Kohlbrügge, Hermann Friedrich - VI. Predigt über das vierte Capitel des Propheten Jona.

Kohlbrügge, Hermann Friedrich - VI. Predigt über das vierte Capitel des Propheten Jona.

Des Propheten Unverstand und wie er von dem Herrn belehret ward.

Gehalten am 30. Juli 1848. Gesungen wurden: Ps. 84, Vers 1-3. Ps. 119, Vers 87. Ps. 147, Vers 6.

Nach Anleitung des dritten Capitels unseres Propheten haben wir es vernommen: Es geht gut, ja es geht wunderbar gut, wenn ein Menschenkind sich beugt unter das Wort der Gnade; denn das Wort schafft vor ihm her und stellt es alles für ihn dar, so daß ein schwacher und zu allem untüchtiger Mensch den guten, wohlgefälligen und vollkommenen Willen Gottes thut. Wir haben ferner vernommen: Wenn wir es durch des Geistes Belehrung glauben, daß wir von dem Gesetze los und ihm abgestorben, und daß wir eines andern Mannes geworden sind, nämlich des, der von Todten auferwecket ist, so tragen wir, die wir früher dem Tode Frucht getragen haben, alsbald Gotte Frucht, ja eine solche Frucht, welche ganz nach dem Gesetze ist, wie es geistlich richtet. Wir haben es vernommen: Gehen wir an der Hand der Gnade, so sind alsbald alle schönen christlichen Tugenden und guten Werke zur Stelle, so ist gewiß die Frucht des Geistes da, als da ist: Liebe, Freude, Friede, Geduld, Freundlichkeit, Gütigkeit, Glaube, Sanftmuth, Keuschheit, und da ist kein Gesetz gegen uns. 1)

Laßt uns deß aber eingedenk bleiben, daß es Geistes Frucht ist, die Frucht welche wir Gotte bringen. „Ich will Israel wie ein Thau sein, daß es soll blühen wie eine Rose. An mir soll man deine Frucht finden“ ist unseres Herrn Christi Wort bei dem Propheten Hosea. Denn die Frucht des Geistes wächst wahrlich nicht auf unsrem Acker. Was wir Gotte angenehm sind, das sind wir angenehm allein in der Gnade Jesu über uns; was wir haben, haben wir allein in der Gemeinschaft Christi; was wir Gotte bringen, ist lediglich aus Gott, durch ihn und zu ihm. Das große Wort bleibt fest allen Elenden, die auf den Herrn harren: „Ich bin euer Gott“, aber auch dieses Wort: „Ihr Schafe, ihr Schafe meiner Weide, ihr seid Menschen“. Sind wir der Meinung, wir könnten und sollten etwas, nachdem wir zur Bekehrung gekommen sind, so müssen wir uns bitter getauscht finden. Wir haben uns, so lange die Leibes-Erlösung noch nicht völlig da ist, mit unsrem uns angewiesenen Platz, daß wir „Menschen“ sind, zu begnügen, und der Gnade Jesu Christi haben wir die Krone und Herrschaft zu lassen; wer es anders haben will, kann keinen Frieden haben. Die ganze heilige Schrift, jedes Capitel in derselben dient zum Belege, daß allein die Gerechtigkeit Christi vor Gott gilt, und daß unsere Ungerechtigkeit diese Gerechtigkeit nur um so mehr verherrlicht. Der Leib ist todt um der Sünde willen und nur der Geist ist Leben und Friede um der Gerechtigkeit willen. Ist aber Christus in uns, so wird der Geist dessen, der Jesum aus Todten erweckt hat, auch unsre sterblichen Leiber lebendig machen nach seinem Willen und wann er will. Was soll der Apostel Paulus antworten auf die Frage des verzagten Herzens, ja auch auf die Frage des trotzigen Herzens: wenn du lehrest, daß wir ganz in Übereinstimmung mit dem Gesetze sind, wenn uns die Gerechtigkeit des Glaubens zugerechnet wird von Gott, wo bleibst du dann aber mit dem menschlichen Elende, woran du doch reichlich deinen Antheil hast? soll er dieses Elend leugnen und sagen, es sei dies Elend nicht mehr da? Keinesweges. Das Gesetz des Geistes des Lebens in Christo Jesu, so antwortet er, hat uns freigemacht von dem Gesetze der Sünde und des Todes. Und was das Elend angeht: „Wer will verdammen?“ schreibt er, „Christus ist hier, der gestorben ist, ja vielmehr, der auch auferwecket ist, welcher ist zur Rechten Gottes und vertritt uns. Welche er zuvor versehen hat, die hat er auch verordnet, daß sie gleich sein sollten dem Ebenbilde seines Sohnes, auf daß derselbige der Erstgeborne sei unter vielen Brüdern“. Soll er aber der Erstgeborne sein, so ist er auch der Erbe, und es sei das unsere Freude und Ruhm, daß wir seine Miterben sind. Denn so fließt uns alles zu aus den Reichthümern der Schätze seiner Gnade, und also steht fest unser Trost, der Trost aller derer, die da bei sich selbst sich sehnen nach der Kindschaft, nach des Leibes Erlösung. Denn diejenigen welche sich darnach sehnen, bekennen, daß sie an und für sich selbst Menschen sind und nichts mehr; - das bekennen sie aber nicht mit Gleichmuth; so haben sie denn den Trost der Schrift in ihrer Anfechtung, daß sie deßhalb nicht verdammt werden, weil sie sich Menschen zeigen, daß vielmehr der Herr sie trage in seiner Geduld und Langmuth und mit ihnen väterlich schonend umgehe. Solchen Trost gewähre uns der Herr auch heute aus der Betrachtung des vierten Capitels des Propheten Jona, welches also lautet:

**1. Das verdroß Jona fast sehr und ward zornig, 2. Und betete zum Herrn und sprach: Ach Herr, das ist es, das ich sagte, da ich noch in meinem Lande war; darum ich auch wollte zuvorkommen, zu fliehen auf das Meer; denn ich weiß, daß du gnädig, barmherzig, langmüthig und von großer Güte bist und lassest dich des Uebels reuen. 3. So nimm doch nun, Herr, meine Seele von mir; denn ich wollte lieber todt sein, denn leben. 4. Aber der Herr sprach: Meinest du, daß du billig zürnest? 5. Und Jona ging zur Stadt hinaus und setzte sich gegen morgenwärts der Stadt, und machte ihm daselbst eine Hütte, da setzte er sich unter, in den Schatten, bis er sähe, was der Stadt widerfahren würde. 6. Gott der Herr aber verschaffte einen Kürbis, der wuchs über Jona, daß er Schatten gab über sein Haupt, und errettete ihn von seinem Uebel; und Jona freuete sich sehr über den Kürbis. 7. Aber der Herr verschaffte einen Wurm des Morgens, da die Morgenröthe anbrach; der stach den Kürbis, daß er verdorrete. 8. Als aber die Sonne aufgegangen war, verschaffte Gott einen dürren Ostwind; und die Sonne stach Jona auf den Kopf, daß er matt ward. Da wünschte er seiner Seele den Tod und sprach: Ich wollte lieber todt sein, denn leben. 9. Da sprach Gott zu Jona: Meinest du, daß du billig zürnest um den Kürbis? Und er sprach: Billig zürne ich bis an den Tod. 10. Und der Herr sprach: Dich jammert des Kürbis, daran du nicht gearbeitet hast, Hast ihn auch nicht auferzogen, welcher in einer Nacht ward und in einer Nacht verdarb; 11. Und mich sollte nicht jammern Ninive, solcher großen Stadt? in welcher sind mehr denn hundert und zwanzig Tausend Menschen, die nicht wissen Unterschied, was rechts oder links ist, dazu auch viele Thiere.

Wir sehen in diesem Capitel:

  1. Wie es den Jona verdroß, daß Gott nicht that, was er ihn hatte predigen lassen.
  2. Daß Jona seinen verkehrten Weg vor Gott behauptet, in seiner Rechthaberei die Tugenden Gottes antastet, und den Herrn bittet, er möge seine Seele von ihm nehmen.
  3. Daß darauf der Herr es ihm zu bedenken gibt, ob er billig zürne.
  4. Daß aber Jona darauf nicht Acht gibt und sich außerhalb der Stadt eine Hütte baut, um zu sehen, ob nicht vielleicht Gott seine Predigt noch handhaben würde.
  5. Daß daselbst Gott einen Kürbis über sein Haupt wachsen und denselben Tags darauf wieder dürre werden laßt, wobei Jona so voll Eigenliebe ist, daß er lieber den Kürbis hätte bestehenlassen zu seinem Nutzen, als die Niniviten zur Verherrlichung der Erbarmung Gottes.
  6. Daß sogar Jona über den Verlust dieses Kürbis so unmuthig wird, daß er von neuem den Tod sich wünscht.
  7. Wie Gott der Herr in seiner großen Langmuth ihn an dem Kürbis belehrt, daß Jona, wo es um die Anwendung ging, Gottes Wege und Wesen gar nicht verstand und Gotte ganz unähnlich war.

I.

Das verdroß Jona fast sehr, und ward zornig. - Was verdroß den Jona und weßhalb ward er zornig? Darum wurde er über die Maßen verdrießlich, darum wurde er zornig, weil Gott des Nebels reuete, das er geredet hatte, und that es nicht. - Wie, Jona, ein Prophet Gottes, ein Bote des Friedens wird darüber zornig, daß Gott nicht thut, was er gepredigt? Er zieht also sein Wort, seine Predigt der Errettung einer ganzen Stadt vor! Ja meine Geliebten! es ist geschehen. Stände es nicht geschrieben, wer würde es glauben? Daran wissen wir aber, daß wir Gottes Wort vor uns haben; denn darin werden uns die Heiligen Gottes vorgemalt, wie sie in Wahrheit gewesen sind, und nicht wie Fleisch sich dieselben pflegt vorzustellen. Der Mensch denkt in der Noth und Sorge seiner Sünden wegen: wäre ich wie dieser oder jener Heilige, ja dann würde ich vollkommen sein, dann würde ich wissen, daß Gott an mir Gefallen hat. Nun, wenn man den Heiligen Gottes darin gleichen will, ein solcher Sünder zu sein, wie sie Sünder waren, dann wird man auch alsbald das sein, was sie als Heilige Gottes gewesen sind. Der Mensch sollte aber an den heiligen Gott denken und an seine Gnade, und nicht an das Gesetz und Fleisches Heiligung. Denn auch Jona hat es wohl von sich erfahren, daß er bei dem Gesetze Gottes nichts taugte an und für sich, obgleich er ein Prophet Gottes, obgleich er durch und durch bekehrt und aus der Hölle herausgerettet war. „Das Gesetz ist geistlich, ich aber bin fleischlich“, das hat er auch von sich selbst bekennen müssen.

Versteht den Jona aber wohl. Er war kein Teufel, der aus teuflischer Ehrsucht lieber eine große Stadt Gottes unglücklich gesehen hätte, als daß er ohne weiteres nicht sollte der Mann bleiben. Er war an, seinem Gott irre geworden, er verstand dessen Weg nicht mehr. Gott hatte es ihn unbedingt predigen lassen: Noch vierzig Tage, und Ninive wird untergehen. Das war ja Gottes Wort, und nun. wurde daraus nichts. So stand er denn als ein Lügner da; er war Gott treu gewesen, hatte seine Botschaft ganz treulich ausgerichtet, und nun war Gott ihm untreu geworden, wie er meinte, denn er that es ja nicht, was er ihn hätte predigen lassen. Ein solches Benehmen Gottes verstand er so wenig, wie Hiob Gottes Verfahren mit ihm verstand. Darüber hätte er nun freilich nicht so entrüstet, nicht so zornig werden sollen, daß der Herr nun anders verfuhr. Denn wenn ein Gesandter die Last seines Königs vollbracht hat, so soll er das Weitere dem Willen des Königs doch überlassen. Aber nein, meinte Jona, hat Gott durch mich Tod und Untergang predigen lassen, so soll es auch kommen, was ich geprediget habe; und dabei übersah er ganz was die Predigt gewirkt hatte, oder wollte es doch nicht für völlig anerkennen. Da konnte er denn aber mit Agur sagen: „Ich bin der Allernärrischste, und Menschenverstand ist nicht bei mir“, und es galten auch ihm die Worte, welche der Herr zu Hiob sprach: „Wer ist der, der so fehlet in der Weisheit und redet so mit Unverstand“. Wenn er später an seinen Zorn gedacht, wird er auch mit Assaph ausgerufen haben: „Da war ich ein großes Thier vor dir“; denn Jona ist wohl der stärkste Beleg dessen, was der Herr gesagt: „Aus dem Herzen der Menschen kommt hervor - Unverstand“.

Ist es um Jona willen allein geschrieben, daß er so entrüstet, so zornig gewesen, weil Gott die große Stadt nicht umkehrte und seinen Propheten als einen^ Lügner vor seiner Predigt sitzen ließ? Meine Geliebten! Was denkt mancher von euch? Ja, denkt er, habe ich mal erst solche Erfahrungen durchgemacht wie Jona, wie Hiskias, wie Abraham, dann werde ich doch ein andrer Mann sein. Ich sage euch aber, der Mensch bleibt ein Mensch; das ist die Meinung des Heiligen Geistes damit, daß er uns dieses von Jona mittheilt. Es ist aber der Sünden greulichste, wenn wir Gott meistern wollen in seinen Wegen und Thun; das that Jona, und solches können auch wir nicht lassen, was wir auch mögen durchgemacht haben, wer wir auch sein mögen. Dieser Unverstand steckt in dem Menschen. Was er sagt, was er lehrt und behauptet, das soll gelten, und weiß er, daß es Gottes Wort ist, was er lehrt, so möchte er viel lieber alles verwüstet sehen, als daß Gott nun nicht eben so thun sollte, als er zu lehren gegeben. In heiligem Eifer für das Wort würden wir alles ausrotten. Es soll so hergehen wie wir meinen, daß es heilig ist, sonst zürnen wir drauf los. - Und das nicht allein; - geht's nicht wie wir denken, daß es gehen sollte, so meinen wir vor Gott noch das höchste Recht oben drein zu haben, uns sehr zu beschweren, brechen alles in Stücke und möchten lieber von hinnen, als länger hier auf Erden bleiben, wo wir doch nichts ausrichten können und von Wen uns müssen zum Besten halten lassen. Darum fing Jona an zu beten.

II.

Er betete zum Herrn und sprach: Ach Herr, das ist es, das ich sagte, da ich noch in meinem Lande war; darum ich auch wollte zuvor kommen, zu fliehen auf das Meer, denn ich weiß, daß du gnädig, barmherzig, langmüthig und von großer Güte bist, und lassest dich des Uebels reuen. So nimm doch nun, Herr, meine Seele von mir; denn ich wollte lieber todt sein, denn leben. Mancher will ein Anderer sein als er ist, um bei dem Gesetze sich anders darzustellen, als Gott will, daß er sein soll. Bei dem Gesetze sollen wir nämlich untauglich sein und bleiben, und nur der Gnade sollen wir uns freuen, welche uns tauglich machen wird zu Werken, von denen Gott allein den Ruhm haben wird und nicht wir. So Will Mancher auch das Gebet in seiner Hand haben und schön beten zu Gott; das Gebet sollen wir aber auch nicht in der Hand haben, vielmehr gibt der Herr uns ein Unser Vater, wobei wir fortwährend beten sollen, daß es mit unserm Namen, Reich und Willen ein unnützes Ding werde, so daß nichts draus komme, auch bekennen sollen, daß wir uns das tägliche Brod nicht mal herbeizuschaffen wissen, vielmehr der Versuchung die Hand reichen, wenn Gott uns nicht bewahrt, und uns dem Teufel preisgeben, wenn uns der Herr nicht von ihm erlöst. Wir sollten doch aufhören das Gebet in eigner Hand haben zu wollen, denn alle unsere Gebete taugen nichts. So wahr ist es, was Paulus schreibt: wir wissen nicht was wir beten sollen, wie sich's gebührt. - Wir haben zwei Gebete von Jona. Beide wurden gebetet mit tief bewegtem Gemüth. Das erste geschah aus dem Bauche des Fisches, da lag Jona in der Hölle, das war ein gutes Gebet, das betete er selbst aber nicht, das betete der Heilige Geist ihm vor, und er sprach es nach; von diesem Gebet verstand Jona selbst nicht mal alles, der Herr hat es aber erhört und in Erfüllung gebracht. Hier haben wir ein anderes Gebet, es war aber ein schlechtes Gebet, wobei er in umgekehrtem Sinne nicht wußte was er betete. Hätte Gott nun sein Gebet in der Hölle nicht allein gelten lassen, so wäre Jona übel dran gewesen, denn er stieß mit diesem letztern Gebet seinen ganzen guten Weg um, welcher durch die Hölle gegangen war, und warf die Seligkeit Gottes weg, wozu er aus solcher Hölle hervorgegangen. „Ach Herr“, spricht er, „das ist es, was ich sagte, da ich noch in meinem Lande war; darum ich auch wollte zuvorkommen zu fliehen auf das Meer.“ Da ist mit einemmal seine ganze Rettung aus dem Bauche der Hölle für ihn nichts. Er vergaß gänzlich die Reinigung seiner vorigen Sünden. Schlechte Dankbarkeit für seine Erlösung. Er denkt so wenig an seinen Ungehorsam, daß er denselben vielmehr rechtfertigt vor Gott. Er hat Recht gehabt, daß er vor dem Herrn geflohen und sich auf's weite Meer gemacht hat; er steht rein in seinen Worten, die er vor Gott aussprach, da er noch in seinem Lande war; er zeigt sich einen vergeßlichen Hörer, ein Kind das noch Milch haben muß, einen von ungeübten Sinnen, der keine feste Speise vertragen kann, einen schlechten Jünger des Heiligen Geistes, indem er meint, der Herr verherrliche die Tugenden seiner Güte, ohne daß durchs Wort die Gerechtigkeit verherrlicht seie, in welcher allein der Herr solche Tugenden den Menschenkindern zu genießen gibt. Also er hat Recht gehabt und Gott hat verkehrt gehandelt; und nun will er noch dazu in den Himmel und nicht länger hier auf seinem Posten bleiben, denn Gott habe ihn für nichts und wieder nichts laufen, leiden und predigen lassen.

Der Herr macht es wie eine verständige Mutter, schlägt nicht drauf zu, gibt aber auch von der Gerechtigkeit nichts nach. So lesen wir: „Aber der Herr sprach: meinest du, daß du billig zürnest“. Auf eine solche Antwort konnte Jona mal nachdenken. Ja, so verfährt der große Gott mit seinen Kindern. Er könnte uns mit einem Schlag von sich stoßen in unsrer Verkehrtheit und uns ein ewiges Schweigen auflegen in seinem Zorn. Aber er thut nicht mit uns nach unser Sünden und ist eingedenk, daß wir Staub und Asche sind. Er schlägt uns deßhalb nicht todt, daß wir ihn nicht verstehen, er verstößt uns nicht, weil wir meinen, wir haben billig an seinen Wegen allerlei auszusetzen. Ihr kennet diesen Herrn, welcher zu Jona sprach: Meinest du, daß du billig zürnest. Er ist derselbige von dem bezeugt wird, daß er alle unsere Sünden auf sich lud, und daß er den Brüdern in allem gleich wurde, auf daß er barmherzig wäre und ein treuer Hohepriester zu versöhnen die Sünden des Volks. Er achtet selbst auf die Aeußerungen der Verkehrtheit der Seinen, auf ihre verkehrten Gebete und unterrichtet sie ganz schonend aber auch majestätisch, so daß ein Menschenkind vor seinen Antworten und Belehrungen zusammensinken sollte; nur der Mensch achtet in seinem verkehrten Sinn nicht auf die Belehrung seines Gottes, und der Herr hat viele Mühe mit ihm, bis er ihn davon überzeugt hat, daß die Billigkeit und die Gerechtigkeit immerdar auf Seiten des Herrn sind, eitel Unbill aber und Unvernunft auf Seiten des Menschen.

Ob wir's besser machen, wir die den Herrn kennen und dem Rachen der Hölle wunderbar entkommen sind? Danken wir Gott, daß er sich nicht geschämt hat, einen großen Heiligen uns nach der Wahrheit beschreiben zu lassen, auf daß wir doch ja des Trostes voll sein mögen, daß er nicht mit uns thut nach unsren Sünden. Beten wir zu ihm um geöffnete Augen und Selbstkenntniß, so werden wir dasselbe Benehmen bei uns tagtäglich wiederfinden. Schämen wir uns vor Gott, daß wir voll Rechthaberei stecken, denn darin sind wir wirklich den Kindern ähnlich, die stets meinen, sie wüßten es doch besser als ihre Eltern. Wir Menschen hangen ab von dem Eindruck eines jeglichen Augenblicks und geht's uns nicht nach unsren Gedanken, alsbald fangen wir auch vor Gott an zu murren, und soll solches Murren Gebet heißen: „Ach Herr, warum so und warum so“, fordern ihn zur Rechenschaft auf, sind der ganzen Erlösung nicht mehr eingedenk, nicht eingedenk der tausendfachen Noth Leibes und der Seele, wie wir dabei gerungen, wie wir erlöst sind und was wir Gott für Gelübde gethan; ja wir haben dann weder Herz noch Augen für seine Wunder, und weil es uns nicht augenblicklich so geht, wie wir es uns vorgestellt, möchten wir von hinnen. Laß mich nur sterben, was thue ich länger hienieden. Ob uns solches in Wahrheit bedacht ist, ist freilich eine andere Frage. Aber der Tod ist uns manchmal lieber als Gottes Weg und Thun, weil wir nichts davon verstehen. Elias, obschon er noch ein wenig zuvor ganz gewaltig gepredigt: „der Herr ist Gott“ - sobald er erfuhr, daß ihm das Schlachten der Baalspfaffen und die Verherrlichung Gottes so wenig geholfen, daß die gottlose Isebel ihm sofort nach dem Leben trachtete, hat es nicht anders gemacht.

III.

Aber groß ist die Langmuth, die Geduld des Herrn, und wie verkehrt, wie sündig, wie rebellisch das Gebet Jona auch sei, Gott antwortet ihm dennoch auf sein schlechtes Gebet. Der Jona hatte darauf auch kein Acht; er meinte doch, er zürne billig. Bis dahin hatte er das Wesen in der Stadt angesehen, wie da alles, von dem Könige bis zum Bettler, in Sack und Asche lag; - Alles war zerknirscht und zerschlagen, das Wort des Propheten hatte mächtiglich gewirkt, es hatte Wunder gethan. Aber das alles gefiel dem Propheten nicht, denn aus dem Worte von Untergang wurde nichts, sein Wort, seine Predigt wurde Lügen gestraft. Ja er zürnet billig, wie er meint. Und ohne auf Gottes Antwort, auf eine schonende und belehrende Frage zu merken, verläßt er die Stadt.

IV.

Und Jona ging zur Stadt hinaus und setzte sich gegen morgenwärts der Stadt und machte ihm daselbst eine Hütte, da setzte er sich unter, in den Schatten, bis er sähe was der Stadt widerfahren würde.

Ist, es möglich, möchte man fragen, hat der Jona ein so hartes Herz, daß er so wenig Acht gibt auf die Stimme des Herrn, auf die Belehrung des Heiligen Geistes! Ach ja, wenn Gott spricht: „Ich will das steinerne Herz aus euch wegnehmen und euch ein fleischernes Herz geben“, so mag es vor Gott wahr sein, und haben wir es zu glauben, daß er das steinerne weggenommen und ein fleischern uns gemacht hat. Ein weiches Herz wird wohl da sein, auch ein mitleidendes, barmherziges Herz, die volle Nächstenliebe, wenn der Herr es gesagt hat; wir sollen aber nichts davon sehen, nichts davon in unserer Macht haben, vielmehr es erfahren, daß wir an und für uns selbst das steinerne, unbarmherzige, lieblose Herz behalten haben. Denn das war ganz lieblos von Jona, sich dahinzusetzen und es abzuwarten, ob denn nicht die Stadt am Ende würde untergehen, so daß alles Schreien und heftige Rufen der Leute von Ninive, auch ihrer kleinen Kinder und des armen Viehs ihnen doch nichts geholfen hätte. Dazu setzte er sich in seinem Ueberdruß der fürchterlichsten Hitze der Sonne aus. Weil Ninive nicht in der Hitze des Zornes umkam, wollte er selbst sich durch die Hitze der Sonne plagen lassen und davon sterben, oder Gott sollte die Stadt umkehren. Da ihm aber die Hitze zu arg ist, machte er sich daselbst eine Hütte und setzt sich darunter in den Schatten; da ist er denn vor dem Sonnenbrande halb geborgen, aber Ninive muß durchaus umgekehrt werden, weil er solches geprediget.

Ob wir es besser machen? Haben wir den Menschen die Wahrheit zu sagen, so kommen wir mit Gottes Wort und drohen und dräuen mit diesem Worte; was nun das Wort wirken wird heute oder morgen, darauf geben wir nicht Acht, es muß aber so kommen wie wir gesagt, und ausrotten möchten wir das Unkraut mit dem Weizen.

Da sitzt nun Jona und wartet ab, ob nicht das Feuer von dem Himmel bald herunterfahren wird. Sieht's nicht aus, als wäre er der Teufel. O wie wenig war er Gotte ähnlich. Wie ganz schien es auf ihn anwendbar: „Wenn ich allen Glauben hätte, also daß ich Berge versetzte, und ich hätte der Liebe nicht, so wäre ich nichts“. Denket euch einen Menschen, selbst ein Sünder, der sonst doch wußte, daß ein Mensch nichts nehmen kann, es sei ihm denn von oben gegeben, - einen Menschen, dem so viel vergeben war, - er konnte die große gewaltige Stadt übersehen, welche in Sack und in Asche lag, und seine Eingeweide brausen nicht über den Tausenden unglücklicher Menschen, er würde gesagt haben „so ist es recht“, wenn die ganze Stadt in Flammen aufgegangen wäre! Nein, dieser Jona muß vor dem Gericht der Philanthropen verdammt werden. Schade nur daß die Philanthropen ganze Länder und Reiche, wie auch ganze Gemeinden in's Unglück und in's Verderben stürzen, wenn man nicht nach ihrer Philanthropie regieren und einhergehen will. Jona wird aber den Angefochtenen, die keine Liebe in sich finden, zum Trost vorgehalten, auf daß sie wissen, daß die Menschen Gottes - „Menschen“ sind, und daß sie aufhören die Liebe in eigner Hand haben zu wollen. Denn die Liebe welche die Gläubigen haben, ist in Christo Jesu und wird nur nach Gottes Willen rege, wenn der Geist in den Rädern ist; ohne das bringen sie es mit aller Liebe doch zu nichts, - denn ohne Gott wirkt ihre Liebe doch stets verkehrt, und ist alle unsere Gutthat Unthat, und unser Barmherzigsein ist Unbarmherzigkeit.

Es war doch auch eine Aufgabe für Jona; ließ Gott sein Wort nicht kommen, das er gepredigt, so wäre es nicht Gottes Wort, so sei er kein Mann Gottes, so sei Gott nicht mit ihm, sein ganzer Weg sei verkehrt, er stecke dann wohl in Sünden und Ketzerei, so habe er wohl gemeint, daß er den rechten Glauben habe, aber nunmehr zeige sich, daß sein ganzer Weg auf Einbildung beruhe, so sei Gott wider ihn und für die Niniviten, und er sei nicht errettet, sondern liege noch in der Finsterniß.

So ist der Mensch bei aller Erfahrung die er gemacht; weil er nicht Acht gibt auf alles, was zwischen dem Grund und Anfang liegt, wovon er ausgeht, und dem Schluß und Ende, wohin er steuert, so verdammt er Gott und eignen Weg oder des Nächsten Stand und den Gott seines Bruders. Es muß alles so kommen und so dastehen wie er es meint.

V.

Aber der große Hausvater weiß wohl was er in seine Kinder gelegt hat und wie er sie zu lehren hat, daß sie zufrieden werden mit allen seinen Wegen, sich tief schämen vor ihrem Gott und um so mehr ihn als den allein weisen Hort und Herrn erhöhen und groß machen. Die Hütte welche Jona sich erbaut hatte, gab ihm doch kaum Schatten genug gegen die Sonnenhitze, und je mehr die Sonne stach und die Umkehrung Ninive's ausblieb, um so verdrießlicher und zorniger mußte Jona werden. Da heißt es nun: Gott der Herr aber verschaffte einen Kürbis, der wuchs über Jona, daß er Schatten gab über sein Haupt und errettete ihn von seinem Uebel. Und Jona freuete sich sehr über den Kürbis. Gott der Herr, der Himmel und Erde erschaffen, kann wohl schnell da was emporkommen lassen, wo sonst nicht wächst; so überschattete er denn sein Kind mit einem Ricinusbaum. Das machte dem Jona große Freude, er war nun vor der Hitze besser geschützt, er wurde was besserer Laune, und er konnte das Umgekehrtwerden der Stadt was geduldiger abwarten. So gibt der Vater dem Kinde eine Spielsache, um es für einen Augenblick zufrieden zu machen in seinen Schmerzen. Jona mag wohl für einen Augenblick gedacht haben: nun laß Ninive noch eine Weile stehen bleiben, ich freue mich, daß ich es wenigstens hier was besser aushalten kann, und sein Eifer für Gottes Wort und Wahrheit legt sich ein wenig, indem er selbst etwas abgekühlt wird durch den schattenreichen Baum; so legt er sich zufrieden zur Ruhe, er hatte den schönsten Abend seines Lebens genossen. Aber der Herr, der den Fisch verschafft um ihn zu erretten von seinem verkehrten Wege, der den Baum gegeben um Jona schmecken zu lassen, wie wohl es einem Menschen ist, erlöst zu werden von seinem Uebel, verschaffte einen Wurm des Morgens, da die Morgenröthe anbrach; der stach den Kürbis, daß er verdorrete, - und aus war es mit allen frohen Erwartungen des Propheten, und die Sonne sing an zu brennen mit aller ihrer Gluth. Dabei bleibt es aber nicht einmal. Er bekommt Stoß auf Stoß. Nun ist ihm die Hütte nicht allein verdorben, der Kürbis nicht allein verdorrt, nicht allein sein schattiger Weiler ist ihm zerstört: Als die Sonne aufgegangen war, verschaffte Gott einen dürren Ostwind; und die Sonne stach Jona auf den Kopf, daß er matt ward. That Gott solches nun von Herzen? O er plagt und betrübt seine Menschenkinder nie von Herzen. Aber wir wollen des Wortes nicht Diener sein, sondern Meister. - Es hat manchmal den Anschein, als verfahre der Herr sehr hart und unbarmherzig seinen Kindern. Hat er ihnen eben was gegeben, daß sie sich darüber freuen, es währet nicht lange, und der dürre Ostwind ist wieder da, und gelogen scheint es was Gott verheißen: Die Sonne wird dich nicht stechen des Tages, noch der Mond des Nachts. Liegt's aber an Gott oder an uns? Hat er auch Ursache dazu, daß er uns klagen läßt: Er hat meinen Weg vermauert mit Werkstücken und meinen Steig umgekehret. Er hat auf mich gelauert wie ein Bär, wie ein Löwe im Verborgenen, er läßt mich des Weges fehlen, er hat mich zerstücket und zunichte gemacht. Wozu das über den Haufen werfen unsrer Freude, wozu der dürre Ostwind, wozu das Stäupen und Stechen? Das ist des Herr Liebe und Treue, uns zu belehren, daß er es allein ist, und daß wir nichts sind, seien wir auch ein Prophet, ein Mann Gottes, seien wir auch einer der Allerheiligsten. Die Hand in den Busen! in Christo Jesu ist Leben und an ihm die Frucht, und alles Bewegen, Thun, Denken und Wollen ist nach Gottes Gesetz lediglich in ihm. Aber wir, - mit allen Gaben des Geistes wissen wir, wenn es uns überlassen ist, nichts auszurichten, und was wir können, ist allein dieses, daß wir schön allerlei Verkehrtheit an den Tag legen, mehr aber vermögen wir nicht. Wir sollten es nur in Wahrheit von uns wissen wollen, Gottes Wort hin, Gottes Wort her, aber wir suchen das was die Naseweisheit und die Eigenliebe eingibt, und haben wir das in unsren Händen, nun so lassen wir alles Uebrige sein, was es sein mag. Das läßt Gott aber bei uns nicht stehen, es soll uns bekannt, uns aufgedeckt und von uns anerkannt werden, auf daß kein Fleisch sich rühme vor Gottes Angesicht, und Gott als 'Gott, als der allein weise und ewige König anerkannt bleibe, als ein Gott, der es allein versteht selig zu machen. Dazu kommt denn der dürre Ostwind, dazu muß uns vor und nach die Sonne auf den Kopf stechen, daß wir matt werden.

VI.

Verstehen wir das anfänglich, verstehen wir das in der Anfechtung? ach so wenig wie Jona. Er wünschte seiner Seele den Tod und sprach: Ich will lieber todt sein, denn leben. - War das nun Geduld unter Gottes Ruthe, war das nun ein Sich-christlich-beugen, ein Sich-hingeben unter Gottes Schläge? Gewiß nicht. Die Heuchler freilich haben immerdar der Tugenden so viel, daß sie von allem frommen Fleisch angebetet werden; die Aufrichtigen hingegen können sich keine Tugend erheucheln, sie geben sich wie sie sind, und die Heiligen zeigen sich Menschen um und um. Er weiß von keiner christlichen Gelassenheit; nun er den Kürbis nicht mehr hat, will er durchaus todt sein, und ob ihn Gott auch belehrt mit der Frage; Meinest du, daß du billig zürnest um den Kürbis, so hat er nicht mal Organ mehr für solche Belehrung, billig, antwortet er, zürne ich bis an den Tod. Das ist nun nicht zum Troste derer geschrieben, die in ihrem Leichtsinn sagen, ich wollte, ich wäre todt, weil sie ihre Gelüste nicht haben können nach Herzenswunsch, sondern zum Troste der angefochtenen und bekümmerten Gemüther, daß sie es doch verstehen, daß es nicht billig ist, so zu bestehen auf ihren fleischlichen Geschichten, und daß nichts über sie kommt, oder es ist von der Hand eines gnädigen und treuen Vaters, der für sie, wie schmerzlich ihnen auch manches sei, so. daß sie den Tod dem Leben vorziehen, doch alles zum Guten mitwirken läßt; denn das sollen alle Heiligen Gottes zu Herzens nehmen, daß sie darum sich den Tod wünschen, weil sie die Wege Gottes nicht begreifen. Es soll aber ein Menschenkind sich zwar vor Gott demüthigen seiner Sünde wegen, daß es sich so rebellisch gegen Gott erheben kann, aber darum soll es die Hoffnung der Seligkeit nicht fahren lassen. Am Ende wird er doch selbst sich schämen, daß er so gar nichts von Gottes Wegen gewußt und dieselben vor und nach nicht gut geheißen hat, wie das aller Heiligen Sünde und Unverstand ist; aber er wird doch am Ende auch heilig darüber lachen, daß der Herr das Ruder in seiner Hand gehalten und ihn getragen hat in seinem Busen wie ein Hirt das neugeborne Lamm.

VII.

Denn so machte es auch der Herr mit Jona.

Der Herr sprach: Dich jammert des Kürbis, daran du nicht gearbeitet hast, hast ihn auch nicht aufgezogen, welcher in einer Nacht ward und in einer Nacht verdarb. Und mich sollte nicht jammern Ninive, solcher großen Stadt? in welcher sind mehr denn hundert und zwanzig Tausend Menschen, die nicht wissen Unterschied, was rechts oder links ist, dazu auch viele Thiere.

Diese Rede des Herrn ist schlagend, ein Kind kann sie verstehen: - einen Menschen Gottes, zu allem guten Wert vollbereitet, jammert eines Kürbis, welchen er nicht gepflanzt auch nicht aufgezogen hat, einen Kürbis, welcher eines Abends kam und der Morgens frühe verschwunden war; aber es jammerte ihn nicht solcher großen Stadt Gottes als Ninive war. Wäre Ninive untergegangen, so hätte er Gott gepriesen, - weil der Kürbis verschwindet, wünscht er sich den Tod; Gottes Feuer würde er über die Niniviten haben kommen lassen, die ganze Hitze seines Zorns, er meint das brenne nicht, - und wo es ihn ein wenig brennt, will er nicht länger leben. Sein Wort aus dem Munde Gottes von Untergang soll rasch in Erfüllung gehn, aber ob Gott dadurch gerechtfertigt und der Nächste eben durch ein solches Wort errettet werde, kommt ihm nicht in den Sinn. So hat er denn gar keine Liebe Gottes und des Nächsten in sich, obschon er ein' Prophet des Herrn ist. Der Herr beschämt ihn sogar damit, daß er keine Liebe zu den jungen Kindern hat, daß er auch nicht an das Vieh gedacht, und also bloß an sich selbst. - Ja, einen Propheten jammert es mehr eines Kürbis, als einer großen Stadt.

Und mit dieser Belehrung und Frage des Herrn, worüber noch viel zu sagen wäre, schließt das Buch Jonä. Gar keine Antwort mehr von Jona, gar keine weitere Geschichte von ihm, wie denn nun sein Ende gewesen; auch kein Wort mehr von den Niniviten. Dazu auch viele Thiere, - das ist das letzte Wort des Buches.

Die Meinung des Heiligen Geistes habt ihr vernommen: nur in Christo Jesu ist ein Mensch vor Gott gerecht, Gott rechtfertigt einen Gottlosen, dieser Gottlose geht allein an der Hand der Gnade den Weg der Gebote Gottes und ist als solcher heilig, das Wort worin er aufgenommen ist, schafft alles vor ihm her und thut eitel Wunder. Nur durch tiefe Wege, durch die Hölle hindurch macht der Mensch diese Erfahrungen zur Seligkeit, und an der Hand seines Gottes thut er den guten, wohlgefälligen und vollkommnen Willen Gottes von Herzen.

Das ist aber alles des Heiligen Geistes Welk und Frucht, und kein Gesetz ist gegen einen solchen Menschen in Christo Jesu. Dagegen ist und bleibt ein solcher ein Mensch um und um, der von Gottes Wort und Wegen nichts Rechtes versteht, darum auch vor dem Gesetze an und für sich selbst gar nicht taugt. Geht es nicht, wie er es sich vorgestellt, alsbald wird er an allem irre, meint, er sei in seinem Rechte und Gott handle nicht mit ihm, wie er sollte, und gibt in seinem Unmuth Weg, Leben und Seligkeit, alles mit einander dran. Nur mit dem Sichtbaren ist ein Mensch an und für sich selbst zufrieden, und hat er es gut, so mag die ganze Welt treiben wie sie kann. Gott der Herr aber läßt die Seinen nicht in solchem verkehrten Sinn, sondern belehrt sie als ein guter und liebender Hausvater; so werden sie denn mehr und mehr beschämt über allen ihren Behauptungen und über dem was sie gesucht haben, und müssen am Ende gestehen: Gott ist allein weise, auch allein gut, er allein hat die Erkenntniß von Gutem und Bösem, ich bin nicht wie Gott.

Ich schließe meine Predigten mit der Bemerkung: wie gut es ist, daß wir Menschen, seien wir auch Propheten des Herrn, nicht Gott sind und Gottes Gewalt und Macht nicht in eigner Faust haben, sonst wäre die Kirche und die Welt schon längst zu Grund gerichtet, und es würde das eine Kind Gottes das andere in den Abgrund schleudern; nunmehr aber bleibt es dem Worte anheimgestellt, mit Juden und Barbaren, mit Keuschen und Huren, mit Ehrlichen und Zöllnern, mit Heiligen und Sündern, demnach auch mit einem jeden von uns zu handeln nach seiner Weisheit und nach seinem Gefallen.

Jona und Hiob waren irre an ihrem König geworden, weil sie nicht begriffen, daß ein guter Kriegsknecht die Treue des Königs nicht in Verdacht nehmen soll, wenn er auch durch einen Kugelregen hindurch muß, welchen der König selbst angeordnet; - und wer versteht den großen Gott in seinem Thun? Nur einer verstand ihn, kannte ihn, nahm ihn nicht in Verdacht, obschon der Vater ihn noch ganz andren Dingen Preis gab, sein Name ist Jesus Christus. Durch ihn sei Gott gepriesen, daß wir bei dem Weheruf: „Ich elender Mensch, wer wird mich erlösen von dem Leibe dieses Todes“ keine Verdammung zu erwarten haben.

Die Heiligen der Welt können mit ihrer Theologie von Werken, Heiligkeit und Tugend den Propheten Jonam nicht verstehen; aber die Heiligen Gottes kennen sich selbst nicht besser, sie freuen sich über Gottes Trostwort: „Ihr seid Menschen, aber ich bin euer Gott“. Und welche von euch solche Heiligen sind, freuet euch solcher unaussprechlichen Geduld und Langmuth der Liebe, womit Gott uns in die Lehre genommen. Sind bei uns Eingeweide, so sind sie da in Christo Jesu, - sonst sind nicht mal Eingeweide bei uns für die stummen Thiere, für das Geschöpf Gottes, welches keine unsterbliche Seele hat, wie viel weniger für die, welche unsterbliche Seelen haben. Es ist aus mit allem Ruhm des Fleisches. Wer sich rühmt, der rühme sich des Herrn allein. Ihm ist die Gerechtigkeit, die Weisheit und die Stärke, bei ihm allein die Treue, die Liebe, die Gewogenheit zu dem Verlornen; und so wird durch uns sein Rath vollbracht werden, daß er allein die Ehre davon haben wird. Bei uns die Beschämung, sein die Barmherzigkeit und Güte. Amen.

1)
Gal. 5, Vers 22. 23.
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