Kohl, Albert - Der Herr als der Fels.

Kohl, Albert - Der Herr als der Fels.

Predigt über 2. Sam. 22, 2. (Anf.) Albert Kohl. evang.-reform. Prediger zu Elberfeld.

Eingang.

Der Mensch ist, seiner irdischen Erscheinung nach, ein Kind der Zeit, und, als solches, dem mannigfachsten Wechsel, den mannigfachsten Veränderungen unterworfen. Dieser Wechsel findet Statt in Beziehung auf seine Lage: heute reich an irdischen Gütern und morgen vielleicht arm, heute gesund und morgen krank, heute geehrt und morgen verachtet, heute von Freunden umgeben, und morgen verlassen, heute von Dienern umringt, die auf seine Winke merken, und morgen selbst zum Diener geworden. - Dieser Wechsel findet Statt in Beziehung auf seine innere Beschaffenheit: heute fröhlich und morgen traurig, heute stark und morgen schwach, heute voll Hoffnung und morgen hoffnungslos, heute mit Much erfüllt, und morgen muthlos und zerschlagen, heute auf den höchsten Höhen und morgen in den tiefsten Tiefen. - Diesem Wechsel ist der Mensch besonders in Hinsicht des Uebergangs aus der Zeit in die Ewigkeit unterworfen. Wie der Mensch in der Zeit entsteht, so findet er auch in derselben sein Grab. Der Mensch steht auf einem Boden, der unterwühlt ist, der unter seinen Füßen schwankt, und der in einem jeden Augenblick sich öffnen und auch ihn, wie alle früheren Geschlechter, zu seiner Ruhestätte führen kann. - Daß der Mensch etwas Festes in diesem Wechsel, etwas Dauerndes in diesem Wandel haben muß, wer möchte das in Abrede stellen? wer möchte leugnen, daß er mitten in dem Meere, dessen Wogen ihn tragen, einen Felsen haben müsse, auf dem er fußen und an dem er sich halten könne? - Sehen wir besonders auf unsere Zeit - wie wir denn als Christen verpflichtet sind, auf die Zeit und auf die Zeichen der Zeit zu achten: - so wird uns ein solcher Fels noch nothwendiger erscheinen. Wie ungestüm haben sich alte Verhältnisse geändert. Wir dürfen nicht ferne gehen, so sehen wir alte Herrscherthronen, die lange fest begründet waren, zertrümmert; wir brauchen nicht weit zu suchen, so finden wir Länder, wo auf den Zustand der Ruhe und der Eintracht und des Friedens, Zeiten des innern, des schrecklichen Streits gefolgt sind, wo Leben und Eigenthum, früher gesichert durch den Schutz der Gesetze, nun im höchsten Grad gefährdet sind; wir dürfen nicht weit wandern in entfernte Gegenden, um Völker im Aufruhr zu erblicken, die früher stark durch Einigkeit gewesen. Ueberall gährt es in den Gemüthern und der Fürst dieser Welt hat in vielen Herzen die Wahrheit: „Alle Obrigkeit ist von Gott,“ und den Befehl: „Seyd unterthan der Obrigkeit, die Gewalt über euch hat,“ verwischt. - Sehen wir von den weltlichen Reichen ab auf die Kirche, so bietet sich uns auch da ein ungestümes Meer dar und es bestätigt sich die Wahrheit: durch Kampf zum Siege. Kräfte des Lichts und der Finsterniß sind im Streit begriffen, heftiger denn je. Alte Glaubenslehren, von den Vätern mit Gut und Blut vertheidigt, werden verworfen oder doch angefochten und der Herr selbst muß sich meistern lassen von den Kindern dieser Zeit, die selbstständige Weisheit von einer Schaar von Thoren. - Wer möchte da sich nicht nach einem Felsen sehnen, an dem er sich halten, auf den er sich stützen könnte? - Und, Gottlob, wir haben einen solchen in den Veränderungen unserer äußern Lage, in den Veränderungen unserer Gemüthszustände, in den Veränderungen in der Welt und in der Kirche. David zeigt ihn uns, wenn er spricht: „Der Herr ist mein Fels,“ -

Text: 2. Sam. 22. 2. (Anf.): „Der Herr ist mein Fels,“ -

Die Worte unsers Textes bilden den Anfang eines Lobgesangs, zu dessen Abfassung sich David durch einen Rückblick auf sein verflossenes Leben veranlasst sah. Er stand am Abend seiner Tage und lichte war es für ihn geworden. Seine Wohnung war nicht mehr in der Höhle Adullam, sondern auf dem Berge Zion und seine schmerzensvolle Flucht über Kidrons Bach vor Absalom seinem Sohne, hatte sich in ein fröhliches Wandeln in den Vorhöfen des Herrn verkehrt. Seine Feinde waren überwunden. Saul, sein Todfeind, war durch die Schärft des Schwerts gefallen und seine verbrecherische Hand konnte nicht mehr den Speer nach dem Haupte des Gesalbten des Herrn schleudern. Absalom, sein aufrührerischer Sohn, hatte längst den Lohn seiner Thaten empfangen und seine Verfolgungen hatten ihr Ende erreicht. Simei's Mund, der in Flüchen sich früher geöffnet, war längst verschlossen und es hatte sich an David bestätigt, was er im 23. Psalm ausgesprochen: „Du bereitest mir einen Tisch gegen meine Feinde.“ In tiefer Ruhe von Innen und Außen saß er da auf dem Throne, zu dem der Herr selbst ihn von den Heerden seines Vaters berufen und genoß der königlichen Würde, zu der er durch Samuels Hand geweihet war. Ein Frühling war für ihn gekommen nach langen Winterstürmen; der Segen des Herrn strömte auf sein Haupt hernieder und bestätigt hatte sich an ihm, was er im 23. Psalm gesungen: „Gutes und Barmherzigkeit werden mir folgen mein Leben lang.“ - Im Rückblick auf den früheren Kampf mit grausamen Feinden, im Hinblick auf den gegenwärtigen Sieg und auf die tiefe Ruhe, im Rückblick auf die Zeit des Kummers und der Leiden, und im Hinblick auf die Freude und den Jubel, die sein Herz jetzt ergriffen, dichtete er dem Herrn einen Lobgesang, nimmt die Harfe, die lange an den Weiden gehangen, herunter und greift in ihre Saiten und der erste Ton, der laut wird, ist das Wort: „Der Herr ist mein Fels.“ Laßt uns nach Anleitung dieses Worts Jesum, den Herrn, als den Fels mit einander betrachten.

Daß wir, abgesehen von den Worten unsres Textes, im höchsten Grade berechtigt sind, Jesum Christum, als den Felsen zu betrachten, bedarf unter uns wohl feines Beweises, da wohl wenige nur unter uns seyn möchten, denen nicht die eine oder die andre Stelle aus der heiligen Schrift geläufig wäre, wo er also genannt wird. Der Apostel Paulus, der, durch den Geist von Oben erleuchtet, die alttestamentlichen Geschichten geistlich deutet und in denselben tiefe Beziehungen auf den Neuen Bund und auf Christum, den Mittelpunkt der ganzen Schrift findet, nennt ausdrücklich Jesum den Fels, wenn er 1. Corinth. 10., 4. sagt: „Sie trunken aber von dem geistlichen Fels, welcher mitfolgte, der war Christus.“ - Fassen wir nun den Felsen, wie er in der Natur sich findet, ins Auge, so werden wir mancherlei an demselben entdecken, was uns ein tröstliches Bild ist von dem, was wir als Christen an Christo haben. Der Felsen ist alt, ein Ueberbleibsel aus den frühesten, ersten Zeiten der Schöpfung. Er ist hingepflanzt von dem Alten der Tage, da, als das Wasser vom Lande getrennt und einem jeden seine bestimmte Stelle angewiesen wurde. Die Thiere, die um uns sind, die Bäume, die uns kühlenden Schatten bieten und nährende Früchte, die Gräser, die unsre Felder mit lieblichem Hoffnungsgrün kleiden, die Wolken, die über unserm Haupte herziehen, sie sind ein junges Geschlecht, jünger meist, als wir Menschen selbst. Jahrtausende dagegen sind an dem Scheitel des Felsen vorübergezogen, und könnte er reden, so würde er Kunde geben von den ältesten Zeiten. Ist die ganze Erde ein weites Grab, über dem sich der Boden als ein schützender Rasen verbreitet, so ist der Fels das Denkmahl und der Leichenstein, der auch dann noch steht, wenn das Gebein längst verwittert und zu Staub geworden ist. - Jesus Christus der Fels ist von Ewigkeit. Er hat keinen Anfang, vor allem Geschaffnen war er da. War er doch selbst das schöpferische Wort, von dem Johannes sagt, daß durch dasselbe alles gemacht sey. Daher heißt es denn auch: „ehe denn die Berge wurden, ehe die Erde gemacht wurde, bist du, o Herr, von Ewigkeit zu Ewigkeit.“ Er war's, der vor aller Zeit, im Rathe der Wächter, auf die große Frage: „Wen soll ich senden, wer will unser Bote seyn?“ die Antwort gab: „Hier bin ich, sende mich.“ Er konnte den Juden sagen: „Abraham sahe meine Tage und freuete sich;“ und als sie dagegen Einwendungen machten, erwiedern: „Ehe denn Abraham war, war ich.“ - Laßt uns denn freuen und fröhlich seyn, daß wir einen solchen Fels haben an Christo und stets daran gedenken, daß er vor aller Zeit da war und gewußt um die Wege der Seinigen und um alle ihre Schicksale; daß er es war, der mit einem Adam redete und der den Abraham leitete, daß er es war, der einen Moses führte, und der einen David nach seiner herzlichen Barmherzigkeit annahm. Und wenn wir nach dem Worte des Gesetzes, unsre Kniee gerne beugen vor einem grauen Haupte, so laßt uns fortan in aller Ehrfurcht vor Christo wandeln, der gestern ist und heute, und derselbe in Ewigkeit. - Der Fels besitzt neben seinem Alter auch Festigkeit. Mag Jahrtausende lang der Sturm sein Haupt umwehen und die Welle seinen Fuß bespühlen, und mögen Menschen ihre Kraft an ihm versuchen, er steht fest und unbeweglich. - Auf Christum, den geistlichen Fels findet dieß seine Anwendung. Haben Jahrtausende schon versucht, seine Herrschaft zu untergraben, haben Millionen von Menschen, in ihres Herzens Uebermuth, ihn vom Thron zu stürzen versucht, hat der Fürst der Finsterniß von der Stunde seines Falls an, bis auf diesen Augenblick, den festen Plan verfolgt, sein Reich in Trümmer zu legen, so bleibt er wie gestern, so auch heute derselbe. Die Pforten der Hölle sollen sein Reich nicht überwältigen; er ist der Fels und sein Reich ist auf einem Felsen erbaut. Einst wird die Zeit kommen, wo auch der Teufel und seine Engel erkennen und einsehen, daß sie an einem Fels sich versucht und daß ihre Künste und Bemühungen vergeblich gewesen. - Fest wie Jesu Herrschaft sind auch seine Worte, seine Drohungen sowohl als seine Verheißungen, und bleiben, wenn Himmel und Erde vergehen. Droht er den Zeitgenossen Noahs, daß sie untergehen, den Bewohnern Sodoms und Gomorrhas, daß Feuer und Schwefel sie verzehren soll, so muß es geschehen. Verkündigt er den Bewohnern Jerusalems, daß nicht ein Stein auf dem andern bleiben soll - der Erfolg hat die Festigkeit seiner Drohung bewährt. Droht er den ungläubigen und genußsüchtigen Israeliten in der Wüste, daß sie in das Land der Verheißung nicht kommen sollen, so können sie wohl die Grenze erreichen, nicht aber das Land selbst berühren. - Spricht er: wer weder kalt noch warm ist, den will ich ausspeien aus meinem Munde; es werden nicht alle, die zu mir sagen: Herr, Herr, in das Himmelreich kommen; droht er den Uebelthätern, daß er zu ihnen sagen wolle: weichet von mir, ihr Uebelthäter, und zu dem, der kein hochzeitlich Kleid an hat: „bindet ihm Hände und Füße - so werden diese Drohungen aufs genaueste in Erfüllung gehen. - Spricht er aber nun auch hinwiederum zu den Seinigen: „Es sollen wohl Berge weichen und Hügel hinfallen, aber meine Gnade soll nicht von dir weichen, und der Bund meines Friedens soll nicht hinfallen, spricht der Herr dein Erbarmer;“ verheißt er: „ich gebe den Müden Stärke und Kraft genug den Unvermögenden;“ befiehlt er zu predigen von den Gerechten, daß sie es gut haben; sagt er den Mühseligen und Beladenen Erquickung und Ruhe für die Seele, den Dürstenden Wasser des Lebens um-, sonst zu und dem frommen und getreuen Knecht, daß er eingehen solle zu seinen Freuden, so gehen diese Verheißungen gewiß in Erfüllung und ihre Erfüllung bestätigt, daß Jesus der Fels ist. - Fest und stark ist auch der Wille des Herrn. Sein Wille ist unsre Seligkeit; er will nicht, daß der Sünder sterbe, sondern daß er sich bekehre und lebe; er will, daß den Menschen geholfen werde und daß sie zur Erkenntniß der Wahrheit kommen und weil dieß sein Wille ist, darum sendet er zu allen Zeiten Boten mit der Freuden- und Friedensbotschaft und mit der Bitte: laßt euch versöhnen, und mit der Ermahnung: wendet euch zu mir. Darum wird sein Geist nicht müde, die Welt zu strafen, darum streckt er seine Hände aus nach den Menschenkindern, und durstet nach ihnen. - Fest ist seine Liebe. Die Braut im Hohenliede singt: Seine Liebe ist stark wie der Tod. Das hat er auf Golgatha bewiesen, wo er durch seine Liebe den stärksten Tyrannen den Tod überwunden. Liebt er dich, so vermag nichts dich zu scheiden von seiner Liebe, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, weder Hohes noch Tiefes, weder Engel noch Fürstenthum. Liebt er dich, so mögen weder deine Schwachheiten, noch deine Mängel und deine Gebrechen dich seiner Liebe berauben. Du hast ihn zum Fürsprecher und das Feuer seiner Liebe wird nicht ruhen, bis du geläutert bist von allen Schlacken, und von allem, was dir anklebt und dich träge macht. Felsen sind äußerlich unansehnlich, bergen aber in ihrem Innern die größten Schätze. Du ziehst vorüber an manchem Felsen, und dein Auge sieht weiter nichts als eine unansehnliche Steinmasse. Könnte dein Blick aber das Innere erschauen und seine Tiefe durchspähen, so würdest du glänzende Edelsteine erblicken, im lieblichsten Farbenschimmer und Stücke des werthvollsten Goldes. - Jesus Christus ist dem Felsen darin ähnlich. Zwar glänzt er jetzt in einem Glanze, der unendlich heller ist, als der Sterne Glanz, und Licht ist sein Gewand und Engel dienen ihm. Zwar ist er jetzt erhöhet und mit der Herrlichkeit bekleidet, die er bei dem Vater hatte, ehe der Welt Grund gelegt war. Zwar trägt er nun den Stab des Gerichts und den Scepter der Macht in seinen Händen und thronet über der Himmel Himmel. Aber es gab auch eine Zeit, da war er dem Felsen ähnlich, unansehnlich in seiner äußern Erscheinung, geboren von einer armen Magd, in der Krippe zu Bethlehem, seinen Brüdern in allem gleich, ausgenommen die Sünde, arm, indem er nicht hatte, wo er sein Haupt hinlegte, ein Menschenkind, wie wir Alle, ja sogar ohne Gestalt und Schöne, ein Fluch der Leute und endlich eine stumme Leiche in Josephs von Arimathia Grab gelegt. - Und doch dem Felsen äußerlich ähnlich in seiner Erscheinung, war er ihm auch darin gleich, daß er die theuersten Schätze barg. Oder warum rühmt ein Johannes: „und wir sahen seine Herrlichkeit, eine Herrlichkeit, gleich des eingebornen Sohnes vom Vater, voller Gnade und Wahrheit,“ und warum spricht ein Petrus: „Herr, wohin sollten wir gehen? Du hast Worte des ewigen Lebens.“

Von ihm aus ging Heilung aller, selbst der verzweifeltsten Schäden und Krankheiten. Wer an ihn sich wandte, wurde mit Schätzen der Weisheit bereichert. Seine Worte waren Worte des Lebens, seine Reden Thautropfen auf dürres Erdreich, seine Gaben waren Schatze des Himmels. Seine Hand war gefüllt mit Segnungen, und zur Weisheit, Gerechtigkeit, Heiligung und Erlösung gemacht, hatte er zugleich die Fülle alles Trostes, alles Friedens, aller Freude, aller Kraft, alles Lebens und aller Seligkeit. - Und, was Jesus damals war, das ist er noch immer, ein Fels, der die herrlichsten Schätze der Weisheit, der Gnade und der Wahrheit verbirgt. - Der Fels dient dem schüchternen Thiere, dem Vogel des Himmels zur Zufluchtsstätte. Die Taube namentlich, mit ihrem silbernen Gefieder, die Taube, das schüchternste unter den Thieren, wird in dem Alten Testament als ein Bewohner der Felsen? Spalten genannt, und während der stolze Adler, der König der Vögel, auf seinen Fittichen, sich hoch über die Felsen erhebt, birgt sich die Taube in der stillen Felsenwohnung. - Auch Jesus, der Fels, ist für die Schüchternen und Blöden, für die Mühseligen und Beladenen, für die von Sünden Belasteten und Geängsteten eine Zufluchtsstätte. Ein David findet bei ihm Trost und Vergebung, eine Maria Magdalena Gnade, ein Schacher das Paradies, ein Paulus Licht, ein Kerkermeister Seligkeit, ein Jeder alles, was er bedarf. In seinen Wunden ist Ruhe. - Aber nur der Taube dient er zur Wohnung - der Hochmüthige und Selbstgerechte, der Stolze und Sichere findet keine Wohnung bei ihm. - Der Fels ist der einzig sichere Grund. Wer sein Haus darauf baut, braucht nicht die Stürme des Himmels, nicht die Wogen des Meers zu fürchten. Jesus spricht daher auch von einem klugen Mann im Evangelium, der sein Haus auf einen Felsen baut; so wie von einem Thörichten, der Sandgrund zum Fundament erwählt. - Ist Jesus der geistliche Fels, so steht es auch fest: nur er ist ein sicheres Fundament unsrer Seligkeit. Darum sagt denn auch Paulus: „Einen andern Grund kann Niemand legen, als der gelegt ist, welcher ist Christus.“ Darum heißt er auch ein auserwählter und köstlicher Eckstein, der in Zion gelegt ist. - Gründe deine Seligkeit auf deine Weisheit und Gelehrsamkeit, auf deine Redlichkeit und Rechtschaffenheit, auf deine Gottesdienstlichkeit und Wohlthätigkeit: du wirst am Ende finden, daß du auf Sand gebaut. - Gründe sie auf Jesum, auf sein Verdienst, auf seine Gnade, du wirst im Ofen der Trübsale, ja selbst in der Stunde des Todes finden, daß dein Grund Felsengrund war. - Der Fels wird mit Recht ein Träger der Erde genannt. Sie sind die Felsen, welche das Erdgebäude halten und demselben seine Festigkeit mittheilen. Daher auch jene Sage des grauen Alterthums von jenem Atlas, der den Erdball auf seinen Schultern trage. - Jesus, der geistliche Fels, ist der Träger aller Dinge. Deshalb sagt ja auch Paulus im Hebräerbrief von Gott: er trage alle Dinge mit seinem kräftigen Wort, unter welchem Worte Niemand als Christus zu verstehen ist. Und in der That, Christus ist der Träger und Erhalter von Allem. Er trägt das Irdische, er trägt das Geistliche. Er erhalt die Seinigen, seine Jünger und Freunde im Gedränge, in Leiden und in Kämpfen, in Anfechtungen und Stürmen, in Wüsten und auf Meeren, unter Feinden und Widersachern. - Und wenn er sie nicht hielte, was würde aus der Welt geworden seyn? Längst schon wäre auch sie in ihr ewiges Nichts zurückgesunken. - Felsen können, wie sie zur Zufluchtsstätte dienen, so auch zum Verderben gereichen. Wer sich auf dieselben wagt, kann von ihrem Gipfel in die tiefsten Tiefen gestürzt werden. - Auch Jesus, der Fels des Heils für seine Jünger und Freunde, ist ein Fels des Verderbens für seine Feinde. Wie sein Wort ein Geruch des Todes zum Tode, für Alle, die nicht an ihn glauben, wie sein Kreuz für Alle ein Anstoß und Aergerniß, die nicht, den verwundeten Kindern Israel in der Wüste gleich, gläubig ihre Augen darauf heften, so ist er selbst auch ein Fels des Aergernisses und ein Stein des Anstoßes, für Alle, die ihn verwerfen, die nicht an ihn glauben, die nichts von ihm wissen wollen. - Ein Fels ist hoch. Wer auf ihm steht, ist erhöhet über alle Umgebung, läßt alle, selbst die höchsten Gegenden, weit unter sich. - So verhält sich's auch mit dem geistlichen Fels, mit Christo. Wer auf ihm gegründet ist, diesem Felsen, der ist erhöht über allen Wechsel, über die niedere Dünste, die Lüste und Begierden, die aus dem Thale der Erde emporsteigen. Während die furchtbarsten Ungewitter über die Erde dahinziehen, während Donner und Blitze die Bewohner der Erde erschrecken, steht er im Glanze einer ungetrübten und unverhüllten Sonne. Bürger der Welt ist der Gläubige Hausgenosse Gottes, irdischer Pilger, hat er seinen Wandel im Himmel. Auf diesen Felsen gegründet, sieht ein Stephanus mitten im Steinregen seiner Feinde, den Himmel offen und Jesum zur Rechten seines Vaters, zu seiner Hülfe und Rettung bereit. -Ein Fels überschaut alle Lande. Christus, der Fels, durchspähet alle Winkel der Erde. Ihm ist Niemand verborgen. Daher auch: „wo soll ich hingehen vor deinem Geist, wo soll ich hinfliehen vor deinem Angesicht? führe ich gen Himmel, siehe, so bist du da; bettete ich mir in der Hölle, siehe so bist du auch da; nähme ich Flügel der Morgenröthe, so würde mich doch deine Hand daselbst führen und deine Rechte mich halten.“ Er folgt uns mit seinen Blicken auf allen Wegen, wie der Fels uns folgt in den Grenzen des ganzen Landes. Ueberall sehen die Seinigen ihren Fels, ihren Heiland, in dem Buche der Natur und in dem Buche der Schrift, in der Geschichte und in den Führungen ihres Lebens. - Aus Felsen sprudeln Quellen, und während die Quellen in der Ebene, in der Hitze des Sommers, gewöhnlich versiegen, so versiegen die Quellen nie, die aus dem Felsen rinnen, weil die Wurzeln der Felsen in die Tiefen der Erde reichen. - Auch aus dem geistlichen Fels, aus Christo, sprudeln Wasser des Lebens. Der Fels in der Wüste, geschlagen mit dem Stabe Mosts, ist uns davon ein liebliches Vorbild. Sind wir versehen mit dem Stabe des Glaubens, so sprudeln auch uns, aus der Gemeinschaft mit Christo, die herrlichsten Wasser des Lebens. Zur Samariterin spricht Christus: „wer des Wassers trinken wird, das ich ihm gebe, den wird ewiglich nicht dürsten, sondern das Wasser, das ich ihm geben werde, das wird in ihm ein Brunn des Wassers werden, das in das ewige Leben quillt.“ Er ladet die Dürstenden ein, bei ihm von dem Wasser des Lebens umsonst zu kaufen und er verheißt: „ich will Wasser gießen auf die Durstigen und Ströme auf die Dürren.“ - Und das Wasser, das aus diesem Felsen sprudelt, reinigt von aller Sünde, stärkt in aller Schwache, macht gesund von jeder Krankheit, und erquickt in jeder Lage. -

Doch genug von dem geistlichen Felsen, von Christo. Möchten wir Alle auf ihm gegründet seyn, alle unsere Wohnung auf ihm gegründet haben! Hatten wir alsdann doch etwas Bleibendes im Wechsel und etwas Dauerndes im Tode und könnten ruhig seyn mitten in der Unruhe. - Sind wir auf ihm erbaut, diesem christlichen Felsen, - wohlan, so wollen wir außer diesem köstlichen Grund, nach keinem andern fragen und forschen, und mit dem Dichter stets bekennen vor aller Welt: „Der Grund, darauf ich gründe, ist Christus und sein Blut.“ - Wer aber unter uns noch nicht auf ihm gegründet ist; wer noch andre Stützen kennt, eigne Weisheit und eigne Gerechtigkeit, worauf er sich verläßt, der nehme zu Herzen die große Gefahr, in der er schwebt, und die Stürme und Wellen, die ihn bedrohen! der fliehe zu Christo, dem Felsen, damit er gerettet werde, wie Lot einst in Zoar; damit nicht auch er einst sprechen müsse: „Ihr Berge, bedecket mich, und ihr Hügel, fallet über mich,“ damit nicht für ihn auch Christus, der auserwählte Eckstein in Zion, ein Stein des Anstoßes werde, sondern er mit David und allen Gläubigen rühmen könne: „Der Herr ist mein Fels!“ Amen.

Quelle: Rheinische Missionsgesellschaft - Evangelische Zeugnisse aus dem Wupperthale

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