Kohlbrügge, Hermann Friedrich - VI. Predigt über 1. Ep. Petri Cap. 1. Vers 13 u. 14
Eure unermüdete Andacht nehme ich in dieser Morgenstunde ganz besonders in Anspruch, meine Geliebten! indem ich Worte behandle an deren Befolgung ein ewiges Leben hängt. So schreibt der Apostel: „Darum so begürtet die Lenden eures Gemüths, seid nüchtern und setzet eure Hoffnung ganz auf die Gnade, die euch dargeboten wird durch die Offenbarung Jesu Christi, als gehorsame Kinder.“ Nach dem Griechischen lauten die Worte wie folgt: „Darum, umgürtet an den Lenden eures Verständnisses, nüchtern handelnd, habet vollkommen gehoffet auf die Gnade, welche euch dargebracht wird in Offenbarung Jesu Christi, als Kinder des Gehorsams“.
Ich will diese Worte erst auslegen und angeben, wie man denselben im Leben nachkomme, und sodann etwas zur Anwendung sagen. Das Apostolische „Darum“ oder „Deßhalb“ reiht sich an das Alles an, was der Apostel zuvor geschrieben; als wollte er sagen: dieweil ihr keine todte sondern eine lebendige Hoffnung habt auf das Erbtheil der ewigen Seligkeit, dieses Erbtheil für euch in den Himmeln bewahret wird, ihr selbst in der Kraft Gottes durch den Glauben für dieses Erbtheil bewahret werdet; dieweil dieses Erbtheil bald von euch wird in Empfang genommen werden, wiewohl ihr eine Weile viel zu leiden habt, was doch nur geschieht, auf daß euer Glaube bewährt sei am Tage Christi; dieweil ihr selbst wisset, welche Liebe, welche Zuversicht dieser Glaube mitten im Leiden in euch gewirkt; dieweil ihr die himmlische Freude bereits im Anfange empfindet, und die Seligkeit eurer Seelen davon traget; dieweil ihr endlich solche Bürgschaften für die Gewißheit eurer Seligkeit habt, als da sind: die prophetischen Weissagungen, die apostolische Verkündigung, den heiligen Geist in den Propheten und nunmehr vom Himmel gesandt, und die Engel, welche es gelüstet die Dinge eurer gewissen Errettung zu durchschauen: - „darum habet vollkommen gehofft auf diese Seligkeit“. Der Apostel schickt etwas voraus, was dazu gehört um vollkommen auf die Seligkeit zu hoffen. Wir sollen „gegürtet sein an den Lenden“. Eine bildliche Redeweise, den Sitten der Morgenländer entnommen, welche um die Lenden einen Gurt tragen und damit ihre langen Kleider aufschürzen und anbinden, damit sie um so rascher vorankommen, besonders damit sie ihre Kleider rein halten wenn sie durch den Schlamm hindurch müssen, kurz alle dem entkommen, was sie in ihrem Gange sonst hemmen möchte. Der Apostel schreibt solches aber von den Lenden unseres „Verständnisses“. Dieses Wort „Verständniß“ kommt außer dieser Stelle noch viermal in den apostolischen Schriften vor: Col. 1, 21: „die ihr weiland Fremde und Feinde waret durch die Vernunft (das Verständniß) in bösen Werken; nun aber hat er euch versöhnt“ - Eph. 1, 18: „Daß der Gott unsers Herrn Jesu Christi, der Vater der Herrlichkeit, - euch gebe erleuchtete Augen eures Verständnisses, daß ihr erkennen möget, welche da sei die Hoffnung eures Berufs“- Ebr. 8, 10: „Ich will geben meine Gesetze in ihren Sinn (in ihr Verständniß)“ so wiederum Ebr. 10, 16: „Ich will mein Gesetz in ihr Herz geben, und in ihre Sinne (in ihr Verständniß) will ich es schreiben“ und 1. Joh. 5, 20: „Wir wissen aber, daß der Sohn Gottes gekommen ist und hat uns einen Sinn (das Verständniß) gegeben, daß wir erkennen den Wahrhaftigen“. Der Apostel will also zu verstehen geben, daß, nachdem die ewige Seligkeit so gewiß ist, wir es mit dem Verständniß machen sollen, wie die Leute die voran wollen es mit ihren Kleidern machen: daß wir um den Verstand den Gurt der Einfalt des Glaubens legen sollen, auf daß der Verstand nicht durch allerlei Gedanken und Ueberlegungen, die nichts fruchten, indem sie nichts taugen, verdorben oder festgehalten werde, und wir also in unserer Hoffnung nicht gehemmt werden, sondern in ihr einen leichten Gang zu Gott haben.
Wir sollen dazu „nüchtern sein und nüchtern handeln“. - Das ist abermal eine bildliche Redeweise; der Mann der sich mit zu viel Speise oder Getränke, besonders mit Wein beschweret hat, wird auch den Verstand beschweret haben und schlecht voran kommen. Der Apostel meint: daß wir besonnen sein mögen, so daß wir von uns entfernen all die verkehrten Gedanken, welche der Teufel einraunt, Fleisch und Blut eingeben, und die Leute deren Theil in diesem Leben ist, uns einflößen wollen. Die ewige Seligkeit, welche bereit ist geoffenbaret zu werden, nennt er „Gnade“ - denn sie schließt in sich Alles was wir von Gnade denken können, und ist um so mehr eine Gnade, als wir bis zu unserm letzten Hauche sie nicht werden verdient, vielmehr verwirket haben. Der Apostel Paulus nennt diese Gnade die Krone der Gerechtigkeit, welche der gerechte Richter ihm geben würde; und der Apostel Jakobus nennt sie die Krone des Lebens. Der Apostel sagt, daß diese Gnade „uns dargebracht wird in der Offenbarung Jesu Christi“. Etliche übersetzen: welche uns dargeboten wird in der Offenbarung Jesu Christi, verstehen unter Gnade die Begnadigung und was die Begnadigung in sich schließt, und legen es so aus, daß dieselbe uns dargeboten oder von Gott vorgehalten wird, und wir dieselbe überkommen, sobald wir solche im Glauben annehmen; - die Offenbarung Jesu Christi ist nach ihnen: die Offenbarung seines Namens und seiner Heilsverdienste, durch die Predigt des Evangeliums. - Wir haben aber Offenbarung Jesu Christi zu verstehen wie Vers 7; sie ist die Erscheinung unsers großen Gottes und Heilandes am jüngsten Tage, und heißt Offenbarung, weil Jesus Christus, den wir, ihn von Angesicht gar nicht kennend, lieben, uns alsdann wird offenbar werden; - alsdann wird uns diese Gnade, auf welche wir vollkommen hoffen dürfen, die Krone des Lebens, der Lohn nach dem Streit des Leidens, der volle Genuß der ewigen Herrlichkeit dargebracht werden, das ist: alsdann wird sie uns geschenket werden, uns zukommen; denn wir bringen sie nicht mit, wenn wir dem Herrn entgegen kommen, sondern er bringt sie mit, wenn er kommt um uns zu sich zu nehmen, daß wir seien wo er ist. Auf diese Gnade mögen wir „hoffen“, das ist: sie langsam und geduldig abwarten mit der Zuversicht des Herzens daß sie endlich wird kommen, bleibe sie auch lange aus; wie der Apostel Paulus schreibt Gal. 5, 5: „Wir aber warten ab am Geist, aus Glauben, die Hoffnung der Gerechtigkeit“. Wir dürfen „vollkommen“ auf diese Gnade hoffen, das ist: alle unsere Sinne und Gedanken darauf heften, und zwar bis ans Ende. Und das als „gehorsame Kinder“, das ist: als Kinder die entwöhnet sind und doch von der Mutter der Speise warten, oder als solche, die dazu geboren sind, daß sie auf die Stimme des treuen Hirten „horchen“, der es uns sagt: dies ist der Weg, weder zur Rechten noch zur Linken! - die nur Ohren haben für die Verheißung dessen, aus dessen Fülle wir Alle empfangen haben auch Gnade um Gnade, der uns zuruft: Siehe, ich komme bald. Das ist die Auslegung der Worte; nunmehr will ich angeben, wie denselben im Leben nachgelebt wird. Diese Worte treffen Leute an, welche in einem höchst traurigen Zustande verkehren: welche zwar nach Vorsehung Gottes auserwählet sind in Heiligung des Geistes, zum Gehorsam und Besprengung des Blutes Jesu Christi und wiedergeboren sind zu einer lebendigen Hoffnung, welche also zum ewigen Leben verordnet sind, denen die ewige Herrlichkeit bereitet ist, aber sie können von dem Allen nichts festhalten, sie haben weder Augen noch Ohren für diese Worte; denn sie sind so heruntergemacht durch allerlei Anfechtung von Außen wie von Innen, daß nach ihren Reden zu urtheilen, oder nach den Gedanken des Herzens für sie nicht viel mehr oder gar nichts zu hoffen ist. - Oder sie treffen solche Leute an, die zwar aus Gott geboren, aber in einer höchst bedenklichen Lage sind, und um welche es bald geschehen sein wird, wenn diese Worte sie nicht beleben; Teufel, Welt und Sünden haben sie wankelmüthig gemacht, sie von dem Wege listig abgeführt und in die Grube geworfen; durch allerlei Leiden mißmuthig gemacht, haben sie im Unglauben nachgegeben, nach dem Fleisch zu wandeln begonnen, und das Herz ist ihnen entfallen. - Oder sie treffen solche Leute an, die, obwohl aus Gott, ich muthwillig so in allerlei verkehrte Dinge hineingearbeitet haben, daß es vergeblich und eitel scheint wenn sie noch was hoffen. Ueberhaupt also Leute, bei denen die Gedanken obwalten: alle diese Dinge sind gegen mich, auf was sollte ich noch hoffen? - und es brauchte nur noch Ein Stoß hinzuzukommen, so wäre es geschehen um ihr Leben, würden sie nicht in der Kraft Gottes bewahret durch einen Glauben, der sich in einem Ach und Weh, in Seufzen und Jammern, oder in steter Unruhe des Herzens offenbaret. Es sei aber die Lage auch noch so hoffnungslos, ist man aus Gott, so hat Gott, wenns zum höchsten gekommen, ein Wort bereit und er zieht zu dem Worte; und durch den Geist der Gnaden werden diese oder ähnliche Worte in das verzagte Herz hineingeworfen, und was die Worte aussagen, ist Leben im Herzen, und das Herz ist in den Worten oben; und das apostolische „darum“ lautet so: Weil unsere, weil meine Sache so bei Gott steht, so wage ich es in dem Namen des Herrn Jesu. - Namentlich ist dies der Fall in dem harten Kampf des Glaubens, in dem Kampfe zwischen Heiligung nach dem Werkbunde und der Heiligung des Geistes, in dem Kampfe zwischen Werken der eignen Gerechtigkeit und der Besprengung des Blutes Jesu Christi, in dem Kampfe der Selbstreinigung und der Reinigung durch den Glauben. So aber umgürten die Angefochtenen die Lenden ihres Verständnisses: „Gott“ schreibt der Apostel Paulus 2. Cor. 4, v. 6 u. 7 „Gott, der da hieß das Licht aus der Finsterniß hervorleuchten, der hat einen hellen Schein in unsere Herzen gegeben - die Erkenntniß der Klarheit Gottes in dem Angesichte Jesu Christi. Wir haben aber solchen Schatz in irdischen Gefäßen, auf daß die überschwängliche Kraft sei Gottes, und nicht von uns“. Ihr vernehmet wie Paulus die Lenden seines Verständnisses umgürtet, indem er schreibt: die überschwängliche Kraft sei Gottes und nicht von uns; in irdischen, nicht in himmlischen Gefäßen; in einem Leib der Sünde, in einem Leibe, allerlei Versuchungen, dem Elend und dem Tode übergeben, tragen wir diesen Schatz, von uns keine Kraft und von uns kein Licht - die Kraft ist Gottes, und diese ist eine überschwängliche. Er gab einen hellen Schein in unsere Herzen, daran halten wir uns und fragen nicht nach unserer Ohnmacht. So umgürten die Gläubigen die Lenden ihres Verständnisses, daß sie, mit dem von Gott erleuchteten Verstande wissend, von wem sie die Kleider des Heiles und den Mantel der Gerechtigkeit haben, um diese Kleider den Gurt des Geistes, der Gerechtigkeit und des Glaubens binden; des Geistes, nicht nach Fleisch zu wandeln, oder nach dem Willen des Fleisches und der Vernunft; der Gerechtigkeit, sich für solche zu halten, die der Sünde gestorben sind indem Christus der Sünde gestorben ist zu einem male, und die Gotte leben in Christo Jesu, ihrem Herrn, indem Christus Gotte lebt, das er lebet; und des Glaubens, kurz weg diesen Schluß zu machen: der Mensch werde gerecht ohne Gesetzes Werk durch den Glauben allein. So umgürten die Gläubigen die Lenden ihres Verständnisses, daß sie sich mit von Gott erleuchtetem Verstande umschlungen halten von allen den Heilswahrheiten die zu ihrer Seligkeit dienen, und fortwährend diesen Schluß machen: Es ist mit mir ein Gar-aus und mit allem Fleische und seinem Ruhm, und mit aller Herrlichkeit, Willen, Pracht, Kraft und Treiben der Welt, das kann. Alles nicht halten - Gottes Wort allein bleibt, er allein bleibt, der in diesem Worte beharret: alles Fleisch ist Gras, und alle Herrlichkeit der Menschen wie die Blume des Feldes; das Gras ist verdorret, seine Blume ist abgefallen; aber das Wort des Herrn, woran ich mich halte, bleibet ewiglich, und dies allein wird thun, wozu es zu mir gekommen ist. Und so sind sie nüchtern und handeln besonnen: daß sie sich nicht blenden, auch das Ziel nicht verrücken lassen durch die stets neu auflebenden Sünden, durch den stets von neuem, in allerlei Gestalt die angreifenden Bösewicht, durch die Zauberflöte der eigengerechten und ungerechten Welt, durch allerlei Ueberlegungen von Fleisch und Blut, sondern mit allen Gedanken fest an dem Einen halten: Du, Herr Christe, bist meine Gerechtigkeit vor Gott, und ich bin deine Sünde; und an dir werde ich meine Frucht finden - das Heil ist Gottes. Sie achten die Gefahr nicht leicht, sind stets verloren in sich selbst, sie sehen die Abgründe wohl, aber besonnen in Gefahren von welchen sie stets umringet sind, bleiben sie vor Anker liegen; dieser Anker geht hinein in das innere Heiligthum, dort sehen sie ihn festliegen und ziehen ihn nicht auf trotz dem Sturme, sondern wurzeln tief in dem einzigen Felsen der Errettung und harren des Herrn. Und so umgürtet an den Lenden ihres Verständnisses, nüchtern und besonnen, machen sie es wie Paulus schreibt: „Ich werfe nicht weg die Gnade Gottes; denn so durch das Gesetz die Gerechtigkeit kommt, so ist Christus vergeblich gestorben“. (Gal. 2, 21.) Sie hoffen vollkommen auf die Enderfüllung alles dessen, was Gott ihnen in dem ewigen Bunde der Gnade und des Friedens geschworen hat ihnen zu geben. Der Apostel schreibt: „habet gehofft“, als wollte er sagen: Ihr hoffet nicht, Hoffnung ist nicht Frucht eures Ackers; nehmet die Hoffnung da her, wo sie zu nehmen ist, aus dem Testamente das Gott euch gemacht, und welches rechtskräftig wurde in dem Tode seines eigenen Sohnes; in diesem Testamente sind euch alle Schätze des Himmelreichs vermacht. Hoffet „vollkommen“ schreibt er, als wollte er sagen: Sehet von allen andern Dingen ab, denn darin ist für euch keine Hoffnung, sehet lediglich auf den Anfänger und Vollender eures Glaubens. Und so geschiehts auch im Leben, obschon man es selbst nicht weiß - denn das ist eines jeglichen Gläubigen Herzenssprache: Ich weiß und habe nichts und Niemand anders als ihn; wenn Er es nicht thut, so komme ich nicht durch; wenn es die ewige Gnade nicht thut, wenn nicht ewige Gnade mir entgegen kommt, wenn der Herr Jesus Christus sich offenbaren wird und Er nicht ohne Sünde, nicht mit Gnade kommt: so muß es mir doch ergehen wie Sodoma und Gomorrha. Darum nennt auch der Apostel Petrus hier selbst die ewige Seligkeit Gnade. „Habet darauf gehoffet“, schreibt der Apostel; er schreibt nicht: habet daran geglaubt; denn ach! in Noth der Seelen - man möchte wohl glauben, aber man kann nicht; man glaubt wohl, aber man weiß es nicht, und weiß nichts anders, als daß der Höllensturm über Einen losgeht, man bleibt wohl vor der Thür der Gnade liegen - und macht man sich in Muthlosigkeit davon weg, man kriecht doch wieder dahin - aber da liegt man machtlos und kann nicht festhalten, indem auch von Oben herab jede Hülfe verzieht, der Teufel steiniget einen fast mit allerlei schrecklichen Gedanken: daß man gnadenlos ist, daß man Zorn finden wird an jenem Tage; - wo aber der Glaube so dahin scheint, da geht doch die Hoffnung nicht aus den Kindern Gottes, so daß sie doch noch hoffen über alle Hoffnung hinaus. Einem rechtmäßigen Erben geht ein Erbtheil, so lange er es noch nicht hat, sein Leben lang nicht aus den Gedanken; den Erben Gottes geht ihr Erbtheil noch viel weniger aus dem Sinn - und die Hoffnung darauf kann ihnen nicht genommen werden, denn Gott hat es ihnen gesagt, daß sie in einem Testamente stehen; aber Teufel, Tod, Sünde und Welt machen ihnen den Proceß, auf daß sie das Erbe nicht bekommen. Die Kinder Gottes haben nichts, um ihr Recht geltend zu machen, und ihre Seelenfeinde sind mächtiger und scheinen es gewonnen zu haben - aber die Hoffnung geben sie nicht auf - und doch stecken sie in Noth, aber Gott läßt nicht fahren die Werke seiner Hände; zu seiner Zeit und Stunde belebt er sie mit diesen Worten: Jesus Christus wird sich offenbaren als derjenige, der er für euch ist; in seiner Offenbarung kommt er mit seiner ganzen Gnade, er erwartet nichts von euch, diese Gnade wird euch zugebracht, wird euch angetragen werden, und in solcher seiner Gnade wird er euch aufnehmen, euch mit sich nehmen in seine ewige Herrlichkeit; hoffet ganz darauf „als gehorsame Kinder!“ O, wie machen solche Worte mit einemmal ein gehorsames Kind, gehorsam: im Gedächtniß zu halten Jesum Christum auferstanden aus den Todten, im Gedächtniß zu halten das ewige Erbe, das verheißene Gut; wie denn Kinder ein gutes Gedächtniß dafür haben wenn man ihnen etwas verspricht, und Jahre lang darauf hoffen, bis sie das Versprochene haben; ja sie sehen es in ihrem Geiste schon sich dargebracht und darbringen, lange vor dem Tage an welchem sie es bekommen. - So werden auch die Kinder Gottes durch diese apostolischen Worte also zubereitet, daß sie sich Gottes Gnade und Erbarmung ergeben so wie sie sind, daß sie seiner harren wie entwöhnte Kinder. Wie arm und elend fiel auch sind, können sie doch nicht horchen auf solche, die ihnen was vorzaubern wollen von menschlicher Kraft und Macht, Heiligkeit und Geschicklichkeit. Sie können nicht horchen auf die Schriftgelehrten und Pharisäer, die sie lehren wollen ihre Seligkeit zu gründen auf halb Gottes- und halb Menschenwerk. Sie können auch darnach nicht fragen ob eine solche Lehre Ehre bei Menschen und ein Stück Gold und Silber abwirft. Sie können nicht horchen auf die große Menge, welche geführet von Beelzebub, ausposaunet daß sie gradeswegs gen Himmel zieht, da es doch an den Werken auf der Hand liegt daß sie höllenwärts geführt wird; sondern sie müssen horchen auf die Lehre Christi, sich freuen des Zeugnisses, das Paulus auch den Thessalonichern gab: „Ihr seid Nachfolger gewesen der Gemeinen Gottes in Judäa in Christo Jesu, daß ihr eben dasselbige erlitten habt von euren Blutsfreunden, das jene von den Juden“; (1. Thess. 2, 14) und eben weil sie sich in sich selbst so gnadenleer fühlen, ist es ihnen ein Wunder, wie der Geist Christi in ihnen bleibt.-Das erkennen sie an als freie Gnade; sie verdammen sich selbst, achten sich täglich, stündlich aller Gnaden unwerth, halten sich blindlings an des Herrn Verheißung - und eben weil sie keinen andern Grund mehr haben (denn Alles ist ihnen hingesunken) verlassen sie sich ganz auf die einzige Gerechtigkeit welche vor Gott gilt, und können nicht anders denn ganz darauf hoffen, und dabei in Demuth bleiben: das Werk das er in mir hat angefangen, wird er vollenden, wird er verherrlichen an jenem Tage, wenn er kommen wird daß er herrlich erscheine in seinen Heiligen und wunderbar in allen Gläubigen. 2. Thess. 1, 10. Diejenigen von uns, welche ihre Hoffnung gesetzt haben theilweise auf die Gnade, theilweise auf einen Wandel nach dem Fleische; theilweise auf Erbarmung Gottes, theilweise auf Ehre und Gunst bei denen die da sagen, daß die Juden sind und sie lügen es; theilweise auf die ewige Seligkeit, theilweise auf die Welt und was in der Welt ist; also theilweise auf das Ewige, theilweise auf das Sichtbare - seien gewarnt, denn sie vernachlässigen den apostolischen Befehl, das Gesetz Gottes: „Setzet eure Hoffnung ganz auf die Gnade“; sie sollen nicht meinen daß auch ihnen die Gnade wird dargebracht werden in der Offenbarung Jesu Christi, sondern wenn sie sich nicht bekehren von ihrem Halbwesen, wird sie das Wort treffen: „Verflucht ist der Mann, der des Herrn Werk lässig treibt“ und: „Verflucht ist der Betrüger, der ein Männlein in der Heerde hat, und opfert Gott den Krüppel und das Blinde“. Und diejenigen von uns welche vor und nach in ihrem alten Wesen des Zweifels bleiben, weil sie fitzen bleiben auf ihren Sünden, anstatt ihre Sünden dem Herrn zu geben und seine Stärke zu ergreifen; die da meinen sie thuen Gott damit Ehre an, daß sie die Achseln zucken: sollen doch bedenken, welches Vergnügen sie dem Teufel machen, daß sie in den Wind schlagen das apostolische Wort: „Setzet eure Hoffnung ganz auf die Gnade“. Ich bekenne es: es ist dem Menschen, es sei bei Anfang oder Fortgang, er sei jung oder alt in der Gnade, aus sich unmöglich, die Hoffnung ganz auf die Gnade zu setzen - aber wo wir das apostolische Wort haben, welches Gottes Wort ist, sollen wir da solchem Worte nicht gehorchen? Sollen wir erst etwa eine nähere Bestätigung aus dem Himmel erwarten, eine Stimme welche uns zuruft: „Thue du das auch!“ - so kann uns der Tod erhaschen über solcher Erwartung. O, wo wir dies apostolische Wort haben, gewiß, wir thun Gottes Willen wenn wir diesem Worte gehorchen! Der Teufel verklagt uns und er hat Recht, die Welt mit ihrem Quasi-Gesetz verurtheilt uns und sie hat Recht; denn warum sind bei uns die Tugenden nicht, die sie erheuchelt? Die Noth drängt von allen Seiten, und es scheint, Gott höre nicht, Gott schlafe, Gott habe uns verlassen, er sei grimmig, zornig über die Schafe seiner Weide. (P. 74, 1.) Der Tod droht uns mit Schrecken der Ewigkeit; - und nun gar das tiefe und grundlose Verderben in uns? Was für Dinge alle kommen da aus dem Herzen hervor als aus einem giftigen Pfuhl, und wurden sogar noch so eben zur That! Aber was machts, ob alle Feinde über uns her sind? - nur diesem apostolischen Worte gehorcht, und wir müssen den Sieg reichlich davon tragen in Christo Jesu. \ Legen wir den Gurt dieser Wahrheit um den von Gott erleuchteten Verstand, selbst wenn wir weder hören noch sehen können vor lauter Seelenangst - was ist denn noch von mir mehr zu erwarten, als was ich wirklich spüre? Wohlan, an ihm halte ich mich: Christus ist Gottes Weisheit und Kraft - in ihm ist meine Vollendung. Seien wir so besonnen, daß, wenn auch die Fluth kommt, wir doch dafür halten, daß der Fels unseres Heils unerschütterlich steht und gewurzelt ist in dem Herzen ewiger Erbarmung. Es muß Alles Elend sein was wir gewahr werden, so wird auch die Hoffnung ganz ein. Diese Hoffnung - der Gott und Vater belebe sie mehr und mehr in euch Gläubigen: Er kommt, er kommt, mein Gott und mein Bürge, er bringt die Gnade von Oben mit sich; darum, ob ich gnadenlos in eurer Mitte als besiegt liege, o, ihr Feinde meiner Seele alle, gebe ich doch, den Namen nicht auf, nach welchem ich Verlorner und Verdammungswürdiger von Mutterleibe an genannt wurde in meiner Taufe - den Namen dessen in welchem all mein Heil steht; und der sich nicht schämen wird vor seinem Vater und vor allen Engeln, auch vor der Welt nicht, aller derer welche er sich erkauft hat mit seinem theuern Blute, einem ewig gültigen Lösegeld! Amen.