matthäi 22, V. 1-14.
Gehalten am 27. Oktober 1850.
Gesänge; Psalm 45. v. 3,4. Lied 72,6.8. Psalm 83,6.10.
Und Jesus antwortete und redete abermal durch Gleichnisse zu ihnen und sprach: - Das Himmelreich ist gleich einem Könige, der seinem Sohne Hochzeit machte und sandte seine Knechte aus, dass sie die Gäste zur Hochzeit riefen; und sie wollten nicht kommen. Abermal sandte er andere Knechte aus und sprach: Sagt den Gästen: Siehe, meine Mahlzeit habe ich bereitet, meine Ochsen und mein Mastvieh ist geschlachtet, und alles bereit; kommt zur Hochzeit. Aber sie verachteten das und gingen hin, einer auf seinen Acker, der andere zu seiner Hantierung. - Etliche aber griffen seine Knechte, höhnten und töteten sie. Da das der König hörte, ward er zornig und schickte seine Heere aus und brachte diese Mörder um und zündete ihre Stadt an. - Da sprach er zu seinen Knechten: Die Hochzeit ist zwar bereitet, aber die Gäste waren es nicht wert. - Darum gehet hin auf die Straßen und ladet zur Hochzeit, wen ihr findet. Und die Knechte gingen aus auf die Straßen und brachten zusammen, wen sie fanden, Böse und Gute. Und die Tische wurden alle voll. Da ging der König hinein die Gäste zu besehen; und sah allda einen Menschen, der hatte kein hochzeitliches Kleid an und sprach zu ihm: Freund, wie bist du hereingekommen und hast doch kein hochzeitliches Kleid an? Er aber verstummte. Da sprach der König zu seinen Dienern: Bindet ihm Hände und Füße, und werfet ihn in die äußerste Finsternis hinaus, da wird sein Heulen und Zähneklappern; Denn Viele sind berufen, aber wenige sind auserwählt.
Ich behandle dieses Gleichnis ganz absichtlich, dem Einen zum Troste, aber dem Andern, auf dass er gewarnt und aufgeschreckt werde. Ihr seid ja einesteils ein armes und geringes Volk, das auf den Herrn hofft; doch ist andernteils mehr als Einer unter euch, dessen Handlungsweise und Benehmen ihm nichts Gutes vorhersagt. Was der Herr damals mit dem Gleichnis meinte, liegt auf der Hand: Er hält es den Schriftgelehrten und Pharisäern, die danach trachteten, wie sie ihn griffen, in diesem Gleichnis nochmals vor, dass Gott gerecht sei, wie er sie und das ganze jüdische Volk nach seinen Verheißungen durch die Apostel, durch die Siebzig, ja durch ihn, den Knecht des Vaters, vorzugsweise zur Hochzeit seines Sohnes gerufen, wie sie aber nicht gewollt. Er weissagt es ihnen, dass Gott in erneuter Liebe sie und das ganze jüdische Volk in noch mächtigerer Offenbarung seiner Güte, durch die Apostel nochmals zu laden vorhabe, dass das jüdische Volk dies indes abermals nicht beachten würde, dass das Volk, so wie die Priester sich vielmehr durch Augenlust, Fleischeslust und hoffärtiges Wesen gänzlich von der Wahrheit würde fern halten lassen, dass es je länger je ärger gehen würde, indem sie den Aposteln und treuen Zeugen des Herrn die Predigt des Wortes Gottes wehren, ja sie selbst verhöhnen und sogar töten würden. Aber so würden sie sich selbst den Zorn häufen auf den Tag des Zorns und der Offenbarung des gerechten Gerichtes Gottes; der König würde seine Heere ausschicken, die Mörder umbringen und ihre Stadt anzünden. Wie es denn auch wirklich gekommen ist, da die Römer unter Kaiser Vespasianus und Titus Jerusalem eingenommen haben und viele Tausende Juden jämmerlich umgekommen sind.
Sodann weissagt der Herr, der im vorigen Kapitel gesagt: „das Reich Gottes wird von euch genommen und den Heiden gegeben werden“, wie und in wie großer Zahl diese Heiden würden berufen werden; er setzt aber zur Warnung für diese hinzu, wie Einer von ihnen, da der König kam, um die Gäste zu besehen, kein hochzeitliches Kleid angehabt und wie ihm deshalb mitten in dem lichthellen Saale Hände und Füße gebunden, und er in die äußerste Finsternis geworfen wurde. Und damit Niemand denke, das sei nur ein Einzelner, den so etwas treffen würde, schließt er das Gleichnis mit den bedeutungsvollen Worten: „Denn Viele sind berufen, aber Wenige sind auserwählt.“
Das sind nun Alles Sachen, die ein Kind wohl verstehen kann, sie sind in Erfüllung gegangen, sie gehen annoch in Erfüllung und werden in Erfüllung gehen. Wer von uns aber hat je dieses Gleichnis gelesen, ohne dass seine Aufmerksamkeit sich besonders auf den Mann gerichtet, der kein hochzeitliches Kleid an hatte? Dieser Teil ist in dem Gleichnisse so hervorragend, dass ich mit demselben beginne. Ich halte euch Tod und Leben, den Fluch und den Segen vor; wählt, die ihr bis dahin keine aufrichtige Wahl getan!
Wir befinden uns Alle in dem großen Hochzeitssaale, in welchem das Fest gefeiert wirb des Bräutigams, Jesu Christi und seiner Braut, der Kirche. Oder befinden wir uns nicht Alle darin? Ich möchte doch wissen, wer von uns es verneinen kann, dass er unter der Predigt des Evangelii lebt! Die Gnade Gottes ist erschienen allen Menschen, bezeugt der Apostel Paulus. Dass wir früher auf den Straßen, das ist, tot in Sünden und Übertretungen, im Elende also, darniederlagen, weiß fast ein Jeder von uns zu erzählen; auch wie er durch das apostolische Wort geladen, ja gedrängt wurde hineinzukommen. Die Tische sind das Wort Gottes; und sie sind alle voll geworden, denn ein Jeglicher von uns weiß so viel davon, dass er einem Andern sagen kann, wie man selig wird, nämlich aus Gnaden, durch den Glauben an Jesum Christum und nicht aus Werken eines Gesetzes. Dass auf diesem Tisch „Ochsen und Mastvieh“ aufgetragen und „Alles bereitet“ ist, sieht ein Jeder mit Augen. Oder wer von uns weiß es nicht, dass Alles, was Jesus Christus getan und erworben hat, ja er selbst die Speise der Seele zum ewigen Leben ist? und wer von uns weiß es nicht, dass uns Alles, was uns zu unsrer ewigen Seligkeit von Nöten, von Gott, dem Vater bereitet ist, so dass wir solches Alles von Gottes wegen in Christo Jesu haben? Wir sind aber nicht Alle mit einerlei Erwartung hineingekommen: „sie brachten zusammen, wen sie fanden, Böse und Gute“ heißt es in dem Gleichnis. Die Guten sind die, welche, bevor sie hineingekommen, das hochzeitliche Kleid angezogen haben; die Bösen aber sind dem Manne gleich, der das hochzeitliche Kleid nicht an hatte, sondern in seiner eigenen Kleidung am Tische saß.
Hier nun zuerst eine Bemerkung über die Sitte des Morgenlandes und sodann ein Wort an euch. Die Bemerkung ist diese: Im Morgenland kommt man erst in einen Vorsaal oder Vorhalle, bevor man in den Hochzeitssaal eintritt. In diesem Vorsaal stehen große prächtige Schränke, diese Schränke sind angefüllt mit duftenden Hochzeitskleidern. Ein jeder Gast darf eins dieser Kleider anziehen, ja er ist gehalten, es zu tun. Der König hat seine Freude dran, seine Gäste so aus seinen Schätzen mit königlicher Milde zu bekleiden. Ja, der Sohn des Königs nimmt selbst aus diesen Schränken seine Kleider, wie wir denn lesen in dem 45. Psalm: „Alle Deine Kleider sind Alle (durchduftet von) Aloe, Kezia und Myrrhe aus den elfenbeinernen Schränken; sie machen dir Freude, (indem du sie) daher (nimmst).“
Und nun das Wort an euch, nehmt es zu Herzen! Wir sitzen nun Alle an den Tischen, aber der König ist vor der Türe, er kommt bald, uns, seine Gäste, zu besehen. Wer von uns nun kein hochzeitliches Kleid an hat, der ist hier gewarnt, und ich rate ihm, dass er sich schnell aufmache in den Vorsaal und sich dasselbe geben und anziehen lasse. Wo nicht, so sitzt er zwar annoch in dem vollen Lichte des Hochzeitssaales, aber es wird nicht lange mehr währen. Es mag sich der Eine und Andere annoch schmeicheln, dass der König ihn in Güte übersehen wird; aber der König hat scharfe Augen, er sieht mit einem mal Alle.
Was, wenn er mit der Frage auf einen zukommt: „Freund, wie bist du hereingekommen und hast doch kein hochzeitliches Kleid an?“ meinst du, der du dieses Kleid nicht an hast, alsdann eine Antwort geben zu können? Verstummen wirst du, wie hier geschrieben steht: „er aber verstummte.“ Und was dann? Alsdann hat es ein Ende mit dem Licht, worin du annoch das Kleid dir holen kannst, ein Ende mit der Gelegenheit, das Kleid anzuziehen; und das wird dein Los sein: Auf Befehl Gottes wirst du den Teufeln übergeben und auf ewig entfernt von dem Lichte, das du annoch hast, von dem Lichte der Gnade Gottes in die ewige Verdammnis geworfen; - und daselbst hilft keine Reue, sondern es ist da Heulen über die Anmaßung, und Zähneklappen, dass man sich nicht bekehrt hat von seinen goldenen, silbernen, steinernen und hölzernen Götzen! Grässliches Ende, nachdem man berufen worden ist, nachdem man in dem glänzenden Hochzeitssaale als Gast bewirtet worden und an dem Festmahl mit Teil genommen hat! Da wird man dann hoch über sich die ewige Freude derer vernehmen, die das hochzeitliche Kleid an hatten, sich selbst aber, ferne von ihnen, mit allen Teufeln gebunden fühlen mit ewigen Stetten der Finsternis! Wer Ohren hat zu hören, der höre!
Es ist aber vielleicht nur ein Einzelner von uns, den dieses Los treffen wird? Es wird Vielen so ergehen, sagt unser Herr, denn „Wenige sind auserwählt.“ „Wohlan“ wird der Eine und der Andere denken, „gehöre ich nicht zu den wenigen Auserwählten; so wird mir doch Alles nichts helfen, was ich auch tue.“ Ich antworte: es heißt hier nicht: „Freund, wie bist du hereingekommen und bist nicht auserwählt“, sondern: „wie bist du hereingekommen und hast kein hochzeitliches Kleid an.“
Aber was ist das hochzeitliche Kleid? Ist es der Glaube? Ist es die Liebe? Sind es die Werke? Ach, wenn ich darauf „ja“ sagte, wie bald würde sich der Schalk aus Allem hinwegwinden: von dem Glauben sagen, dass er ihn habe; von der Liebe, dass er sie übe; von den Werken, dass er sie tue! - Es verhält sich mit diesem Kleide, wie mit dem Öl, das die klugen Jungfrauen in ihren Lampen mitnahmen: die klugen Jungfrauen waren mehr davon erfüllt, dass der Bräutigam Licht haben müsse, als davon, dass sie zur Hochzeitsfreude gingen. So geht's denjenigen, die das hochzeitliche Kleid anziehen, mehr darum, dass sie tun, was dem Könige gefällt, als dass sie zur Hochzeit kommen. Des Königs Wille und Gefallen geht ihnen über Alles, ist ihnen Hauptsache. Es geht ihnen demnach um Gerechtigkeit, um Gottes Willen. „Wohlan“ wird mancher sagen „Gottes Wille ist der, dass ich in seinem Hochzeitssaale, an seinem Tische nicht in meiner Gerechtigkeit, die aus dem Gesetze ist, sondern in der Gerechtigkeit, welche vor Gott gilt und welche durch Jesum Christum ist, erfunden werde.“ Ohne Zweifel. „So ist denn das hochzeitliche Kleid die vollkommene Genugtuung, Gerechtigkeit und Heiligkeit Christi?“ Ja, das ist das Kleid. „Gottlob denkt mancher „ da ist mir ein Stein vom Herzen gewälzt und die Angst, die ich noch so eben hatte, ist von mir genommen.“ Wenn das nur bei dir Wahrheit ist; die wahre Wahrheit steckt nicht im Gehirn, sie wohnt im Herzen, sie ist tätig im Leben. Ist dir die vollkommene Genugtuung, Gerechtigkeit und Heiligkeit Christi wirklich von Gott geschenkt und zugerechnet? Wahrlich, dann geht es dir um Gerechtigkeit in allen Stücken, dann bist du heilig in allem deinem Wandel. „Was, ich? ich bin ein armer Sünder, wenn ich nicht durch Gnade hinein komme, so komme ich nicht hinein.“ Ich antworte: wenn du nicht im Hochzeitlichen Kleide vom Könige erfunden wirst, so bleibst du nicht drinnen. Ich kenne die Redensarten: „ich bin ein armer Sünder, ich bin ein unnützer Knecht, wenn ich nicht aus Gnaden selig werde, so werde ich nicht selig.“ Wäre es einem nur Ernst damit! Man kann es behaupten, dass man die vollkommene Genugtuung, Gerechtigkeit und Heiligkeit Christi bat, ohne dass es einem um Gerechtigkeit zu tun ist. Derjenige aber, dem diese vollkommene Genugtuung, Gerechtigkeit und Heiligkeit Christi von Gott geschenkt und zugerechnet ist, schwindet auch hin vor den Worten: „Wer den Namen Jesu Christi nennt, er habe abgestanden von aller Ungerechtigkeit“; er weiß es, dass Gott nicht die Worte sucht, sondern die Kraft. Da ist es nicht ein stetes Hören und Gleißnerei, nicht ein sich Ergeben der Augenlust, der Fleischeslust und dem hoffärtigen Wesen, sondern ein hungriges Lauschen nach dem Worte der Gerechtigkeit mit Zittern und Beben, eine wahrhaftige Reue und eine wahrhaftige Bekehrung mit stetem Zufluchtnehmen zu der Gnade im Glauben an Jesum Christum durch den heiligen Geist.
Die am Tische des Wortes im Hochzeitssaal sitzen, wissen Alle von nichts anderem, als davon, dass sie Sünder sind und dass nur durch Gnade Erlösung ist. Diejenigen von ihnen, denen es um Gerechtigkeit zu tun ist, ziehen das hochzeitliche Kleid an, denn es ist ihnen um den Willen des Königs zu tun; die Übrigen aber bleiben in ihren eigenen Kleidern, bleiben in ihren Sünden sitzen und meinen, sie kämen so durch, weil sie sich gemeinschaftlich mit den Andern am Tische des Wortes und im Saale befinden. Hier vernehmen sie aber, dass sie dermaleinst sich getäuscht finden werden.
Gott gebe durch seine allmächtige Gnade, dass ein Jeder von euch dies zu Herzen nehme. Es sitzt mancher am Tische ohne hochzeitliches Kleid. Er weiß es. Warum bleibt er so sitzen? Die Hände sind auf Ungerechtigkeit aus, aber bald werden sie gebunden; die Füße sind auf verkehrten Wegen, aber bald stecken sie in Ketten; die Augen sind auf die Lust aus, aber bald schwimmen sie in Tränen; die Zähne sind auf vergängliche Speise aus, aber bald klappern sie, bald liegen alle Glieder gekrümmt in der ewigen Verdammnis!
Menschenkind, der du dich getroffen fühlst, ziehe das hochzeitliche Kleid an, bevor der König hereinkommt, dich zu besehen! Zu den Schränken hin!
An der Erwählung liegt es nicht. Der König hat seinem Sohne Hochzeit gemacht, nicht dir. Sieh' einmal, ob du nicht mit deinem Ich, das den Bräutigam nicht achtet, der Erwählung entgegen bist. Mit der Einwendung, dass du kein Gast sein solltest, kommst du nicht durch; du hast die Beispiele vor dir: die Gäste sind geladen, sie haben nicht gewollt. Und du, warum gehst du dem Teufel zur Hochzeit und nicht dein Herrn? Die Gäste sind abermal geladen und mit welchen leutseligen Worten! Du siehe, ob nicht dein eigener Acker, deine Hantierung, dein Stand, dein Amt, die Menschen, deine eigene Gerechtigkeit, dein Ehrgeiz, deine Geldgier, dein Wohlleben, der Genuss, die Lust dich so gefesselt haben, dass du die Einladung in den Wind schlägst, ja zuletzt das Zeugnis unter deinen Händen so zunichte machst, dass es gar nicht mehr bei dir zeugen kann! Ach, es geht in Christentum noch nicht anders her, als bei den Juden: das Volk lässt sich durch die Lust der Welt knechten, die Führer lassen sich durch Ehrgeiz und Geiz des Tempele und Hoffnung des Palastes festhalten. Beide bleiben sitzen in ihrem Dünkel und morden was sie können, aus Bosheit, Eigengerechtigkeit und Hass der Wahrheit. Aber: Wehe, wehe der großen Stadt, des prächtigen Babylons, worin man reich ist an Augenlust, Fleischeslust und üppigem Leben, reich an allerlei Erbärmlichkeit und so arm an unvergänglichen Schätzen. Welche Heere werden bereits auf sie los geschickt! Wie geht sie bereits in Flammen auf! Wie ist sie in einer Stunde verwüstet!
Aber zu dir zurück. Ich sage, an der Einladung liegt die Schuld nicht. „ladet, wen ihr findet“ spricht der König. Die Knechte brachten zusammen, wen sie fanden, Böse und Gute. Bist du böse: du bist deshalb nicht zurückgestoßen worden.
Von Gott bist du geladen, auf seinen Befehl bist du eingelassen worden in den Saal, auf seinen Willen sitzt du am Tische. Wohlan, als „Böser“ bist du hereingelassen, du wurdest hereingelassen in deinen Kleidern, welche du auf den Straßen getragen; bist du eingelassen, um böse zu bleiben? Wo hast du das hochzeitliche Kleid, das doch die übrigen Gäste anhaben?
Wer schwindet hinweg vor den Worten: „Er brachte diese Mörder um und zündete ihre Stadt an“, vor den Worten: „Bindet ihm Hände und Füße“, vor den Worten: „Viele sind berufen, aber wenige auserwählt“? Wer ist hier ratlos, verlegen, bekümmert, ob er zu den wenigen Auserwählten gehören wird? Der höre: Gott, der Vater, ist der große König, und sein Sohn, Jesus Christus, ist an unsrer Statt Mensch geworden, hat an unsrer Statt diesem großen Könige die Versöhnung unserer Empörung gebracht, hat für uns die Gnade des Königs verdient.
Da hat nun der König an diesem einzigen Menschen in Gnade, der unser Bruder hat werden wollen, an seinem Sohne, als an unserm Stellvertreter, ein so außerordentliches Wohlgefallen, dass er ihm eine Hochzeit macht. Will er nun nicht, dass wir kommen? Wiederholt er seine Einladung nicht? verkündet er es nicht, dass er nichts Mageres, sondern des Fetten die Fülle geben will? Hat er es nicht alles bereitet, er allein? Treibt er uns nicht mit seiner Einladung von den Straßen zusammen? Ob wir Böse, ob wir Gute seien, fragt er etwas danach? Lässt er durch sein Evangelium nicht Alle auf Einen Haufen bringen? Ist etwa Gottes Auge böse? „Es ist noch Raum da“ heißt es bei Lukas. Dem Schlimmsten, dem Erbärmlichsten, dem Elendesten, dem Bettelvolk wird die Tür weit offen getan. Nur Eins verlangt er: dass wir zur Hochzeit kommen. Ist das nicht königliche Gnade, ist das nicht königliche Erbarmung? Und wiederum verlangt er nur Eins: dass wir im hochzeitlichen Bleibe am Tische sitzen. Ist das nicht Gerechtigkeit? Müssen wir das Kleid anfertigen? Wem geht's drum? Dort liegen sie in den Schränken, - für Jeden Eins! Wer will eins haben? Der ziehe es an über seinen Leib, der Leib mag sein, wie er sei. Das ist eben der Wille der königlichen Wahl.
Ist es denn nun der Glaube, oder sind die Werke das Kleid? Ist es die vollkommene Genugtuung, Gerechtigkeit und Heiligkeit Christi, oder ist es die Frucht des Geistes, die Dankbarkeit? Ich habe gesagt, dass diese Kleider durchduftet sind, durchduftet von Myrrhe, Aloe und Kezia. Wer den Herrn Jesum Christum angezogen hat, hat der denn einen toten Mann angezogen, oder einen, der da auferstanden ist von Toten? So wird der denn Gerechtigkeit finden, dem es um Gerechtigkeit zu tun ist, und auf sein Schreien: „Elender Mensch ich, wer wird mich erlösen, von dem Leibe dieses Todes“ wird er folgen lassen: „Ich sage Gott Dank durch Jesum Christum.“ So zieht man das hochzeitliche Kleid an. - Wie Jesus Christus mächtiglich erwiesen ist ein Sohn Gottes nach dem Geist der Heiligung dadurch, dass er von den Toten auferstanden, so wird er sich auch als solchen in der Macht seiner Auferstehung erweisen allen, die zu ihm die Zuflucht genommen haben.
„Möchte ich doch Jemanden auf Erden finden, der es mir untrüglich sagen könnte, ob ich das hochzeitliche Kleid an habe!“ Lieber, nur der Geist Gottes versiegelt einen, nur Er gibt das untrügliche Zeugnis, dass man ein Kind Gottes ist. Wie ist aber den wenigen Auserwählten zu Mute vor der Einladung? Sie befinden sich auf den Straßen, in Sünden und Missetaten und fühlen sich verloren. Es ist indes eine Sehnsucht in ihnen nach dem Könige und seiner Gnade. Sie wissen es: Rebellen sind sie und haben seinen Zorn verdient. Wird der König sich noch nach ihnen umsehen? O, wenn er sie noch mit einem huldreichen Blick ansähe, wie glücklich, wie ewig glücklich würden sie sich fühlen, wie gerne alsdann sterben wollten! Ist aber die Möglichkeit für so etwas noch für sie da? Gewiss, was sie kaum hoffen durften, es geschieht. In ihren Herzen ertönt es mit einem Mal: „Gnade, Gnade, auch für dich ist noch Errettung.“ Es strahlt das Licht ewiger Erbarmung in ihre Nacht hinein, so rein, so klar, so golden! In ihren Ohren erschallt der Boten Stimme: kommt, kommt, der König ladet, Alles ist bereit! - O wie ist ihnen mit einem Mal Alles neu geworden! sie glauben der Stimme, sie können nicht anders. Da kommen sie weinend, schluchzend, zerknirscht, dennoch voller Gottesfreude. Sie sind lahm, sie sind Krüppel, sie sind blind, dennoch hüpfen sie, wie ein Hirsch und ist ihnen alles licht. Da treten sie in die Vorhalle hinein! Was lebt in ihnen? Der König und sein Wohlgefallen. Sie sehen es, sie vernehmen es, wie einem Jeden hier das hochzeitliche Kleid dargereicht wird. „Das bedeckt dich ganz“ heißt es - es bedeckt deine ganze Armut, dein ganzes Elend, - das ziehe an, so gefällst du dem König. Der Bräutigam hat's für dich erworben und trägt selbst kein anderes.“ Die Glücklichen! werden sie wohl Ruhe und Rast haben, ehe sie mit diesem Kleide bedeckt sind?
Wohlan, dieses Kleid ist die vollkommene Genugtuung, Gerechtigkeit und Heiligkeit Christi. Haben die Auserwählten daran genug für diese Zeit oder verlangen sie es ewig zu tragen? Wenn ewig, so hat dieses Kleid auch seine Wirkung heute, morgen, bis an den Tod und über den Tod hinaus. Hier ist das Fleisch nichts nütze; in der vollkommenen Genugtuung, Gerechtigkeit und Heiligkeit Christi stecken Geist und Leben. Was bedeutet denn dieses Kleid noch mehr? Dieses, dass man zwar ein Mensch ist durch und durch, aber in dem Menschen Christo Jesu sein Fleisch und Blut im Himmel hat, also mit ihm auferstanden und in das himmlische Wesen versetzt ist; dass man daselbst in ihm gesegnet ist mit allem geistlichen Segen in himmlischen Gütern, gesegnet mit der vollen Frucht des Geistes; dass man in Christo und mit ihm wohl verwahrt ist im Glauben, bekleidet mit des Allerhöchsten Glückseligkeit, auch herrlich beschützt und bedeckt gegen alle Feinde; dass man mit ihm Alles ererbt und im Glauben die Überwindung hat über die Welt. Und was bedeutet es, dass dieses Kleid so durchduftet ist von Myrrhe, Aloe und Kezia? Was anders, als den kostbaren Schatz des uns von Christo erworbenen und erteilten Geistes; was anders, als den Wohlgeruch des ganzen Wesens dessen, den der Geist treibt, als das Beständige und vor Verwesung Bewahrende der Gnade dieses Geistes, als stete Genesung aller verborgenen Wunden und Gegengift gegen das Gift der Pfeile des Bösewichts, als das zwar Bittere für den Mund, aber für das Herz Gesunde und wirklich Süße des Ähnlich-werdens dem Tode Christi unter allerlei Trübsal, Kreuz, Leiden, Hohn, Schmach und Anfechtung von Seiten der Welt und des Teufels? So trägt man denn in diesem Kleid den Sieg über die Welt davon. Und wer hier meint, sich entschuldigen zu können mit seiner Ohnmacht, den frage ich: ob man, getraut in Gütergemeinschaft mit einem reichen Könige, noch arm sein kann? Freilich ist man arm in sich selbst, und wollte die Hausfrau zu ihrer Armut hingehen, die sie von Haus aus mitgebracht, sie würde nichts finden. Wo aber der König sich selbst gegeben, sein Herz, sein Leben, sein ganzes Vertrauen, alle seine Güter und die Schlüssel dazu: kann da die Frau die Rechnungen nicht bezahlen, welche vor und nach kommen? kann sie da nicht jeden Feind von sich abhalten mit der Königs Macht, da er ihr doch Liebe und Treue geschworen, geschworen sie nimmermehr zu verlassen, sie treulich zu ernähren und zu schützen? Diese Gemeinschaft gibt Einigkeit. Seien wir nur nichts. Mit unserer Kraft ist nichts getan. Seien wir eine Null und Er die Eins davor, so gibt es eine Macht, und diese Macht wird immer mächtiger, je mehr wir mit unsern Nullen uns zu Ihm, der einzigen Eins, fügen. Nur ihm Alles bekannt, nur bei ihm geblieben, er ist den Armen gut, und wenn kein Bann in Israel ist, jagt Einer Tausend. In seiner Gemeinschaft, in seiner Bekleidung, in dem hochzeitlichen Kleide wird die Welt überwunden. Wer die Welt nicht überwindet, wird nicht in dem hochzeitlichen Kleid erfunden. Die wenigen Auserwählten aber überwinden die Welt, darum heißt es von ihnen: „Und es ward ihr gegeben, sich anzutun mit reiner und schöner Seide.“ (Die Seide aber ist die Gerechtigkeit der Heiligen: eine Gerechtigkeit, welche sie bedeckt, eine Gerechtigkeit, die Gerechtigkeit nicht d'ranzugeben, eine Gerechtigkeit, in Gerechtigkeit erfunden zu werden vor ihm an seinem Tage.) Die wenigen Auserwählten wissen es, dass Fleisch den Himmel nicht sehen wird, darum haben sie der Welt Valet gegeben, gehen im Geiste einher und warten nur auf die Offenbarung des großen Gottes und Erretters, Jesu Christi.
So sind die wenigen Auserwählten, und das ist also das Kennzeichen, welches sie an sich tragen: dass es ihnen durch den Geist Christi um Gerechtigkeit zu tun ist; darum würden sie sich auch nicht hinein wagen in den Hochzeitssaal, ohne das hochzeitliche Kleid anzutun, denn der Wille und die Gnade des Könige ist ihnen mehr, als ihr Hineingekommensein in den Saal. Arm und elend sind sie in sich selbst und in ihren eigenen Kleidern dürfen sie nicht erscheinen, das wissen sie; aber eben deswegen ziehen sie auch das Kleid an, in welchem allein sie dem Könige gefallen können, und welches umsonst dargereicht wird. Sie sind vor Andern allerlei Sünden und Versuchungen des Teufels ausgesetzt, haben aber nicht Rast, bis sie so gekleidet sind, wie der König es will, dass er Gefallen an seinen Gästen haben könne.
O, ihr Alle, deren Herz zu Gottes Geboten geneigt ist, zu den Schränken hin, und wiederum und wiederum: zu den Schränken hin!
Wie schaudererregend dieses Gleichnis auch sei, so kann es doch denen von euch nur Mut machen, die da immerdar nach Gerechtigkeit hungern und dursten. Betrachten wir den König, so mögen wir ausrufen: Lobe den Herrn, meine Seele! Er hat ein Gefallen an der Wahl seines Sohnes, der zur Braut erwählt, die eine Teufelsbraut war. Er hat Gefallen an der Gnade dieses Sohnes, der aus freier Liebe sich die Braut in seinem Tod, seiner Auferstehung und Erteilung seines Geistes hat umgeschaffen und schön und herrlich gemacht, dass sie ohne Runzel und Flecken dastehe vor Gott, dem Vater. Vernehmen wir feine Einladung: wie kühn muss sie uns machen, zu kommen, was auch der Teufel dagegen raune. Mit welchem Drange der Liebe, wie wohlgemeint geschieht sie! Gott, der Vater ladet, er ladet in der größten Langmut von neuem. Er, der allgenugsam ist in sich selbst, lobt dazu vor den Gästen eine Speise, wie sie die Engel nie bekommen! Welche königliche, fette, herrliche, überflüssige Speise hat er aufgetischt, das Beste, was er hat, auf dass seine hungrigen Gäste essen und die Fülle haben! Ja, wer kann sich von der Welt noch festhalten lassen, wenn er vernimmt, dass ein solcher König so viele gute, freundliche, leutselige Worte erschallen lässt, um nur viele Gäste zu bekommen an seinen Tisch, dass sie mit seinem Sohn und mit ihm sich freuen? O, ist es nicht für dich, für dich, wenn du siehst, wie er nicht müde, noch matt wird, nachdem die eigentlichen Gäste sein Mahl verschmäht haben, von den Straßen nunmehr herbeizurufen, was nur gefunden wird und was sein Lebtage solche Gerichte nicht gekostet hat, damit der Spruch erfüllt sei: „Die Elenden sollen essen, dass sie satt werden“?
O, diese königliche Milde und Güte, dass er alles, alles bereitet hat, dass er das hochzeitliche Kleid auch nicht will mitgebracht wissen, sondern es für einen Jeden, der herein tritt, fertig hat und es umsonst gibt, dass man, ein Bettler in sich selbst, in des Königs Kleidern prangen darf. Ist es nicht, um in Anbetung hinzusinken?
Ihr, vom Herrn Auserwählte! Freut euch in eurem König, der bald selbst kommen wird, euch zu besehen. Und ihr, die ihr im Vorsaal vor den Schränken steht, zieht an die herzliche Erbarmung Gottes, ziehet an den Herrn Jesum Christum; in diesem Kleid steckt alle Heiligkeit, welche unsre Unreinigkeit bedeckt. Das ist die Wahrheit, und in ihr ist die Überwindung, wo es Wahrheit ist; Wahrheit des Glaubens aber. Amen.